Die Schiffahrt

Quelle: Wädenswil Zweiter Band von Peter Ziegler

Wädenswiler Schiffleute

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren die Verhältnisse schlecht. Der Verkehr zwischen den Seegemeinden und zwischen der Hauptstadt und den Uferdörfern wickelte sich daher hauptsächlich auf dem Zürichsee ab. Auch in Wädenswil spielte die Schiffahrt schon früh eine wichtige Rolle. Sie war zeitweise gleich bedeutend wie die Landwirtschaft, der Handel und das Gewerbe. Landvogt Ott erwähnte im Jahre 1772 in einem Schreiben an den Zürcher Rat, dass es in Wädenswil zwanzig Pilgerführer und eine noch grössere Zahl von freien Schiffsleuten gebe, die «ihre Haushaltungen von der Schiffahrt ernähren und auf dem Wasser das gewinnen, so sie als meistens unbegüterte Leute auf dem Lande vergebens suchen würden».1
Die Ausübung der Schiffahrt war in Wädenswil mit Ausnahme der Pilgerfuhr und der für das Dorf weniger bedeutenden Transitschiffahrt freies Recht der Dorfgenossen.2 Die freien Schiffer besorgten vorwiegend den lokalen Personen- und Güterverkehr; der Verkehr zwischen Wädenswil und Zürich war besonderen Gemeindeschiffleuten überbunden. Schon im 17. Jahrhundert ist von Abraham Ryner, dem Schiffmann der Gemeinde Wädenswil, die Rede.3 Ende des 18. Jahrhunderts besassen vier Wädenswiler – Jakob Treichler, Jakob und Rudolf Rheiner sowie Heinrich Stocker – das alleinige Recht, an gewissen Wochentagen mit dem Marktschiff von Wädenswil nach Zürich und zurück zu fahren.4 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag die Ordinari-Schiffahrt nach Zürich in den Händen der Familien Treichler und Brupbacher den offiziellen Kurs nach Lachen und Walenstadt besorgte die Familie von Heinrich Brupbacher.5 Diese Linie wurde in den 1830er Jahren von Barometermacher Hans Heinrich Baumann (1785—1871), dem originellen Baneeter-Buume, übernommen.6 Ein Zeitgenosse hat anschaulich geschildert, wie die Marktschiffe am Morgen nach allen Richtungen ausfuhren, wie die Passagiere ihre Fahrt zubrachten und wie die Schiffe – von der Dorfjugend freudig begrüsst – bei anbrechender Dunkelheit landeten.7
Bereits im 14. und 15. Jahrhundert bildete Zürich den Sammelplatz der Pilger, die nach Einsiedeln reisten. Die meisten fuhren zu Schiff nach Pfäffikon, Richterswil oder Wädenswil und legten dann den Rest der Wallfahrt zu Fuss zurück.8 Die Pilgerschiffahrt wurde von Angehörigen der Zürcher Schiffleutezunft und von den Pilgerschifführern von Wädenswil und Richterswil gemeinsam besorgt. Schon 1590 klagte die Schiffleutezunft, die Wädenswiler und Richterswiler seien den Fremden in die Zürcher Wirtshäuser nachgelaufen und seien sogar vor die Tore hinausgegangen, um die Pilger schon dort für ihre Schiffe zu gewinnen, was dem Abkommen von 1515 widerspreche. Die Wädenswiler dagegen behaupteten, auch die Zürcher hätten alten Brauch verletzt und hätten bei ihnen oben am See auf der Lauer nach Kundschaft gelegen.9 1687 konnte die Zürcher Schiffleutezunft eine gewisse Monopolstellung erwirken: Beim Einsteigen der Pilger in Zürich sollten zuerst die Schiffe der Zürcher, dann erst jene der Landpilgerführer gefüllt werden.10 Diese Bestimmungen und weitere Einschränkungen von 1695 mögen dazu geführt haben, dass ausgerechnet in den folgenden Jahren eine Reihe von Wädenswiler Pilgerführern in Konkurs gerieten.11 Die Organisation, die immerhin ein Privileg innehatte, da nicht jeder Wädenswil Schiffmann Pilger führen durfte, bestand aber weiter. Erst im Oktober 1835 ging der Regierungsrat auf Klagen einiger missgünstiger Schiffleute von Wädenswil ein und hob das jahrhundertealte Vorrecht der Pilgerschiffahrt auf.12

Dampfschiffe, Schleppschiffahrt und Speditionsgesellschaft Wädenswil

Am 20. Juni 1835 wurde der in Manchester gebaute eiserne Raddampfer «Minerva» im Stadelhofen vom Stapel gelassen; am 19. Juli erfolgte von der «Bauschanze» aus die Eröffnungsfahrt Zürich-Rapperswil.13 Die Zürcher Freitagszeitung gab eine bewundernde Schilderung dieser Szene: „Die weiss und grüne Fahne schwellte sich, der Dampf fing mit einem eigentümlichen, rauschenden Getöse, gleich der Stimme eines Ungeheuers, an zu arbeiten; ein Kommandowort, das Schiff machte eine Schwenkung und fuhr dann pfeilschnell mitten durch die Seefläche hin, bis man es allmählich aus den Augen verlor. Längs der beiden Seeufer hatte sich eine Menge Neugieriger, teils am Gestade, teils auf den Anhöhen, gesammelt.14 Die Bewohner der Uferorte gewöhnten sich rasch an das neue Verkehrsmittel. Da die Seegemeinden zu Beginn der Dampfschiffahrt noch über keine Landestege verfügten, bewegte sich die «Minerva» mehr oder weniger in der Mitte des Sees, und die Passagiere wurden von den grösseren Ortschaften aus in Kähnen an das im See draussen haltende Schiff gerudert. Da aber die Kahnfahrt bei Wind und Wetter keine besonders angenehme Sache war, fuhren die Schiffe – 1837 folgten «Linth-Escher», 1839 «Republikaner» und 1846 «Gustav-Adolf» – immer näher an die Ufer heran.15 Dann entstand auch in Wädenswil ein Landesteg, zuerst beim Seehof, dann am heutigen Seeplatz. Hier erstellte man 1906 auch das erste Wartehäuschen. Die Schiffleute von Wädenswil sahen die Dampfschiffe nur ungern, bedeuteten sie doch eine gewisse Konkurrenz. In den 1840er Jahren wussten indessen Heinrich Streuli und Jakob Brupbacher die Neuerung zu nutzen, indem sie die Schleppschiffahrt einführten.16 Sie schlossen sich zu einer Gesellschaft zusammen, die später von den Schiffleuten Treichler und Benninger übernommen und lange Zeit von Johannes Diezinger präsidiert wurde, und spedierten den grössten Teil der Waren von Zürich nach Wädenswil. Das Büro der Gesellschaft befand sich im Seehof. Als Schleppschiff diente zuletzt der 1863 gebaute Dampfer «Biene» welcher der Firma Streuli und Peter in Horgen gehörte. In den Jahren 1860 bis 1862 sanken nacheinander zwei vollbeladene Schleppkähne. Von diesem schweren finanziellen Schaden konnte sich die Gesellschaft nicht mehr erholen.17
Im Jahre 1867 entstand indessen auf Initiative des Wädenswiler Amlungfabrikanten Heinrich Blattmann zum Grünenberg ein neues Unternehmen: die Speditionsgesellschaft Wädenswil mit einem Aktienkapital von 30 000 Franken.18 Diese Gründung war eine Selbsthilfemassnahme der Wädenswiler. Im Juni 1866 hatte nämlich die Dampfschiffahrtsgesellschaft alle Taxen erhöht und damit Wädenswil, das den grössten Güterverkehr aller Seegemeinden aufwies, empfindlich getroffen. Aber auch der Wettstreit zwischen der «Zürich-Walensee-Gesellschaft» und der 1864 gegründeten «Dampfbootgesellschaft linkes Ufer» mit Sitz in Horgen, aus dem Wädenswil Kapital schlug, sollte nicht mehr lange dauern. Bereits sprach man von der Fusion, die im Jahre 1868 unter dem Namen «Dampfbootgesellschaft für den Zürichsee» Wirklichkeit wurde.19
Die neue Speditionsgesellschaft Wädenswil beabsichtige anfänglich, eiserne Schleppkähne anzuschaffen. Schliesslich entschied man sich aber für vier hölzerne Schleppschiffe, die erheblich billiger waren. Auch die Anschaffung eines Schleppdampfers wurde hinfällig. Man konnte sich nämlich mit der neuen «Dampfbootgesellschaft für den Zürichsee» vertraglich dahin einigen, dass sie das Schleppen übernahm. Am 15. Juli 1868 eröffnete die Speditionsgesellschaft Wädenswil den Betrieb und besorgte fortan täglich den Güterverkehr zwischen dem Zürcher Kaufhaus und der Sust in Wädenswil.20 Dass dieser Verkehr umfangreich war, zeigen die jährlichen Frachteinnahmen, die von 26 900 Franken im Jahre 1868 auf 65 276 Franken im Jahre 1876 stiegen.21 Die Schleppschiffahrt war volkswirtschaftlich und finanziell ein voller Erfolg. In den ersten zehn Jahren konnte die Gesellschaft pro Aktie einen durchschnittlichen Zins von 6 ¼ Prozent ausrichten. Dann aber kam ein jähes Ende. In der linksufrigen Seebahn, die im September 1875 den Betrieb aufnahm, erwuchs der Speditionsgesellschaft Wädenswil ein unschlagbarer Konkurrent. 1878 gingen die Einnahmen plötzlich auf 1751 Franken zurück. Noch im gleichen Jahr wurde der Betrieb eingestellt. Die Aktiengesellschaft bestand aber weiter; mit dem Betriebsüberschuss äufnete man einen Fonds. Daraus wurden später verschiedenen Vergabungen an soziale Institutionen, wie Krankenhaus, Altersasyl und Pestalozziverein, gemacht. Zuweilen bestritt man aus dem Fonds auch die Kosten für Ausflüge der Aktionäre.22 Nachdem man die Aktien zurückbezahlt und den Fonds unter die Aktionäre aufgeteilt hatte, löste sich die Speditionsgesellschaft Wädenswil im Jahre 1898 auf.

Die Dampfbootgesellschaft Wädenswil und ihr Salonschiff «Wädenswil».

Im Mai 1877 war die Wädenswil—Einsiedeln-Bahn eröffnet worden. Wädenswil, das sich an diesem Unternehmen beteiligt hatte, war sehr daran interessiert, dass der neuen Bahn Personen und Güter zugeführt werden konnten. Besonders wichtig waren gute Verkehrsverbindungen mit der Stadt Zürich. Die Nordostbahngesellschaft, welche seit 1875 die linksufrige Seebahn betrieb und gleichzeitig auch den Verkehr auf dem Zürichsee besorgte, war aus Konkurrenzgründen nicht an einem Fahrplan interessiert, der auf die Wädenswil—Einsiedeln-Bahn und die spätere Südostbahn Rücksicht nahm.23
Eine direkte Schnelldampferlinie für den Personen- und Güterverkehr zwischen Zürich und Wädenswil zu schaffen, bessere Anschlüsse an die Südostbahn und gute Verbindungen zu den rechtsufrigen Seegemeinden herzustellen – das waren die Hauptziele der Wädenswiler Initianten, die 1894 die Gründung einer Dampfbootgesellschaft Wädenswil anregten.24 In Zürich, in Herrliberg, Erlenbach und Meilen fanden sich Gleichgesinnte. Am 17. Mai 1894 trafen sich 60 Aktionäre, die 357 Aktien vertraten, im Gasthof Engel in Wädenswil zur konstituierenden Generalversammlung. Gemeindepräsident A. Kunz-Lochmann wurde zum Präsidenten des Verwaltungsrates gewählt.
Im Juli 1894 bestellte die Dampfbootgesellschaft Wädenswil bei Escher Wyss in Zürich das Dampfboot «Wädenswil»: ein den modernsten Anforderungen entsprechendes, 38 Meter langes Salonboot für 300 Personen, mit zwei selbständig arbeitenden Compoundmaschinen von je 150 PS und zwei Schrauben. Escher Wyss garantierte im Vertrag eine Schnelligkeit von 22,5 Kilometern in der Stunde. Das Schiff sollte 170 000 Franken kosten.25 Fünf Wochen nach dem vertraglichen Termin, am 21. Juni 1895, lieferte Escher Wyss die «Wädenswil» ab.

1894/95 liess die «Dampfbootgesellschaft Wädenswil» das Dampfboot «Wädenswil» bauen.

Am Sonntagnachmittag, dem 23. Juli 1895, fand die Eröffnungsfahrt statt, und tags darauf wurde der regelmässige Verkehr aufgenommen. Täglich verkehrten fünf Kurse Zürich—Wädenswil—Zürich mit an die SOB angepassten Abfahrtszeiten. Das neue Salonschiff war für damalige Begriffe ein Prachtswerk. «Das Innere ist mit aller Eleganz ausgestattet und mit den modernsten Einrichtungen versehen», hiess es in einer Pressemeldung.26 „Der Salon erster Klasse ist mit amerikanischen Nussbaumholz mit reicher Schnitzerei ausgeführt; die Sitze sind rote Plüschpolster. Der Salon zweiter Klasse ist ausgeführt in amerikanischem Eschen- und Ahornholz. Ferner befinden sich auf dem Schiffe eine Rauchkabine in altdeutschem Stil, in Eichenholz ausgeführt, eine Kapitänkabine, Räume für die Traiteuers, Dampfküche. In den Aborten findet man automatische Seifen- und Papierspender und fliessendes Wasser. In sämtlichen Räumen ist elektrische Beleuchtung und Dampfheizung angebracht».

Glocke des Salonschiffs «Wädenswil», 1895.

Das 1932 umgebaute und 1965 verschrottete Motorschiff «Wädenswil».

Schon in den ersten Jahren zeigte sich, dass das Salonschiff «Wädenswil» für den Alltagsverkehr zu gross und in seinem Betrieb zu teuer war. Die Rechnung der Dampfbootgesellschaft Wädenswil schloss im ersten Betriebsjahr mit einem Defizit von 9508 Franken ab, im zweiten gar mit einem Rückschlag von 18 099 Franken. Man sah sich vor die Notwendigkeit gestellt, das Aktienkapital der Gesellschaft zu erhöhen und ein zweites, in Anschaffungs- und Unterhaltskosten bescheideneres Schiff in Betrieb zu nehmen. Im Juli 1898 lief die in ähnlichem Stil gebaute, jedoch nur 180 Personen Platz bietende «Speer» zu ihrer ersten Fahrt aus. Dies trug zwar zu einer wesentlichen Senkung der Rückschläge bei; von einer Rendite konnte indessen immer noch keine Rede sein. Die Wädenswiler hatten die Rolle, die ihre Schiffe im alltäglichen Verkehr dem linken Ufer entlang spielen sollten, überschätzt.27 Die Reisenden benützten immer häufiger die weitaus schnelleren Züge der Nordostbahn.
Nach zahlreichen ergebnislosen Anstrengungen und Subventionsgesuchen beim Bund und bei den Seegemeinden entschloss man sich im Jahre 1900 zur Auflösung des tief in Schulden steckenden Unternehmens. Die beiden Schiffe «Speer» und «Wädenswil» gingen zu weniger als einem Drittel ihres Ankaufspreises in den Besitz der Zürcher Dampfbootgesellschaft über. Was einst in verheissungsvoller Initiative begonnen hatte, endete bereits nach sechs Jahren mit der schmählichen Liquidation.
Die Züricher Dampfbootgesellschaft setzte die aufwendige «Wädenswil» von Anfang an nur noch als Vergnügungsdampfer ein. Die Sonntagsrundfahrten erfreuten sich denn auch eines regen Zuspruchs. Die Existenz des Dampfers erschien erneut gerechtfertigt und gesichert. Da nahm die Nordostbahngesellschaft im Sommer 1901 die neue «Helvetia» in Betrieb und setzte sich damit in den Besitz des grössten und komfortabelsten Schiffes auf dem Zürichsee. Der Stern der «Wädenswil» begann abermals zu sinken. Der Ertrag der Fahrten verringerte sich so sehr, dass man auf die Mitnahme der obligaten Musikkapelle verzichten musste.
Im Jahre 1902 wurde die Nordostbahn verstaatlicht. Die Bundesbahnen verzichteten auf den Schiffahrtsbetrieb. Der Schiffspark und das Areal in Wollishofen ging ohne Entschädigung an die Zürcher Dampfbootgesellschaft über, die seit 1957 «Zürichsee-Schiffahrts-Gesellschaft» heisst und zweimal von Wädenswilern präsidiert worden ist: 1919—1947 von Fritz Weber-Lehnert und 1947—1967 von Dr. Walter Weber.28
Als im Winter 1931/32 der leck gewordene Dampfkessel der «Wädenswil» erneuert werden sollte, ersetzt man die Dampfanlage durch eine Dieselmotoranlage, welche den Vorteil besserer Wirtschaftlichkeit und rascherer Betriebsbereitschaft bot. Die zwei neuen Zweitakt-Dieselmotoren zu je 240 PS stammten aus den Winterthurer Sulzer-Werken. Mehr als dreissig Jahre noch diente das Motorschiff «Wädenswil» – einst das schnellste auf dem Zürichsee und Trägerin des blauen Bandes –für den Verkehr. Am Samstag, 12. Juni 1965, lichtete das siebzigjährige Salonboot die Anker zur letzten Fahrt.29 Mit Mitgliedern des Seeklubs Wädenswil und einer ansehnlicher Schar geladener Gäste an Bord kreuzte es noch einmal von Ufer zu Ufer. Dann wurde das Schiff verschrottet.

Wieder eine «Wädenswil» auf dem Zürichsee

Zu Ehren ihres verdienten Präsidenten Dr. Walter Weber (1894—1967) bracht die Zürichsee-Schifffahrts-Gesellschaft ihren seinerzeitigen Grundsatzentscheid, keine Schiffe mehr mit Namen von Seegemeinden zu versehen und taufte ein neues Zürichsee-Schiff, das am 20. April 1968 in der ZSG-Werft in Zürich-Wollishofen vom Stapel lief, auf den Namen «Wädenswil».30

Stapellauf des Zürichsee-Schiffs «Wädenswil» in der ZSG-Werft in Wollishofen, 20. April 1968.

Das moderne Zwei-Deck-Schiff Wädenswil», das am 29. Mai 1968 zur Jungfernfahrt startete, ist ein Werk der Bodanwerft in Kressbronn und bietet 650 Personen Platz. Grosse, geschlossene Speise- und Aufenthaltsträume erlauben freie Sicht nach aussen. Die Räume für die 1. Klasse sind mit Nussbaumholz ausgekleidet, die Räume der 2. Klasse mit Eichenholz. Alle Räume sind beheizbar, so dass auch bei ungünstiger Witterung eine angenehme Fahrt gewährleistet ist. Die folgenden technischen Daten charakterisieren die neue «Wädenswil» noch etwas genauer:31

Länge über alles 48,20 m
Breite über alles 9.60 m
Breite auf Spant 7,50 m
Seitenhöhe 2.40 m
Höhe von der Wasserlinie bis zum Mast 10,40 m
Tiefgang leer 1,45 m
Wasserverdrängung leer 196 m3
Leistung des Dieselmotors 600 PS
Geschwindigkeit leer 27 km/h




Walter Weber (1894—1967) von 1947—1967 Präsident der Zürichsee-Schiffahrts-Gesellschaft.

«Gambrinus» und «Wadin» – mit Bier über den See

Als die bei Escher Wyss in Zürich gebaute «Gambrinus» als Bierfloss-Schlepper der Wädenswiler Brauerei der Brüder Franz und Fritz Weber im Mai 1893 ihre ersten Fahrten auf dem Zürichsee unternahm und Zürich und die Seegemeinden auf dem viel günstigeren Weg über das Wasser mit Bier versorgte, wurde sie von jung und alt als Wunder bestaunt. Besonders die Ledischiff-Kapitäne sahen mit Neid, wie der kleine Dampfkahn auch ohne Wind dahinzog, indes sie mit ihren schweren Segel-Lastschiffen während Flauten hilflos auf dem klaren Wasserspiegel an Ort gondelten. Oftmals geschah es dann, dass derart blockierte Lastkähne an der «Gambrinus» festgebunden und zürichwärts geschleppt wurden.32

Der 1893 gebaute Dampfer «Gambrinus» bis 1969 Bierfloss-Schlepper der Brauerei Wädenswil.

Im Jahre 1928 wurde die alte Dampfmaschine entfernt und durch einen Sulzer-Dieselmotor mit 50 PS ersetzt. Bis 1967 versah die «Gambrinus» bei jedem Wetter, Tag für Tag, getreulich ihren Dienst als Bierschlepper. Hunderttausende oder gar Millionen von Hektolitern mag sie in den langen Jahren ihrer Schlepptätigkeit über den See befördert haben. Daneben diente aber das sturmtüchtige Schiff auch dem Seerettungsdienst im Raume Wädenswil—Stäfa—Männedorf. Mehr als einmal kam der Dampfer «Gambrinus» in höchster Not angeschnaubt.
Noch immer durchpflügt die «Gambrinus» an schönen Sommertagen mit einer Geschwindigkeit von fast 15 Stundenkilometern den Zürichsee, zwar ohne Schleppfloss, dafür mit fröhlichen Gästen der Brauerei Wädenswil an Bord. Bisweilen zieht dann einer der aufgeräumten Passagiere voller Übermut und Ausgelassenheit an der Dampfpfeifen-Leine, dass das heisere Echo der Sirene lustig von den Ufern widerhallt.
In den 1960er Jahren, als die Transportlasten für die «Gambrinus» immer grösser wurden, drängte sich die Anschaffung eines neuen Bierschiffs auf. Dies sollte kein Schlepper mehr sein, sondern ein Frachtschiff, in dem die Bierlasten verstaut werden konnten. Ein solches Schiff wurde in der Bodanwerft in Kressbron gebaut, im Dezember 1966 abgeliefert33 und im Frühling 1967 von der Brauerei Wädenswil auf den Namen «Wadin» getauft. Das neue Bierlastschiff, das mit seinem Namen an den alemannischen Gründer eines Gehöftes in der Gegend des nachmaligen Wädenswil erinnern soll, gleicht mit seinem eleganten Rumpf eher einem Passagier- als einem Ledischiff. Es ist 30, 7 Meter lang, 5,6 Meter breit und 4 Meter hoch und mit Radar und allen technischen Neuerungen ausgerüstet. Die Nutzlast beträgt 65 Tonnen; der Dieselmotor hat eine Leistung von 176 PS.
 

Das 1967 auf den Namen «Wadin» getaufte Bierlastschiff vor der Brauerei.

Der Transport der «Wadin» vom Bodensee zum Zürichsee war eine Sensation, wurde doch erstmals in der Schweiz ein Schiff dieser Grössenordnung in einem Stück über die engen Strassen und die noch engeren Dörfer unseres Landes gefahren. Einer der grössten fahrbaren Pneukrane der Welt hob die «Wadin» in Ermatingen aus dem Wasser, setzte sie auf zwei mit Luftkissenfederung ausgerüstete Tiefladeböcke. Dann gings auf deinem Zickzackkurs, der Unterführungen und verschiedene Brücken mied, durch Zürich nach Stäfa, wo der Riesenkran am 26. November 1966 beim Landungssteg wieder bereitstand. Trotz bissiger Kälte verfolgten Presse, Radio, Fernsehen und zahlreiche Schaulustige, wie die «Wadin» ab dem Spezialgefährt gehoben und in den Zürichsee gesetzt wurde, während an Bord der «Gambrinus» Sirenengeheul und Mörserschüsse ertönten.34

Das Seerettungsboot «Johanniter»

Die Organisation des Sturmwarndienstes und des Seerettungsdienstes ist Sache der Seegemeinden. Seit 1943 verfügt auch Wädenswil über eine Seerettungsmannschaft und über ein Seerettungsboot. Das erste, 1943 angeschaffte Boot kostete rund 2000 Franken und kam durch einen Gelegenheitskauf in den Besitz der Gemeinde. Für Rettungsaktionen bei Sturm taugte es indessen nicht, ja es bürgte nicht einmal voll für die Sicherheit der Rettungsmannschaft.35 Im Jahre 1948 bewilligte daher die Gemeindeversammlung einen Kredit von 22 600 Franken für die Anschaffung eines von der Firma John Faul in Horgen speziell für den Seerettungsdienst konstruiertes Motorbootes. Das auf den Namen «Johanniter» getaufte Boot leistete während mehr als zwanzig Jahren gute Dienste, dann war es den Anforderungen nicht mehr gewachsen. An der Gemeindeversammlung vom 23. April 1970 bewilligten die stimmberechtigten Frauen und Männer von Wädenswil einen Kredit von 45 000 Franken für den Erwerb eines neuen Seerettungsbootes des Typs «Jeanneau Europa 700». Das neue, ebenfalls «Johanniter» getaufte Boot, das den Gemeinden Wädenswil, Richterswil, Stäfa und Männedorf dient, wurde von der Yachtwerft Faul AG in Horgen als günstiges Occasionsboot des Jahrgangs 1968 offeriert. Das Schiff ist in glasfaserverstärktem Kunstharz ausgeführt und weist eine Länge von 7 Metern und eine Breite von 2.48 Metern auf. Es wird durch zwei 120-PS-Motoren angetrieben und erreicht eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern.36

Das 1970 angeschaffte Seerettungsboot «Johanniter».




Peter Ziegler

Anhang

1 Albert Keller, Aus der Geschichte der Herrschaft Wädenswil, Bd. 5, Njb LGW 1936, S. 171. – StAZ, A 524/1, Nr. 69 (datiert 24. August 1772. – GAW, II A 8, Marktschiff-Fuhr 1788.
2 Albert Keller, Wädenswil, Bd. 5, S. 172.
3 StAZ, F III 38, Landvogteirechnung 1639.
4 Albert Keller, Wädenswil, Bd. 5, S. 173.
5 GAW, IV B 1.4, S. 59, 532. – Albert Hauser, Wirtschaftsgeschichte von Wädenswil, Njb LGW 1956, S. 222.
6 Peter Ziegler, Wädenswil im Wandel der Zeiten, Wädenswil 1960, S. 110 ff.
7 J. Hardmeier-Jenny, Aus Zürichs Vergangenheit, Bd. 1, Zürich 1910, S. 49.
8 Albert Keller, Wädenswil, Bd. 5, S. 176 ff.
9 Albert Hauser, Wädenswil, S. 36. – StAZ, B II 233, S. 29. – StAZ, B V 30, S. 167.
10 StAZ, C II 14/4 und B II 619, S. 27 ff.
11 GAW, III A 1 und III A 3, Gemeinderechnungen verschiedener Jahre.
12 StAZ, MM 2.26, S. 247. – Albert Keller, Wädenswil, Bd. 5, S. 188.
13 Diethelm Fretz, Caspar, Lämmlin & Co., Zollikon 1935.
14 Hans Frey, Stäfa, Bd. 2, Stäfa 1968, S. 221.
15 Fritz Hunziker, Der Zürichsee als Verkehrsstrasse, Njb 1936 zum Besten des Waisenhauses Zürich, S. 13. – Adolf Streuli, Hundert Jahre Dampfschiffahrt auf dem Zürichsee, 1835—1935, Zürich 1935.
16 Anzeiger 1842, Nr. 2; 1843, Nr. 1, 13.
17 GAW, IV B 69.3, Chronik LGW 1862.
18 GAW, IV B 69.3, Chronik LGW 1867. – GAW, II B 23.7, Speditionsgesellschaft. – Albert Hauser, Wädenswil, S. 225/226.
19 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 243/244.
20 Anzeiger 1868, Nr. 81.
21 Albert Hauser, Wädenswil, S. 226.
22 GAW, IV B 65, Kassa- und Aktienbücher der Speditionsgesellschaft Wädenswil.
23 Peter Ziegler, Die Wädenswiler Dampfbootgesellschaft und ihr Salonschiff «Wädenswil», Anzeiger 1965, Nr. 132.
24 Walter Weber, Die Zürichsee-Schiffahrt im Wandel der Zeiten, Jahrbuch vom Zürichsee 1962/63, S. 175. - Jahrbuch vom Zürichsee 1964/66, S. 394 ff. – Zürichsee-Zeitung 1965, Nr. 128. – Jakob Höhn, Rückblicke auf die Entstehung der Eisenbahn Wädenswil—Einsiedeln, der Schweizerischen Südostbahn und der Dampfboot-Gesellschaft Wädenswil, Wädenswil 1910 (SA aus dem Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee). – GAW, II B 23.5.1. – Anzeiger 1894, Nr. 29; 1896, Nr. 23, 104; 1899, Nr. 66; 1900, Nr. 18.
25 Anzeiger 1894, Nr. 57, 94, 144; 1895, Nr. 61.
26 Anzeiger, 11. Juni 1895.
27 Anzeiger 1900, Nr. 18
28 Anzeiger 1967, Nr. 188.
29 Anzeiger 1965, Nr. 132. – Zürichsee-Zeitung 1965, Nr. 128.
30 Anzeiger 1968, Nr. 93 – Neue Zürcher Zeitung 1968, Nr. 244.
31 Zürichsee-Zeitung 1968, Nr. 94.
32 Anzeiger 1893, Nr. 60. – Zürichsee-Zeitung 1969, Nr. 212.
33 Anzeiger 1966, Nr. 277. – Neue Zürcher Zeitung 1966, Nr. 5260.
34 Neue Zürcher Zeitung 1966, Nr. 5260. – Zürichsee-Zeitung 1966, Nr. 279.
35 Weisung für GV von 17. März 1948.
36 Weisung für GV vom 23. April 1970. – Anzeiger 1970, Nr. 142; 1971, Nr. 51.