Altersbestimmung von Bauten in Wädenswil

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1993 von Peter Ziegler

DENDROCHRONOLOGIE

Während der 1980er Jahre hat sich in der Schweiz eine Datierungsmethode verbreitet, die wegen ihrer absoluten Genauigkeit und ihrer Einfachheit grossen Anklang gefunden hat. Es handelt sich um die Dendrochronologie, welche Aussagen erlaubt, in welcher Periode ein Baum gelebt hat und in welchem Jahr er schliesslich gefällt wurde.
Die vom «Laboratoire Romand de Dendrochronologie» in Moudon angewandte Methode beruht auf der Auswertung der Jahrringbreiten eines Holzes. Sie wird in einer 1992 von diesem Institut herausgegebenen Publikation folgendermassen beschrieben: «Der Baum bildet jedes Jahr einen bestimmten Zuwachs, der sich im Querschnitt als Ring zu erkennen gibt. Die Anzahl der Jahrringe gibt das Lebensalter des Baumes an. Die Breite der Jahrringe wechselt jedes Jahr in Abhängigkeit von verschiedenen Einflüssen. Der Hauptfaktor ist dabei die Witterung des betreffenden Jahres. Unter günstigen Bedingungen bildet der Baum einen breiteren Jahrring als bei ungünstigen. Die Jahrringe bilden so eine charakteristische Abfolge, welche den Wachstumsverlauf widerspiegelt. Für jede Baumart und für jedes geographische Gebiet ist es möglich, diesen Zuwachs Jahr für Jahr zurückzuverfolgen, indem man die Jahrringbreiten zahlreicher Hölzer misst und einen Katalog von parallelen Jahrring-Chronologien – einen sogenannten Jahrring-Kalender – erstellt. Wenn man das Wachstum eines Holzes mit diesem Jahrring-Kalender, das heisst diesen Chronologien, vergleicht, kann man das Zeitalter, in dem der Baum gelebt hat, und gegebenenfalls das Jahr, in dem er gefällt wurde, bestimmen.»
Für die Eiche sind heute Datierungen bis zum Jahre 4089 vor Christus möglich. Für Fichte, Föhre und Arve reichen die Chronologien bis zum Ende des ersten Jahrtausends zurück, für die Weisstanne bis in römische Zeit. Die Lärchen-Chronologie des Alpenraums beginnt mit dem Jahre 688.
In Gebäuden, deren Alter zu bestimmen ist, werden verschiedenen Konstruktionshölzern mit einem Handbohrer Bohrkerne von 5 Millimetern Durchmesser entnommen. Im Labor werden diese Bohrkerne mit einem Skalpell oder mit einer Rasierklinge so geschnitten, dass die Jahrringe in ihrer Struktur deutlich sichtbar werden. Die Breite der Jahrringe wird dann unter einer Binokularlupe auf einen Hundertstel-Millimeter genau gemessen. Eine angeschlossene Computeranlage speichert die Messwerte. Nach den Messungen werden die Jahrringbreiten als Kurven aufgezeichnet und die Kurven zu Gruppen sortiert. Für jede Baumstruktur und Gruppe wird hernach eine repräsentative Mittelkurve erstellt. Im nächsten Arbeitsgang werden die Mittelkurven der verschiedenen Baumstrukturen untereinander verglichen. So entsteht eine möglichst gut belegte Gesamtmittelkurve, die schliesslich zur Datierung des Gebäudes oder einzelner Bauphasen führt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die schriftlich belegte Tatsache, dass gefälltes Holz früher nicht lange gelagert, sondern noch in grünem Zustand bearbeitet und verbaut wurde. Die Fälljahre dokumentieren damit meist das Baujahr eines Gebäudes.
Dendrochronologische Kurve für das Haus im Oedischwend. Die Hölzer wurden in den Jahren 1653-1658 gefällt (oben rechts).

RESULTATE AUS WÄDENSWIL

Die Denkmalpflege des Kantons Zürich und die Natur- und Heimatschutzkommission Wädenswil haben das «Laboratoire Romand de Dendrochronologie» in Moudon in den letzten Jahren verschiedentlich mit Altersbestimmungen von Bauten in Wädenswil beauftragt, die entweder restauriert, verändert oder für den Abbruch freigegeben wurden. Die bis jetzt vorliegenden Resultate werden hier erstmals zusammengefasst:
Die dendrochronologischen Analysen über das «Alte Büelenhaus», Ass.-Nr. 800/801 an der Büelenstrasse 9, lagen am 20. Dezember 1984, 15. Februar 1989 und 26. Oktober 1990 vor. Sie datierten die hölzerne Konstruktion und die Wandbohlen in die Jahre 1516 bis 1519 und die Balken im Dachbereich über dem gemauerten Südwestteil des Hauses in den Winter 1578/79.
Auch das Baujahr des Blockständerbaus Ass.-Nr. 1249/1250 im Furthof war bisher unbekannt. Die dendrochronologische Abklärung- vorgelegt am 19. Dezember 1984 und 15. Februar 1989 – brachte hier ebenfalls überraschende Aufschlüsse. Im Erdgeschoss sowie im ersten, zweiten und dritten Stockwerk verbautes Holz wurde im Winter 1531/32 gefällt. Pfosten im zweiten und dritten Geschoss weisen mit den Fälljahren Herbst/Winter 1667 / 68 auf einen späteren Umbau hin.
Vor der Auskernung des Hauses Buckstrasse 11 nahm das Labor aus Moudon ebenfalls Holzproben. Diese erbrachten laut Bericht vom 17. Mai 1993 das überraschende Resultat, dass alle Bäume für Ständer, Mittelpfette, Bund- und Kehlbalken des Dachstuhls dieses Hauses im Herbst/Winter 1558/59 geschlagen wurden. Die Datierung mittels Dendrochronologie führte damit hinter die schriftliche Überlieferung zurück, welche mit den Notariatsprotokollen erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzt.
Das Bauernhaus Ass.-Nr. 1735 im Unterort- mit Wohnteil, Tenn und Scheune unter einem First – ist am Tenntorsturz mit der eingekerbten Jahrzahl 1625 datiert. Dass der Bohlenständerbau mit Rafendach noch weitgehend in originalem Zustand erhalten ist, belegt die dendrochronologische Altersbestimmung des Holzes dieses Schutzobjektes von kommunaler Bedeutung. Laut Bericht vom 7. Mai 1990 wurden in der Scheune, im Keller, im Erdgeschoss und im Dachgebälk die Fälljahre 1624 ermittelt. Die Jahrzahlen 1720 für einen Balken unter den Fenstern im Erdgeschoss der Längsfassade gegen Südosten sowie für eine Türschwelle im ersten Stock weisen auf spätere Umbauten hin.
Die am 30. Mai 1990 abgeschlossenen dendrochronologischen Untersuchungen – es wurden rund 80 Proben genommen – datieren das Bauernhaus Ass.-Nr. 1401 im Oberödischwend in die 1650er Jahre. Im Erdgeschoss wurde Holz mit Fälljahr Sommer 1654 verwendet, für den ersten Stock schwergewichtig solches mit Schlagzeiten Herbst/Winter 1653/54, 1654/55, 1656/56 und 1657 /58. Ein Brett im Dachgeschoss datiert vom Herbst/Winter 1658/59; Balken im Dachbereich konnten den Jahren 1654/55 zugewiesen werden. Die grosse Lukarne in der Ostfassade ist jünger als das Haus. Sie wurde – laut Laborbefund vom 1. November 1991 – aus Holz mit den Fälljahren Herbst/Winter 1724/25 bzw. 1725/26 erstellt.
Auch für das Bauernhaus Ass.-Nr. 1452-1454 im Bachgaden wurde eine dendrochronologische Altersbestimmung vorgenommen. Sie führte am 28. November 1989 zum Ergebnis, dass die Hölzer im Erdgeschoss und in der ersten Etage übereinstimmend aus den Fälljahren 1655 bis 1658 stammen. Der Lastenaufzug dagegen ist jüngeren Datums. Sein Pfosten konnte mit 1724/25 analysiert werden.
Das zum Abbruch freigegebene Haus Eidmattstrasse 3 wurde nach dem Untersuchungsbericht vom 19. Mai 1993 in einem Zug als vierstöckiger Bau erstellt. Deckenbalken des Erdgeschosses konnten hier mit dem Fälljahr Winter 1673/74 datiert werden; für die Balken des ersten bis vierten Geschosses ergaben sich übereinstimmend die Fälljahre 1675.
Für die Feldscheune Ass.-Nr. 1397 im Oedischwend liegen gemäss Auswertungsbericht vom 1. Oktober 1990 folgende Resultate vor: Fusspfetten Herbst/Winter 1679/80 sowie Herbst/Winter 1692/93, Mittelpfette Herbst/Winter 1683/84, Kehlbodenbalken Herbst/Winter 1680/81, Ständer Herbst/Winter 1692/93. Die Ergebnisse zeigen, dass die Feldscheune vermutlich 1693 erstellt worden ist, und dass man dabei verschieden altes Holz verbaut hat.
Das Holz für das Waschhaus Ass.-Nr. 1398 im Oedischwend – das bewiesen sechs verschiedene datierbare Bohrproben – wurde einheitlich im Herbst/Winter 1750/51 gefällt und für die Riegelwand, die Fensterbank und den Dachstuhl verwendet.
Die bis jetzt vorliegenden dendrochronologischen Altersbestimmungen von Bauten in Wädenswil haben zu erfreulichen Resultaten geführt. Sie halfen nicht nur die Siedlungsgeschichte klären, sondern gaben auch bemerkenswerte Aufschlüsse für die haustypologische und kunstgeschichtliche Einordnung von Bauten unserer Region. Die Analysen sollen darum in kommenden Jahren bei wichtigen älteren Objekten, die renoviert oder abgebrochen werden müssen, fortgesetzt werden.




Peter Ziegler