Vom Krankenzimmer zum Regionalspital

Archiv Peter Ziegler, 1992 und Nachtrag 1999

Auf Initiative von Elisabeth Rellstab (1843–1904) schlossen sich am 19. Januar 1877 sieben Wädenswilerinnen zu einem Frauenkomitee zusammen mit dem Ziel, in ihrem Dorf eine Krankenanstalt zu gründen. Dank dem Entgegenkommen der Armenpflege konnte bereits am 4. Juni 1877 im Armenhaus am Plätzli eine erste Krankenstation eröffnet werden: drei Zimmer mit insgesamt sieben Betten für Erwachsene und drei Betten für Kinder. Eine Schwester aus dem Diakonissenhaus Zürich-Neumünster betreute die Patienten; für die ärztliche Behandlung war der jeweilige Wädenswiler Armenarzt zuständig.

Der Bau des Krankenasyls, 1885/86

Bald wurde das Bedürfnis nach geeigneteren Räumlichkeiten stärker: ein Neubau drängte sich auf. Die Baukommission, am 9. Juni 1884 von den Frauen des Komitees gewählt, setzte sich zum grössten Teil aus deren Ehemännern zusammen. Am 14. August 1884 wurde das Land auf Rutenen erworben, am 13. April 1885 der Vertrag mit dem Wädenswiler Architekten Karl Schweizer geschlossen. Am 1. August 1885 erfolgte der erste Spatenstich, am 11. November 1886 konnte das Krankenasyl mit seinen 26 Betten – der spätere Altbau – eingeweiht werden. Das moderne zweistöckige Haus enthielt im Erdgeschoss u.a. Arzt- und Operationszimmer, Küche und drei Krankenzimmer, im Obergeschoss Küche, vier Patientenzimmer und verschiedene Nebenräume.

Krankenasyl, erbaut 1886.

Das Dorfärzte-Spital, 1886–1935

Ärzte
Die ärztliche Leitung des Krankenasyls Wädenswil wurde 1886 gegen fixe Entschädigung in jährlicher, später zweijähriger Kehrordnung einem Wädenswiler Dorfarzt übertragen. Dieser führte in erster Linie seine Allgemeinpraxis im Dorf und betreute nebenher die Patienten im Asyl. 1892 entschied sich die Asylkommission für das Konsiliar-Arztsystem: alle drei im Dorf wohnenden Ärzte durften fortan im Asyl Patienten behandeln. Da sich die freie Arztwahl im Wädenswiler Krankenhaus nicht bewährt hatte, kehrte man 1897 zur früheren Regelung mit gewähltem Asylarzt zurück. Diese blieb bis 1933 in Kraft. Dann entsprach man wieder einem Begehren der Ärzteschaft, das auf freie Arztwahl tendierte.
 
Pflege
Seit 1877 war es Tradition, dass die im Krankenasyl Wädenswil amtenden Oberschwestern und Schwestern Diakonissen des Hauses Zürich-Neumünster waren. Im Jahre 1900 standen der Oberschwester zwei Diakonissen zur Seite. Mit diesem Bestand an Pflegepersonal kam man bis 1925 aus. 1926 wurde zusätzlich eine Hilfsschwester eingestellt. Um das die Küche und den Haushalt führende Dienstpersonal zu entlasten, hatte man schon 1920 die Stelle eines Hausdieners und Gärtners geschaffen.
 
Verwaltung
An die Stelle der Frauenkommission, welche die Krankenanstalt früher allein betreut hatte, trat 1888 die Asylkommission. Sie zählte höchstens 14 Mitglieder, 7 Frauen und 7 Männer, und vereinigte die selbständig organisierte Frauenkommission und eine Männerkommission. Erstere war für den Asylbetrieb und die Haushaltführung zuständig, letztere für finanzielle und bauliche Probleme.

Der Bau des Krankenhauses, 1934/35

Das 1886 eingeweihte Krankenasyl Wädenswil war für die damalige Zeit grosszügig und geräumig gebaut. Dann führten das Wachstum der Gemeinde und der angestiegene Verkehr zu erhöhten Patientenzahlen, denen das Asyl nicht mehr gewachsen war. Ein Neubau drängte sich auf. Das Preisgericht empfahl das vom einheimischen Architekten Heinrich Bräm (1886–1956) eingereichte Projekt zur Ausführung. Am 21. April 1934 wurde mit den Bauarbeiten begonnen; am 5. November 1935 konnte das neue Krankenhaus Wädenswil mit seinen 72 Betten dem Betrieb übergeben werden.
Am Abhang zwischen Schönenberg- und Schlossbergstrasse war ein vom Bauhaus-Stil beeinflusster, flach abgedeckter dreigeschossiger Betonbau entstanden, der sich gut ins Dorfbild einordnete. Ein gedeckter Gang stellte eine stufenfreie Verbindung her zwischen dem Neubau und dem alten Asyl.
Im Erdgeschoss lagen die Räume für die konsultative Praxis des Chefarztes, ferner die Küche und verschiedene Büros und Nebenräume. Im ersten Obergeschoss war die Frauenabteilung mit angegliederter geburtshilflicher Abteilung untergebracht. Beide Abteilungen zusammen zählten ingesamt 31 Betten. Dazu kam das Säuglingszimmer mit sechs Bettchen. In allen Zimmern gab es Lavabos mit fliessendem kaltem und warmem Wasser. Im zweiten Stockwerk befand sich die Männerabteilung mit total 27 Betten, im dritten die Privatabteilung mit acht Einzelzimmern. Im Nordtrakt des Krankenhauses, baulich und organisatorisch von den Krankenabteilungen getrennt, lagen die Spezialräume: zwei Operationssäle, ein Röntgenzimmer, der Gebärsaal und das Labor.
Laut Reglement von 1935 war die oberste Leitung des Krankenhauses Wädenswil einem Chefarzt übertragen; Krankenpflege und Hausdienst unterstanden der Oberschwester; die Aufsicht über die Verwaltung und den Betrieb übte die Krankenhauskommission aus.
Spital im Bau, 1934.

Luftaufnahme Spital Wädenswil.
 

Das Einmann-Chefarzt-Spital, 1935–1976

Chefärzte
Nach langen Beratungen entschied sich der Asylverein, das neue Spital einem Chefarzt anzuvertrauen. In Dr. med. Ernst Kaiser (1903–1967) fand man eine Persönlichkeit, die als Arzt und als Mensch rasch das Vertrauen der Patienten und bald auch der Wädenswiler Ärzte gewann. Sehr bald zeigte der junge Arzt sein grosses Können nicht nur auf allen Gebieten der Chirurgie, sondern auch bei der Behandlung von Krankheiten der Verdauungsorgane. Im Spital, dem auch eine geburtshilfliche Abteilung angegliedert war, arbeiteten bereits 1940 drei Assistenzärzte.
Nachfolger von Dr. med. Ernst Kaiser wurde 1953 der Spezialarzt FMH für Chirurgie Dr. med. Ernst Häberlin. Auch ihm ging ein guter Ruf als Arzt und Mensch voraus. Er war ruhig, zuverlässig, besass eine umfassende chirurgische Ausbildung und verfügte über grosse Kenntnisse in Gynäkologie und Innerer Medizin.
1976 trat Dr. med. Ernst Häberlin von der Leitung des Krankenhauses Wädenswil zurück. Im Zuge einer Neuorganisation des Spitalwesens am linken Seeufer wurden in Wädenswil auf den gleichen Zeitpunkt die Abteilungen Chirurgie und Gynäkologie aufgehoben. Eine neunzigjährige Tradition war damit zu Ende.
Operationssaal.

Pflege
1936 waren im neuen Krankenhaus Wädenswil unter der Leitung von Oberschwester Elise Sigg 17 Schwestern tätig. Sieben stammten aus dem Diakonissenhaus Zürich-Neumünster, sechs aus der Berner Landeskirche, und vier arbeiteten als freie Schwestern. Jahr für Jahr musste weiteres Pflegepersonal angestellt werden. Damit stieg der Personalbestand von 20 Schwestern und einem Pfleger im Jahre 1940 auf 47 Schwestern und einen Pfleger im Jahre 1970.
Greifen wir 1948 als Stichjahr heraus: Das Spital erreichte damals mit 106 Betten 33 691 Pflegetage. Die wöchentliche Arbeitszeit der Schwestern lag noch über 60 Stunden. Namentlich die Diakonissen sahen in der Aufopferung für die Kranken im Sinne des barmherzigen Samariters ihre vorwiegende oder sogar ausschliessliche Tätigkeit.
1964 Iöste das Diakonissenhaus den mit Wädenswil abgeschlossenen Stationsvertrag. Nun war man ganz auf freie Schwestern angewiesen, denen man im Zuge der Entwicklung der Medizin auch immer mehr Verantwortung übertrug. Gleichzeitig mussten Postulate nach Verkürzung der Arbeitszeit, mehr Freizeit und Ferien, nach zeitgemässer Entlöhnung verwirklicht werden.
Spitalzimmer 1941.
 
Verwaltung
Die vom Asylverein aus seinen Mitgliedern gewählte Krankenhaus-Kommission – drei Männer und drei Frauen – leistete viel unentgeltliehe Arbeit im stillen. Hutfabrikant Ernst Felber-Rutishauser beispielsweise, der 1922 Mitglied des Asylvereins geworden war, wirkte bis zu seinem Tod im Jahre 1954 als nebenamtlicher Verwalter des Krankenhauses. Seither waren vollamtliche Spitalverwalter tätig: von 1954 bis 1961 Ernst Hillmann, von 1961 bis 1984 Hans Pfenninger, von 1984 bis 1991 Peter Büchi. Seither ist Esther Tait Verwaltungsdirektorin.
Im Jahre 1936 unterstanden der Hausbeamtin 12 Personen als Dienstpersonal. Ausserdem beschäftigte das Spital einen Heizer und Maschinisten, einen Hauswart sowie zwei Bürofräulein. 1948 war der Bestand auf 63 Personen angestiegen: 4 Ärzte, 30 Schwestern und einen Pfleger. Dazu kam das Personal von Verwaltung (3), Küche (6), Hausdienst und Wäscherei (16), Technischischem Dienst/Garten (3).
 
Neue Rechtsform
Seit den 1940er Jahren stiegen die Defizite. Da der Kanton davon nur 90 Prozent deckte, erwuchsen dem Asylverein immer grössere Kosten. Er sah sich daher gezwungen, die Gemeinde Wädenswil um ihre Mithilfe anzugehen. Zu diesem Zweck musste eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden. An die Stelle des Asylvereins trat 1964 die privatrechtliche Stiftung «Krankenhaus Wädenswil». Sie erhielt entschädigungslos das Land, die Gebäude und alle Spezialfonds. Dafür kam die Gemeinde Wädenswil fortan für den jährlichen Defizitanteil von zehn Prozent auf. Der Stiftungsrat setzte sich 1964 aus elf Mitgliedern zusammen: aus sechs Vertretern des Asylvereins Wädenswil, drei Vertretern des Gemeinderates Wädenswil und aus je einem Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenkassen von Wädenswil. Seit 1974 ordnet die Stadt Wädenswil vier Mitglieder in den Stiftungsrat ab, und auch die Gemeinde Schönenberg ist mit einem Mitglied der Exekutive vertreten. Die Aufgaben der früheren Krankenhauskommission gingen 1964 an den Betriebsausschuss über.
Spital Wädenswil, 1951.

Das Regionalspital für Innere Medizin und Radiologie

Am 1. Juni 1976 trat für die Chefarzt-Spitäler im Bezirk Horgen ein neues Konzept in Kraft. Damit wurde das Krankenhaus Wädenswil in ein Regionalspital für Innere Medizin und Radiologie umgewandelt. Dies bedingte bauliche Veränderungen. In einer ersten Etappe erweiterte man 1979/80 das Gebäude von 1935 um einen Anbau auf der Westseite, in einer zweiten baute man 1932 bis 1934 den alten Spital um. 1984 folgte die Renovation des Altbaus, des Asyls von 1886.
Mit der Neuorganisation traten die beiden neuen Chefärzte, Dr. med. Peter Möhr, Spezialarzt für Innere Medizin, und Dr. med. Paul Schnaars, Spezialarzt für Röntgendiagnostik, ihr Amt an.

Nachtrag 1999

Mit Beschluss vom 24. Dezember 1976 hob der Zürcher Regierungsrat die bisherigen Spitalkreise auf und fasste die Spitäler Horgen, Wädenswil und Richterswil zu einem einzigen Spitalkreis zusammen. Der Kanton war bereit, den Hauptanteil des gesamten Betriebsdefizites der drei Spitäler zu decken (1976 z.B. 76,5 %), der Rest sollte auf die sieben Gemeinden des Spitalkreises – Hirzel, Horgen, Hütten, Oberrieden, Richterswil, Schönenberg und Wädenswil – verteilt werden.
Die Umwandlung des Krankenhauses Wädenswil in ein Regionalspital für Innere Medizin und Radiologie mit 68 Betten bedingte bauliche Veränderungen: 1979/81 den Erweiterungsbau West und 1981/83 den Umbau des Hauptgebäudes von 1935. Dies erlaubte die Eröffnung neuer Einrichtungen, z.B. 1980 der Ergotherapie, 1981 der Ultraschall-Abteilung und 1982 der Intensivpflegestation (IPS).
 

Leitung Pflege, Verwaltung

Seit 1974 leitete Schwester Heidi Maier den Pflegedienst. Sie wurde 1993 pensioniert und von Frau Heidi Kropf-Walter, abgelöst. Auch in der Verwaltung gab es Wechsel. Nach dem Rücktritt von Hans Pfenninger wirkte von 1984 bis 1991 Peter Büchi als Spitalverwalter. Auf ihn folgte von 1991 bis 1994 Esther Tait und von 1994 bis 1998 Verwaltungsdirektor Rudolph J. von Planta. Ein wichtiges Ereignis für die Verwaltung war die Anschaffung des ersten Kleincomputers im Jahre 1979.

Personal

Die Arbeit im Spital ist Teamarbeit. Jede und jeder darf wissen, dass ihr/sein Einsatz nötig ist im Rahmen des Ganzen. Das Personal des Hausdienstes und der technischen Betriebe wird ebenso gebraucht wie das Personal der Verwaltung, das Pflegepersonal und die Ärzte.

Zweckverband

Am 4. Dezember 1996 konstituierte sich die Delegiertenversammlung «Spitalregion Linkes Zürichseeufer» unter dem Vorsitz von Dr. Bruno Lang. Der Zweckverband setzte sich das Ziel, für das Gebiet der Verbandsgemeinden eine optimale medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Die von der Gesundheitsdirektion erlassene Zürcher Spitalliste 1998 befristete den Leistungsauftrag des Spitals Wädenswil, verlangte die Nutzung von Synergien zwischen den Spitälern Horgen und Wädenswil und als Endziel deren Zusammenführung in ein einziges Schwerpunktspital Zimmberg in Horgen.

Stiftungsrat bis 1998

Dieser Weg ist nun eingeschlagen. Mit der Änderung der Stiftungsurkunde und mit der seit 1. Januar 1999 tätigen Betriebsstiftung Schwerpunktspital Zimmerberg ist der Anfang gemacht. Der bisherige Stiftungsrat des Regionalspitals Wädenswil wird nach der Abnahme der Rechnung 1998 aufgelöst. Folgende Mitglieder treten zurück oder haben bereits demissioniert:
Klara Wegmann (Mitglied von 1964–1998)
Fritz Sperb (1971–1997)
Dr. Bruno Lang (1978–1998)
Rudolf Baumgartner (1986-1998)
Christof Wolfer (1990–1998)
Brigitte Blum (1990–1998)
Ueli Fausch1994–1998
Rolf Kurath (1998) Stiftungsrat ab 1999
Da der neue Stiftungsrat nicht mehr Träger des Leistungsauftrages ist, wird er sich weder mit finanziellen noch mit personellen Fragen des Spitalbetriebs beschäftigen, sondern vor allem die Spitalliegenschaft verwalten, welche er der Betriebsstiftung Schwerpunktspital Zimmerberg zur Nutzung überlässt. Dem verkleinerten neuen Stiftungsrat werden angehören:
Prof. Dr. h.c. Peter Ziegler, Präsident  vom Asylverein gewählt 
Maria Christener vom Asylverein gewählt 
Peter Riesen vom Asylverein gewählt
Dr. Bruno Ern Vertreter der Stadt Wädenswil
Peter Steinegger Vertreter der Gemeinde Schönenberg
Dr. med. Andreas Wüest Vertreter der Ärzteschaft
Hans Rudolf Meier Vertreter der Betriebsstiftung
  




Peter Ziegler