AUS DER GESCHICHTE DES HOTELS «SEEHOF» IN WÄDENSWIL

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1984 von Peter Ziegler

In den 1830er Jahren war das «Plätzli» ein wichtiger Ort der Begegnung in der Gemeinde Wädenswil. Hier führte – auf dem Trasse der heutigen Eidmatt- und Luftstrasse – die Landstrasse Zürich-Chur vorbei, in der Nähe wickelte sich der bedeutende Schiffsverkehr auf dem Zürichsee ab, hier stand das Wädenswiler Schützenhaus, hier betrieb Bezirksrichter Blattmann die Schützenwirtschaft, hier lag seit 1818 auch das geräumige Armenhaus.
Im Jahre 1840 wurde das Gebiet am Plätzli umgestaltet, und zwar durch den Bau einer neuen Gemeindehaabe, der Sust, der Seestrasse und des Hotels «Seehof».
Wädenswil im Jahre 1769. Ausschnitt aus einer Zeichnung von Johannes Isler. Im Vordergrund links das Wädenswiler Schützenhaus (Nr. 22) am Standort des heutigen «Seehofs».

Die neue Haabe

1834 stellte der Zürcher Regierungsrat fest, am linken Ufer des Zürichsees sei eine weitere Sust – ein Lagergebäude – wünschbar1 Wädenswil mit aufstrebender Industrie und bedeutendem Handel war bereit, ein Lagerhaus und eine Haabe – einen Hafen – zu erstellen. Die Gemeindeversammlung vom 6. Dezember 1835 bestimmte als Standort für die Schifflände und das neue Sustgebäude das Areal ausserhalb des Schützenhauses am Plätzli2. Am 27. Februar 1840 begann man mit dem Ausgraben des neuen Seehafens. Die Arbeiten wurden durch Gemeindebürger im Frondienst ausgeführt. Täglich arbeiteten 40 bis 50 Mann. Am 21. März war die Grube, die sich vom Schützenhaus gegen Osten erstreckte, genügend tief. Jetzt konnte man den Damm durchstechen, der das Eindringen des Wassers verhütet hatte. Mit Wucht strömte das Seewasser in die neue Haabe und füllte sie innert sieben Minuten. Eine grosse Menge Zuschauer wohnte dem seltenen Schauspiel bei3.

«Seehof» mit vorgebautem Schützenstand, Gemeindehaabe und Sust (links) vor 1859.

Der Bau der Sust

Bereits im Dezember 1839 hatte Steinmetz Blattmann mit den Bauarbeiten an der Sust begonnen. Am 20./21. Juli 1840 wurde das am bergseitigen Rand der Haabe gelegene Gebäude aufgerichtet4. Auf der dem Hafen zugewandten Seite der zweigeschossigen Sust – das dritte Geschoss wurde erst 1890/91 aufgesetzt – war eine Verladerampe vorgebaut. Selbst eine kranartige Aufzugsvorrichtung fehlte nicht. Die Gemeinde als Eigentümerin der Sust gab das neue Lager- und Waaghaus einem Sustmeister auf sechs Jahre in Pacht5.
 

Die neue Seestrasse

Zwischen 1829 und 1841 wurde als Ersatz für die enge und kurvenreiche Landstrasse auch auf dem Gemeindegebiet von Wädenswil die Seestrasse angelegt. Der Bau erfolgte in vier Etappen: 1829 längs der Seefahrt, 1834/35 vom Grünenhof bis zur Richterswiler Grenze, 1839 von der Sust bis zum Grünenhof und 1841 von der Sust bis zum Sagenrain6.
Im Jahre 1840 war folglich die Gegend am Plätzli für damalige Begriffe eine Grossbaustelle. Denn neben Hafen, Sust und Hauptstrasse entstand auch Wädenswils modernstes Hotel, der «Seehof».
 

Das Hotel «Seehof»

Schützenwirt Heinrich Blattmann (1783–1864) hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Reiseverkehr mit Kutschen auf der Seestrasse und mit dem Dampfschiff auf dem Zürichsee waren gute Voraussetzungen für den Betrieb eines Hotels an der neuen Wädenswiler Haabe. Blattmann liess darum sein altes Wohnhaus (Ass. Nr. 61) samt Nebengebäuden – die alte Schützenwirtschaft – niederreissen7 und in den Jahren 1840/41 an deren Stelle, in der Westecke des neuen Hafens, im modernen klassizistischen Stil das Hotel «Seehof» bauen, ein dreigeschossiges kubisches Gebäude unter Walmdach. Es wurde bergseits an den Schützenstand angebaut, von dem aus die Wädenswiler Schützen seit Jahrhunderten über die Seebucht – anstelle des heutigen Bahnhofplatzes – auf Scheiben am Kronenbach (bei der heutigen Bahnhofunterführung West) schossen.
Spätestens am 11. Mai 1841 war das neue Hotel eröffnet, erwähnt doch das Grundprotokoll unter diesem Datum den «neuerbaunen Gasthof genannt Seehof»8 Dank guter Führung, aufmerksamer Bedienung und geschickter Propaganda in den Tageszeitungen wurde der «Seehof» in Wädenswil bald weitherum bekannt. Am 19. November 1842 stand im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» zu lesen: «Der Unterzeichnete ist im Fall, einem geehrten Publikum anzuzeigen, dass er von künftiger Woche an bereit ist, mit zwei- bis sechsplätzigen Wagen und – bei eintretender Schlittenbahn mit zwei- bis sechsplätzigen Schlitten – gegen billige Bezahlung nach allen Richtungen zu fahren, wozu sich bestens empfiehlt. Blattmann zum Seehof.»
Am 9. und 11. Juli 1843 inserierte Blattmann, Gastgeber zum «Seehof», im «Tagblatt der Stadt Zürich»: «Bekanntmachung. Während den gegenwärtig stattfindenden Freischiessen in Luzern und Zug sowie über die Dauer des diesjährigen Rigibesuches ist der Unterzeichnete mit ein- und zweispännigen Wagen zur Beförderung der resp. Herren Reisenden bereit. Schnelle Beförderung und möglichst billige Preise je nach der Zahl der Herren Reisenden versichernd, empfiehlt sich zu zahlreichem Zuspruch höflichst Blattmann, Gastgeber zum Seehof.»
Wer etwas auf sich hielt, stieg in den 1840er Jahren in Wädenswil im «Seehof» ab. 1844 spielte sich hier jene Hochstapleraffäre ab, die Gottfried Keller den Stoff geliefert haben soll für die Ende der 1860er Jahre geschriebene Novelle «Kleider machen Leute»9.
Sust - erst zweistöckig - Hafen und «Seehof», um 1870.
 
«Seehof» und Haabe um 1870. Rechts das Haus «Fortuna», heute Seestrasse 106.

Die Akten zum Strafprozess sind nicht mehr vorhanden. Nach den Protokollen des Kriminalgerichts hat sich die Geschichte – wie Notar Walter Wild 1952 ermittelt hat – folgendermassen zugetragen10: Ende Mai oder anfangs Juni 1844 erschienen im «Seehof» zu einem Land- und Kuraufenthalt die 40jährige Emilie Gagino geborene Hutten aus Köln und ihr 17jähriger Sohn Rudolf, Uhrmacherlehrling. Die Herrschaften kamen aus Baden, wo sie es unterlassen hatten, die Hotelrechnung zu bezahlen. Mit der Angabe ihrer Personalien nahm es die Dame nicht sehr genau. In Heidelberg war sie bestraft worden, weil sie einen falschen Namen gebraucht hatte. Ihr Pass lautete auf Dellamare nee Dubreail. In Wädenswil liess sie sich Madame Herbetz nennen. Den Sohn Rudolf bezeichnete sie als ihren Neffen. Der Ehemann, Gerber bei Wunderli in Meilen, hatte auf den Lebenswandel seiner Gattin keinen Einfluss mehr und besuchte sie nur selten.
«Seehof» von Südosten, mit vorgelagertem Garten, um 1930.

Es wurde behauptet, Frau Gagino habe sich in Wädenswil als Gräfin ausgegeben. Der Verteidiger bestritt dies zwar, doch liess die Dame durch Auftreten, Lebensführung und Kleidung ihre Umgebung zweifellos im Glauben, sie sei von vornehmer Herkunft. Tatsächlich besass sie auch eine Anzahl seidener Kleider, ein goldenes Armband, zwei goldene Uhren und eine Stecknadel mit Diamanten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man sich in Wädenswil für die beiden vornehmen Fremden interessierte, ihnen mit kleineren und grösseren Geldbeträgen aushalf und ihnen allerlei geschenk- oder leihweise überliess. Frau Gagino wurde am 27. Juni 1844 sogar zu einer Reise nach Luzern eingeladen, mit Zechen in Sihlbrugg, Zug und Luzern. Die Dame versprach, sich dafür zu revanchieren, indem sie dem Stifter der Reise eine Stelle in einer ihrer Salinen anbot. Am 13. Juli 1844 verschwanden die illustren Kurgäste plötzlich aus Wädenswil. Ein Herr Hürlimann verfolgte sie wegen seines Guthabens bis nach Winterthur und konnte dort ihre Verhaftung erwirken. Zum Strafprozess erschienen zehn Geschädigte, vor allem Gewerbetreibende und Krämer. Ein Herr Burkhard gab zu Protokoll, Rudolf Gagino habe von ihm in der letzten Nacht des Aufenthalts in Wädenswil ein Paar Sommerhosen entliehen und dann mitgenommen.
Endlich vermisste man im «Seehof» und beim späteren Logisgeber im «Rothaus» drei silberne Löffel, ein Messer, eine Schere, ein seidenes Halstuch, einen seidenen Schirm, ein Paar Überschuhe und ein Köfferchen. Am 5. Oktober 1844 fällte das Kriminalgericht das Urteil, wobei es das jugendliche Alter Rudolf Gaginos und das Abhängigkeitsverhältnis zur Mutter strafmildernd berücksichtigte. Unter Anrechnung von einem Monat Untersuchungshaft wurde Rudolf zu vier Monaten Gefängnis und einjähriger Verweisung aus dem Kanton Zürich verurteilt. Die Mutter bestrafte man mit einem Jahr Zuchthaus und 24 Jahren Landesverweis.
Für den Spott hatten die Wädenswiler nicht zu sorgen. Besonders in Richterswil freute sich männiglich über das Missgeschick der lieben Nachbarn. Das in der Art der heutigen Schnitzelbänke verfasste Spottgedicht, mit Holzschnitten geschmückt und bei Froschauer in Zürich gedruckt, ist leider heute unauffindbar.
Tirggelmodel, um 1850, mit Darstellung der Hochstapleraffäre von 1844.
Am 17. März 1851 verkaufte Johann Heinrich Blattmann seinen Besitz dem Sohn Jakob Blattmann-Schärer (1809–1874)11 Auch unter diesem Wirt war der «Seehof» ein bekanntes Gasthaus. Der junge Blattmann baute, unterhielt und besorgte als Privatmann auch den beim Hotel gelegenen ersten Wädenswiler Landesteg für das Dampfboot «Republikaner». Bei Regenwetter und im Winter konnte der Schiffspassagier im «Seehof» sogar einen Warteraum benützen, den der Wirt gratis zur Verfügung stellte und heizte.

«Seehof» von Südosten, um 1930. Im Vordergrund der Sustplatz.

«Seehof» mit Laden von August Furrer-Rusterholz, um 1940. im Hintergrund das Stellwerk des neuen Bahnhofs Wädenswil.

In den 1850er Jahren war das Hotel «Seehof» ein Mittelpunkt des Wädenswiler Vereinslebens. Dies belegen zahlreiche Inserate in der Lokalzeitung, im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee». Am 30. März 1856 abends fünf Uhr trafen sich hier die über 65jährigen Bürger und Niedergelassenen zur Frühlingsgeneralversammlung des Altersvereins12 Am Sonntagabend, 4. Mai 1856, versammelte sich bei Blattmann im «Seehof» die Lesegesellschaft und jeden Donnerstag die «Ersparungskassa-Gesellschaft»13. Ebenfalls im Mai gab der Violinspieler W. Grimm aus St. Gallen zusammen mit Wädenswiler Musikfreunden im Gasthof zum «Seehof» ein Konzert14. Auf Sonntag, den 1. Juni 1856, abends 18 Uhr 30, lud die Feldschützengesellschaft Wädenswil-Richterswil ihre Mitglieder in den «Seehof» ein, «verschiedene Mittheilungen das diesjährige Zentralschiessen betreffend»15. Am 23. November 1856 trafen sich im Hotel «Seehof» die Jahrgänger 1812, 1813 und 1814 zu gemütlichem Beisammensein16. Im Dezember 1856 fand hier die Gründungsversammlung eines «Vereins für Landwirtschaft und Gartenbau» statt, des nachmaligen Landwirtschaftlichen Vereins Wädenswil17. Im April 1857 war der «Seehof» des Eisenbahnfreundes Jakob Blattmann der Ort «einer freundschaftlichen Besprechung in Angelegenheiten der Sihl- und Seethalbahn» (Linie von Zürich nach Ziegelbrücke)18. Auf den 22. November 1858 lud die Lesegesellschaft ihre Mitglieder «zur geselligen Feier des Tages von Uster» in den «Seehof» ein. «Möge die Versammlung eine recht zahlreiche werden! Beiläufig ist zu bemerken, dass nach der Karte gespiesen wird», hiess es im Einladungsinserat in der Lokalzeitung19. Im Juni 1861 machte Zahnarzt Sallenbach aus Winterthur im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» bekannt, er gedenke von Zeit zu Zeit nach Wädenswil zu kommen. Das erste Mal sei er am Montag, 17. Juni, im Gasthof zum «Seehof» anzutreffen und empfehle sich für das Einsetzen einzelner Zähne wie ganzer Gebisse, aber auch für das Reinigen, Plombieren und Ausziehen von Zähnen20.
1859 verstummte der Schiesslärm im dem «Seehof» benachbarten Wädenswiler Schützenstand. Bereits im Frühling 1856 hatte der Zürcher Regierungsrat beschlossen, den die Schiffahrt gefährdenden Wädenswiler Schiessplatz am See aufzuheben21. 1857 hatte der Gemeinderat für einen neuen Schießstand das Leuthold-Heimwesen am Rotweg gekauft; der neue Stand wurde am 26. Juni 1859 eingeweiht22. Der Schützenstand beim «Seehof» (Ass. Nr. 61 e) wurde noch 1859 abgerissen23. Eine Foto aus den frühen 1870er Jahren zeigt den «Seehof» mit einer Terrasse längs der ganzen Seefassade. Davor lag ein Seegarten, wohl ursprünglich als Gartenwirtschaft benützt.
Das Hotel «Seehof» in Wädenswil bestand nur gut zwanzig Jahre lang. Aus Gründen, die nicht bekannt sind, äusserte Jakob Blattmann bereits am 13. November 1861 die Absicht, seinen Gasthof auf Jahresende aufzugeben. Das Patent, so schrieb er nach Zürich, wolle er indessen bis 1872 behalten24. Wegen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Dampfschiffahrtsgesellschaft musste Blattmann den Betrieb bis Ende Februar 1862 weiterführen. Dann konnte er den Vertrag mit dem Schiffahrtsunternehmen betreffend den Landeplatz der Dampfboote beim «Seehof» kündigen und den Gasthof schliessen. Das Gebäude wurde zum Wohnhaus. Jakob Blattmann zahlte 1863 und 1864 noch reduzierte Wirtschaftsabgaben; am 18. März 1865 verzichtete er aber endgültig auf das Patent25.
 

Der «Seehof» als Wohn- und Geschäftshaus

Am 27. Juli 1874 starb der frühere Seehofwirt Jakob Blattmann-Schärer. Er hinterliess die Frau Verena (gestorben 1894) und zwei verheiratete Kinder: Johannes Blattmann-Zinggeler (1842–1926) und Anna Elisabetha Schneider-Blattmann. Jakob Blattmann erlebte eben noch die gewaltigen Veränderungen, welche der Bau der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn und der linksufrigen Seebahn auch in nächster Umgebung des «Seehofs» hervorrief: 1872 ging der Hafen bei der Sust an die Nordostbahn über. Zusammen mit weiteren Buchten und Uferpartien wurde er in den Jahren 1872 bis 1874 aufgefüllt, damit hier der heute noch stehende Güterschuppen erstellt werden konnte. Mit dem Aufschütten der Landanlagen verloren Sust und «Seehof» ihren Seeanstoss26. Johannes Blattmann, der auch Hans genannte Sohn des letzten Seehofwirts, führte in der vom Vater geerbten Liegenschaft seit 1881 zusammen mit Johannes Scherrer die Firma «Joh. Scherrer z. Seehof», welche mit Fettwaren handelte und auch eine Buttersiederei betrieb27. Wohl zu diesem Zweck hatte er den «Seehof» im Jahre 1879 um einen Zinnenanbau erweitert, der 1894 als «Zinnenanbau mit Verkaufslokalen» und 1901 als «Zinnenanbau mit Läden» bezeichnet wird28. 1896 installierte Blattmann im «Seehof» eine Warmwasserheizung und 1901 die elektrische Beleuchtung.
Der Kaufmann Hans Blattmann bekleidete, wie schon sein Vater, verschiedene Ämter. Er war unter anderem Gemeinderat und Kantonsrat, erst kantonaler, dann auch eidgenössischer Geschworener, Verwaltungsrat der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn und Quästor der Gasbeleuchtungs-Gesellschaft Wädenswil29.
Im Jahre 1921 – Hans Blattmann übertrug damals den «Seehof» seinen Kindern Hans und Maria – wurde der Zinnenanbau mit den Läden erneuert. Hier befand sich in der Folge das Wollwaren- und Stickereigeschäft von August Furrer-Rusterholz. 1942 erwarb Werner Bär-Waldmeier die Liegenschaft «Seehof» von den Erben Blattmann und verlegte hieher sein 1928 gegründetes und nun vergrössertes und modernisiertes Sportgeschäft, das 1971 von Werner Bär jun. übernommen wurde30.
1964 musste die Familie Bär den «Seehof» dem Tiefbauamt des Kantons Zürich verkaufen. Das Haus hätte für die Verbreiterung der Seestrasse abgebrochen werden sollen. Glücklicherweise verzichtete man dann auf die Ausführung dieses Strassenprojekts, und Werner Bär jun. konnte das Haus, an dem während mehr als zwanzig Jahren keine Unterhaltsarbeiten ausgeführt worden waren, im Jahre 1983 zurückkaufen. In Zusammenarbeit mit der Kantonalen Denkmalpflege und der Natur- und Heimatschutzkommission Wädenswil liess der neue Eigentümer den «Seehof» durch den Architekten Ruedi Zai (Schönenberg) mustergültig renovieren. Der helle Bau mit je fünf Fensterachsen gegen den See und die Seestrasse und mit je vier Fensterachsen auf den beiden Schmalseiten präsentiert sich mit seinen roten Fensterläden wieder in hotelwürdiger Pracht. Ein breites profiliertes Band trennt die Obergeschosse vom Erdgeschoss. Die Fenster des ersten Obergeschosses – hier lagen wohl einst die Säle des Hotels «Seehof» – sind aussergewöhnlich hoch und zudem gekrönt von einem profilierten Aufsatz aus Sandstein. Die ebenfalls mit Sprossen versehenen Fenster des zweiten Obergeschosses sind gleich breit, aber wesentlich niedriger und ohne Aufsatz. Das sehr flache, mit Biberschwanzziegeln gedeckte Walmdach mit verzierter Untersicht in Form von quadratischen Feldern tritt kaum in Erscheinung31.
Der zum Teil neu erstellte, vom klassizistischen Hauptgebäude auch farblich unterschiedene Laden- und Werkstättenanbau mit erweitertem Eingang trägt einheitlich gestaltete Beschriftungen und fügt sich mit seinen verkleinerten Schaufenstern und der teilweise aufgebrochenen Zinnenbrüstung ebenfalls besser ins Gesamtbild ein als früher. Im Erdgeschoss des Hauptbaus mit wiederhergestellter Sockelpartie aus Sandstein und erneuertem Vordach über dem Haupteingang in der Mitte der Fassade gegen die Seestrasse sind verschiedene Verkaufsabteilungen untergebracht. Im ersten Obergeschoss befindet sich neben Büro und Lager eine 3½-Zimmer-Wohnung. Das zweite Obergeschoss wird wie bisher für Wohnzwecke genutzt. Im Dachgeschoss liegt der Unterrichtsraum für die Tauchschule.
Seit der im September 1984 abgeschlossenen Renovation ist der in der Liste der schützenswerten Bauten eingetragene «Seehof» wieder eine Zierde für Wädenswil. Zusammen mit der ehemaligen Sust, die hoffentlich bald auch renoviert wird, steht er der dichten und regelmässigen Reihe von Bauten entlang der Seestrasse dominant gegenüber.
«Seehof» nach der Restaurierung von 1984.




Peter Ziegler

Anmerkungen

StAZ = Staatsarchiv Zürich StAW
= Stadtarchiv Wädenswil
 
1StAZ, MM 1.5, S. 204.
2StAW, IV B 69.2, Chronik der Lesegesellschaft Wadenswil, 1835.
3StAW, IV B 69.2, 1840. - StAZ, 0 50, datiert 21. März 1840.
4StAW, IV B 69.2, 1840. - StAW, II B 8.2.4.
5Peter Ziegler, Wädenswil, Bd. 2, Wädenswil 1971, S. 121/122.
6Peter Ziegler, Wädenswil, Bd. 2, Wädenswil 1971, S. 151.
7StAW, IV B 59.2, Brandkataster (Nr. 61 b).
8Notariat Wädenswil, Grundprotokoll 1840, S. 247.
9Robert Faesi, Der falsche Graf von Wädenswil, Jahrbuch vom Zürichsee 1962/63, S. 130 ff.
10Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee, 7. November 1952.
11Notariat Wädenswil, Grundprotokoll 1851, S. 629.
12Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856, Nr. 25, 26.
13Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856, Nr. 36, 37.
14Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856, Nr. 41.
15Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856, Nr. 44.
16Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856,Nr. 94.
17Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856, Nr. 99.
18Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1857, Nr. 47.
19Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1858, Nr. 137, 138.
20Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1861, Nr. 69.
21Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1856, Nr. 26.
22Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee 1857, Nr. 74. - Peter Ziegler, Wädenswil, Bd. 1, Wädenswil 1982, S. 128/129.
23StAW, IV B 59.2, Brandkataster (Nr. 61e).
24StAZ, R 108a.1.
25StAZ, RR I 56, 1863-1865.
26Peter Ziegler, Wädenswil, Bd. 2, Wädenswil1971, S. 122.
27StAZ, 0 38d.10.
28StAW, IV B 59. 10, Brandkataster (Nr. 162).
29StAW, IV B 69.3, Chronik der Lesegesellschaft, & 196,260,305,347,349,423,447,448,514, 557.
30Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee, 11. Oktober 1978.
31Inventarblätter der Arbeitsgemeinschaft für Ortsbildpflege und Inventarisation, Zürich, August 1981. – Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee, 6. Juli 1984.