Chruut, Pilz und Beeri

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1976 von Peter Friedli

Eine bedeutende Wechselausstellung im Museum zur hohlen Eich

Sammlung und Heilpflanzen unserer Vorfahren
 
Ein kompetentes Team von Wissenschaftlern baute in wochenlanger Kleinarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Albert Hauser eine neue, bis heute äusserst gut besuchte Ausstellung auf. In einer Zeit, in der den Werten unserer Vorfahren wieder mehr nachgefragt wird, lohnt es sich, die Heilmethoden bei Krankheit von Mensch und Tier oder auch Koch- und Essgewohnheiten näher zu untersuchen. Auch kam bei früheren Notzeiten die alte Sammelnahrung wieder zu Ehren.

Sammelnahrung, Sammelwirtschaft

Sammelnahrung: das bedeutet durch Einsammeln und Verarbeiten wild wachsender, nicht kultivierter Gewächse gewonnene Nahrung. Sie besass einst einen bedeutend höheren Anteil an der Gesamternährung. Bis in die Gegenwart wird sie in Notzeiten immer wieder aktiviert. − Das Einsammeln wilder Pflanzen und Beeren ist die ursprünglichste Stufe menschlichen Erwerbs. Wir haben deshalb rein theoretisch in der heutigen Sammelnahrung Reste einer früheren Entwicklungsstufe zu sehen; sie hat sich in Hunger-, Not-, Armen- oder sogar Spezialkost (Delikatessen) erhalten. Diese Theorie ist deshalb kaum haltbar, weil sie den gesamten sozialen und kulturellen Bereich unberücksichtigt lässt. Die Sammelwirtschaft weist zwar altertümliche Züge auf. Sie ist aber nicht nur Überbleibsel, sondern hat auch in der modernen Welt ihre Funktion. Nicht von ungefähr sagt das heutige ZGB in Artikel 699:
«Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wild wachsender Beeren, Pilze und dergleichen sind im ortsüblichen Umfang jedermann gestattet.
Wir appellieren an alle: Schont beim Sammeln von Kräutern, Beeren und Pilzen die Kulturen! Treibt keinen Raubbau an und mit der Natur! Die nächsten Generationen werden Euch dankbar sein.

Die Heilpflanzen

Im 14. Jahrhundert erscheinen die ersten Kräuterbücher. Im 15. und 16. kommen die Gartenbücher und die «Hausväterbücher» hinzu, um den Menschen zu zeigen, wie und wofür die Heilpflanzen anzuwenden sind. Manche dieser Autoren glauben, es gebe für jede Krankheit von Mensch und Tier die entsprechende Heilpflanze. Im 18. Jahrhundert beginnen die Aufklärer Zweifel an der umfassenden Wirkung vieler Heilpflanzen zu äussern. Im 19. und 20. Jahrhundert werden die Heilpflanzen systematisch untersucht, so dass wir heute Sinn vom Unsinn scheiden können. Die Gegenwart hat den Heilpflanzen gegenüber ein unbefangenes Verhältnis. Wer sie kennt, weiss sie richtig und sinnvoll zu nutzen.
Zur Heilung von Krankheiten wird praktisch nie die ganze Pflanze verwendet, sondern man braucht nur einzelne Organe, zum Beispiel Blatt der Pfefferminzpflanze, Blütenköpfchen der Kamillenstaude, Blatt und Wurzel der Tollkirschenstaude.
Diese Organe wirken nur wegen der darin enthaltenen Wirkstoffe. Sie machen nur wenige Prozente des ganzen Organs aus; der übrige Teil der Arzneidrogen (die Hauptmenge) ist an der Wirkung nicht direkt beteiligt.
Die Wirkstoffe der milde wirkenden Arzneistoffe können bei grosser Dosis ebenfalls giftig sein und Nebenwirkungen auslösen. Die Wirkstoffe der stark wirkenden Arzneistoffe sind in höheren Dosen sehr giftig und dürfen nur vom Arzt verordnet werden.
Der Gehalt an Wirkstoffen in derselben Pflanzenart kann sehr stark schwanken (chemische Rassen, Boden und Klima, Erntemoment, Trocknungsart, Aufbewahrung). Arzneidrogen sollten daher stets auf den Gehalt an Wirkstoffen geprüft werden.

Tiermedizin

Pflanzliche Heilmittel spielten in der Tiermedizin seit jeher eine wichtige Rolle. In der vorwissenschaftlichen Tierheilkunde verstanden sich Hirten, Hufschmiede, Stallmeister und Scharfrichter auf die Heilung kranker Tiere. Sie gaben ihr Wissen an Nachkommen und Schüler weiter. Aus einheimischen und fremdländischen Pflanzen, tierischen und mineralischen Substanzen wurden meist umfangreiche Rezepturen kombiniert. Bevorzugte Darreichungsformen waren bei innerlichen Leiden Tränke, Pulver, Latwerge, bei äusserIichen Erkrankungen Salben, Streupulver und Pflaster.
Mit solchen Holzgefässen wurden den Tieren Heiltränke eingeschüttet. Ein Rezept aus dem «Arzneybuch für das Vieh, 1690»: «Wann einem Vych Lungen und Läberen fuolet so nimm Räckholderbrey, Enzian und Salz. Misch es und gib es dem Vych einige mahl im fuotter zu ässen. Es hilft.»

Nach der Gründung von Tierarzneischulen (Lyon 1771, Zürich 1820) standen ausgebildete Tierärzte zur Verfügung.
Im 19. Jahrhundert trennt sich die Veterinärmedizin von der Vieharznei. Zahlreiche, in der Volksmedizin bekannte Heilmittel werden übernommen. Wirksame Stoffe werden von unwirksamen Beimischungen getrennt, abergläubische Praktiken ausgemerzt. Die Verbindung des Bauern mit der Natur und mit der Tradition bringt es mit sich, dass auch heute noch viele pflanzliche Heilmittel bekannt sind und verwendet werden. Wir begegnen ihnen aber auch in modernen veterinärmedizinischen Spezialitäten.
Folgende Persönlichkeiten ermöglichten die Ausstellung dank ihrer Mithilfe: Prof. Dr. Hans Flück; Prof. Dr. Fritz Kobel; Dr. F. Schwarzenbach; Dr. h. c. Walter Höhn; Dr. Urs Jenny; Dr. Bert Siegfried, Zofingen; Prof. Dr. Jürg Solms und seine Assistenten.




Peter Friedli