50 Jahre Ingenieurschule Wädenswil (ISW)

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1992 von Josef Auf der Maur

Zwei Jahre nach dem Hundertjährigen der Eidgenössischen Forschungsanstalt konnte im vergangenen Sommer auch die Ingenieurschule im Grüental ein Jubiläum feiern. Vor 50 Jahren, mitten im Zweiten Weltkrieg, am 8. Juni 1942, öffnete die neugegründete Fachschule für Obstverwertung ihre Tore. Wie es dazu kam und was aus der bescheidenen Fachschule bis heute geworden ist, wollen die folgenden Zeilen schildern.

MOSTEN WILL GELERNT SEIN

In den dreissiger Jahren verlagerte sich die Herstellung von Birn- und Apfelmost immer mehr von der bäuerlichen Eigenverwertung auf die gewerbliche Mosterei. Damit stiegen die Anforderungen an die beruflichen und technischen Kenntnisse der «Moster». Der Ruf nach besser ausgebildeten Mitarbeitern kam daher von den fortschrittlichen und grösseren Betrieben her. Die Moster sollten die Zusammenhänge besser erfassen und die technischen Möglichkeiten besser nutzen können.
Um also die Obstverwertung in der Schweiz auf ein besseres Niveau zu heben, ertönte der Ruf nach einer Fachschule für Obstverwertung. Als erster formulierte diese Idee im Frühjahr 1939 der Verwalter der OVA in Affoltern am Albis, Mathias Störi. Zu ihm gesellte sich der Präsident des Schweizerischen Obstverbandes, Nationalrat Josef Stutz in Zug, der die Frage des Berufsnachwuchses im Obstverband auf die Tagesordnung setzte und eine Fachschulkommission ins Leben rief, welche das Anliegen aufgriff und in die Tat umsetzte.

DIE STANDORTFRAGE – WARUM WÄDENSWIL?

Mathias Störi plante den Neubau eines Schul- und Konvikt-Gebäudes neben der Mosterei Affoltern am Albis, womit ein Lehr- und Demonstrationsbetrieb verfügbar gewesen wäre. Zur Sprache kamen auch weitere Standorte, wie Wädenswil und Orte in den Kantonen St. Gallen und Thurgau. Um den Standort kam es in der Kommission zu lebhaften Diskussionen. Heinrich Zweifel (Zürich-Höngg) und Fritz Indermühle (Kiesen BE) gelang es, Wädenswil als mittlere Lösung durchzubringen. Für diesen Standort sprach vor allem der Umstand, dass hier die Eidgenössische Forschungsanstalt (damals «Versuchsanstalt» genannt) für Obst-, Wein- und Gartenbau ihr Domizil hatte. Fachlich, räumlich und personell konnte eine Zusammenarbeit auf dem Sektor Getränketechnologie von grösstem Nutzen sein. Noch war nicht vorgesehen, die neue Fachschule auf Obstbau, Rebbau, Weinbereitung und Gartenbau auszuweiten. Emil Züllig, dem ersten Direktor der Schule, schwebte jedoch seit der Anfangsphase eine künftige Ausweitung in diesen verwandten Bereichen vor.
Für den Standort Wädenswil sprach auch die zentrale Lage in der deutschsprachigen Schweiz mit ihren guten Bahnverbindungen. Aus heutiger Sicht darf erwähnt werden, dass die günstige Verkehrslage auch in den letzten Jahren von Gewicht war, als es darum ging, der Ingenieurschule weitere Berufszweige (Lebensmittelingenieure, Baumschulisten, Staudengärtner und Landschaftsbauzeichner anzuvertrauen.

WER SOLL DAS BEZAHLEN?

War nun also die Standortfrage geklärt und entschieden, so lastete ein ebenso heikles Problem auf den Schultern der Fachschulkommission: die Finanzierung der Schule. Ein Schul- und Internatsgebäude zu erstellen, kam vorderhand nicht in Frage. Zu diesem Verzicht zwang während des Krieges der Rohstoffmangel, da Eisen und Zement der Kriegswirtschaft unterstanden. Für diesen Schulbau hätte allerdings ein Anfangskapital zur Verfügung gestanden: 100‘000 Franken, welche die SAPLA (Saft-Propaganda an der Landesausstellung in Zürich) in ihrer Mostwirtschaft «Zum roten Öpfel» im «Landidörfli» erwirtschaftet hatte. Die SAPLA-Mitglieder unter dem Präsidium von Mathias Störi steckten diesen Reingewinn in eine Stiftung zur Heranbildung und Ertüchtigung junger Obstverwertungsfachleute. Das Geld wurde 1949 in das «Zuppinger-Gut» auf dem Rötiboden (Wädenswil) investiert, das für längere Zeit als Standort der künftigen Schule ins Auge gefasst wurde. 
Dieses sowie ein anderes Projekt auf der Halbinsel Au wurden später fallengelassen. Erst mit dem Grüental zeichnete sich auf Wädenswiler Boden ein definitives Projekt ab. Die Investition auf dem Rötiboden erlaubte es 1988 der «Stiftung technische Obstverwertung», auf dem Schulareal Grüental das Mostorama zu erstellen und der Schule zu schenken. Die Finanzierung der Schulbauten im Grüental 1984 fand ihre angemessene und solide Lösung durch die neue Trägerschaft des 1976 in Kraft getretenen Konkordates von Bund und Kantonen.
Die 1942 eröffnete Fachschule musste vorläufig mit Räumen vorlieb nehmen, die man von der Gemeinde und der Eidgenössischen Forschungsanstalt zur Verfügung erhalten hatte. Damit nahmen die Betriebskosten ihren Anfang, noch ehe die Öffentliche Hand ihren Beitrag zugesichert hatte. Die finanzielle Last trugen in den ersten zwei Jahren ausschliesslich die interessierten Betriebe und Verbände. Die Beschaffung von Geldmitteln für den Schulbetrieb blieb indessen bis zum Konkordat 1976 eine mühsame und aufreibende Angelegenheit. Emil Züllig, der erste und langjährige Direktor (1942 bis 1978), verfügte über Weitblick und zähes Durchhaltevermögen in diesen schwierigen Anfangsjahren.

Das alte Gewerbehaus an der Schönenbergstrasse 3 in Wädenswil. Sitz der Schule von 1942 bis 1984. Aufnahme von 1950.

ERSTE SCHULJAHRE

Die am 8. Juni 1942 eröffnete Fachschule für Obstverwertung wurde seit Beginn von einer starken Persönlichkeit geprägt: von Emil Züllig, Ing. agr. ETH, einem Bauernsohn aus dem Thurgau. Ihn unterstützte aufs Beste Heinrich Zweifel von Zürich-Höngg als langjähriger Schulpräsident. Emil Züllig war zu Beginn der einzige vollamtliche Lehrer. Ihm zur Seite standen sieben Lehrbeauftragte. Den Unterricht erteilten sie in Räumen der Eidgenössischen Forschungsanstalt sowie im Alten Gewerbehaus (Schönenbergstrasse 3), wo auch die internen Schüler Unterkunft fanden und Emil Züllig logierte, das Internat leitete und im Einmannbetrieb die Verwaltung besorgte.
Wie mühsam die Anfangsjahre waren, zeigen einige Besonderheiten, die Erwähnung verdienen. Da es der jungen Fachschule an Demonstrationsmaterial und Fachliteratur fehlte, mussten die Lehrer ihre Unterrichtsvorlagen selber erarbeiten. Direktor Züllig sah sich immer wieder veranlasst, Sponsoren für die Schulbibliothek ausfindig zu machen. Wegen häufigen Militärdienstes von Lehrern und Schülern war der Schulbetrieb öfters gestört und erschwert. Das Internat im Alten Gewerbehaus war nach Zülligs Aussagen sehr spartanisch eingerichtet und glich einer «Truppenunterkunft im Aktivdienst».
Emil Züllig, Direktor der ISW von 1942 bis 1978.
Der Schlafraum befand sich unter dem Dach und war nur über eine halsbrecherische Holztreppe erreichbar. «Wir machten damals gelegentlich Rettungsübungen mit Hilfe einer Strickleiter für den Fall, dass mal ein Brand ausbrechen sollte.» Das Internat hatte auch den Zweck, nach dem Unterricht die für das Studium nötige Ruhe zu gewährleisten und das Herumlungern und Zeitvertrödeln zu verhindern. Verpflegt wurden die Schüler im damaligen Restaurant «Eintracht» am Plätzli. Von der Verpflegung heisst es, sie «war schmackhaft und reichlich und gab zu keinen Beanstandungen Anlass». Später wurden die Lehrlinge im Alkoholfreien Restaurant «Sonne» verköstigt, wo auch ein Dutzend Lehrlinge Unterkunft fanden.
Mit den Lehrbetrieben pflegte die Schule einen regen Kontakt. Man hatte ihr auch die Organisation und Gestaltung der Berufslehre der «Moster» übertragen. Die Schule führte die Lehrabschlussprüfungen durch und hatte die schwere Bürde übernommen, den Schülern eine geeignete Lehrstelle zu vermitteln und nach Lehrabschluss eine passende Arbeitsstelle zu besorgen. Diese delikate und nicht immer dankbare Aufgabe verursachte grossen administrativen Aufwand. Züllig schätzte indessen den Kontakt mit den Betrieben und zog daraus für die Schule einen gewissen Nutzen, indem er aus erster Quelle Einblick in betriebliche Probleme und Übersicht über den Arbeitsmarkt gewann.

VOM OBSTSAFT ZUM WEIN

Es gab schon seit Anfang der Fachschule Stimmen, die eine Angliederung des Weinfaches als nützlich bezeichneten. Über Jahre hinweg drang Ernst Peyer, Sektionschef an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für die Belange des Weinbaus und der Kellerwirtschaft, mit Wort und Schrift auf die Errichtung einer Weinfachschule. Ihm schwebte vor, die künftigen Winzer aus den allgemeinen landwirtschaftlichen Schulen herauszunehmen und sie in Rebbau und Kellerei weiterzubilden. Sein Aufruf fand in der Fachwelt ein Echo. Dass es 1950 zur Errichtung der Weinfachabteilung an der Fachschule zu Wädenswil kam, ist schliesslich dem Einfluss der vereinigten Weinwirtschaftskreise zu verdanken.
Ein Bundesbeschluss von 1944 schreibt vor, dass nur diejenigen Weinhandel betreiben dürfen, die sich über ausreichende Kenntnisse in Weinbereitung und Kellereitechnik ausweisen können. Dieser Beschluss machte es für die Weinbranche notwendig, eine Institution zu finden, welche die erforderlichen Kurse durchführen konnte. Das erklärt auch, warum vorerst nur die Weinbereitung, nicht aber der Rebbau der Fachschule angegliedert wurde. Die Durchführung der weinfachlichen Kurse war so dringend, dass auf Drängen der Eidgenössischen Weinhandelskommission und im Einvernehmen mit den interessierten Amtsstellen, schon 1949, ein Jahr vor der offiziellen Gründungsfeier der Weinfachschule, der erste vierwöchige Kurs angeboten wurde.
Im Hinblick auf die Weinhandelskurse und für den Aufbau der gesamten Weinabteilung wurde Dr. Walter Eggenberger, Dipl. ing. agr. ETH, in den Lehrkörper berufen. Die Schule wurde nun 1950 in «Schweizerische Obst- und Weinfachschule» umbenannt. Wie schon für die Obstverwertung, errichtete man auch für das Weinfach eine eigene Stiftung, wodurch die Schule nun über zwei Stiftungen als Träger verfügte.
Mit dem Unterricht über Rebbau setzte die Schule erst 1951 ein, als auf der Halbinsel Au mit der Anlage des Schulrebberges begonnen wurde.

Der international bekannte Weinkenner Dr. Walter Eggenberger, ehemals Vizedirektor der ISW, beim Degustieren.

DER REBBERG AUF DER HALBINSEL AU

Im 8. Jahresbericht der Fachschule (1949/50) schreibt Emil Züllig: «Die fachliche Schulung im Rebbau setzt, um den Unterricht praktisch gestalten zu können, die Anlage eines eigenen Schulrebberges voraus. Am Südhang der Halbinsel Au, der auf dem linken Ufer des Zürichsees unbestritten als die beste absolute Reblage angesprochen wird, soll dieser Schulrebberg errichtet werden.» 1950 waren die Pachtverhandlungen mit dem Au-Konsortium abgeschlossen und 127 Aren künftiges Rebgelände für die Dauer von zwanzig Jahren der Schule überlassen, wobei sich der Pachtvertrag stillschweigend für weitere zehn Jahre erneuert, wenn er ein Jahr vor Pachtablauf von keiner Partei gekündigt wird. Präsident des Au-Konsortiums war damals Fritz Weber-Lehnert, Mitinhaber der Brauerei Wädenswil, der für das Anliegen der Schule grosses Verständnis zeigte.
Weinlese im Rebberg der Ingenieurschule Wädenswil am Südhang des Au-Hügels. Aufnahme aus den 1950er Jahren.

Mitte Januar 1951 konnte mit dem Bau der Rebanlage begonnen werden. In Zusammenarbeit mit dem kantonalen Meliorationsamt stellte Dr. Walter Eggenberger Pläne und Kostenberechnungen auf. Die Behörden sicherten für die Neuanlage Subventionen von 55 Prozent des Kostenvoranschlages zu. Mit Hilfe eines amerikanischen Bulldozers konnten am Steilhang die notwendigen Planierungen vorgenommen werden. Mitte April war der Boden zur Bepflanzung bereit. Als erstes Los wurden am Steilhang 41 Aren Blauburgunder angepflanzt, wozu die Eidgenössische Forschungsanstalt das Pflanzenmaterial lieferte. Auf den 1. Mai 1951 konnte Herr H. Schwarzenbach, Dipl. Ing. agr., gewonnen werden, der sich mit Hingabe um das Gedeihen der jungen Pflanzen bemühte.
Als im Frühjahr 1952 weitere 74,5 Aren Reben gepflanzt waren und der Rebberg somit rund 115 Aren umfasste, entfielen 68 Prozent auf rote und 32 Prozent auf weisse Sorten. Im Allgemeinen verwendete man das Stickelsystem, doch legte man eine Parzelle von 28,8 Aren zu Lehr- und Demonstrationszwecken als Drahtanlage an. Neben Blauburgunder und Riesling x Silvaner, den in der Ostschweiz üblichen Sorten, wurden in kleinerem Ausmass auch Räuschling, die alte Rebe des Zürichsees, sowie weisser und roter Gutedel ins Sortiment aufgenommen.
Im Frühjahr 1952 ergab sich für die Schule die günstige Gelegenheit, das Pachtareal auf der Halbinsel Au wesentlich zu erweitern. Das Landwirtschaftsgut gleich neben dem bisherigen Schulrebberg mit fast 17 Jucharten Land konnte vom Besitzer Dr. H. Boller-Baer gepachtet werden, und zwar zu einem günstigen Pachtpreis. Vorerst konnte von diesem Pachtland noch nichts für den Rebberg abgezweigt werden. Die Obstanlage bot im Hinblick auf den künftigen Obstbau gute Voraussetzungen. Für den Rebbau war aber die Möglichkeit geschaffen, im Untergeschoss des Wohnhauses den Weinkeller einzurichten. Der Landwirtschaftsbetrieb, damals noch mit Viehhaltung, verschaffte dem Rebberg Mist. Mit dem zukünftigen Meisterknecht ergab sich die Möglichkeit, an Ort und Stelle einen Betreuer der Reben einzustellen.
Am 30. April 1962 lief der Pachtvertrag mit Dr. Boller ab, und er bot sein Land der Schule zum Kauf an. Anfänglich war die Stiftung Obstfach einem Kauf nicht abgeneigt. Doch führten die weiteren Verhandlungen dazu, dass die Gemeinde Wädenswil mit Unterstützung des Kantons Zürich das Land kaufte, «um die Halbinsel Au vor der Überbauung zu schützen». Die Gemeinde verpflichtete sich, das Land weiterhin der Fachschule zur Bewirtschaftung zu überlassen, und der Pachtvertrag konnte bereinigt werden.
Ehemaliges Bauerngut Vorder Au. Die Scheune links beherbergt seit 1978 das Weinbaumuseum am Zürichsee.


Emil Züllig verkaufte nun das Vieh und erstellte eine grössere Obstanlage. Nun konnte auch der Rebberg um eine Hektare erweitert werden. Im alten Wohnhaus gewann man einen Raum für die Kelterung und Lagerung des Weins. Es war nun möglich, in diesem Haus Personal einzuquartieren. Aber schon in einem Protokoll von 1963 heisst es, das Haus sei in einem miserablen Zustand und sei abbruchreif. Der Abbruch hat aber bis heute nicht stattgefunden.

DAS GRÜENTAL ALS DEFINITIVER STANDORT

Das Areal Grüental liegt auf einer Verflachung im Hanggelände, 100 Meter über dem Zürichsee, und gehört dem Kanton Zürich. Er hatte es 1946 erworben, um die Landwirtschaftliche Schule (Winterschule) zu errichten, welche die zirka 30 Jucharten bewirtschaftete. Im Sommer diente das zugehörige Schulhaus der Haushaltungsschule für Töchter.
Das einst von der Landwirtschaftlichen Winterschule un der Hauswirtschaftsschule genutzte, 1947 erstellte heutige Schul- und Internatsgebäude im Grüntal. Ansicht von Süden, 1955.

Als infolge starker Bautätigkeit in der Zürichseegegend die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe immer mehr zurück. ging, hob der Regierungsrat 1964 die Landwirtschaftliche Winterschule auf. Für die Schweizerische Obst- und Weinfachschule (SOW) war dies ein Glücksfall. Sie konnte sogleich den Betrieb übernehmen, mit Bauernhaus und grosser Scheune. Das Schul- und Internatsgebäude konnte hingegen erst 1973, als die Hauswirtschaftsschule nach Affoltern am Albis übersiedelte, ganzjährig übernommen werden.
Das Grüental wurde zum Grundstock der Schule und bot die geeignete Fläche für künftige Erweiterungen. Hierzu gewährte der Kanton Zürich für 100 Jahre das Baurecht. Die grosszügigen Betriebsflächen ermöglichten in unmittelbarer Nähe zur Schule das Erstellen von Obst-und Gartenanlagen. Der Unterricht im Obstbau hielt 1962 auf der Technikerstufe, 1969 auch auf der Lehrlingsstufe Einzug.

BEDEUTENDE VERSTÄRKUNG DURCH DEN GARTENBAU

Auf dringendes Ersuchen der Gartenbaukreise kam es 1970 zum Anschluss der Gartenbau-Abteilung. Der Andrang aus allen Richtungen des produzierenden Gartenbaus war so stark, dass schon bald alljährlich ein neuer Technikerlehrgang erforderlich war, während die übrigen Fachrichtungen nur alle zwei Jahre einen neuen Lehrgang eröffnen konnten. In der Folge expandierte der Gartenbau an der ISW auch im Bereich der Lehrlings- und Weiterbildungsstufe. 1988 übernahm die Schule auch die theoretische Ausbildung der Baumschulisten und Staudengärtner des dritten Lehrjahres sowie die gesamte Berufsausbildung des neu gegründeten Berufes «Landschaftsbauzeichner». Für ausgebildete Gärtner eröffnete die ISW gleichzeitig den ersten Kurs in «naturnahem und ökologischem Gartenbau». Die Frequenz der Gartenbau-Abteilung ist so stark, dass zurzeit (1992/93) ein besonderes Schulungsgebäude für diese Abteilung erstellt wird.

DIE NEUBAUTEN IM GRÜENTAL

Das Schulgebäude der früheren Landwirtschaftlichen Schule im Grüental, das 1964 teilweise und 1973 voll übernommen werden konnte, umfasste nebst dem Internat nur drei Schulzimmer und ein Labor. Alle Ingenieurklassen sowie einzelne Lehrlingsklassen besetzten den grössten Teil des alten Gewerbehauses im Dorfzentrum Wädenswil. Eine Klasse erhielt den Unterricht im kleinen Hörsaal der Eidgenössischen Forschungsanstalt. Die Internatsschüler mussten zweimal täglich ins Dorf hinuntersteigen, wo sie im Restaurant «Sonne» verpflegt wurden. Für Lehrer, weitere Angestellte und einen Teil der Schüler ergaben sich täglich einige Kilometer an Wegstrecken zwischen den einzelnen Standorten.
Als im Jahre 1976 das Konkordat in Kraft trat, in dem die meisten Deutschschweizer Kantone, das Fürstentum Liechtenstein und der Bund sowie die Berufsverbände vertreten sind, wurde die Trägerschaft der drei Stiftungen abgelöst und die Finanzierung des Betriebes auf eine öffentliche Grundlage abgestützt. Im Konkordatsvertrag wurden auch die finanziellen Anteile der Mitglieder für die künftigen Baukosten festgelegt. Somit wurde es möglich, die Planung der längst fälligen zentralen Bauten im Grüental voranzutreiben.
Bauernhaus im Grüntal, abgebrochen 1982 für den Neubau der Ingenieurschule Wädenswil. Aufnahme von 1976.

Inzwischen trat der langjährige Direktor Emil Züllig im Herbst 1978 in den Ruhestand, nachdem er über Jahre geplant und um die Verwirklichung gerungen hatte. Seine Nachfolge trat Dr. Walter Müller an, der sich nun mit voller Kraft der Errichtung der Neubauten widmete. Auch die Finanzierung bedurfte noch wesentlicher Ergänzungen. Kommissionen beider Eidgenössischer Räte besammelten sich im Beisein von Bundesrat Fritz Honegger im Grüental und berieten über einen ausserordentlichen Bundesbeitrag von 7,1 Millionen Franken. Dank ihrer Empfehlung kam in Bern in beiden Räten ohne Gegenstimme der Beschluss zustande, dem Rebbaufonds die genannte Summe zugunsten der Neubauten im Grüental zu entnehmen.
Schon vorgängig hatte sich auch die Wädenswiler Bevölkerung dem Neubauprojekt in einer Volksabstimmung gewogen gezeigt. Allerdings mit äusserst knappem Resultat von 4 Stimmen Mehrheit für den Beitrag von 600‘000 Franken an dir Kosten für die Einrichtungen in den Schulräumen. Das Gemeindeparlament hatte am 16. August 1976 dem Beitrag zugestimmt. Doch war dagegen mit 941 Unterschriften das Referendum ergriffen worden. Nach lebhaften Pro- und Kontra-Artikeln in der Presse kam es zu dieser denkwürdigen Abstimmung vom 5. Dezember 1976.
Die Bauarbeiten konnten im Frühjahr 1981 beginnen, nachdem der Stadtrat Wädenswil die Baubewilligung erteilt hatte. Gemäss Konkordat stand es dem Sitzkanton Zürich in Zusammenarbeit mit der Schulkommission zu, für den Ausbau des Technikums die Funktion und Verantwortung eines Bauherrn zu übernehmen. Ein früheres Projekt von Architekt Werner Forrer wurde überarbeitet. Das Hochbauamt des Kantons Zürich beauftragte mit Zustimmung der Schulkommission das Architekturbüro Max Baumann und Georges J. Frey in Zürich mit der definitiven Planung und der Ausführung des Projektes. Im April 1984 waren sämtliche Bauarbeiten abgeschlossen. Es folgte der grosse Umzug aus den gemieteten Räumlichkeiten in die zweckmässigen und grosszügigen Schulzimmer und Spezialräume. Die festliche Einweihung der Neubauten erfolgte am Offiziellen Festtag, dem 13. September 1984. Nebst den Regierungsvertretern der Konkordatskantone gab dem Fest die Anwesenheit von Bundesrat Kurt Furgler einen besonderen Glanz. Wädenswil war durch den Stadtpräsidenten Walter Rusterholz vertreten, weIcher in Anspielung auf den Wädenswiler Beitrag das Bonmot prägte: «Was wäre Wädenswil ohne die ISW? 600‘000 Franken reicher.»
Schul- und Verwaltungsgebäude der Ingenieurschule Wädenswil im Grüntal, eingeweiht im September 1984. Ansicht von Südwesten.

Die Neubauten im Grüental umfasset ein Schul- und Verwaltungsgebäude, ein Lehr- und Werkgebäude, eine Einstellhalle für Maschinen und Fahrzeuge, ein Personalhaus für Betriebsleiter und eigene Lehrlinge sowie die Erweiterungsbauten des Internates, in denen auch die Mensa mit 120 Sitzplätzen eingerichtet wurde. In das Werkgebäude wurde nun der Weinkeller gezügelt, der bisher in der Au untergebracht war. Auch zahlreiche neue technische Einrichtungen für Schule und Lehrbetriebe konnten jetzt verwirklicht werden, so dass die Schule mit einem Schlag auch äusserlich ein bemerkenswertes Ansehen gewann. Das Mostorama, ein Geschenk der «Stiftung Technische Obstverwertung», wurde vom Wädenswiler Architekten Hans Bossert projektiert und beim Bau geleitet. Nach Abschluss der Bauarbeiten im Sommer 1986 benötigten die innere Ausgestaltung und das Präparieren der Ausstellungsobjekte (Pressen, Brennhäfen, Transportanlage usw.) noch zwei Jahre, so dass erst am 6./7. Mai 1988 die Eröffnung festlich begangen werden konnte.

NEUES LEBEN IM GRÜENTAL

Das Aussehen des Grüental erfuhr durch die Neubauten eine wesentliche Veränderung. Die mächtige alte Scheune musste den neuen Bauten weichen, und manch einer konnte sich mit dem etwas ungewohnten Stil der roten Eternitbauten nicht abfinden. Die Zeit heilt vieles, und ganz besonders die Bepflanzung des ganzen Areals hat in acht Jahren die Narben im Gelände zugeheilt.
Nach Abschluss der Bauarbeiten und kurz nach den Einweihungstagen verliess Dr. Walter Müller die Schule und übersiedelte in die benachbarte Eidgenössische Forschungsanstalt, zu deren Direktor ihn der Bundesrat gewählt hatte, da Prof. Robert Fritzsche in Pension ging. Die Ingenieurschule erhielt nun Dr. Rolf Grabherr als neuen Direktor. Mit ihm brach eine Epoche starker innerer Entwicklung an. Die neuen Räume boten die Möglichkeiten dazu. Neue Berufe fanden im Grüental ihre Ausbildungsstätte, wie schon beim Gartenbau erwähnt. Eine entscheidende neue Richtung schlug die Schule ein, als der Konkordatsrat den Entschluss fasste, die Ausbildung der Lebensmittelingenieure ins Ausbildungskonzept der ISW aufzunehmen.

DAS JÜNGSTE FACHGEBIET – DIE LEBENS-MITTELTECHNOLOGIE

Ganz neu war für die ISW der Lebensmittelbereich nicht. Schon seit 1966 waren alljährlich für drei Wochen die Lehrlinge der Konservenindustrie der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein im Grüental zu Gast. Nun aber ging es darum, im Lebensmittelbereich eine auffallende Lücke im Ausbildungsangebot ZL schliessen. Denn zwischen Meisterprüfung bzw. Betriebsleiterkursen und der ETH-Ausbildung fehlte das Mittelglied: der Ingenieur HTL, der nicht auf dem Weg über das Gymnasium, sondern über eine abgeschlossene Lehre im Lebensmittelbereich die höhere Ausbildung zum Ingenieur erklimmen kann. Die ISW öffnete somit ausgebildeten Köchen, Bäckern, Konditoren, Brauern, Metzgern, usw. die Tore zu einer stark praxisgebundenen sechssemestrigen Ingenieurausbildung.
Gemüseanbau. Student bei einer Übung in den Tomatenkulturen im Gewächshaus.
Obstanbau. Instruktion in der Obstanlage Grüntal.
 
Das Konzept dieser Ausbildung erarbeitete der neu angestellte Lebensmittelingenieur ETH Dr. Hans Batzer, der es ermöglichte, dass 1988 der erste Kurs eröffnet und nach drei Jahren im Herbst 1991 mit den ersten Diplomen erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Der unerwartet starke Andrang von Interessenten für die Lebensmittelabteilung hat inzwischen zu räumlichen und personellen Engpässen geführt. Schon seit 1991 muss ein Teil der Kandidaten, welche die Aufnahmeprüfung bestanden haben, auf den Semesteranfang des folgenden Jahres vertröstet werden.

DER AUSBAU ZUR FACHHOCHSCHULE STEHT BEVOR

Im Ausbildungswesen ist zurzeit vieles im Fluss. Will die Schweiz ihre Stellung in Europa behaupten, muss sie den jungen Leuten das Rüstzeug vermitteln und die Berufsdiplome verleihen können, welche im Ausland anerkannt werden. Die ISW verfolgt diese Entwicklung mit wachsamem Auge und wirkt in den beratenden Gremien mit, welche die Ingenieurschulen der Schweiz vertreten.
1992 sind nun an verschiedenen Orten die Kurse angelaufen, welche zur Berufsmatura führen. Diese einjährigen Kurse sind als Vorstufe und Unterbau der HTL-Ingenieurschulen konzipiert und ermöglichen nach erfolgreicher Maturität den prüfungsfreien Eintritt in dieselben. Somit können die bisherigen Vorbereitungskurse für die Aufnahmeprüfung wegfallen.
Ingenieurschule Wädenswil, Teilansicht des Hauptgebäudes mit Biotop.
 
Der sechssemestrige Lehrgang wird im Bereich «Allgemeinbildung und naturwissenschaftliche Grundlagen» entlastet. Somit werden die Wege zu einer Studienreform geöffnet, welche vermehrt interdisziplinären Unterricht und Projektarbeiten im Team vorsieht. Die ISW wird ab 1994 mit neuen Studienplänen arbeiten. Auch die Zusammenarbeit mit andern Ingenieurschulen wird verstärkt.
Im Rahmen des CIM-Projektes ist eine engere Verbindung mit den Ingenieurschulen Rapperswil und Winterthur aufgenommen worden. Beim CIM-Projekt, das vom Bund unterstützt wird, geht es um die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen durch Technologietransfer bei der Planung und bei der Realisierung von CIM-Vorhaben. Damit bahnt sich auch eine stärkere Zusammenarbeit von Schule und Industrie an. Die ISW beteiligt sich mit Projekten aus dem Bereich der Lebensmittel- bzw. Prozessindustrie am CIM-Bildungszentrum Zürich. Im Hauptgebäude der ISW ist während des Sommers 1992 ein CIM-Labor eingerichtet worden. Die am CIM interessierten Kreise von Forschung und Industrie haben sich wiederholt in der ISW zu Tagungen versammelt. Die ISW hat sich in diesen Belangen mit neuen Dozenten «bestückt», um in das neue Zeitalter vorzustossen.
Untersuchung von Lebensmitteln mit modernen Methoden.




Dr. Josef Auf der Maur