Was bewog die Regensberger zur Schenkung? Die Stiftungsurkunde nennt den Grund: Es war die Sorge um das Seelenheil des Stifters, seiner Angehörigen und seiner Vorfahren. Weshalb erfolgte die Vergabung gerade an Einsiedeln? Dies mag damit zusammenhängen, dass an dieser Stelle eine für die Wallfahrt nach Einsiedeln wichtige Fähre über die Limmat bestand, worauf heute noch der Name Fahr hinweist.
Unter den Zeugen, welche dem Rechtsakt beiwohnten, befanden sich auch «Waldhere de Wadinswilere» und seine Brüder «Eberhart» und «Burchart». Die drei, welche hier in vornehmer Gesellschaft als Zeugen auftraten, gehörten dem Freiherrenstande an. Sie waren die ältesten urkundlich bekannten Inhaber der Herrschaft Wädenswil und der gleichnamigen
Burg ob dem Reidholz. Ob sie auch die Erbauer der Burg waren, lässt sich nicht beweisen. Die neuere Burgenforschung ist indessen zur Erkenntnis gelangt, dass die früher für sehr alt gehaltenen Burgtürme mit megalithischem Mauerwerk weit jünger sind als einst angenommen worden ist. Sie werden neu dem beginnenden 12. Jahrhundert zugewiesen, was auch für die älteste Bauetappe der Burg Wädenswil durchaus zutreffen könnte. Vielleicht werden archäologische Untersuchungen im südwestlichen Burggraben vor dem Freiherrenturm einmal Fundmaterial zutage fördern, das genauere Datierungen zulässt.
Weshalb wurden die Brüder Walter, Eberhard und Burkart von Wädenswil im Jahre 1130 als Zeugen nach Fahr gebeten? Aus späteren Aufzeichnungen weiss man, dass die Freiherren von Wädenswil gute Beziehungen hatten zum Kloster Einsiedeln. Im Namen des Klosters übten die Herren von Wädenswil die Gerichtsbarkeit über jene Einsiedler Gotteshausleute aus, welche in der Herrschaft Wädenswil ansässig waren, das heisst im Gebiet der heutigen Gemeinden Wädenswil, Richterswil,
Hütten,
Schönenberg, Uetikon und im Raume Spitzen bei Hirzel. Um in diesen Verhältnissen eine Kontinuität zu sichern, verlieh Einsiedeln den Freiherren von Wädenswil zur Vogtei hinzu noch das Amt des Truchsessen beim Fürstabt, also das Ehrenamt des Küchenmeisters. Diese Beziehungen zu Einsiedeln, die sich zwar aktenmässig erst für das 13. Jahrhundert belegen lassen, aber durchaus auf frühere Zeiten zurückgehen dürften, mögen es mehr als gerechtfertigt haben, dass die dem Kloster rechtlich und örtlich nahen Wädenswiler dem für Einsiedeln wichtigen Stiftungsakt beiwohnten. Sie trafen hier übrigens weitere Bekannte. So Angehörige des Hauses Eschenbach-Schnabelburg, mit denen die Wädenswiler möglicherweise schon in dieser Zeit verwandt waren, ferner «Werin de Naglinchoven», ihren Gefolgsmann aus
Naglikon bei der
Halbinsel Au, dessen Wohnturm man auf dem Hügel Sandbühl zwischen Unterort und Steinacker vermutet.
Durch die Anwesenheit der Freiherren bei der Stiftung von Fahr ist schon für recht frühe Zeit der Ortsname Wädenswil – Wadinswilere – überliefert. Das besagt nun aber nicht, dass Wädenswil erst 850 Jahre alt ist. Die Ortsnamenforschung vermag die Ortsbezeichnung aufgrund der Endung -wil ins Frühmittelalter zu datieren, das heisst ins 8. bis 10. Jahrhundert. Die althochdeutsche Form -wilare ist ein Lehnsuffix aus dem lateinisch-romanischen villare (Weiterbildung zu villa) und bedeutet etwa «Gutshof, Hofgruppe, Einzelhof, Weiler». Wem dieser Hof gehörte, wird im ersten Teil des Wortes Wadinswilere gesagt, der den Personennamen Wadin enthält.
Kunde von noch früherer Besiedlung unserer Gegend geben Bodenfunde. In diesem Zusammenhang sei erinnert an die jungsteinzeitlichen Funde bei Naglikon aus dem frühen 3. Jahrtausend vor Christus, an die bronzezeitlichen Siedlungen bei der Hinteren Au aus der Zeit um 1100/1000 vor Christus
(vgl. Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1978), an die römischen Ziegel- und Keramikfragmente aus der Zeit um 100 nach Christus, die 1962 bei den archäologischen Untersuchungen auf dem Kirchhügel entdeckt worden sind, ferner an die Alemannengräber, die im Oktober 1922 am Ostfuss des Rosenberghügels zutage kamen.