Als in Wädenswil noch Schallplatten produziert wurden

Quelle: Tages-Anzeiger, 14. Januar 1987 von ft.

Wädenswils musikalische Vergangenheit ist heute weitgehend vergessen, dabei war die Seegemeinde einst Zentrum der Schweizerischen Schallplattenindustrie. Volkstümliches aus einheimischem Schaffen, aber auch ernste Musik und Schlager wurden hier in Schellack gepresst. Namen aus der wechselhaften Pionierzeit der Schallplattenproduktion sind «Kalophon»- und «Elite»-Rekord oder «Turicaphon».
Auf die Zeiten, als an der Auerenstrasse in Wädenswil täglich 400 Schallplatten hergestellt wurden, blendet das neue Jahrbuch der Stadt Wädenswil zurück. Frank Erzinger weiss auch bereits über «historische» Immissionsklagen zu berichten, denn die Anwohner sollen sich über die qualmenden Schornsteine im oberen Dorfteil beklagt haben.

Blasmusik und ausländisches Repertoire

In Wädenswil produzierten Ende der zwanziger Jahre die Kalophon-Record AG und in den dreissiger Jahren die Turicaphon AG. Die einst billigen Scherben der Kalophon sind laut Erzinger heute nur noch selten an Plattenbörsen zu finden. Nach anfänglichen Versuchen mit Blasmusiktiteln waren dann die wenigsten Platten Eigenaufnahmen, meist übernahm man als Überspielung ausländische Einspielungen. Sechs Titel sind inzwischen aber Raritäten ersten Ranges geworden, und die Platten erreichen Preise um 800 Franken im Liebhaberhandel. Es handelt sich um Aufnahmen der amerikanischen Jazzkapelle Frank Guarentes Georgians, die 1926 im Zürcher «Esplanade» aufgetreten war. Die Turicaphon AG übernahm die Wädenswiler Fabrik 1933, und diese Firma überlebte, wenn auch nicht am Standort Wädenswil. Die heute in Uster tätige Plattenfabrik liess im gleichen Jahr die bereits vorhandene Plattenmarke Elite Record, neu mit einer Armbrust als Markenzeichen, patentieren.

Erfolg mit Mumenthaler und Pfyl

Die Schallplattenproduktion sah sich damals zunehmend bedrängt durch das vergrösserte Musikangebot der Radiosender. Ein ruinöser Verdrängungswettbewerb entstand, als erst in Riedikon bei Uster und dann auch noch im Raume Basel weitere Schallplattenfabriken den Betrieb aufnahmen. 1936 übernahm die Turicaphon schliesslich die Fabrik in Riedikon, und ein Jahr später wurde die Produktion an den heutigen Standort in Uster verlegt. Für die Plattenhersteller kamen damals gute Zeiten, denn der Zweite Weltkrieg bewirkte einen Importstopp für Konkurrenzprodukte und steigerte zugleich die Nachfrage nach einheimischen Produkten. Turicaphon konnte sich jedoch auch die Breitenwirkung neuer Stars zunutze machen und kam zu Erfolgen auch dank Martha Mumenthaler, Vreneli Pfyl, Hans Möckel und Teddy Stauffer.
Die Liegenschaft an der Auerenstrasse in Wädenswil stand nach dem Auszug der Turicaphon längere Zeit leer. Der Bau, in dem einst Webereiutensilien und darauf Musikkonserven fabriziert worden sind, diente vorübergehend der Herstellung von Spann-, dann von Maschinenelementen und ist nun im vergangenen Jahr an die Pfingstgemeinde Wädenswil verkauft worden.

Am 16. April 1991 gibt die Turicaphon AG, Schweizer Schallplattenfabrik in Riedikon bei Uster, die Betriebsschliessung bekannt. [nachtrag]