Wasserkraft, Dampfkraft, Elektrizität und Solarenergie auf dem Tuwag-Areal

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2015 von Peter Ziegler

Modellhaft lässt sich an der Geschichte der Tuchfabrik Fleckenstein, ab 1900 Tuchfabrik Wädenswil AG, und der heutigen Tuwag Immobilien AG aufzeigen, wie die jeweiligen Inhaber stets innovativ neue Energiequellen zu nutzen verstanden.1
 

Wasserkraft

1819 gründeten Lederhändler Heinrich Hauser (1778–1853) und Baumwollverleger Heinrich Fleckenstein (1793–1852) das Wolltuchunternehmen Hauser & Fleckenstein und bauten 1821/22 am Reidbach eine Wolltuchfabrik. Als Antriebskraft für ihre Spinn- und Webmaschinen zur Produktion von Uniformstoffen nutzten sie den Reidbach, dessen Wasserrechte sie schrittweise erwerben konnten. Nachdem schwankende Wassermengen immer wieder zu Betriebsausfällen geführt hatten, liess die nun Fleckenstein-Schulthess benannte Firma 1856 den Reidbachweiher erweitern und ein ausgeklügeltes Wasserleitungssystem bauen, das der Wolltuchfabrik erstmals den Ganzjahresbetrieb gewährleistete.

Dieser Kanal leitet das Wasser aus dem Reidbachweiher zur Tuchfabrik.

Dampfkraft

1885 stellte die Tuchfabrik Fleckenstein-Schulthess von der Wasserkraft auf den Antrieb mit Dampfkraft um. Zu diesem Zweck entstanden an der Einsiedlerstrasse (nachmals Einsiedlerstrasse 30) ein Maschinen- und Kesselhaus sowie ein erster Hochkamin. Transmissionen leiteten die Energie, welche die mit Kohle geheizte Dampfmaschine erzeugte, zum Spinn- und zum Websaal. Sichtbare Zeichen, dass die Unternehmer mit der Moderne Schritt hielten, waren der alles überragende Hochkamin sowie die Fabrikpfeife, welche zum Arbeitsbeginn und Arbeitsschluss ertönte.
Am 1. Oktober 1900 übernahm die von Jakob Treichler-Gredig (1864–1922) gegründete Aktiengesellschaft Tuchfabrik Wädenswil AG den Betrieb. In den folgenden Jahren erweiterte sie ihn und modernisierte und rationalisierte die Betriebsabläufe. Da die Antriebskraft für das vergrösserte Unternehmen nicht mehr genügte, beschaffte die Tuchfabrik im Geschäftsjahr 1901/02 eine Dampfanlage von 150 PS samt Transmissionen. Das Kesselhaus wurde vergrössert und daneben entstand ein 42 Meter hoher, aus Backsteinen gemauerter neuer Hochkamin.
 

1885 entstanden ein Maschinen- und Kesselhaus sowie ein erster Hochkamin für die Nutzung der Dampfkraft.

Elektrizität

An der Weltausstellung 1889 in Paris hatte Jakob Treichler die Elektrizität kennengelernt. Von der Neuerung begeistert, setzte er sich mit andern Unternehmern der Gegend und Professor Walter Wyssling (1862–1945) für den Bau des Elektrizitätswerkes Waldhalden ein, das 1895 an der Sihl in der Gemeinde Schönenberg eröffnet werden konnte. Begreiflich, dass Fabrikant Treichler die neue Energie auch in seiner Tuchfabrik nutzen wollte. Bereits im ersten Betriebsjahr, 1900/01, beschaffte er einen Elektromotor von 60 PS mit zugehöriger Transformatorenstation zum Antrieb der Spinnerei.
Trotz dieser Neuerung galt der Betrieb wegen des Kohlenverbrauchs noch immer als kostspielig. Im Geschäftsjahr 1901/02 entschied man sich daher für den Kauf einer Lokomobile. Und 1902/03 wurde zum Betreiben von Weberei und Appretur eine 80-PS-Turbine an die Hochdruckleitung angeschlossen. 1909 verabschiedete sich das Unternehmen von Wasser- und Dampfkraft und setzte ausschliesslich auf elektrische Energie, welche die 1908 gegründeten Elektrizitätswerke des Kantons Zürich lieferten.2 Der trockene Sommer 1911 liess den Reidbach beinahe versiegen. Zeitweise war kaum genügend Wasser für technische Zwecke vorhanden. Dank der Elektrizität war jedoch die Vollbeschäftigung garantiert.

Solarenergie

Ende 1978 stellte die Tuchfabrik Wädenswil AG ihren Betrieb ein. Die 1981 gegründete Tuwag Immobilien AG, ein Immobilien- und Dienstleistungsunternehmen, trat die Nachfolge an. Die ehemaligen Industriebauten, Fabrikräume und Shedhallen wurden restauriert, teils erweitert und für Fremdvermietung umgenutzt. Seit 1999 wird der grösste Teil des Areals von der Zürcher Fachhochschule ZHAW belegt.
16 angehende Umweltingenieure, welche an der ZHAW studierten, bauten im Sommer 2011 auf Dächern im Tuwag-Areal zwei Fotovoltaikanlagen von je 300 Quadratmetern Fläche. Auf dem Flachdach kamen die Module auf ein Kies- und Schotterbett zu liegen. Auf der benachbarten Shedhalle wurden lange Bahnen von geständerten Solarpanels verlegt. Das Sonnenkraftwerk ging im August 2011 ans Netz und liefert seither Strom für 15 Haushalte. Betrieben wurden die beiden Anlagen vom Verein Enertopia, welcher der ZHAW Wädenswil nahesteht und die Einrichtungen auch finanzierte.3
Später beteiligten sich die EKZ und bauten die Anlagen weiter aus. Am 13. Juni 2013 konnte die grösste Solaranlage in der Region Zürichsee den Betrieb aufnehmen.4 Sie hat eine Fläche von 1200 Quadratmetern und besteht aus 724 Photovoltaik-Modulen. Jährlich werden diese rund 175 000 Kilowattstunden Strom liefern. Dies entspricht dem Strom, den die ZHAW auf dem Campus Reidbach verbraucht. Oder: Mit dieser Menge könnten etwa 39 Vierpersonenhaushalte während eines Jahres mit Elektrizität versorgt werden.

Die 2013 installierte Solaranlage auf den Sheddächern im TUWAG-Areal.




Peter Ziegler


Anmerkungen

1 Peter Ziegler. Von der Tuchfabrik Treichler am Sagenbach in Wädenswil zur TUWAG Immobilien AG, Wädenswil 2001.
3 Arthur Schäppi. Studenten schwitzen für Solarstrom. «Tages-Anzeiger», 2.7.2011.
4 www.ekz.ch/content/ekz/de/ueberuns/medien/medienmitteilumngen/arc. Medienmitteilung vom 9.7.2013.