Das Wädenswiler Plätzli – eine Spurensuche

Quelle: Gewerbezeitung Donnerstag, 31. August 2017 von Peter Ziegler

Während Jahrhunderten war das Plätzli einer der wichtigsten Orte im alten Wädenswil. Heute herrscht hier vor allem noch an Markttagen, der Chilbi und am Marronifäscht Betrieb. Historiker Peter Ziegler blickt zurück.

Vor dem Bau der Seestrasse in den 1840er Jahren führte über das Plätzli die Hauptstrasse von Zürich nach Chur, anstelle des gegenwärtigen Strassenzuges Bürglistrasse–Florhofstrasse–Eidmattstrasse–Luftstrasse. Am Rand des Platzes standen wichtige Bauten. In seiner Liegenschaft im Spickel zwischen heutiger Eidmatt und Eintrachtstrasse führte Lienhard Schinz 1555 eine öffentliche Badestube. 1654 betrieb hier Hans Jakob Keller eine Schmiede.



Das Plätzli auf dem Wädenswiler Zehntenplan von 1830. Unten links das Schützenhaus mit Schiessstand, in der Mitte das Armenhaus mit Garten anstelle des heutigen Parkplatzes.

Früher war es der Schützenplatz

An der Stelle des Hauses Seehof erhob sich das 1559 erbaute Schützenhaus, von wo aus auf Scheiben an der Mauer am Kronenbach – beim jetzigen Café Brändli – geschossen wurde. Wegen der Nähe zur Schiessstätte, in Betrieb bis 1859, hiess der Platz Schützenplatz, so belegt 1694, 1727 und 1788. Eine 1673 erwähnte Gerberei auf dem Areal zwischen Luftstrasse und heutiger Seestrasse, gegenüber dem Schützenhaus, gehörte dem Gerber Jakob Schnyder «im Luft». Gegenüber, bergseits der Luftstrasse, stand seine Öltrotte. Nach der Auflösung der Gerbe wurde im Haus eine Schützenwirtschaft betrieben und ab 1896 die Wirtschaft «Rosenegg» mit Metzgerei Brändli. Zusammen mit der angebauten Wirtschaft «Pilgerhof», ebenfalls 1896 erstmals erwähnt, hatte sie 1952 dem Neubau der Schweizerischen Volksbank (Seestrasse 95) zu weichen.
Das 1840 erstellte Hotel Seehof mit angebautem Schiesstand, um 1850.

Armenhaus mit Gemüsegarten

Dominierendes Gebäude am Schützenplatz war das 1818 von der Gemeinde erbaute vierstöckige Armenhaus. Das Erdgeschoss enthielt Küche, Esszimmer, Keller und Arrestzellen. Im ersten Stock lag die Verwalterwohnung, in den beiden Etagen darüber waren grosse Schlafsäle für Männer und Frauen angeordnet. Anstelle des heutigen Parkplatzes lag ein grosser Gemüsegarten. In der Versorgungsund Erwerbsanstalt nach dem Vorbild Heinrich Pestalozzis wurde hier Seide gesponnen und Stroh geflochten, dazu kamen Gemüseanbau und Holzhandel. Als 1909 in der «Anstalt» Typhus auftrat, wurde der Ruf nach einer Verlegung aus dem Dorfkern lauter. 1912 konnte das Bürgerheim im Musli bezogen werden, der Kernbau des heutigen Alterszentrums Frohmatt.
Das 1818 erbaute Armenhaus am Plätzli, mit Wettersäule im Vordergrund. Aufnahme von 1908.

Neuer Name: Postplatz

1912 wurde das Armenhaus am Postplatz, wie die Örtlichkeit wegen des benachbarten, 1896 eingeweihten Postgebäudes nun hiess, abgebrochen, der Platz neu gestaltet. 1939/40 liess die 1816 gegründete Sparcassa Wädenswil an der Stelle des einstigen Armenhauses nach Plänen der Architekten Gebrüder Bräm ein dreigeschossiges Bank- und Verwaltungsgebäude erstellen. Nach dem Umzug der Clientis Sparcassa 1816 ins Haus Linde an der Zugerstrasse im Jahre 1978 wurde das Gebäude bald anderweitig genutzt.
Armenhaus mit Garten. In der Mitte das Hotel Du Lac. Aufnahme von 1887.
Das Plätzli auf einer Postkarte um 1900. Rechts das Restaurant Eintracht.

Brunnen und Wettersäule

Am oberen Platzrand wurde 1876 das Restaurant Eintracht eröffnet, das auch der Eintrachtstrasse den Namen gab. Während Generationen wirtete hier die Gründerfamilie Huber. Die Wirtschaft mit Saal im Obergeschoss des Flachdachvorbaus war ein beliebter Treffpunkt der Wädenswiler Vereine. Schützen, Turner und Sänger gingen hier ein und aus, bis der Wirtschaftsbetrieb 1968 eingestellt und das Haus einer neuen Nutzung zugeführt wurde. Auf Fotos aus dem Anfang des 20. Jahrhundert ist mitten im Platz der Plätzlibrunnen zu erkennen, der 18 Anstössern gehörte. Aus Verkehrsgründen wurde er abgebrochen und 1937 durch einen neuen Brunnen an der Friedbergstrasse ersetzt. Eine Attraktion war auch die Wettersäule aus der Firma Lambrecht in Göttingen, 1901 ein Geschenk des Industriellen Jean Schnyder-Blattmann. Als die Säule hier ebenfalls störte, wurde sie bei der heutigen Bushaltestelle Glärnisch aufgestellt, von wo sie später sang- und klanglos verschwand.
Blick aus dem Armenhaus auf das Plätzli. In der Mitte der Brunnen. Aufnahme von 1908.

Neue Nutzungen

Seit an Zuger- und Oberdorfstrasse Einkaufszentren entstanden sind und die Post in einen Neubau umgezogen ist, ist es um das Plätzli, das vor allem als Parkplatz dient, ruhiger geworden. Geschäfte, so die Buchbinderei und Papeterie Bodmer oder Comestribles Bettio, sind vom Plätzli verschwunden. Betrieb herrscht hier nur noch am Konzert der Guggenmusiken an der Fasnacht, an Chilbi, Markttagen und auch am Marronifest, wenn «Marroni-Toni» Togni aus dem Bleniotal Ende Oktober, wie seit Generationen, seinen Stand aufgestellt hat.
Chilbi auf dem Plätzli. Im Hintergrund 1939/40 erstellte Gebäude der Sparkasse.

Wirtschaften Rosenegg und Pilgerhof, abgebrochen 1952. Aufnahme von 1940.




Peter Ziegler