Zur Restaurierung der Schlossanlage Wädenswil

Quelle: «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», 6. Januar 1989 von Peter Ziegler
 
Schloss Wädenswil. Kupferstich von David Herrliberger, 1744.

Die Eidgenössische Forschungsanstalt Wädenswil kann 1990 auf hundertjähriges Bestehen zurückblicken. Auf diesen Zeitpunkt hin sollen sich die Gebäude der historischen Schlossanlage in restauriertem Zustand präsentieren. Im  Zuge dieses Restaurierungsprogrammes sind kürzlich in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege des Kantons Zürich sowie der Natur- und Heimatschutzkommission Wädenswil das Verwaltungsgebäude, das Zschokke-Häuschen in der Nordecke der Ringmauer sowie die ehemalige Zehntenscheune erneuert worden.

Das Verwaltungsgebäude

Das heutige Verwaltungsgebäude der Eidgenössischen Forschungsanstalt wurde in den Jahren 1816 bis 1818 nach Plänen des Zürcher Architekten Hans Conrad Stadler am Standort des 1804 abgebrannten Landvogteischlosses Wädenswil erstellt. Der als vornehmer Landsitz aufgefasste klassizistische Bau gehört zu den Frühwerken Stadlers. Der schlichte, dreigeschossige Baukörper unter Walmdach hat einen rechteckigen Grundriss. Die Breitseiten weisen fünf, die Schmalseiten drei Fensterachsen auf. An der Nordseite, Richtung Zürichsee, springt ein dreiachsiger Mittelrisalit vor. Er ist von einem Dreieckgiebel mit Lünettenfenster gekrönt. In der symmetrisch gehaltenen Südfassade ragt auf der Höhe des ersten Obergeschosses ein einfacher Balkon vor. Er ruht auf zwei dorischen Säulen. Unter dem Balkon ist die Haustüre angeordnet. Ein in hellem Grau gestrichener Stockgurt aus Bolligersteinen schliesst das Erdgeschoss nach oben ab. Die Fenster des Erdgeschosses und des zweiten Obergeschosses sind mit in dunklem Grau gestrichenen Sandsteingewänden schlicht gerahmt, die schlankeren Fenster des ersten Obergeschosses flachverdacht. Auf den Schmalseiten des Baus sind die Fenster gegen die Mitte zusammengerückt. Sie bilden einen gewollten Kontrast zu den leeren Eckfeldern. Ein Kranzgesimse mit Konsolenfries leitet über zu den Dachuntersichten des Walmdachs, das auf allen vier Seiten zwei Gauben trägt.
Das Hauptgebäude in den 1890er Jahren.

Mit seinem ockerfarbigen Kalkputz, der wegen eines Materialfehlers in etwa zwei Jahren auf Kosten der Versicherung durch den definitiven Putz ersetzt werden muss, und den blau gestrichenen hölzernen Jalousieläden präsentiert sich das Verwaltungsgebäude wieder in stilgemässer klassizistischer Ausgewogenheit und Schönheit.
Hauptgebäude, Zeichnung von Hans Conrad Stadler, 1812. Im Hintergrund die Galerie in der Ringmauer.

Das Zschokke-Häuschen

Das kleinere Gebäude, das in der Nordecke über die alte Schlossringmauer vorspringt, ist heute unter dem Namen Zschokke-Häuschen bekannt. Hier wohnte der von 1893 bis 1928 an der Versuchsanstalt Wädenswil tätige Pomologe Theodor Zschokke. Der turmartige Bau mit steilem Walmdach und schlankem Erker auf der Nordseite erscheint erstmals auf einer Zeichnung, die Johann Rudolf Werdmüller um 1665 angefertigt hat, also zu der Zeit, da sein Vater als Landvogt in Wädenswil amtete. Das Gebäude ist wohl damals von Landvogt Werdmüller erstellt worden und zwar zur Verstärkung der Ringmauer zusammen mit weiteren fortifikatorischen Anlagen auf der Seeseite und auf der Bergseite der Schlossanlage. Auf dem Kupferstich, den Matthäus Merian um 1642 vom Schloss Wädenswil geschaffen hat fehlt das spätere Zschokke-Häuschen noch.
Eine Ansicht des Schlosses, die J.M. Füssli um 1730 vom See her gezeichnet hat, zeigt die Umfassungsmauer mit Doppelscharten und pultdachartiger Abdeckung. Gleiche, allerdings vermauerte Scharten, kamen 1988 an der West- und an der Südfassade des Zschokke-Häuschens zum Vorschein, als man den Verputz abschlug. Zudem liess sich beobachten, dass der hölzerne Dachstuhl an diesen Stellen auf die ehemals abgeschrägte Schlossringmauer aufgesetzt wurde. In einem Plan von 1750 wird das Gebäude als Sennhütte bezeichnet.
Zschokke-Häuschen von der Hofseite.
Mit seinen weiss gekalkten Fassaden, dem erneuerten, mit alten Biberschwanzziegeln eingedeckten Dachstuhl, den bläulichen Fensterläden und dem aufgefrischten Laubenzugang auf der Hofseite ist das restauriert Zschokke-Häuschen wieder eine Zierde der Wädenswiler Schlossanlage.

Die Zehntenscheune

Im März 1743 brannte alte Schloss- oder Zehntenscheune samt Schopfanbau nieder; die Wachen waren mit dem Feuer unvorsichtig umgegangen. Werkmeister Rudolf Weber legte sogleich ein Projekt für den Wiederaufbau vor, dem der Zürcher Rat am 23. April zustimmte. Im Sommer 1744 war der weitgehend von Wädenswiler Handwerkern erstellte Neubau, das heutige Bibliothek- und Vortragsgebäude der Eidgenössische Forschungsanstalt, vollendet. Eine Quermauer unterteilte das mit Treppengiebeln ausgestattete Gebäude in die seeseitige 16 Meter lange Scheune und den bergseitigen 12 Meter langen Stall. Zum Eindecken des grossen Scheunendaches benötigte man 33‘692 Ziegel, inbegriffen 100 Firstziegel.
Das Baujahr 1743 der neuen Zehntenscheune ist auf einem Wappenstein über dem hofseitigen Torbogen festgehalten, zusammen mit den Familienwappen Hirzel und Lavater in barocken Kartuschen sowie dem Zürcher Standeswappen. Das Zürcher Wappen weist den Bau als obrigkeitlichen Besitz aus, das Hirzel Wappen erinnert wohl an Heinrich Hirzel (1709–1771), Landvogt in Wädenswil zur Zeit, da die neue Scheune erstellt wurde.
Bei der Restaurierung von 1988 beschränkte man sich darauf, die seeseitige Giebelfassade und die gegen Rutenen gerichtete westliche Trauffassade neu zu verputzen. Zudem wurden die hölzernen Fensterläden in dunklem Grün neu gestrichen. Der Verputz der übrigen Fassaden dieses Gebäudes soll in den nächsten Jahren ebenfalls erneuert werden.
Mit den nunmehr abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten ist ein weiterer bedeutender Schritt zur Erhaltung der Schlossanlage Wädenswil getan worden: zur Erhaltung eines Bauwerks von überregionaler Bedeutung mit Symbolcharakter für Wädenswil.
Das restaurierte Hauptgebäude von Osten.
Das restaurierte Hauptgebäude von der Hofseite.

Aus der Geschichte der Schlossanlage

1549 Der Johanniterorden verkauft die Komturei Wädenswil mit der Burg ob dem Reidholz, allen Gütern und Rechten an den Rat von Zürich.
1550 Schwyz und Glarus erheben Einsprache gegen den Verkauf der Johanniterherrschaft an Zürich. Die Eidgenössische Tagsatzung billigt die Handänderung. Der Zürcher Rat muss jedoch die Burg Wädenswil niederreissen und ein neues Verwaltungsgebäude, das Schloss, nicht als Festung bauen lassen.
1551 Die ehemalige Johanniterkommende Wädenswil wird als Landvogtei dem Zürcher Stadtstaat eingegliedert. Eine Ratskommission legt den Bauplatz für das neue Landvogteischloss in Wädenswil fest.
1552 Bau des Hauptgebäudes der Schlossanlage (1804 abgebrannt).
1553 Bau der Zehntenscheune (1743 abgebrannt).
1554 Bau der Ringmauer mit kleinen Nebengebäuden an der Innenseite sowie bergseitigem Haupttor.
1555 Landvogt Bernhard von Cham zieht von der Johanniterburg ins neue Schloss um.
1557 Abbruch der Burg Wädenswil.
1664 Landvogt Johann Georg Werdmüller verstärkt das Schloss ausserhalb der Ringmauer mit Erdwerken und Palisaden.
1743 Brand der Zehntenscheune.
1743/44 Wiederaufbau.
1755 Neubau der Hauptpforte in der bergseitigen Ringmauer.
1776/77 Bau eines gemauerten Aussichtspavillons (Schloss-Terrasse) in der Ostecke der Ringmauer.
1798 Ende des Stadtstaates Zürich, Aufhebung der Landvogtei Wädenswil.
1799 Der Staat Zürich verpachtet die Schlossliegenschaft für sechs Jahre der Gemeinde Wädenswil. Diese gibt die Güter mit Gewinn in Unterpacht an Gemeindebürger.
1800−1802 Der Pädagoge J. Th. Lutz aus Aarberg führt im Hauptgebäude des Schlosses ein Erziehungsinstitut für Knaben im Alter zwischen 11 und 15 Jahren.
1804 Erzürnte Wädenswiler stecken das ehemalige Landvogteischloss in Brand. Diese gegen Zürich gerichtete aufrührerische Tat gibt Anlass zum Bockenkrieg, einem bewaffneten Aufstand von Bewohnern einiger Seegemeinden gegen das wieder konservativ regierte Zürich.
1812 Der junge Zürcher Architekt Hans Conrad Stadler erhält den Auftrag für die Planung des neuen Schlosses Wädenswil.
1814−1830 Während der Restaurationszeit ist das Schloss Wädenswil Verwaltungszentrum des Oberamtes Wädenswil, zu dem alle Gemeinden am linken Zürichseeufer zählen.
1816−1813 Architekt Stadler ersetzt das abgebrannte Hauptgebäude des Schlosses durch einen klassizistischen Neubau.
1832 Der Staat Zürich verkauft die Schlossliegenschaft Wädenswil auf öffentlicher Gant an Weinhändler Johannes Hürlimann in Richterswil.
1836 Johannes Hürlimann veräussert die Schlossgüter – mit Ausnahme der Zehntentrotte, der Eichweid und der Sennweid – an Johannes Dollfuss von Mülhausen.
1890 Vierzehn Kantone gründen eine deutsch-schweizerische Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau. Der Staat Zürich stellt der Versuchsstation als Sitz das von den Erben des 1887 verstorbenen Johannes Dollfuss zurückgekaufte Schloss Wädenswil zur Verfügung.
1902 Mit der Übernahme der Versuchsanstalt durch den Bund entsteht die Eidgenössische Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau.
1902−1905 Bau des Laborgebäudes I und des Keltereigebäudes.
1914 Die auf Konkordatbasis geführte Schule wird aufgehoben.
1939−1941 Bau des Laborgebäudes II.
1966−1971 Bau des Laborgebäudes III, des zweiten Kühlhauses und neuer Gewächsanlagen.
1968 Durch Bundesratsbeschluss wird die Versuchsanstalt umbenannt in Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau (EFA).
1976−1978 Bau des Laborgebäudes IV.
1976 Restaurierung des Aussichtspunktes Schloss-Terrasse und des schmiedeeisernen klassizistischen Zauns.
1979−1982 Restaurierung der südwestlichen Ringmauer, der bergseitigen Pforte und Innenumbau des in der Nordecke der Umfassungsmauer gelegenen Zschokke-Häuschens zum Gästehaus für Gastwissenschafter.
1987 / 1988 Aussenrestaurierung des Zschokke-Häuschens, des Hauptgebäudes von 1816/18 und von zwei Fassaden der ehemaligen Zehntenscheune von 1743/44. Durch Entfernen des Rhododendronhaines kann der Innenhof des Schlosses geöffnet werden. Im Nordwestteil des Hofes erneuert man das Kopfsteinpflaster. Östlich, südlich und westlich der Schlossanlage entsteht, unter Beizug namhafter Dendrologen, ein Gehölzgarten mit zahlreichen sehr wertvollen Pflanzen, über die ein gedruckter Führer Aufschluss gibt.




Peter Ziegler