Schloss Wädenswil – eine historisch bedeutende Anlage

Quelle: «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 22. Juni 1990 von Peter Ziegler

Die Schlossgebäude als Sitz der Eidgenössischen Forschungsanstalt

Am 7. August 1890 verkauften die Erben des Johannes Dollfuss in Mülhausen die Gebäude des ehemaligen Landvogteischlosses Wädenswil samt Umschwung dem Staat Zürich. Dieser stellte sie der kurz zuvor auf Konkordatsbasis gegründeten Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau zur Verfügung, welche am 1. September 1890 unter Direktor Hermann Müller-Thurgau eröffnet wurde und 1902 an die Eidgenossenschaft überging. Seit hundert Jahren ist die als Schutzobjekt von regionaler Bedeutung eingestufte Schlossanlage Sitz des international anerkannten Forschungs- und Lehrbetriebs, der 1968 in Eidgenössische Forschungsanstalt umbenannt worden ist.
Viele Wädenswiler wissen es zu schätzen, dass das Areal der Forschungsanstalt mit den historischen Bauten, die sich um den Schlosshof gruppieren, mit der Schlossterrasse, von welcher sich der Blick auf den Zürichsee und in die Berge weitet, mit dem Gehölzgarten, dem Bachtobel und den Gewächshäusern öffentlich zugänglich ist. Mit Genugtuung nimmt man zur Kenntnis, dass die verantwortlichen Stellen alles unternehmen, um den unverfälschten Weiterbestand der wertvollen Baudenkmäler zu garantieren.

Erinnerung an bedeutungsvolle Vergangenheit

Den Besuchern wird deutlich, mit wie viel Sachkenntnis und Verständnis die Anlagen und die teils jahrhundertealten Bauten gepflegt und unterhalten werden. Im Jubiläumsjahr präsentieren sich einige in frisch renoviertem Kleid und künden von für Wädenswil bedeutungsvoller Vergangenheit.
Das Schloss Wädenswil wurde in den Jahren 1551 bis 1555 erstellt. Es ersetzte die Burg Wädenswil ob dem Reidholz, welche 1549 vom Johanniterorden samt der Herrschaft Wädenswil dem Zürcher Rat verkauft worden war, laut Beschluss der Eidgenössischen Tagsatzung aber abgebrochen werden musste. Zürich gliederte das neu erworbene Gebiet als Landvogtei seinem Stadtstaat ein und baute als Verwaltungssitz für den Landvogt das Schloss Wädenswil.
Schloss Wädenswil, Kupferstich von Heinrich Brupbacher, 1794.

Die Ringmauer – ursprüngliche Bausubstanz von 1554

Von der ursprünglichen Anlage sind grosse Teile der Ringmauer erhalten. Auf der Bergseite beeindruckt noch heute das mächtige Fundament aus Bollensteinen; das grosse Rundbogentor trägt im Scheitel die Jahreszahl 1554. Der Torbau selbst mit Balkenlöchern für die Torverriegelung auf der Innenseite stammt von 1755.
Plan von 1755 für den Bau der Schlosspforte.

In der Mitte der Ringmauer gegen den See – sie wurde 1816/18 zum Teil abgebrochen und mit Platten abgedeckt – springt noch immer das ehemalige Postenhäuschen erkerartig nach aussen vor. Zum ältesten Bestand ist auch das ehemalige Waschhaus in der Südecke zu rechnen. Sein gotischer Türsturz ist mit 1554 datiert.

Bergseitige Ringmauer mit Tor von 1554.

Zschokke-Häuschen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts

Der turmartige Bau mit steilem Walmdach und schlankem Erker in der Nordecke der Ringmauer erscheint erstmals auf einer Zeichnung von 1665. In einem Plan von 1750 wird das Gebäude als Sennhütte bezeichnet. Heute ist der Bau unter dem Namen Zschokke-Häuschen bekannt. Hier wohnte der von 1893 bis 1928 an der Versuchsanstalt Wädenswil tätige Pomologe Theodor Zschokke.
Plan der Schlossanlage, 1655.
Zschokke-Häuschen.

Zehntenscheune von 1743/44

Am Standort des heutigen Vortrags- und Bibliothekgebäudes – mit Durchgang vom Hof Richtung Rutenen – erhob sich die 1553/54 erstellte Zehntenscheune. Sie brannte im März 1743 nieder und wurde sofort neu aufgebaut. Das Baujahr 1743 ist in einem Wappenstein über dem hofseitigen Torbogen festgehalten, zusammen mit den Familienwappen Hirzel und Lavater in barocken Kartuschen sowie dem Zürcher Standeswappen. Das Zürcher Wappen weist den Bau als obrigkeitlichen Besitz aus, das Hirzel und Lavater Wappen erinnert an die beiden Landvögte, die zur Zeit des Wiederaufbaus der Scheune regierten. Auch die dieses Gebäude auszeichnenden Treppengiebel sind für Staatsbauten der damaligen Zeit typisch.
Ehemalige Zehntenscheune.

Wappen an der ehemaligen Zehntenscheune von 1743/44.

Schloss-Terrasse von 1776/77

1776 beschloss der Zürcher Rechenrat den Bau eines gemauerten Pavillons: der Schloss-Terrasse in der Ostecke der Ringmauer. Das kunstvolle schmiedeeiserne Geländer mit den vergoldeten Rosetten stammt kaum aus der Bauzeit. Der klassizistische Zaun dürfte wohl 1816/18 im Zusammenhang mit der Umgestaltung der seeseitigen Ringmauer angebracht worden sein.
Schloss und Schlossterrasse von Norden.

Klassizistisches Verwaltungsgebäude von 1816/18

Das heutige Verwaltungsgebäude beeindruckt durch sein symmetrisches Konzept und seine schlichten klassizistischen Formen. Das aus einem Erdgeschoss und zwei Etagen bestehende Gebäude unter Walmdach wurde in den Jahren 1816 bis 1818 vom jungen Zürcher Architekten Hans Conrad Stadler (1788–1846) erstellt. Es ersetzte das ehemalige Wohnhaus der Landvögte, das 1804 durch Brandstiftung zerstört worden war.

Schlossgebäude von 1816. Ansicht von der Hofseite.

Vorbildliche Restaurierungen

Auf Schritt und Tritt begegnet der aufmerksame Betrachter im Schlossareal historischer Substanz aus verschiedenen Bau- und Stilepochen. Mit grossem fachlichem Können und Einfühlungsvermögen und mit erheblichem finanziellem Aufwand sind folgende Bauten in den letzten Jahren mustergültig restauriert worden:
1968 Renovation der ehemaligen Zehntenscheune (Vortrags- und Bibliothekgebäude)
1976/77 Restaurierung der Schloss-Terrasse und des klassizistischen Zauns
1979–1982 Restaurierung der bergseitigen Ringmauer und des Tores (Jahreszahl 1554 und Steinmetzzeichen kopiert)
1988 Restaurierung des Verwaltungsgebäudes und des Zschokke-Häuschens
1989 Erneuerung der Parkanlage.
 




Peter Ziegler