AGROSCOPE: 125 JAHRE FORSCHUNG IN WÄDENSWIL

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2015 von Michael Gysi, Jean-Philippe Mayor, Lukas Bertschinger

125 Jahre Forschung in Wädenswil. Dieses stolze Jubiläum ist eine gute Gelegenheit, um zurückzublicken und sich bewusst zu werden, wovon sich vorangehende Generationen inspirieren liessen. Es ist auch eine Gelegenheit, zu schauen, wo wir heute stehen und wie es weitergeht. Denn: ohne Vergangenheit keine Zukunft, ohne gestern keine Vision für morgen.

Michael Gysi, Jean-Philippe Mayor und Lukas Bertschinger, Agroscope

Agroscope in Wädenswil feiert ihren 125sten Geburtstag seit der Gründung im Jahre 1890 als Institution der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung zum Wohle der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft und der Konsumentinnen und Konsumenten. Das ist ein stolzer Geburtstag! Und es ehrt Agroscope, 2015 im Zentrum des traditionsreichen Wädenswiler Jahrbuchs stehen zu dürfen.

Die Grundpfeiler von Wädenswil

Die Arbeit von Wädenswil geniesst hohe politische Aufmerksamkeit: Die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln ist ein Schwerpunkt der Interessen. Der Bund vertraut auf Agroscope in Wädenswil und überträgt ihr im Bereich der Pflanzenschutzmittelprüfung und des Pflanzenschutzdienstes wichtige Aufgaben. Die Pflanzenschutzforschung ist seit jeher ein wichtiger Pfeiler Wädenswils. Die globale Erwärmung stellt die Land- und Ernährungswirtschaft vor grosse Herausforderungen. Beispielsweise wandern neue Schädlinge ein. Wädenswil trägt auch mit Züchtungsarbeiten bei Obst wesentlich zur Strategie des Bundes im Bereich Nutzpflanzenzüchtung bei. Auch die Forschung für pflanzliche Lebensmittel hat sich in den vergangenen 125 Jahren mehrfach profiliert und ist ein wesentlicher Pfeiler, auf den sich Agroscope stützt. Gesunde, sichere Lebensmittel aus nachhaltigem Anbau – Wädenswil ist prädestiniert, die nationale Federführung in der Obstbau- und Gemüsebauforschung wahrzunehmen.
Das Jubiläum «125 Jahre Forschung in Wädenswil» zeigt uns: Es brauchte Zeit, dort anzukommen, wo wir heute sind, und es wird auch Zeit brauchen, um künftige Erfolge feiern zu können.

Kontinuität ermöglichen, Wandel zulassen

Heraklit sagte fünf Jahrhunderte vor Christus, dass das einzig Beständige der Wandel sei. Die Welt hat sich schon immer verändert. Neu ist, dass Tempo und Ausmass der Veränderungen stark zunehmen. Aber die Kontinuität ist genauso wichtig wie der Wandel. Um einen Wandel erfolgreich zu gestalten, muss man ihm Leitplanken geben. Verändert man alles und dies dauernd, ist ein Misserfolg fast sicher. Kontinuität und Wandel ergänzen sich. In der Forschung von Agroscope in Wädenswil bedeutet das: einerseits stetiges Erforschen und Entwickeln von Neuem, insbesondere dort, wo die Rahmenbedingungen und die Akteure sich ändern und flexible Lösungen gefragt sind; andererseits auf Bewährtes setzen und nichts verändern, wenn es nicht sein muss.

Ausgezeichnete Vernetzung

Agroscope in Wädenswil ist sehr gut eingebettet in ein Umfeld von nachbarschaftlichen Institutionen, die mit Agroscope zusammenwirken. Auch die Standortförderung Zimmerberg und die Bildungs- und Forschungsstadt Wädenswil zählen auf Agroscope. So entstehen neue Partnerschaften, welche einen dosierten, nachhaltigen Wandel unterstützen. Die mit Partnern eingefädelte Gründung eines Weinbauzentrums Wädenswil ist dafür ein gutes Bespiel: Eine veränderte Form finden für eine Aufgabe, die seit 125 Jahren Erfolge feiert und dies weiterhin tun soll.
Agroscope freut sich, im forschungsfreundlichen Wädenswil auch in Zukunft weitere Spitzenleistungen und Beiträge an eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft und an eine gesunde Umwelt und Ernährung zu leisten. Die nächsten Schritte sind bereits im Gange – weil wir uns schon heute mit den Themen von morgen auseinandersetzen.
Agroscope: 125 Jahre Forschung in Wädenswil.

Schloss Wädenswil: Landvogtei – Erziehungsanstalt – Versuchsstation – Forschungsanstalt (1890–1990)

Im Jahre 1549 kaufte Zürich die Johanniterherrschaft Wädenswil – das Gebiet der heutigen Gemeinden Wädenswil, Richterswil, Schönenberg, Hütten und Uetikon am See – und gliederte sie als Landvogtei in den Stadtstaat ein. Als Amtssitz der Landvögte, die in sechsjährigem Turnus für Verwaltung und Ordnung zuständig waren, liess der Zürcher Rat von 1551 bis 1555 das von einer Ringmauer mit zwei Toren umgebene Schloss mit Wohnhaus, Zehntenscheune und Waschhaus erstellen. Das bergseitige Rundbogentor trägt im Scheitel die Jahreszahl 1554.
Im Herbst 1655, im Vorfeld des Ersten Villmergerkrieges, wurde bergseits des Haupttors ein halbrunder Erdwall aufgeschüttet und mit hölzernen Palisaden bewehrt. 1664 entstanden weitere Festungswerke: ein grosses Halbmond-Erdwerk auf der Bergseite, ein Zangenwerk auf der Seite gegen Zürich und zwei mit Palisaden bewehrte Bollwerke auf der Seeseite. Besonders stark befestigt war das Gelände zwischen der bergseitigen Ringmauer und dem heutigen Friedhof. Im Schlosshof stand seit 1683 eine Hochwachtstud: ein Signalmast, von dem aus man mit einer Pechpfanne Feuerzeichen geben und so die wehrfähige Mannschaft alarmieren konnte. Zwischen Schlossgebäude und Zehntenscheune lag ein Tiergarten mit Hirschen.
Schloss Wädenswil um 1750.

Nach den Landvögten diverse Brände, Bauten und Bäume

Am Standort des heutigen Vortrags- und Schulungsgebäudes (einstige Zehntenscheune) erhob sich die 1553/54 erstellte Zehntenscheune. Sie brannte 1743 nieder und wurde sofort wieder aufgebaut. Das Baujahr 1743 ist in einem Wappenstein über dem hofseitigen Torbogen festgehalten, zusammen mit den Wappen Hirzel und Lavater in barocken Kartuschen. Es sind die Familienembleme jener Landvögte, die beim Brand bzw. beim Wiederaufbau in Wädenswil residierten.
Der turmartige Bau in der Nordecke der Ringmauer lässt sich seit 1665 nachweisen und diente vor einem späteren Umbau als Sennhütte. Heute ist er bekannt als Zschokke-Häuschen, benannt nach dem Pomologen Theodor Zschokke, der hier von 1893 bis 1928 wohnte. 1776 beschloss der Zürcher Rechenrat den Bau eines gemauerten Pavillons: so entstand die Schloss-Terrasse in der Ostecke der Ringmauer.
Wappenstein über dem Torbogen der Zehnten-scheune.
Das Zschokke-Haus, heute beherbergt es Gast-wissenschaftler.

1798 ging die Zeit der Landvögte zu Ende. Das Schloss wurde während der Helvetik als Nationalgut verpachtet und beherbergte von 1800 bis 1802 eine Erziehungsanstalt für Knaben. Im März 1804 setzten Aufständische das Hauptgebäude in Brand, was den Bockenkrieg der Landschaft gegen die Stadtherrschaft Zürichs auslöste. 1816 bis 1818 liess der Staat das zerstörte Gebäude durch den bekannten Architekten Hans Conrad Stadler in klassizistischem Stil neu errichten. Es war bis 1830 Amtssitz des Oberamtes Wädenswil, des Vorläufers des Bezirks Horgen.
1830 wurde das Oberamt aufgehoben und das Schlossgut Wädenswil 1832 an Johannes Hürlimann in Richterswil verkauft. Dieser veräusserte den Besitz 1836 an den Manufakturisten Johannes Dollfuss aus Mülhausen, der im Schlosshof die grossen Bäume setzen liess. Die Bewirtschaftung der Güter war einem Pächter übertragen.
Aktuelle Ansicht von Schloss Wädenswil mit der Schloss-Terrasse (links).

1890 – die Versuchsstation Wädenswil wird gegründet

1887 starb Johannes Dollfuss. Von den Erben war niemand in der Lage oder willens, den Besitz in Wädenswil zu übernehmen. So wurde das Schlossgut am 7. August 1890 dem Staat Zürich verkauft.
Ende des 19. Jahrhunderts befand sich die schweizerische Landwirtschaft in einer schwierigen Lage. Einerseits machte den Obstbauern die Konkurrenz von preisgünstigen Südfrüchten zu schaffen, andererseits schädigten Reblaus und Falscher Mehltau die Rebbestände. Die Wurzel des Übels sahen Fachleute und Politiker in der mangelhaften Ausbildung und Anleitung der Landwirte. Sie regten daher die Gründung von Versuchs- und Forschungsanstalten an.
Am 30. Mai 1890 gründeten 14 Konkordatskantone die «Deutschschweizerische Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau» und suchten einen Standort. Es bewarben sich Winterthur, Hallau und Baden, doch machte Wädenswil das Rennen. Eine wichtige Rolle spielte dabei Regierungsrat Johannes Eschmann (1834–1896), ein Richterswiler. Denn nach einer Volksabstimmung stellte der Staat als Sitz unentgeltlich das ehemalige Landvogteischloss zur Verfügung. Die einstige Zehntenscheune diente ab 1891 als Schulgebäude und Internat, bis die Schule 1914 aufgehoben wurde. Bis 1898 entstand seeseits der Ringmauer ein Gehölzgarten für Lehrzwecke.
Die Eröffnung der im Vorjahr gegründeten Versuchsstation Wädenswil fand am 14. Mai 1891 unter Direktor Dr. Hermann Müller-Thurgau statt. Die zum Schloss gehörende Landfläche betrug damals 6,5 ha. Davon waren 2,5 ha Wiese mit Obstbäumen, 1,5 ha Reben, 1,2 ha Gemüseland mit Beeren und Zwergobst sowie 0,7 ha Gehölzgarten und Wald. Dazu kamen 0,8 ha zugekauftes Rebland an der «Sternenhalde» in Stäfa. 1902 übernahm der Bund die Versuchsstation Wädenswil.

Mammutbäume im Schlosshof.




Peter Ziegler


Die Sternenhalde an der Goldküste.
 
Die Forschungsanstalt, wie sie sich heute präsentiert.

Die jüngsten Entwicklungen und Leistungen (1991–2015)

Globalisierung, Digitalisierung und weitere Trends verändern unsere Gesellschaft seit 25 Jahren stetig, schnell und in allen Bereichen. Dank Forschung und Entwicklung konnte sich auch die Land- und Ernährungswirtschaft diese Entwicklung zu Nutze machen und zahlreiche Herausforderungen meistern. Doch kaum sind die einen Probleme gelöst, stehen schon neue Schwierigkeiten an. Ernährungs- und Gesundheitsfragen treten in der urbanen Gesellschaft immer mehr in den Vordergrund. Die Gesellschaft will Lebensmittel, die frei von Pflanzenschutzmittel-Rückständen sind, doch gerade im Obst-, Wein- und Gemüsebau ist eine wettbewerbsfähige Produktion ohne Pflanzenschutz kaum möglich.
Nach Auf- und Ausbaujahren in den ersten drei Vierteln des letzten Jahrhunderts ist die Forschungsanstalt in den 1990er-Jahren und auch im neuen Jahrtausend mehrfach und zum Teil massiv unter Spardruck geraten. Es galt, die Institution zu redimensionieren, reorganisieren und neu auszurichten. Trotzdem gelang es den Wädenswiler Forschenden, auch in den vergangenen 25 Jahren eine konstante, beeindruckend starke Leistung zu erbringen und vielfältige Probleme der Land- und Ernährungswirtschaft zu lösen – zum Nutzen der Praxis, aber auch der Konsumentinnen und Konsumenten. Sie können darum heimische, gesunde und sichere Nahrungsmittel kaufen.
Gesundes Gemüse: Die grünen Teile von Lauch können sich günstig auf die Sehkraft auswirken, wie Agroscope zeigte.
Die ersten 100 Jahre der Entwicklung der Eidgenössischen Forschungsanstalt in Wädenswil sind im Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1990 gewürdigt worden. Das vorliegende Kapitel stellt nun wichtige Veränderungen und Leistungen der letzten 25 Jahre ins Zentrum der Betrachtung. Das nachfolgende Kapitel «Einblick in die Vielfalt der Forschung» vermittelt schliesslich einen vertieften Einblick in das umfassende Schaffen und die Errungenschaften der Wädenswiler Forschenden der vergangenen Jahrzehnte.

Die Namen der Forschungsanstalt

1890 wird die Deutschschweizerische Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau gegründet.
1902 wird erstmals der Name geändert in Schweizerische Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau.
1968 macht ein Bundesratsbeschluss die Versuchsanstalt zur Eidgenössischen Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau EFA.
2000 wird der Name leicht angepasst in Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau Wädenswil FAW.
2004 treten die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten des Bundes gemeinsam unter der Dachmarke Agroscope auf, bleiben aber eigenständige Institutionen. Die FAW nennt sich neu Agroscope FAW Wädenswil.
2006 schliessen sich die beiden Forschungsanstalten Changins und Wädenswil zusammen zu Agroscope Changins-Wädenswil ACW.
2014 fusionieren alle landwirtschaftlichen Forschungsanstalten des Bundes zu einer einzigen Forschungsanstalt mit Namen Agroscope.

Die Direktoren der Forschungsanstalt

1890–1924    Prof. Dr. Hermann Müller-Thurgau
1924–1943   Dr. Kurt Meier
1944–1961   Prof. Dr. Fritz Kobel
1961–1984   Prof. Dr. Robert Fritzsche
1984–2001   Dr. Walter Müller
2002–2006   Dr. Urs Hilber
2006–2013   Dr. Jean-Philippe Mayor, Sitz in Nyon (Changins) und Wädenswil
Seit 2014   Prof. Dr. Michael Gysi, Sitz in Bern
     

Erwerbungen und Neubauten der Forschungsanstalt

1890 wird die Forschungsanstalt gegründet und zieht ins Schloss Wädenswil ein, das damals noch Zürich gehört.
1902 übernimmt der Bund die Forschungsanstalt. Der Kanton Zürich schenkt ihr den Rebberg Sternenhalde in Stäfa.
1903 wird das Keltereigebäude in den Schlossreben von Wädenswil gebaut.
1905 ist das Laborgebäude 1 fertiggestellt.
1941 kann das Laborgebäude 2 bezogen werden.
Von 1946 bis 1972 werden mehrmals hintereinander neue Gewächshäuser fertiggestellt.
1953 kauft man den Breitenhof und macht ihn zum Steinobstzentrum.
1960 wird die abgebrannte Obstbauscheune wiederaufgebaut.
1969 kann das Laborgebäude 3 eingeweiht werden.
1971 baut man das Lagerhaus neben dem Schloss.
1978 wird das Laborgebäude 4 fertiggestellt.
1982 ist das Garagengebäude fertig.
2004 kann ein insektengeschütztes Gewächshaus in Betrieb genommen werden für die Erhaltung des Nuklearstocks, eine von Gesetzes wegen vorgeschriebene Sammlung der wichtigsten Kern- und Steinobstsorten der Schweiz. Ausserdem wird ein neues Pflanzenschutz-Gewächshaus in Betrieb genommen.
2010 wird das Gewächshaus GX eingeweiht, ein Hightech-Gewächshaus für Untersuchungen von Pflanzenkrankheiten, die besonders bedrohlich sind für die einheimische Pflanzenwelt (z.B. Feuerbrand, Quarantäne-Schaderreger).
2011 wird auf dem Areal unterhalb der Garagen eine mit Hagelnetzen geschützte Containeranlage für die Apfelzüchtung in Betrieb genommen.
2012 kann die Forschung die neu erstellten Gewächshäuser IV-VII in Betrieb nehmen.
2013 wird die neu gestaltete Kernzone mit einem Empfangspavillon eingeweiht.
2014 wird die komplett renovierte Versuchsbrennerei im Dienste der Qualitätsförderung von Schweizer Destillaten in Betrieb genommen.

   Das Hightech-Gewächshaus bei seiner Einweihung.

Reorganisationen und neue Kompetenzaufteilungen der Forschungsanstalten

1997 löste starker Spardruck eine neue Zuordnung der Aufgaben unter den sechs dem Bundesamt für Landwirtschaft unterstellten landwirtschaftlichen Forschungsanstalten aus. Wädenswil erhielt die nationale Federführung in der Obstbau- und Gemüsebauforschung. Die Federführung für die Weinbauforschung ging nach Changins bei Nyon (VD), weil die Westschweiz über sehr viel grössere Rebflächen verfügt. Die Beerenforschung, einst ein Juwel der Wädenswiler Forschung, wurde vom Forschungszentrum in Conthey (VS) übernommen, das Changins unterstellt ist. Die Zierpflanzenbau-Forschung wurde aufgegeben.
   Die neuen Gewächshäuser für Obst und Gemüse.

Trotzdem blieb in Wädenswil ein kleines Weinbauteam tätig für die Bearbeitung von Fragen des Deutschschweizer Weinbaus. Ab 2004 traten die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten gemeinsam unter der Dachmarke Agroscope auf, blieben aber eigenständige Institutionen. Die FAW bekam den neuen Namen «Agroscope FAW Wädenswil». 2006 schloss das Bundesamt für Landwirtschaft die beiden Forschungsanstalten Changins und Wädenswil zur Forschungsanstalt «Agroscope Changins-Wädenswil ACW» zusammen. Dr. Jean-Philippe Mayor übernahm die Direktion der neuen Forschungsanstalt. Der bisherige Direktor Dr. Urs Hilber wurde Rektor der nahen Hochschule Wädenswil, Dr. Lukas Bertschinger übernahm in Wädenswil die Vizedirektion von ACW.
Das Agroscope-Kader, das für den Standort Wädenswil verantwortlich ist (v. l. nach r.): Hans-Peter Bachmann, Leiter Institut für Lebensmittelwissenschaften; Jean-Philippe Mayor, Leiter Institut für Pflanzenbauwissenschaften und Stv. Chef Agroscope; Michael Gysi, Chef Agroscope; Robert Baur, Bereichsleiter Pflanzenschutz und Extension; Lukas Bertschinger, Forschungsverantwortlicher und Stv. Leiter Institut für Pflanzenbauwissenschaften; Peter Rusterholz, Stv. Leiter Kommunikation; David Drissner, Stellvertreter von Ulrich Zürcher, Bereichsleiter pflanzliche Lebensmittel, der auf dem Foto fehlt; Jürg Frey, Bereichsleiter Diagnostik und Risikobeurteilung; auf dem Foto fehlt auch Nestor Pfammatter, Fachbereichsleiter Support und Infrastruktur, Sicherheitsdelegierter.

2014 erfolgte die Fusion aller Forschungsanstalten des Bundes, die sich für die Land- und Ernährungswirtschaft einsetzen, zu einer einzigen Forschungsanstalt mit Namen Agroscope, organisiert in vier Instituten, die an mehreren Standorten tätig sind. Prof. Dr. Michael Gysi wurde Chef von Agroscope und leitet die Agroscope-Standorte von Bern aus. Die Agroscope-Mitarbeitenden in Wädenswil arbeiten zum einen für das neue Institut für Pflanzenbauwissenschaften (IPB), präsent in Cadenazzo (TI), Changins (VD), Conthey (VS), Pully (VD), Wintersingen (BL), Wädenswil und Zürich-Reckenholz, und zum anderen für das Institut für Lebensmittelwissenschaften (ILM), präsent in Bern-Liebefeld, Posieux (FR), Changins (VD) und Wädenswil. Die seit 1997 bestehende Kompetenzaufteilung auf die Standorte von Agroscope wurde unter erneutem Spardruck nochmals akzentuiert: Die Schwerpunkte von 1997 werden auf jeweils einen Standort konzentriert. Damit mussten die Weinbau-Forschungskapazitäten in Wädenswil nochmals reduziert werden. Dies wollte die Deutschschweizer Weinbaubranche so aber nicht hinnehmen. Die seit einigen Jahren bestehende Idee, durch die Bündelung der verbleibenden Kräfte von Agroscope, Strickhof und ZHAW ein Deutschschweizer «Weinbauzentrum Wädenswil» (WBZW) zu bilden, erhielt definitiven Auftrieb.

Neupositionierung der Versuchsbetriebe – das Feldlabor von Agroscope

Im Rahmen der verschiedenen Einsparungen des Bundes wurden verschiedene Versuchsbetriebe geschlossen oder neu positioniert. Zwar verlor Wädenswil bei diesen Entwicklungen die Rebflächen in Walenstadt (SG), Trülisberg (bei Feldbach, ZH) und in der Leutschen (SZ) sowie den Obstgehölz-Betrieb in Grabs (SG), doch nutzten die Wädenswiler die Gelegenheit, um sich neu zu positionieren. Für die vierhundert Nuklearstock-Obstsorten aus Grabs wurde in Wädenswil ein insektensicheres Haus eingerichtet, um diese gesetzliche Aufgabe weiterhin wahrnehmen zu können (Verfügbarmachung von gesundem Obst-Vermehrungsmaterial). Der Versuchsbetrieb Breitenhof in Wintersingen (BL) wurde 1997 zum Steinobstzentrum Breitenhof, an dem sich seither auch die Kantone Basel-Landschaft, Aargau, Solothurn, Luzern, Zug und Schwyz, ab 2008 auch Bern, sowie der Schweizer Obstverband (SOV) und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) beteiligen.
2006 konnte ein Vertrag mit dem Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg (Kanton TG) abgeschlossen werden, wonach seither das BBZ den Versuchsbetrieb für Obstbau in Güttingen (TG) führt und die Obstkulturen pflegt. Die Wädenswiler Forscherinnen und Forscher können auf einem Teil der Fläche nach wie vor ihre Versuche durchführen, mitten im Schweizer Hauptanbaugebiet für Kernobst, und jährlich findet im August die Güttingertagung statt, wo die wichtigsten Erkenntnisse der Forschung der Praxis vermittelt werden.

Das Steinobstzentrum Breitenhof in Baselland.
Auf dem Versuchsbetrieb für Obstbau in Güttingen forscht Agroscope für die Obstbranche, während das Bildungs- und Beratungszentrum (BBZ) Arenenberg für die Beratung zuständig ist.

Neue Akzente in der Forschung

Lag der Fokus bei der Feier zum 100-Jahr-Jubiläum von Wädenswil noch bei einer «massvollen Extensivierung» der Landwirtschaft, wie der damalige Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, Jean-Claude Piot, anlässlich seines Referats in Wädenswil forderte, so steht 25 Jahre später gemäss Agroscope-Strategie 2014–17 die «ökologische» (nachhaltige) Intensivierung der Landwirtschaft im Vordergrund. Die zunehmende Verknappung des Kulturlandes und die Bevölkerungszunahme sind auch in der Schweiz spürbar. Die Land- und Ernährungswirtschaft muss mehr gesunde Lebensmittel auf der Grundlage von knapper werdenden Ressourcen (Boden, Wasser, Nährstoffe, etc.) produzieren – und zwar so, dass die Umwelt möglichst wenig Schaden nimmt und die Lebensmittel eine gesunde Ernährung ermöglichen.
Die Akzente haben sich in dieser Zeit also signifikant verschoben. Das brachte neue Herausforderungen für die Forschenden in Wädenswil mit sich. Der Respekt vor der Natur und vor den Rahmenbedingungen, innerhalb welcher sich die Obst-, Wein- und Gemüsebranchen bewegen, bleiben wichtige Eckwerte ihrer Arbeit.
 

Extension – Wädenswiler Prozessinnovation für das Schweizer Wissenssystem

Direktor Urs Hilber konzipierte mit seinem Wädenswiler Kader die so genannte «Extension» und setzte sie ab 2004 um. Extension war eine für die Schweiz neuartige Art und Weise, wie praxisnahe Agrarforschung geplant, umgesetzt und gesteuert werden kann. Im Wesentlichen geht es dabei darum, dass die Branchen einen Teil der Forschung mitsteuern können. Der Begriff «Extension» kommt aus dem nordamerikanischen Raum und heisst so viel wie Verlängerung. Es geht um die Verlängerung der grundlagenorientierten Forschung in die Praxis, oder in anderen Worten: um wissenschaftlich abgestütztes Versuchswesen und Beratung, im Gegensatz zur grundlagenorientierten «Forschung».
Die in Wädenswil entwickelte Extension stellt sicher, dass die begrenzten Mittel, die für die Erarbeitung von praxistauglichen Lösungen zur Verfügung stehen, in
erster Linie für die wichtigsten und dringendsten Probleme des Obst-, Wein- und Gemüsebaus eingesetzt werden. Was dringend und wichtig ist, entscheidet dabei die landwirtschaftliche Praxis, organisiert in «Foren» (die eigentlichen Kunden der Extension). Das Motto der Extension heisst «Wissen schaffen für die Praxis». Breites Wissen, ständiges Lernen und viel Flexibilität sind besondere Anforderungen an die Mitarbeitenden der Extension, die durch ganzheitliche Betrachtung praxistaugliche Lösungen entwickeln. Das Wesen der Extension ist denn auch mit drei Worten zusammenzufassen: ganzheitlich, transparent und nützlich. Mittlerweile hat sich dieses System der Forschungssteuerung auch im Ackerbau und weiteren Bereichen der Landwirtschaft durchgesetzt.

Die Salatlaus – ein Problem des Gemüsebaus, für das die Extension direkt anwendbare Lösungen entwickelt.

Hightech – Lowtech

Immer schneller, detaillierter, präziser werden die Hightech-Analysemethoden, mit denen die Forschenden arbeiten. Die Anbaumethoden werden zunehmend technologie- und wissensintensiv, beispielsweise aufgrund computerbasierter Prognosemodelle für das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen von Kulturpflanzen, oder auch die Verwendung von Drohnen, Sensoren und Robotern, die neue Problemlösungen in der Land- und Ernährungswirtschaft ermöglichen. Molekularbiologische Methoden erlauben so rasch und präzis wie noch nie, Gene in Pflanzen und Mikroorganismen nachzuweisen, die im Zusammenhang mit dem Anbau von Nutzpflanzen erwünscht oder unerwünscht sind. Auf der anderen Seite sind, nach wie vor und wo immer möglich Lowtech-Methoden ebenso gefragt, die wenig kosten und einfach anwendbar sind. Im Abschnitt «Vorstellung ausgewählter Forschungs- und Entwicklungsprojekte» werden verschiedene High- und Lowtech-Beispiele präsentiert.

HortiFoodAnalytics – Stärken weiter entwickelt

Am Standort Wädenswil verfügt Agroscope über eine hohe Kompetenz in der Forschung und Entwicklung für einen wettbewerbsfähigen Obst-, Gemüse- und Weinbau (Hortikultur) sowie für sichere und qualitativ gute Lebensmittel aus einer gesunden Umwelt. Dafür hat sich die Kurzformel HortiFoodAnalytics eingebürgert, Hortikultur für die Spezialkulturen Obst-, Wein-, Gemüse- und Gartenbau, Food für die hier bearbeiteten Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs und Analytics für die topmodernen Untersuchungsmethoden der Wädenswiler Forschenden. Die enge Verzahnung dieser Bereiche an einem Ort ermöglicht praxistaugliche Problemlösungen für die profitierenden Branchen.
Hortikultur – Analytik – Lebensmittel.

Vollzugsaufgaben – ein wichtiger Wädenswil Pfeiler

Damit Landwirtinnen und Landwirte bei Pflanzenschutzmittel-Einsätzen die Umwelt schonen und Rückstände auf den Produkten vermeiden können, dürfen Pflanzenschutzmittel nur nach einem aufwändigen Zulassungsverfahren eingesetzt werden. Dabei werden sie von Agroscope-Fachleuten eingehend geprüft – auf ihre Eignung für den Schutz der Kulturen sowie auf ihre Unbedenklichkeit gegenüber der Umwelt, den Anwendenden und der Konsumentenschaft. Auf der Basis der Empfehlungen der Pflanzenschutzmittelprüfung von Agroscope erteilt das Bundesamt für Landwirtschaft die Zulassung oder verweigert sie.
 

Vorstellung ausgewählter Forschungs- und Entwicklungsprojekte

• Sortenzüchtung und -prüfung bleiben wichtig
Die Pflanzensorte ist und bleibt zentral für einen nachhaltigen Anbau und eine hohe Lebensmittelqualität. Die lange Züchtungstradition in Wädenswil bleibt mit dem Apfelzüchtungsprogramm aufrechterhalten. Als Zuchtziele stehen neben Fruchtqualität und Ertrag auch die Resistenz gegen die Erreger des Apfelschorfs und des Mehltaus, und seit 2007 auch des Feuerbrandes im Vordergrund, nachdem die letztgenannte Krankheit sich in der Schweiz massiv ausgebreitet und viele Kernobstanlagen zerstört hatte. Die feuerbrandresistente «Ladina» ist die erste Sorte dieser Anstrengungen.
Ladina kommt mit Feuerbrand gut zurecht.
Sie wurde 2012 zum Sortenschutz angemeldet, um die Markteinführung starten zu können. Die erste kommerzielle Pflanzung erfolgte im gleichen Jahr in Hettenschwil im Kanton Aargau.

• Interesse an alten Obst- und Gemüsesorten
Die Erhaltung von alten Obst- und Gemüsesorten weckt das Interesse breiter Bevölkerungskreise. Dr. Karl Stoll, ehemaliger Leiter der Sektion Obst- und Gemüseverwertung der Forschungsanstalt, gründete nach seiner Pensionierung die Vereinigung Fructus zur Erhaltung alter Obstsorten. In den 1990er-Jahren lancierte der Bund im Rahmen von internationalen Verpflichtungen den nationalen Aktionsplan zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen (NAP).
Agroscope, Fructus und Pro Specie Rara (PSR) wurden zu einem langjährigen Team für Projekte zur Inventarisierung, Charakterisierung und Nutzung von Obstsorten. Im Falle von Gemüse arbeitet Wädenswil mit der Vereinigung Pro Specie Rara (PSR) zusammen.
Das Ziel der gemeinsamen Projekte war es, die Schweizer Obst-, Beeren- und Gemüsevielfalt zu inventarisieren, zu charakterisieren und einige Sorten auch wieder der Nutzung zuzuführen. Nach der Inventarisierung von tausenden von Sorten fanden sich bei deren Charakterisierung Sorten mit wertvollen Eigenschaften, welche in der Agroscope-Apfelzüchtung zur Einkreuzung in neue Sorten verwendet werden, beispielsweise Robustheit gegenüber Feuerbrand.
Obstsortenvielfalt: Schatzkiste für Forschung und Praxis.

Diese umfangreichen Inventarisierungs- und Beschreibungsprojekte sind weiter in Arbeit.

• Neue Züchtungstechnologien
Seit den 1990er-Jahren nutzen die Wädenswiler Apfelzüchter mehr und mehr molekulargenetische Hilfsmittel für ihre Arbeit. Es geht dabei um den Nachweis von Genen mit erwünschten Eigenschaften für eine effizientere Selektion von mit traditionellen Methoden gezüchteten Apfelbäumchen. Bei den jungen Sämlingen von Apfelpflanzen kann so, noch bevor sie das erste Mal Früchte tragen, mittels genetischem Fingerabdruck festgestellt werden, ob sie die gewünschten Eigenschaften von den Elternsorten geerbt haben oder nicht.
Das beschleunigt den Züchtungsprozess und macht ihn zielsicherer. Seit 2014 prüft Agroscope in Wädenswil auch Apfelpflanzen, die (von anderen Instituten) mit sogenannten neuen Züchtungstechniken entwickelt wurden. Das heisst: Geprüft wird, welche Auswirkung neue Züchtungstechnologien wie die Cis-Genetik oder die Early-flowering-Technik auf Anbaueigenschaften und welche Vor- und Nachteile diese Methoden für eine schnellere Züchtung von krankheitsresistenten Apfelsorten haben. Cisgen bedeutet, dass allein Apfelgene von der einen in die andere Apfelsorte übertragen werden und keine artfremden Gene ins Apfelgenom eingeschleust werden. Als Institution des Bundes muss Agroscope in der Lage sein, die Chancen und Risiken solcher in zunehmendem Masse verfügbaren und zur Anwendung drängenden Methoden neutral zu beurteilen.

Micro-Sequencing-Untersuchung der Elternsorten und vier Nachkommen (Sämlinge) einer Kreuzung. Zwei Nachkommen tragen das Apfelschorfresistenzgen Rvi2.
• Diwa – Beispiel einer neuen, erfolgreichen Wädenswiler Apfelsorte
Sie ist edel, charismatisch und anmutig. Oft wird nach ihrem Geheimnis gefragt: Warum altert sie kaum? Wie erhält sie ihre Frische? Woher kommt ihre intensive Farbe? Was ist das Geheimnis ihres unwiderstehlichen Geschmacks? Sie heisst Diwa, die Wädenswiler Apfelzüchtung, die am 20. September 2002 an der Expoagricole in Murten lanciert wurde. Der Apfel entspricht den Bedürfnissen von Produktion, Handel, und einem wichtigen Konsumentensegment. Prominente Taufpatin der neuen Apfelsorten war Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger. Die Sorte ist in der Schweiz und auch international auf dem Vormarsch.

Diwa – international ein Star auf dem Markt.
• Neue Aspekte von Rebsorten
Auch im Weinbau ist die Sortenwahl eine Entscheidung von überragender Bedeutung. Ist der Rebberg mit einer Sorte einmal bepflanzt, soll er während der folgenden zwei Jahrzehnte zum Erfolg führen. Anbaueignung und Beereneigenschaften sind Erfolgsfaktoren. Neu entdeckte Inhaltsstoffe können dazu beitragen. Ein Praxisanliegen in diesem Zusammenhang war die Prüfung von verschiedenen Varianten (Klone) der Sorte Blauburgunder zur Erzielung einer attraktiven Farbe und eines hohen Gehalts an gesund geltenden Inhaltsstoffen, ohne dass der Geschmack beeinträchtigt wird.
Um die Blauburgunder-Herstellung dahingehend zu optimieren, haben Agroscope-Fachleute neben Verbesserungen in Anbau und Kelterung auch eine neue Analysemethode entwickelt. Damit lässt sich nun präziser und zehnmal schneller als früher testen, welche Massnahmen bei der Weinherstellung die gewünschten Wein-Inhaltsstoffe fördern.
Prüfung von Blauburgunder-Varianten für die Praxis.

• Nachhaltige Anbaumethoden – wirtschaftlich und ökologisch zugleich
Ökologisch und standortgerecht zu produzieren, bedeutet oft, aufwändig und teuer zu produzieren. Echter Fortschritt wird möglich, wenn es gelingt, diesen Widerspruch zu lösen. In dieser Richtung arbeiten Forschende in Wädenswil seit mehreren Jahrzehnten. Oft geht es darum, der Natur eine Lösung abzuschauen, Ökoprinzipien zu nutzen, z.B. mit standortgerecht anbaubaren Sorten oder dem Einsatz eines Insekts (Nützling) gegen ein anderes Insekt (Schädling). Einige wenige Beispiele folgen:
Eine Weinprobe wird zur Analyse der Inhaltsstoffe
ins Massenspektrometer eingeführt.
Schüttelkirschen – dank neuer Erntemethoden wirtschaftlich.

Schüttelkirschen: Als in den 1990er-Jahren die Steuern für importierte und in der Schweiz hergestellte Destillate einander angeglichen wurden, sank der Preis für das Kilo Schweizer Brennkirschen von etwa Fr. 1.20–1.40 pro Kilo auf 65 Rappen. Damit war an eine wirtschaftliche Handernte der Brennkirschen nicht mehr zu denken. Eine Lösung war die Schüttelernte, aber nicht alle Sorten lösen sich genügend leicht vom Stiel. Agroscope-Versuche haben den Weg geebnet für die Wiederentdeckung von alten Sorten (z.B. die alte Baselbieter Wölflisteiner-Kirsche, oder die Innerschweizer Lokalsorten Betti, Ellbögler oder Baschimeiri). Darüber hinaus hat man so auch dem Kirschen-Hochstammanbau eine neue Chance gegeben.

Himbeer- und Erdbeeranbau: Wegen des Himbeersterbens ging der Himbeer­anbau stetig zurück. Dann fanden Wädenswiler Forschende eine Methode, bei der mittels Einsatz von Kompost und dem Anbau auf Dämmen dem verursachenden Phytophthora-Pilz Einhalt geboten werden konnte. Auch bei Erd­beeren wurden ähnliche Probleme auf praxistaugliche Weise analog gelöst.

Bio-Gemüsebau wird effizienter: Im Bio-Gemüsebau ist der Einsatz von Unkrautvertilgern verboten, das Jäten von Hand ist aufwändig und entsprechend teuer. Um dem ewig spriessenden Unkraut im Feld auch ohne Chemie effizient Herr zu werden, hat Agroscope in Zusammenarbeit mit einem KMU eine technische Lösung entwickelt, die inzwischen auch als «Schweizer Sackmesser für den Gemüsebau» bezeichnet wird. Die Neuentwicklung heisst «Fobro-Mobil» und ist ein mechanisches Multifunktions-Vehikel, welches im Bio-Gemüsebau auf effiziente Weise das Jäten von Hand ersetzt und auch im herkömmlichen Anbau zur Alternative wurde. Das Fobro-Mobil ist ein motorisierter Geräteträger mit Sitz und Tragbügeln, an die verschiedenartige Jät-Werkzeuge montiert werden können, je nach Empfehlung des dafür mitentwickelten Handbuchs.

Himbeersterben dank Erdhügel und weiterer Massnahmen bezwungen.

Das Fobro-Mobil entfernt Unkräuter rein mechanisch und ist somit bio-tauglich.
• Pflanzenschutz – Kampf gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlinge
Zweifelsohne war und ist Feuerbrand eine der grössten Herausforderungen für die Wädenswiler Forschenden. Diese Bakterienkrankheit aus Nordamerika zerstört Apfel-, Birnen- und Quittenkulturen und ist seit 1989 in der Schweiz nachgewiesen. Insbesondere seit dem damals schockierenden Befallsjahr 2007 hat sie sich hierzulande explosionsartig ausgebreitet. Zahlreiche Bausteine für die Lösung des Problems wurden und werden entwickelt: resistente Sorten, in Zusammenarbeit mit einem KMU ein Schnelltest für die Diagnose im Feld, die weltweit erste Entschlüsselung des Genoms des Feuerbrandbakteriums, die Prüfung von Antagonisten usw. Für eine nachhaltige Bekämpfung müssen aber weitere Lösungen entwickelt werden. Und auch wenn Feuerbrand am meisten Kopfzerbrechen bereitet, es gibt sie noch, die andern Erreger, welche die Forschung genauso auf Trab halten: die Pilze, die Schorf und Mehltau hervorrufen, oder weitere, neue Krankheitserreger!
Das Feuerbrand-Genom ist entschlüsselt.
Lockstoff im Gemüseanbau – die Schädlinge sind Agroscope auf den Leim gegangen.

Im Gemüsebau ist Pflanzenschutz enorm wichtig für qualitativ hochstehende, marktfähige Produkte. Ein Lockstoff aus Wädenswil etwa beendete die Mückenplage im Gemüsebau. Jeweils Ende Mai schlüpfen die Kohldrehherzgallmücken und machen sich an Broccoli und Blumenkohl zu schaffen. Kein anderer Schädling ist für die Gemüseproduzierenden so heimtückisch: Von blossem Auge ist er kaum zu erkennen, und wenn der Schaden am Gemüse sichtbar wird, ist es zu spät. Eine Falle mit Sexuallockstoffen (Pheromone) schafft seit 2003 Abhilfe. Zusammen mit schwedischen und deutschen Spezialisten identifizierten die Wädenswiler Forschenden diese Sexuallockstoffe der Weibchen und liessen diese Stoffe synthetisch herstellen. Sie optimierten die Pheromon-Mischung mit Verhaltensversuchen in einem Windkanal, so dass kleinste Mengen Wirkstoff genügen, um die Männchen in die Falle zu locken.
Computermodelle ermöglichen, die Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingspopulationen vorherzusagen und damit die Anwendung von Pflanzenschutzmassnahmen gezielt zu empfehlen. Die Modelle können die Entwicklungvoraussagen, was gezielte Bekämpfungsmassnahmen und die Vermeidung von überflüssigen Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln ermöglicht. Wädenswiler Forschende haben solche Modelle für den Kern- und Steinobstanbau entwickelt oder bestehende an die Schweizer Verhältnisse angepasst. In den Jahren 2007 und 2008 haben etliche Prognosesysteme ihren Dienst aufgenommen. Laufend werden die Modelle aktualisiert. Die Daten sind online verfügbar unter www.sopra.info, www.agrometeo.ch und www.feuerbrand.ch und ermöglichen der Landwirtschaft eine gezieltere, umweltschonendere Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen.
Schaderreger kennen keine Grenzen. Mit der grossen Mobilität der heutigen Gesellschaft und der damit verbundenen Verschleppungsgefahr sowie unterstützt durch die Klimaveränderung steigt das Risiko, dass Schaderreger von Pflanzen, die bei uns bisher nicht bekannt waren, eingeschleppt werden, plötzlich auftauchen und grosse Schäden verursachen. Massnahmen, die Agroscope in Wädenswil entwickelt und unterstützt, sind wichtig, um solche Schäden zu mindern und zu verhindern.
Monilinia fructicola ist ein Beispiel eines neuen Schaderregers. Dieser Pilz verursacht Fruchtfäulnis bei Steinobst und tritt seit ein paar Jahren in einigen europäischen Ländern auf. 2003 fand Agroscope den Pilz auf Aprikosen und Nektarinen, die aus den USA und Frankreich in die Schweiz importiert wurden. 2008 wurde M. fructicola erstmals in einer Schweizer Aprikosenanlage entdeckt. Es wurden Bekämpfungsmassnahmen zur Tilgung von M. fructicola festgelegt, seit 2009 werden sie umgesetzt. Parallel wurden die betroffene Aprikosenanlage und ihr Umfeld überwacht, um den Bekämpfungserfolg zu evaluieren und eine eventuelle weitere Ausbreitung sofort zu erkennen.
Ein anderes Beispiel bezieht sich auf den Boden: 2008 entdeckten Wädenswiler Experten Chinesische Fadenwürmer an Gemüse in Schweizer Gewächshäusern. Nach Frankreich war die Schweiz damit das zweite europäische Land mit einem solchen Befall. Aufgrund einer Risikoanalyse mit Beteiligung von Agroscope in Wädenswil empfiehlt die «European and Mediterranean Plant Protection Organisation» EPPO seinen Mitgliedstaaten, den Schädling als Quarantäneorganismus einzustufen. Agroscope-Fachleute entwickelten 2011 zusammen mit europäischen Partnern ein Vorgehen und einen Labor-Test zur Identifikation des Schädlings. Damit kann eine erneute Einschleppung des Schädlings verhindert werden.
2010 wurde in der Ostschweiz bei einzelnen unbehandelten Apfelbäumen vor der Ernte ein starker Blattfall beobachtet. Forschende von Agroscope wiesen 2013 nach, dass die bei uns bisher unbekannte Pilzkrankheit Marssonina den Blattfall verursachte. Die Apfelkrankheit breitet sich seither aus. Viele unbehandelte Apfelbäume in Hausgärten und Wiesen zeigen 2013 bereits Mitte September einen starken Blattverlust. An Bekämpfungsmöglichkeiten wird gearbeitet.
In ähnlichem Ausmass wie der Feuerbrand den Apfel- und Birnen-Produzierenden das Fürchten gelehrt hat, tut dies seit 2014 die Kirschessigfliege, Drosophila suzukii im Beeren- und Steinobstbau. Diese Fliege aus Asien war 2014 so häufig wie noch nie und hat gar zu einer Motion von Nationalrat Bruno Pezzatti geführt, die eine Erhöhung des Forschungsbudgets für fünf Jahre bewirkte. Zur Zeit prüfen die Wädenswiler Forschenden zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in Changins und Conthey sowie im Ausland ein ganzes Arsenal an Lösungsansätzen als Beitrag an eine Bekämpfungsstrategie, etwa den Einsatz von Nützlingen, Lockstoffen, Abwehrstoffen, Pflanzenschutzmitteln, Anbauoptimierungen und vieles mehr – Hightech wie Lowtech.
Neue Pflanzenschaderreger werden oft ungewollt in die Schweiz eingeschleppt. Darum werden Pflanzenimporte an der Grenze und an den Flughäfen geprüft, um die Einschleppung so genannter Quarantäneorganismen zu vermeiden, die eine Bedrohung für die heimische Pflanzenwelt sind. Agroscope in Wädenswil entwickelt hochsensible und einfach anwendbare Nachweismethoden, zur Bestimmung der genetischen Fingerabdrücke (DNA-Barcode) von unbekannten Organismen auf Pflanzenlieferungen.
Prognose- und Warndienste von Agroscope sind bei Landwirten sehr begehrt.

Dieser neue Pilz befällt Aprikosenanlagen.

Chinesischer Fadenwurm beim Schlüpfen aus dem Ei.

Vorzeitiger Blattfall bei Apfelbäumen wegen Pilzbefall.

Seit einem Jahr in Europa auf dem Vormarsch – die Kirschessigfliege.

DNA-Barcode beschleunigt die Import-Kontrolle.

Der Agroscope-Pflanzenschutzdienst (APSD) unterstützt in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Pflanzenschutzdienst (EPSD) die Anwendung dieser Methoden durch Grenzkontrolleure an Flughäfen wie Zürich und Genf. So lassen sich befallene Lieferungen rasch prüfen. 2009 haben sich zwanzig europäische Organisationen aus fünfzehn Ländern im EU-Forschungsprojekt «QBOL» (Quarantine Barcoding of Life) zusammengeschlossen, um gemeinsam schneller die noch fehlenden, aber ebenfalls nötigen Methoden zu entwickeln. Agroscope-Experten leiteten die Arbeitsgruppe Fadenwürmer.
Darüber hinaus dürfen exotische Pflanzen nicht einfach eingeführt werden. Für viele davon benötigt man Einfuhr-Dokumente, oder es gelten gar Einfuhrverbote. Dies, um Pflanzen-Krankheiten und -Schädlinge (Quarantäneorganismen) von der Schweiz fernzuhalten – beispielsweise Frucht- oder Bohrfliegen. Deshalb empfehlen Fachleute des APSD/EPSD: Verzichten Sie auf Pflanzen als Souvenir! Dennoch verzeichnen die Experten eine steigende Anzahl Vergehen gegen die Pflanzenschutzvorgaben.

• Das Thema gesunde und genussvolle Lebensmittel wird immer wichtiger
Mit der weiterhin laufend zunehmenden Verstädterung der Gesellschaft nimmt auch die Bedeutung der Themen Gesundheit und Ernährung zu. Während im letzten Jahrhundert hauptsächlich die Steigerung der Erträge in der Landwirtschaft im Vordergrund stand und danach die Bemühungen um eine gesunde Umwelt, rückte zur Jahrtausendwende die Qualität und Sicherheit landwirtschaftlicher Produkte zunehmend ins Zentrum des Interesses. Der Aufbau eines Forschungsteams Gesundheit und Ernährung war in Wädenswil die Konsequenz. Mit verstärkten Untersuchungen für qualitativ hochstehende Verarbeitungsprodukte aus Früchten, Trauben und Gemüse und zu gesundheitsrelevanten Inhaltsstoffen in pflanzlichen Lebensmitteln (z.B, Polyphenole oder Lutein) reagierte Agroscope auf die veränderten Ansprüche der Gesellschaft. Eine Stärke von Agroscope ist in diesem Zusammenhang, den Einfluss von Sorte und Anbauformen von Früchten und Gemüse auf Qualitätseigenschaften praxisnah untersuchen zu können.
2006 nahmen sich die Vereinigung Fructus, Agroscope sowie weitere Partner aus der Mostereibranche zum Ziel, aus über 800 alten Schweizer Apfelsorten diejenigen zu finden, die sich am besten eignen für die moderne Saftherstellung. Die Sorten sollen robust sein gegenüber Krankheiten, gute Anbau- und Verarbeitungseigenschaften besitzen und gepresst einen Saft mit vortrefflichem Aroma liefern. Bekannte Spezialmostapfelsorten mit einer geringen Feuerbrandanfälligkeit und interessanten Qualitätseigenschaften wie Heimenhofer, Bohnapfel, Grauer Hordapfel oder Schneiderapfel sollen durch weitere seltene Apfelsorten mit vortrefflichen Verarbeitungseigenschaften zukünftig ergänzt werden. Einige der untersuchten Sorten zeigten sehr gute Safteigenschaften und eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber Feuerbrand. Damit haben alte Apfelsorten wieder eine Zukunft, die Biodiversität wird gestärkt.
Heimenhofer – alte Apfelsorte trotzt Feuerbrand und schmeckt als Saft hervorragend.

Sensorik ist die Wissenschaft, die sich mit Aromen auseinandersetzt. Genuss ist eine wichtige Eigenschaft, die nachhaltig produzierten, qualitativ hochstehenden Schweizer Lebensmitteln zu Eigen sein soll. Sensorik-Fachleute von Agroscope haben die Aroma-Entfaltung von Äpfeln untersucht. Dabei kam Erstaunliches heraus: Ein Apfel bietet ein Aroma-Feuerwerk, wenn man sich Zeit nimmt, es bis zum letzten Bissen zu erleben. Die verschiedenen Aromen kommen nacheinander zur Geltung. Bei der Agroscope-Sorte Galiwa beginnt die Aromawahrnehmung mit einem tropischen Eindruck, der von reif-fruchtig gefolgt wird. Gala hingegen wird dominiert vom reif-fruchtigen Charakter. Der Eindruck «würzig» kommt meist erst nach ca. 50 Sekunden zur Geltung – also nach dem Schlucken. Es lohnt sich also, einen Apfel langsam zu geniessen. Von Agroscope entwickelte «Aroma-Räder» für Apfel und Apfelsaft nutzen dieses Wissen und helfen Fachleuten wie Laien, den Geschmack einer bestimmten Frucht besser zu beschreiben. Dies ist auch hilfreich bei der Beschriftung von Produkten im Handel zur Unterstützung des Kaufentscheides von Konsumentinnen und Konsumenten.
Sensorik ist auch bei Edelbränden wichtig, insbesondere bei Prämierungen. Diese sollen die Innovation fördern. Das Brennereiwesen ist nämlich durch die tiefen Preise (Abschaffung Grenzschutz) unter Druck geraten, was die Existenz von Landwirtschaftsbetrieben und Hochstämmen bedroht, welche die Biodiversität fördern und das Landschaftsbild prägen. Seit 2006 arbeiten Agroscope, der Schweizer Obstverband und die Schweizer Alkoholverwaltung eng zusammen im Projekt DARF (Destillate Agroscope Régie Fédérale d’alcool). Es geht darum, Innovationen für Qualitätsdestillate im Brennereiwesen sowie die Ausbildung zu fördern und Edelbrand-Prämierungen durchzuführen. 2011 fand die erste nationale Edelbrand-Prämierung der Distisuisse in Bern statt.
Aroma-Rad für Apfel – eine Guideline für Sensoriker und interessierte Laien.
 
Distisuisse-Prämierung: die zahlreichen Kandidaten sind bereit für die Verkostung.
Expertinnen und Experten der Forschungsanstalt trainierten die zwanzig Verkoster und begleiteten den Degustations-Marathon von mehreren hundert Edelbrand-Proben. Welche Brenner die begehrten Auszeichnungen «Edelbrand des Jahres» und «Goldbrenner des Jahres» erhalten, wird seither jeweils im Herbst bekannt gegeben.

• Von Wädenswiler und anderen Hefen
Wädenswiler Forschende haben Weinhefen selektioniert, Lalvin W27 und Lalvin W15, die zur Qualitätsverbesserung von Weinen beitragen. Die Wädenswiler Reinzuchthefe HK4 (später Lalvin W27) wurde in der Schweiz als weltweit erste Trockenhefe für die Weinbereitung zugelassen. Die Entdeckung und Selektion von sogenannten fructophilen Weinhefen helfen gar, Gärstockungen bei der Weinherstellung zu kurieren oder zu verhindern. Auch diese Hefen wurden im Markt eingeführt, unter den Namen Fructoferm W33 und 1895C. Mit dem erstmaligen Nachweis, dass der Einsatz von Reinzuchthefen die Aromatik bei Destillaten zu steuern erlaubt, haben Wädenswiler Forschende einen weiteren wichtigen Beitrag geleistet zur Herstellung von Qualitäts-Edeldestillaten aus Früchten von Hochstämmen, die für die Erhaltung der Biodiversität und das Landschaftsbild so wichtig sind.
Im 2008 sorgte ein Wein mit Jahrgang 1895 für eine kleine Sensation: Mikrobiologen von Agroscope fanden darin Weinhefen, die 113 Jahre in der Weinflasche überdauert haben. Heute wissen die Forschenden, weshalb dies möglich war: Um zu überleben, haben die Hefen in der Flasche eine andere Energiequelle als den Traubenzucker angezapft. Diese Flexibilität der Hefen wird seit 2012 genutzt, um sogenannte Gärstockungen zu verhindern und zu beheben – einen Zustand, bei dem die Gärung stoppt und ein Wein mit unerwünschter Restsüsse resultiert. Diese Entdeckung hilft mit, finanzielle Einbussen von der Schweizer Weinbranche abzuwenden. Auch bei Destillaten und der Flaschengärung von Sekt und Champagner hat man die «Dornröschen»-Hefe bereits erfolgreich eingesetzt, um neue, erstklassige Produkte zu kreieren.
Eine Hefe kann zwar niemals einen Chasselas-Traubensaft zu einem Müller-Thurgau-Wein vergären. Es ist aber möglich, mit unterschiedlichen Hefen aus demselben Traubensaft diverse Weine zu erzeugen – vom neutralen Typ über alle möglichen Zwischenstufen bis hin zum fruchtig-blumigen Typ. Das Weinaroma wird somit vom Traubensaft und vom Hefepilz zugleich beeinflusst – Ersteres ist bekannt, Letzteres war bisher in Fachkreisen stark umstritten. Experten der Forschungsanstalt konnten 2010 erstmals nachweisen, dass Hefepilze tatsächlich stabile Aromen erzeugen. Dieses Wissen hilft mit, die Weinbereitung weiter zu optimieren und eine jahrzehntelange Kontroverse zu beenden.

Wädenswiler Hefen erobern die Welt.

Diese Hefe überlebte 113 Jahre in einer Weinflasche (kleines Bild).
• Hightech-Analytik vom Feinsten – physikalisch, chemisch, biologisch
Im Jahre 2012 wird die NIR-Technik (near infra red) zur zerstörungsfreien Qualitätsmessung bei Früchte- und Gemüselieferanten in Handelsbetrieben eingeführt. Mehrjährige, umfassende wissenschaftliche Untersuchungen bei Agroscope in Wädenswil stehen dahinter und sollen zu einer noch besseren Qualität am Verkaufspunkt, sprich im Geschäft, beitragen. Ein Beispiel: Äpfel werden auf dem Förderband einer Sortiermaschine «geblitzt». Ein Sensor misst das Licht, das reflektiert wird in einem Bereich, der nahe des Spektrums des Infrarots liegt. Weil ein Apfel je nach innerer Qualität anders auf den Lichtblitz «antwortet», kann das Förderband die schlechten Äpfel umgehend aussortieren. Die Blitzanlage gibt es auch in einer Kofferversion fürs Labor oder in James-Bond-Manier als Pistole für Feldanalysen.
Dank modernster molekularer Analytik wird die Pflanzenzüchtung schneller und zielsicherer. Bereits am frisch gekeimten Apfelbaum-Sämling kann damit geprüft werden, ob er dereinst geniessbare Früchte tragen wird und ob er resistent gegen Krankheiten ist. Im Jahr 2007 haben Forschende von Agroscope, der ETH Zürich und von zwölf europäischen Instituten im Rahmen des EU-Projektes HIDRAS (High-quality Disease Resistant Apples for a Sustainable Agriculture) Resultate veröffentlicht zur Entwicklung von sogenannten molekularen Markern, mit denen erwünschte Eigenschaften bereits im Erbgut des Apfelbaum-Sämlings nachweisbar sind. Bisher mussten Sämlinge fünf Jahre lang heranwachsen, um Früchte ernten und diejenigen Bäume auswählen zu können, die für die weitere Auswahl interessant sind. Heute können bereits fünf Wochen nach Aussaat vielversprechende Sämlinge identifiziert werden.
Hochpräzise Analytik erleichtert detektivische Spurensuche! Braunrote Verfärbungen im Kellerboden wurden 2008 in einer mittelalterlichen Gebäude-Ruine bei Pratteln entdeckt. Sie bereiteten den Archäologen Kopfzerbrechen. Blut, Wein oder einfach nur Farbe? Das Rätsel lösten Agroscope-Experten. Unter Anwendung neuster Analysemethoden, dem so genannten MALDI-TOF/TOF (Matrix-assisted Laser Desorption / Ionization Time Of Flight / Time Of Flight) Massenspektrometer, gelang es, die Flecken aus dem 13. Jahrhundert als Rotwein zu identifizieren. Dies ist der Beleg dafür, dass es sich bei der Ruine um eines der ältesten Schweizer Weinbauernhäuser des Mittelalters handelt.
Geblitzt, nicht geschnitten.

Dank molekularer Marker die Züchtung beschleunigen, etwa für feuerbrandrobuste Apfelsorten.
Nicht nur eine Ruine, sondern auch das älteste Weinbauernhaus der Schweiz.

Die MALDI-TOF/TOF-Methode setzt Agroscope auch für die Bestimmung von Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt oder die Typisierung von Mikroorganismen ein. Weitere Hightech-Analytik wird in Wädenswil eingesetzt, z.B. für die Bestimmung von Apfelsaftaromaspektren oder die Analyse von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen und relevanten Verunreinigungen in Pflanzenschutzmittel-Formulierungen. Aber auch für die Detektion von Spuren von Pflanzenschutzmitteln und Xenobiotika in der Umwelt (chemische Verbindungen, die dem biologischen Stoffkreislauf eines Organismus oder natürlichen Ökosystem fremd sind). Dort kommen Methoden zum Zuge wie GC-MS/MS (gas chromatography – mass spectrometry / mass spectrometry), GC-FID (gas chromatography – flame ionization detector), LC-MS/MS (liquid chromatography – mass spectrometry / mass spectrometry) und weitere Methoden. Die Spurenanalytik hat eben ihre eigene Sprache!

• Erfolg mit Lowtech
Ohrwürmer sind nützlich, denn sie vertilgen Unmengen von Schädlingen auf Apfel- und Birnbäumen. Fachleute von Agroscope kommunizierten 2008 eine neue Methode, wie man Ohrwürmer gezielt schonen und fördern kann, damit Obstbäuerinnen und -bauern weniger Pflanzenschutzmittel anwenden müssen. Der Ohrwurm ist ein Allesfresser: Birnblattsauger und Blutläuse gehören zu seiner Leibspeise – zwei schwer bekämpfbare Schädlinge auf Apfel- und Birnbäumen. Versuche bei Agroscope zeigten, dass eine starke Ohrwurm-Population diese Schädlinge effizient in Schach halten kann. Mit dem Aufhängen von mit Holzwolle gefüllten Töpfchen in der Obstanlage kann die Entwicklung der Ohrwürmer einfach gefördert werden. So können teure und zeitaufwändige Bekämpfungsmassnahmen gegen Birnblattsauger und Blutläuse ganz oder teilweise eingespart werden. Zudem lassen sich dank Ohrwürmern Ertrags- und Qualitätseinbussen verhindern.

Ohrwürmer sind nützliche Raubtiere.

Pflanzensamen mit Dampf von schädlichen Pilzen befreien.
Schädliche Pilze auf Gemüse-Samen führen im Bio-Anbau jedes Jahr zu grossen Ertragseinbussen. Agroscope hat deshalb eine kostengünstige Bio-Methode entwickelt, um Gemüse-Samen sicher und effizient von schädlichen Pilzen zu befreien. Besonders betroffen von schädlichen Pilzen auf dem Saatgut ist der Bio-Anbau, denn dort kennt man nur die Heisswasser-Behandlung, um Samen von schädlichen Pilzen zu befreien, chemische Verfahren sind nicht erlaubt. Die Heisswasser-Behandlung ist energieaufwändig, teuer und riskant: Ist das Wasser nicht genügend heiss, überleben die Pilze, ist es ein wenig zu heiss, sterben auch die Samen ab. Agroscope hat eine neue, kostengünstige und sichere Methode gegen samenbürtige Pilze entwickelt: Die Samen gelangen auf einem Förderband für rund neunzig Sekunden unter eine Dampf-Haube. Bei 65 Grad Celsius werden die schädlichen Pilze mit Dampf effizient bekämpft, der Samen bleibt keimfähig. Ob die Behandlung ein paar Sekunden kürzer oder länger dauert, spielt keine Rolle, die innovative Methode erzielt den gewünschten Effekt. Damit kann qualitativ hochwertiges Bio-Gemüse auf den Teller der Konsumentinnen und Konsumenten gelangen.

• Innovation – schon immer wichtig, und immer wichtiger
Seit einigen Jahren wird der Begriff Innovation von der Wirtschaftsförderung und Forschungspolitik verstärkt verwendet. Dabei gilt erst als Innovation, wenn eine neue Idee oder Erkenntnis zu einem neuen Verfahren oder Produkt geführt hat, das im Markt Erfolg hat und einen Mehrwert schafft. Für Agroscope ist Innovation seit jeher ein «Kerngeschäft». Vermehrt hat Agroscope in den vergangenen Jahren zusammen mit Firmen neue Ideen zu marktfähigen Produkten entwickelt. Einige Beispiele dazu finden sich bereits in den obenstehenden Beispielen. Agroscope hat Rahmenbedingungen geschaffen, welche Partnerschaften für solche Innovationen fördern.

• Agroscope gründet eine Firma und fördert Innovationen
Die bei Agroscope neu gezüchteten Apfelsorten sollen angebaut werden. Aber auch die beste Apfelsorte wird nur angebaut, wenn sie gezielt in den Markt eingeführt wird. Dazu braucht es Spezialistinnen und Spezialisten. Am 11. Januar 2005 wurde die Firma VariCom GmbH in Wädenswil getauft. Der Name VariCom steht für Variety Commercialisation sowie Variety Communication und erklärt die Kernaufgaben der Firma (engl. variety = Sorte).
Ihren Sitz hat die Firma in Wädenswil. Damit entstand in einer der führenden Wirtschaftsregionen der Schweiz eine enge Verbindung zwischen der Obstsortenzüchtung und der Wirtschaft. Die VariCom GmbH koordiniert die gesamte Nachfrage- und Versorgungskette vom Aufbau der Pflanzen-Vermehrung über die technischen Informationen für die Produzenten und den Handel bis zu Verkostungen und Öffentlichkeitsarbeit, so beispielsweise für die neue Apfelsorte «Diwa», die bei Konsumententests sehr gut abschnitt und mittlerweile schon ein ansprechendes Segment im Sortiment erobert hat.
VariCom bringt neue Agroscope-Apfelsorten auf den Markt.
 
 

Agroscope-Redaktionsteam
 
 

Einblick in die Vielfalt der Forschung

Seit der Gründung der Forschungsanstalt in Wädenswil im Jahre 1890 hat «Wädenswil» unzählige nützliche Lösungen für die Land- und Ernährungswirtschaft erarbeitet, zum Nutzen der produzierenden Branchen, aber auch der Konsumentinnen und Konsumenten sowie von Politik und Verwaltung. Viele dieser Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, von der Jungpflanze bis zum Konsumententest, waren wegweisend. Einige Arbeiten und Ergebnisse aus der Vergangenheit sind in Vergessenheit geraten. Neben etlichen spektakulären Erfolgen trug ein unablässiger Strom weiterer hochstehender Leistungen dazu bei, Grenzen zu verschieben zugunsten einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft.
Die folgende Zusammenstellung von Leistungen ist unvollständig und liest sich für die Einen allenfalls wie eine unterhaltsame Aneinanderreihung von Wort- und Satzschöpfungen mit möglicherweise unbekannter Bedeutung. Für Andere hingegen ist es ein spannender Pfad durch die Geschichte der Forschungsanstalt, auf dem man die Schaffenskraft der Forschenden und ihre Wirkung entdecken kann.
Die Liste an Leistungen ist unterbrochen von Zwischentiteln, die als Fliesstext gelesen werden können und gleichzeitig den Inhalt des folgenden Textblocks annäherungsweise übertiteln
 
Über neue Sorten, Insektenfallen und Anbaumethoden, …
Züchtung von Reben (Müller-Thurgau), Hortensien, Himbeeren (ZEFA 1 bis 3), Erdbeeren (Wädenswil 6 und 7), Äpfeln (z.B. Maigold, Diwa, Züchtung mit Resistenz/Toleranz gegen Schorf, Mehltau, Feuerbrand), Kirschen, Fenchel, Rot- und Weisskohl, Herbstrüben, Zwiebeln • Erforschung und Einführung der Rebbergbegrünung (Förderung der Biodiversität und der Erosionsprävention) • Abklärung von Befruchtungsverhältnissen von Kern- und Steinobstsorten • Entwicklung der Integrierten Produktion im Obst- und Weinbau mit grosser inter­nationaler Ausstrahlung (Modell mit 50 Rebbau-Pilotbetrieben wird weltweit zum Vorbild) • Entwicklung von Bodenanalysemethoden und Untersuchungen von Bodenproben für den Obst-, Wein- und Gartenbau • Entwicklung der farbigen Leimtafeln als Fallen zur Überwachung von Schädlingen, weltweit vermarktet unter dem Namen REBELL • Erster Einsatz eines Windtunnels zur Erforschung von Sex-Pheromonen von Insekten • Entwicklung der Nutzung von Insektenpheromonen für Überwachung (Pheromonfallen) und Bekämpfung (Verwirrungstechnik) von Schadinsekten im Obst-, Reb- und Gemüsebau
 
… Nützlinge im Einsatz, …
Grossräumige Bekämpfung der Kirschenfliege durch Freilassung von 1 Million steri­lisierten Fliegenmännchen • Mitentwicklung der biologischen Spinnmilbenbekämpfung durch Ansiedlung und Förderung heimischer Raubmilbenarten • Forschung zum Einsatz von Nematoden gegen Insektenschädlinge (heute ökologische Bekämpfung des Dickmaulrüsslers im Hausgarten) • Erstmalig ertragsbezogene Düngungsrichtlinien im Obstbau • Abklärungen zu Schwermetallen in Rebbergböden • Entwicklung eines grundlegenden Verständnisses zur Ertragsbildung der Rebe (Blatt/Frucht-Verhältnis) • Umfassende Erforschung von Mykorrhiza-Pilzen für ein besseres Verständnis der Pflanzen-Boden-Interaktionen als Beitrag an nachhaltige Anbaumethoden und die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit • Einsatz der Sporenfalle Myco-Trap zur Prognose des Falschen Rebenmehltaus
 
… Prognose-Modelle und Baumformen, …
Aufbau eines Netzes von Kleinwetterstationen (Typ Lufft) für den Prognose- und Warndienst Obst- und Rebbau • Entwicklung und Prüfung kulturstadienbezogener Schadenschwellen für die Unkrautbekämpfung • Untersaaten und Mischkulturen als neue Konzepte zur Unkrautunterdrückung im Gemüsebau • Beschreibung von möglichen Ursachen für die Bodenmüdigkeit im Obstbau • Entwicklung der Kernobstbaumform Güttinger-V • Test von Tunnelspritzgeräten im Obst- und Weinbau zur Reduktion der Abdrift von Pflanzenschutzmitteln • Erarbeitung von Grundlagen für Zeitpunkts- und Befallsprognosen für Schädlinge im Obstbau • Erstes Modell zur Simulation der Phänologie eines Obstbauschädlings (Sägewespe) bildet Grundlage für die Online-Schädlingsprognose SOPRA zu 10 Obstschädlingen • Untersuchungen zur Epidemiologie von Obstbauschädlingen

… Behangsregulierung und Witterungsschutz, …
Untersuchungen FloriProg zur Bedeutung der Blütenbildung bei Obst für die Behangsregulierung sowie Qualitäts- und Ertragsbildung • Methodenentwicklung zur hilfsstofffreien Behangsregulierung bei Apfel durch Beschattung der Bäume • Untersuchungen zum Auftreten von Schädlingen verbessern den integrierten Pflanzenschutz bei Zierpflanzen im Gewächshaus • Erforschung der Bedeutung des Geruchs- und Geschmackssinns von Insekten bei der Wahl ihrer Wirtspflanzen • Abklärungen und Empfehlungen zur Behangsregulierung im IP- und Bio-Kernobstanbau • Prüfungen und Empfehlungen zu Obst-, Beeren- und Rebsorten, inklusive Typen/Klone sowie Unterlagen • Inventarisierung und Charakterisierung der Obst- und Beerensorten der Schweiz zur Sicherung der Sortenvielfalt • Entwickelte und geprüfte Witterungsschutzsysteme für Strauchbeeren setzen sich in der Praxis durch • Untersuchung zur Belichtung und Fruchtqualität von Obst unter Hagelnetzen
 
… Produkte-Qualität und Biodiversität, …
Empfehlung von Massnahmen zur Qualitätssicherung bei den neuen, ertragreichen Zwetschgensorten • Beschreibung der Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung im Rebbau durch Mechanisierung, z.B. mit mechanischer Entlaubung • Untersuchungen und Empfehlungen zur maschinellen Schüttelernte bei Kirschen • Untersuchungen zur faunistischen Diversität in Rebbergen in Abhängigkeit von der Begrünung • Forschung für ein europäisches Grossprojekt zur Weiterentwicklung nachhaltiger Anbausysteme im Gemüsebau (VEGINECO) • Entwicklung des Anbaus von Kulturheidelbeeren auf natürlichen Substraten bis zur Praxisreife • Prüfung pilztoleranter Rebsorten und Tafeltrauben • Empfehlungen zu Sorten und zum Anbau von besonderen Obstarten (Nashi, Minikiwi, Pawpaw) • Optimierung der Kulturführung im Erdbeeranbau auf Dämmen
 
… Wirtschaftlichkeit und Düngung, …
Wirtschaftlichkeitsanalysen im Obstbau anhand von Daten aus Referenzbetrieben • Aufbau von In-vitro-Erhaltungskulturen für Gemüse- und Beeren-Genressourcen • Selektion von Lauchklonen mit verminderter Anfälligkeit für Thripse • Anbauprüfung neuer Speisepilzarten • Optimierung von Kulturmassnahmen und Witterungsschutz ermöglichen einen reduzierten Pflanzenschutzmitteleinsatz in Strauchbeerenkulturen • Untersuchungen zur umwelt- und raubmilbenschonenden Bekämpfung von Kräuselmilben und Thripsen im Rebbau • Konzept zur Sicherstellung der Karotten-Qualität vom Anbau bis zum Verkauf entwickelt • Einführung von neuen Düngungsstrategien und -empfehlungen für den Freiland-Erdbeeranbau • Einführung eines Diagnosedienstes für feuerbrandverdächtige Pflanzenproben • Entwicklung einer arbeitssparenden, mechanisierten Methode zur Unkrautbekämpfung und Kulturpflege in der Bio-Gemüse-Produktion (Fobro-Mobil) • Vergleich einer biologisch und einer integriert bewirtschafteten Apfelanlage bezüglich Nachhaltigkeit
 
… Gemüse-Saatgutdesinfektion, Spritz-beine und EU-Projekte, …
Aus der Apfelsorte Milwa wird unter dem Markennamen Diwa® eine führende Schweizer Sorte und als JUNAMI® eine erfolgreiche Sorte auf dem Weltmarkt • Empfohlene Kompostanwendung und der Anbau auf Hochdämmen setzt sich bei Himbeeren in den Praxisbetrieben durch und reduziert das Himbeersterben • Entwicklung einer Dampfdesinfektionsmethode gegen schädliche, sich mit Saatgut verbreitende Pilzkrankheiten im Gemüsebau • Entwicklung der Dropleg-Spritztechnik im Freilandgemüsebau zur Verbesserung der Anlagerung von Pflanzenschutzmitteln auf der Blattunterseite der Kulturpflanzen • Sicherstellung phytosanitärer Massnahmen als Grundlage für gesundes, zertifiziertes Vermehrungsmaterial bei Obst • Regelmäs­sige Herausgabe von Pflanzenschutzmittel-Empfehlungen für den Obst-, Reb- und Gemüsebau • Federführende Beteiligung am Obstbauprojekt ISAFRUIT (Increasing fruit consumption through a trans-disciplinary approach delivering high-quality produce from environmentally friendly, sustainable production methods), dem grössten Projekt des VI. Rahmenprogramms der EU-Forschungsförderung (13.8 Mio. ) • Koordination von nationalen und internationalen Netzwerken zur Bekämpfung des Feuerbrandes • Jedes Jahr ermöglicht die Agroscope-Blüteninfektionsprognose die Empfehlung von Massnahmen gegen den Feuerbrand
 
… molekularbiologische Methoden, …
Einführung von neuen, auf molekulargenetischen Markern basierenden Methoden in der Obstzüchtung und der Obstsortenidentifikation • Quarantäneorganismen werden überwacht und Bekämpfungsstrategien entwickelt • Entwicklung von Simulationsmodellen zur Abschätzung der zu erwartenden Auswirkungen der Klimaveränderung auf das Auftreten von Schädlingen • Mit dem Forschungsprogramm ProfiCrops einen wettbewerbsfähigen Pflanzenbau in der Schweiz gefördert • Im EU-Projekt FruitBreedomics Grundlagen der Resistenzzüchtung im Obstbau verbessert • Bekämpfungsstrategien gegen Erdmandelgras im Gemüsebau entwickelt • Strategien für einen nachhaltigen Anbau von Äpfeln mit weniger Pflanzenschutzmitteln getestet • Untersuchung der Zusammenhänge des Auftretens von Krankheiten und Schädlingen aus dem Rapsanbau mit ihrem Auftreten im Kohlanbau • Neue energiesparende Techniken der thermischen Unkrautregulierung bei Gemüse geprüft
 
… Pflanzenschutz, Umweltschonung und Weinforschung, …
Prüfung von praxistauglichen Alternativen zur Feuerbrand-Bekämpfung mit Antibiotika, dabei beispielsweise Prüfung des Bakteriums Pantoea agglomerans • Die Auswirkungen des Einsatzes von Antibiotika gegen Feuerbrand auf die natürlich in Obstanlagen vorkommenden Mikroorganismen untersucht • Abdriftmindernde Massnahmen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei Obst und Reben entwickelt • Ladina: gegen Feuerbrand robuste Apfelsorte gezüchtet • Überwachung der Kirschessigfliege und Entwicklung von Bekämpfungsmöglich­keiten • Praktisch alle Obstgenressourcen (alte Obstsorten) der Schweiz mit einem molekularen Profil charakterisiert • Erkenntnisse über die für den biologischen Säureabbau im Wein verantwortlichen Bakterien nützen bei der Vermeidung von Weinfehlern • Versuche mit Gamma-Bestrahlung von Lebensmitteln zur Erkennung des Potenzials solcher Behandlungen • In Wädenswil selektionierte Reinzuchthefe HK4 (später Lalvin W27) wird in der Schweiz als weltweit erste Trockenhefe für die Weinbereitung zugelassen • Die Wädenswiler Weinhefen Lalvin W27 und Lalvin W15 tragen zur Qualitätsverbesserung von Weinen bei • Selektion der fructophilen Weinhefen Fructoferm W33 und 1895C, welche Gärstockungen kurieren oder verhindern können • Entwicklung von molekularer Diagnostik auf der Basis der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zur raschen und zuverlässigen Identifikation von Schaderregern, Hefen und Sorten • Abklärung der Akzeptanz von Weinen von interspezifischen Rebsorten • Untersuchungen zu Gärungs­varianten beim Blauburgunder
 
… Apfel, Apfelsaft und Analysen, …
Entwicklung einer Methode zur Herstellung von trubstabilen Obstsäften • Optimale Pflückzeitpunkte vieler Apfelsorten für die Lagerung ermittelt • Bestimmung und Empfehlung der optimalen Lagerbedingungen für die in der Schweiz angebauten Apfelsorten • Entwicklung der dynamischen Einstellung einer kontrollierten Atmosphäre in Obst- und Gemüselagern auf der Grundlage der Messung der Chlorophyll-Fluoreszenz • Keltermethoden optimiert zur Steigerung der Farbintensität von Blauburgunderweinen • Einfluss von Vor- und Nacherntefaktoren auf Polyphenole und Carotinoide in Gemüse untersucht • Methoden zur sensorischen Analyse von Früchten und Gemüse für Konsumentenforschung entwickelt • Aufbau eines In-vitro-Verdauungssystems für die Prüfung der Biozugänglichkeit von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen • Humanstudie zum Einfluss von Carotinoiden zur Eisenaufnahme über Obst und Gemüse durchgeführt • In Humanstudie erhöhte Eisenaufnahme durch sekundären Pflanzeninhaltsstoff Lutein nachgewiesen • Konsumenten­studien für neue Apfelsorten durchgeführt

… Schweizer Edelbrände und Sensorik, …
Untersuchungen und Empfehlungen zur Steigerung der Qualität von sortenreinen Destillaten erzielen grosse Wirkung in der Praxis • Branche für nationale Edelbrandprämierung gewonnen, Agroscope stellt Jury-Leitung • Nachweis, dass der Einsatz von Reinzuchthefen die Aromatik bei Destillaten zu steuern erlaubt • Entwicklung von Methoden zur Vermeidung der Urethanbildung beim Brennen von Obst • Aromaräder für die sensorische Beurteilung von Äpfeln, Apfelsaft und -wein, Kirsch, Zwetschgenbränden und Whisky entwickelt • Empfehlung von Methoden zur Energieeinsparung bei der Obstlagerung ausgearbeitet • Entwicklung des Elektroantennogramm-Detektors zur Identifizierung und Erforschung von Insektenpheromonen
 
… chemische Analysen, Bewilligungen und Kontrollen, …
Kompetenz in der Analytik von Dioxinen findet Einsatz bei der Bewältigung der Folgen der Umweltkatastrophe in Seveso • Chemische Identifikation des Markierungspheromons der Kirschenfliege • Erkenntnis, dass die Kohlfliege die chemische Zusammensetzung der Blattoberfläche ihrer Wirtspflanzen mit Sinneszellen an den Füs­sen erkennt • Chemische Identifizierung der Substanz in der Blattoberfläche von Kohlarten, welche die Eiablage des Schädlings Kohlfliege auslöst • Einmalige, umfassende Expertise für die Pflanzenschutzmittelprüfung (Wirkung, Umweltverhalten und Ökotoxikologie) • Abgabe von unabhängigen Expertisen zu Pflanzenschutzmitteln bezüglich ihrer Gefahr für Mensch und Umwelt • Neue Technologie erlaubt erstmals die chemische Analyse einzelner Isomere von Pflanzenschutzmitteln • Untersuchung zur Rückstandsbildung beim Einsatz von Strobilurinen im Weinbau • Stichprobenweise Marktkontrolle sichert die Qualität der in der Schweiz verkauften Pflanzenschutzmittel
 
… Bitterstoffe, Bakterien und Befallsüberwachung …
Weiterentwicklung einer neuen Nachweismethode (ELISA) zur Bestimmung von Krankheitserregern bei Beerenobst • Untersuchungen zu Ethylcarbonat in Steinobstbränden • Methode zum Nachweis von Bitterstoffen in Karotten entwickelt • Detektionssystem zur eindeutigen Identifikation von erwünschten und unerwünschten sowie von lebendigen und toten Bakterien für Getränke entwickelt • Feuerbrand-Schnelltest entwickelt • Identifikation des Sexualpheromons der Kohldrehherzgallmücke erlaubt Entwicklung einer Falle zur Befallsüberwachung • Analytische Kontrolle von Weinen für die weinbauliche Forschung und für die Branche • Erfüllung von Aufgaben für die gesetzliche Pflanzenschutzmittelprüfung (neutrale Instanz) • Untersuchung von Pflanzenschutzmittel-Rückständen auf Lebensmitteln • Definition von Anwendungsvorschriften für Pflanzenschutzmittel • Elektronische Nase für die Aromaprofilierung von Obst und Gemüse geprüft
 
… Toppanalytik im Dienste von «gutes Essen, gesunde Umwelt»!
Weltweit erste Sequenzierung des Feuerbrand-Genoms als Grundlage für neue Diagnose- und Bekämpfungsmassnahmen 
• Biotypisierung mittels MALDI-TOF von humanpathogenen Mikroorganismen in Lebensmitteln verbessert Verständnis für Kontaminationsrisiken entlang der Anbau- und Verarbeitungskette • Die Entwicklung einer DNA-Barcoding-Identifikation von Quarantäneorganismen erlaubt bessere Kontrollen beim Import von Pflanzen und pflanzlichen Lebensmitteln • Optimierung der molekulargenetischen Schädlingsidentifikation bei Importkontrollen am Flughafen • Indikatoren erarbeitet für die Risiken der eingesetzten Pflanzenschutzmittel für aquatische Ökosysteme • NIR-Technik zur zerstörungsfreien Qualitätsmessung bei Früchten mit der Praxis optimiert • Chiralen Herbizidwirkstoff Beflubutamid aufgetrennt und im Boden untersucht • Mitentwicklung und Prüfung eines neuen Schnelltests gegen die Steinobstkrankheit Shark

 

 
 

Agroscope-Redaktionsteam
 
 

Porträts bedeutender Köpfe aus Wädenswil

Die Porträts bedeutender Köpfe aus Wädenswil stehen stellvertretend für zahlreiche weitere herausragende Köpfe, die in Wädenswil in verschiedenen Tätigkeitsgebieten geforscht und entwickelt haben. So unvollständig wie diese Kurzporträts die Verdienste der abgebildeten, nicht mehr bei Agroscope tätigen Persönlichkeiten würdigen, so lückenhaft deckt die Auswahl der Porträts die bearbeiteten Forschungsgebiete ab. Diese und weitere Persönlichkeiten haben die Entwicklung der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft geprägt und den Namen Wädenswil international bekannt gemacht.

Prof. Dr. Hermann Müller-Thurgau

Erster Direktor der Forschungsanstalt in Wädenswil, Pflanzenbauphysiologe, Botaniker, Önologe und Rebenzüchter. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1890 bis 1924.
Im Jahre 1890 wurde Dr. Hermann Müller-Thurgau zum ersten Direktor der neu gegründeten «Deutschschweizerischen Versuchsstation für Obst-, Wein- und Gartenbau» in Wädenswil berufen. Aus Tägerwilen im Thurgau stammend, hatte er am Polytechnikum (ETH) in Zürich Naturwissenschaften studiert, 1874 in Würzburg promoviert und dann an der Forschungsanstalt im deutschen Geisenheim das Institut für Pflanzenphysiologie geleitet. Weil dort zwei «Müller» arbeiteten, erhielt er den Zunamen «Thurgau». 1882 kreuzte er dort Rebsorten und selektionierte daraus von 1891–1925 in Wädenswil aus 150 Sämlingen den Stock Nr. 58 als wertvollsten. Der daraus gekelterte Weisswein trägt noch heute seinen Namen, «Müller Thurgau». Diese Sorte ist weltweit die erfolgreichste moderne Rebenzüchtung (mehr als 40000 Hektaren weltweit, Schweiz: > 450 ha). Zusammen mit einem Stab hervorragender Mitarbeiter machte der Direktor die Versuchsanstalt mit bahnbrechenden Forschungen, Vorträgen, Publikationen, Kongressen und Ausstellungen bald über die Schweiz hinaus bekannt. Er war führend in der pflanzenphysiologischen und gärungstechnischen Forschung und hat auch wissenschaftliche Grundlagen für die alkoholfreie Obst- und Traubenverwertung geschaffen. 1902 wurde Hermann Müller-Thurgau Professor für Botanik am Polytechnikum.
Hermann Müller-Thurgau.

1924 trat er im Alter von 74 Jahren in den Ruhestand und verliess die Wohnung im Schloss. Er starb 1927 nach kurzer Krankheit.

Abschied vom Riesling x Silvaner
Als Dr. Hermann Müller-Thurgau 1891 von Geisenheim nach Wädenswil umzog, nahm er die wertvollsten Zuchtpflanzen mit und führte die Selektion zusammen mit Weinbautechniker Heinrich Schellenberg weiter. Lange galt die Rebsorte «Müller-Thurgau», der legendäre Rebstock Nummer 58, als Kreuzung zwischen Riesling und Silvaner. Dann fand 1998 ein österreichisches Forscherteam aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen heraus, dass es sich um eine Kreuzung von Riesling x Madeleine Royal (Tafeltraube, gemäss neueren Untersuchungen eine Kreuzung der Sorten Blauburgunder und Trollinger) handelt. Wie dem exakt arbeitenden Forscher Prof. Hermann Müller-Thurgau dieser Irrtum unterlaufen konnte, lässt sich nicht mehr belegen. Möglicherweise kam es beim Transport der Rebstöcke nach Wädenswil zu einer Verwechslung. Professor Müllers Leistung bleibt trotz dieses Fehlers einmalig. Keine andere Züchtung erfuhr ein so grosses und noch immer aktuelles Verbreitungsgebiet wie diese Traubensorte. Vor allem in Österreich und Deutschland setzte sich ohnehin die Benennung nach dem Schöpfer durch: «Müller-Thurgau».

Prof. Dr. Fritz Kobel

Direktor der Forschungsanstalt von 1944 bis 1961, Physiologe und Züchter. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1921 bis 1961.
Kobel machte bahnbrechende Untersuchungen über die Physiologie der Obstbäume, speziell zu Problemen der Befruchtung und Fruchtbildung von Obstbäumen. Er verfasste das «Lehrbuch des Obstbaus auf physiologischer Grundlage» (1931) und die wertvolle Pomologie «Die Kirschensorten der deutschen Schweiz» (1937). Unter seiner Leitung wurden in Wädenswil zahlreiche Züchtungs- und Selektionsarbeiten mit verschiedenen Obst- und Gemüsearten, Reben und Zierpflanzenarten (Teller- und Ballhortensien) gestartet, die noch während seiner Schaffenszeit sehr erfolgreiche Sorten hervorbrachten.


Fritz Kobel.

Dr. Karl Stoll

Chef der Sektion Obst- und Gemüseverwertung, Obst- und Gemüsebauwissenschaftler und Pomologe. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1950 bis 1983.
Ab den 1950er-Jahren erforschte Karl Stoll optimale Lagerkonditionen für Obst und Gemüse, von Naturlagern bis zu der damals noch neuen Lagerung unter kontrollierter Atmosphäre. Der international bekannte Wissenschaftler forschte zudem für die Bestimmung von Kriterien für vollentwickelte und gut lagerfähige Früchte und für die frühzeitige Prognose des Erntezeitpunktes. 1985, bereits pensioniert, gründete Karl Stoll zusammen mit seinem Gesinnungsgenossen Prof. Roger Corbaz die Vereinigung «Fructus» zur Förderung alter Obstsorten und übernahm damit eine Pionierrolle in der Erhaltung der Obstsortenvielfalt der Schweiz.

Karl Stoll (Foto: Fructus).
 

PD Dr. Hannes Schüepp

Chef der Sektion Phytopathologie und Bodenmikrobiologie, Pionier der Mykorrhiza-Forschung. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1965 bis 1999.
Die integrierte Bekämpfung von Reben-, Apfel- und Steinobstkrankheiten, die Grundlagen der Resistenz von Pilzen gegen Fungizide, aber auch die Erforschung von Mykorrhiza-Pilzen standen im Zentrum der Arbeiten von Hannes Schüepp und seinem Team. Die Zusammenarbeit mit Partnern aus anderen Ländern und zahlreiche Publikationen trugen zum Verständnis der Rolle der symbiotischen Mykorrhiza-Pilze für das Wachstum von vielen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bei und hatten grosse internationale Ausstrahlungskraft. Diese Arbeiten sind wichtige Grundlagen, um auch in Zukunft nachhaltige Anbaumethoden entwickeln und die Bodenfruchtbarkeit erhalten zu können.

Hannes Schüepp.

Chemiker HTL Hans Tanner

Chemiker, Analytiker für Wein, Fruchtsäfte und Destillate. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1950 bis 1987.
Hans Tanner war die treibende Kraft hinter den Arbeiten, die zur weltweit erstmaligen Identifizierung der Substanz 2,4,6-Trichloranisol als Verursacher des Korktons (Zapfengeschmack) im Wein führten. Diese Verbindung ist äusserst geruchsintensiv. Einige wenige Milliardstel Gramm pro Liter Luft reichen aus, um deutlich wahrgenommen zu werden. Der Nachweis gelang dem hoch anerkannten Wissenschaftler in Wädenswil in enger Zusammenarbeit mit Hans Rudolf Buser und Carla Zanier. Sie publizierten ihre Erkenntnisse 1981 in der Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau und 1982 im Journal of Agricultural and Food Chemistry.

Hans Tanner.

PD Dr. Ernst Friedrich Boller

Chef der Sektion Entomologie und Nematologie, Vizedirektor, Entomologe und Pionier der Integrierten Produktion (IP). Tätig bei Agroscope von 1968 bis 2001.
In den Jahren 1985 bis 1999 entwickelte Ernst Friedrich Boller mit seinem interdisziplinär arbeitenden Team, unter Einbezug von Pionierbetrieben aus dem Weinbau, ein in der Praxis umsetzbares Konzept für die Integrierte Produktion. Die mit der IP im Weinbau gewonnenen Erfahrungen brachte er in den 1990er-Jahren bei der Ausgestaltung des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) ein, welcher heute noch als Voraussetzung für Direktzahlungen gilt.



Ernst Boller.

Dr. Heinrich Arn

Chemiker, Pheromonforscher, Wissenschaftler der Sektion Pflanzenschutzchemie. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1971 bis 1997.
Heinrich Arn war in den 1970er-Jahren einer der Ersten, die zur Identifikation von Insektenpheromonen (Lockstoffe) die gaschromatografische Analytik mit der Aufzeichnung von Elektroantennogrammen (Aufzeichnungen der Nervensignale eines Insektenfühlers) koppelten. Er erforschte in der Folge, wie Insektenpheromone im modernen Pflanzenschutz genutzt werden können, sowohl in Fallen zur Befallsüberwachung wie auch zur Unterbrechung der Paarung und Vermehrung durch Verwirrung der Schädlinge, bekannt als Verwirrungstechnik. Dank der Entwicklung von Pheromondispensern können heute im Obst- und Weinbau viele Insektizidbehandlungen eingespart werden.
Heinrich Arn (Foto: Hansueli Trachsel)

PD Dr. Werner Koblet

Chef Sektion Weinbau, Reben-Physiologe. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1962 bis 1997.
Das Studium des Transports von Assimilaten im Rebstock mittels markiertem CO2 ermöglichte erstmals ein grundlegendes Verständnis der Ertragsbildung der Rebe (Blatt/Frucht-Verhältnis). Die Arbeiten von Koblet fanden weltweit Anerkennung und beeinflussten massgeblich das Laubwand- und Traubenqualitätsmanagement. Koblet verstand es, die Ergebnisse verständlich weiterzugeben, so dass sie genutzt wurden. Damit hat er einen entscheidenden Beitrag zur modernen, nachhaltigen Produktion von Weintrauben hoher Qualität geleistet.


Werner Koblet.

Dr. Peter Dürr

Lebensmittelwissenschaftler, Degustator und Sensoriker. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 1972 bis 2008.
Peter Dürr trug mit seiner praxisorientierten Forschung und entsprechendem Wissenstransfer massgeblich dazu bei, dass einheimische Destillate dank ihrer edlen Qualität der internationalen Konkurrenz Paroli bieten können. Verschiedentlich wurde der international gefragte Organisator von zahlreichen Prämierungen und Brennkursen scherzhaft als «Schweizer Schnapspapst» bezeichnet. Peter Dürr war ein national und international hoch anerkannter Forscher und Degustator für das Brennereiwesen. Er war weltweit der erste Sensoriker, der zu Übungszwecken Destillatproben mit definierten Substanzen versetzt hat.
Peter Dürr.

Prof. Dr. Brion Duffy

Leiter der Bakteriologie im Forschungsbereich Pflanzenschutz und Extension Obst- und Gemüsebau, Molekularbiologe. Tätig bei Agroscope in Wädenswil von 2002 bis 2013.
Brion Duffy und sein Team publizierten 2010 als weltweit Erste die vollständige Gensequenz des Feuerbrand-Erregers Erwinia amylovora. Sie leisteten damit einen grossen Beitrag zum Verständnis der molekularen Mechanismen, welche dieses Bakterium zur gefährlichsten Kernobstkrankheit machen, und lieferten Erklärungen, wie Antagonisten gegen den Feuerbrand wirken können. Dies wird die Entwicklung von neuen Bekämpfungskonzepten gegen den Feuerbrand ganz wesentlich voranbringen.

Brion Duffy.

Die Zukunft findet statt

Zukunft bedeutet Veränderung, aber welche? An was arbeitet die Forschung in Wädenswil in 125 Jahren? Wohl niemand konnte sich vor 125 Jahren bei der Gründung der «Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädenswil» genau vorstellen, welche Themen in Wädenswil im Jahre 2015 erforscht werden würden. Man stelle sich den damaligen Zeitgeist vor: 1890 wurden beispielsweise Charles de Gaulle und Agatha Christie geboren, der unter Druck geratene erste Ministerpräsident des ersten Deutschen Reiches, Otto von Bismarck, trat zurück, das Zeitalter des Imperialismus begann, die Dritte Französische Republik entwickelte sich unter dem Misstrauen des monarchistischen Europas, in den Schweizer Parlamentswahlen behaupten sich die Freisinnigen (bzw. Radikal-Liberalen) als stärkste Kraft und erzielten knapp die absolute Mehrheit, die Bundesversammlung erliess einen Beschluss zur «Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Zusatz bezüglich des Gesetzgebungsrechts über die Unfall- und Krankenversicherung», und es starben Heinrich Nestlé und Gottfried Keller. Der Obst- und Weinbau war mit grossen Problemen konfrontiert, die Schweiz war auf Importe angewiesen. Von der neuen Versuchsanstalt in Wädenswil erhoffte man sich Lösungen für zahlreiche Schwierigkeiten in der Praxis. Kaum jemand dürfte damals schon vorhergesagt haben, dass Wädenswiler Forschende dereinst Pionierrollen bei der Entwicklung umweltschonender, praxistauglicher Anbaumethoden im Obst-, Wein- und Gemüsebau spielen oder als Erste das Genom des Feuerbrandbakteriums entschlüsseln würden. Das war auch gar nicht nötig. Vielmehr ging es darum, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und diese dann laufend an veränderte Herausforderungen anzupassen, um herausragende, nutzenbringende praxistaugliche Problemlösungen für den Obst-, Wein- und (damals) Gartenbau anbieten zu können. Das gelang offensichtlich ausgezeichnet. Und das soll auch in Zukunft so sein, damit exzellente Forschungsleistungen von Agroscope in Wädenswil für zukünftige Herausforderungen erwartet werden dürfen.

Herausforderungen
Wir wissen wie damals vor 125 Jahren auch heute nicht genau, an welchen Problemlösungen die Forschungsanstalt in mehr als 100 Jahren arbeiten wird. Klar ist hingegen, dass die Gesellschaft, wie damals vor 125 Jahren, vor grossen Herausforderungen steht. Die Weltbevölkerung, die Werte und Bedürfnisse der Gesellschaft und die Technik entwickeln sich rasant. Die landwirtschaftliche Nutzfläche sinkt seit Jahren kontinuierlich, die Bevölkerung, die gesund ernährt werden will, steigt jährlich um ca. 1 Prozent an. Ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem Planeten tut mehr denn je Not, und es braucht Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit.

Zukunftsszenarien
In der immer schnelleren, detaillierteren, präziseren, aber auch multipolareren Welt, in der neue Wirtschaftsmächte und Kulturen aus Asien und dem Süden nach oben streben und in der das Wissensangebot immer dichter und die Welt immer kleiner wird (Globalisierung), wächst das Bedürfnis, Wissen direkt in nachhaltigen Nutzen umzusetzen. Diversifizierung und Individualisierung der Gesellschaft schreiten voran, und die Veränderungen des Umfelds der Land- und Ernährungswirtschaft sind vielfältig. Darum ist nicht eine einzige, sondern sind zahlreiche, verschiedene Zukunfts-Szenarien für die Land- und Ernährungswirtschaft vorstellbar. Solche Szenarien sind in der Abbildung «Fakten – Ziele – Zukunft» dargestellt. Wädenswiler Forschende werden Lösungen für solche Szenarien erarbeiten. Kreisläufe werden vermehrt unser Denken bestimmen. Abfälle müssen minimiert und noch intelligenter in Kreisläufen genutzt werden. Pro Flächeneinheit muss mit weniger Ressourcen mehr produziert werden, was gesamtheitliche Lösungen verlangt. Ökologisch und standortgerecht zu produzieren, bedeutet auch in Zukunft oft, aufwändig und teuer zu produzieren. Echter Fortschritt wird dann möglich, wenn es gelingt, diesen Widerspruch zu lösen. Darin haben Wädenswiler Forschende Erfahrung.

Stärken, Forschungsthemen und die Infrastruktur
Die Forschungsgebiete Hortikultur, Lebensmittel und Analytik (HortiFoodAnalytics) werden auch in Zukunft das Rückgrat von Agroscope in Wädenswil bilden, um die Entwicklung von Land- und Ernährungswirtschaft mitzuprägen, gesunde Nahrungsmittel aus einer gesunden Umwelt zu ermöglichen, Technologien zu entwickeln, deren Chancen zu nutzen und Risiken vermeiden zu helfen.
Aber konkret: Werden in Wädenswil in ferner Zukunft Hightech-Hortikultursysteme entwickelt, die ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auskommen und in Landwirtschafts- und Naturpärken der völlig urbanisierten Gesellschaft automatisiert pflanzliche Lebensmittel produzieren? Oder müssen vielleicht Probleme von Ökosystembetrieben mit Frisch- und Gemüseproduktion in städtischen Naturoasen gelöst werden?
Wagen wir eine konkrete Prognose: Wädenswiler Forscherinnen und Forscher schaffen in 25 Jahren einen Durchbruch für einen praxistauglichen, kunstdüngerfreien Gemüsebau unter Zuhilfenahme der Fähigkeiten von im Boden und auf Pflanzen lebenden Mikroorganismen. Denn die starke Anwendung von Kunstdüngern, deren energieintensive Herstellung und der nicht nachhaltige Abbau natürlicher Nährstoffvorkommnisse haben das fragile Ökosystem aus dem Gleichgewicht gebracht. Und in 50 Jahren gelingt, in Zusammenarbeit mit einer Hochschule und einem KMU, der analytische Durchbruch für einen Farm-Analytik-Chip, der in der telefonfähigen Armbanduhr integriert ist. Er verschafft Zugang zu einer umfassenden Bibliothek der Erbinformation aller auf Obst-, Wein- und Gemüsebau- und Verarbeitungsbetrieben der Region im Feld und auf den Produkten vorkommenden Mikroben und schlägt vernetzte Empfehlungen vor für auf den konkreten Betrieb zugeschnittene nachhaltige Bekämpfungs- und Fördermassnahmen schädlicher respektive nützlicher Repräsentanten dieser Mikroben. Das revolutioniert optimal betriebsspezifische Entscheidungsgrundlagen und eröffnet Chancen für die Nahrungsmittelproduzenten, Verarbeiter und für die Konsumentenschaft.
Das allerdings sind natürlich reine Spekulationen. Keine Spekulation ist allerdings die Voraussicht, dass sich die Forschungsmethoden rasant weiterentwickeln. Mit der schnelleren, präziseren, umfassenderen Analytik können die Vorgänge in Ökosystemen, Pflanzen und Lebensmitteln quantitativ noch rascher und tiefgreifender erfasst werden. Es wird in einigen Jahren möglich sein, die wichtigsten Vertreter aller in einem Gramm gesunden Bodens vorhandenen zehn Milliarden Mikroorganismen (z.B. Bakterien und Pilze) innert weniger Minuten nachzuweisen. Die Sensortechnik – die Möglichkeit mit kleinsten Geräten Bilder, Gerüche, Bewegungen zu messen – boomt. Den Winzlingen gehört die Zukunft. Sensoren werden noch präzisere Düngungs- und Pflanzenschutzmethoden und Erntetechniken für landwirtschaftliche Kulturen ermöglichen. Kombiniert mit dem Wädenswiler Pioniergeist in der Analytik von Substanzen wird das entscheidend zur Entwicklung innovativer Anbaumethoden und Lebensmittelverfahren beitragen.
Diese methodischen Innovationen sind nur dank neuen Gerätschaften und guter Infrastruktur möglich. Erstere konnte in jüngster Vergangenheit mit modernen Einrichtungen ergänzt werden. Aber einige Gebäude der Forschungsanstalt sind in schlechtem Zustand. Sie müssen ersetzt oder saniert und den neusten Standards und Bedürfnissen angepasst werden.

Vernetzung und Innovation
Die Wädenswiler Forschung ist eingebettet in ein Netzwerk von Forschungsinstitutionen wie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), dem Strickhof, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) und Universitäten, aber die Forschung ist auch hervorragend vernetzt mit Branchenorganisationen und der Praxis und selbstverständlich auch mit dem Bundesamt für Landwirtschaft, dem Mutterhaus, für das Agroscope wichtige gesetzliche Aufgaben wahrnimmt. Die Partnerschaft mit der Stadt Wädenswil und der Standortförderung Zimmerberg ist geprägt von gegenseitiger Wertschätzung. Der Innovationsdruck ist gross, national und in der Region. Darum will die Standortförderung Zimmerberg mit Unterstützung der Innovationspolitik der Kantone Zürich und Schwyz und in enger Kooperation mit Agroscope und ZHAW und Vertretern der Privatwirtschaft in den kommenden Jahren den Cluster FoodPlus aufbauen (Fokus: Pflanzen, Umwelt, Lebensmittel, Gesundheit). Mitglieder sollen einen bevorzugten Zugang zu regional, national und international vernetzten Wissens- und Innovationspotenzialen haben und bei Transfer- und Innovationsprojekten gezielt Unterstützung erhalten, zum Beispiel im Rahmen von Public-Private-Partnerships. Mit FoodPlus wird für die nationale Agroscope und die Region eine noch bessere Win-Win-Situation und ein nachhaltiger Innovationsschub entstehen.

Aufbau des Weinbauzentrums Wädenswil
Spardruck und neue Rahmenbedingungen bei Agroscope und ZHAW zwingen zu weiteren Einschnitten im Bereich Weinbau. Dagegen wehrt sich die Deutschschweizer Weinbaubranche. Durch Bündelung der Kräfte von Agroscope, dem Amt für Landschaft und Natur des Kantons Zürich mit dem Strickhof, der ZHAW, dem Branchenverband Deutschschweizer Wein und weiteren Partnern in einem Weinbauzentrum soll es möglich werden, die Anliegen des Deutschschweizer Weinbaus trotzdem kompetent zu bearbeiten und neue Dynamik in die praxisnahe Weinbauforschung für dieses Anbaugebiet zu bringen. Nun wollen diese Partner bis 2017 das Weinbauzentrum Wädenswil aufbauen. Dazu haben sie am 1. Oktober 2015 einen Verein mit Sitz in Wädenswil gegründet, der das Zentrum führen soll. Das Zentrum soll Innovationen für die Deutschschweizer Weinbranche anbieten und Forschung und Entwicklung, Beratung und Aus- und Weiterbildung bündeln.

Schlusswort
«Herr der Vergangenheit ist, wer sich erinnern kann. Herr der Zukunft ist, wer sich wandeln kann», sagt ein altes, chinesisches Sprichwort. Und es ist durchaus denkbar, dass China in 125 Jahren die Rahmenbedingungen der Forschung wesentlich beeinflusst. China investiert bis im Jahr 2020 über 220 Milliarden Franken in Europa. Aber mögen die Chinesen kommen oder nicht: Wädenswil bedeutet «Innovation» seit 1890 und hat sich immer wieder neuen Herausforderungen erfolgreich stellen können! Das ist ein solides Fundament, das auch in Zukunft tragfähig sein muss. Die nächsten 125 Jahre können kommen.



 
Lukas Bertschinger, Agroscope



Die Stadt Wädenswil unterstützt den Bildungs- und Forschungsstandort.

Fakten – Ziele – Zukunft
Die Land- und Ernährungswirtschaft hat eine enorme Entwicklung hinter sich und wird sich weiter stark verändern. Je nach Entwicklung verschiedener Faktoren sind für die Zukunft viele Szenarien denkbar. Wohin die Entwicklung auch geht, sicher ist: Die kompetente und verantwortungsbewusste Forschung aus Wädenswil ist wertvoll für Konsumentinnen und Konsumenten, für den Obst-, Gemüse- und Weinbau sowie für Politik und Verwaltung – Jede Zukunft braucht unsere Forschung!
 
Innovationen durch Partnerschaften mit Agroscope in Wädenswil
Bereits in der Vergangenheit hat Agroscope in Wädenswil beispielhafte Modelle für die Zusammenarbeit mit Partnern und Stakeholdern aus der Land- und Ernährungswirtschaft entwickelt. Agroscope möchte noch mehr Kooperationen eingehen mit nationalen und internationalen Partnern aus Forschung, Verwaltung, Industrie, und Handel, um gemeinsam Innovationen zu schaffen und Lösungen anzubieten. In Partnerschaft gestaltet Agroscope die Zukunft!

Agroscope-Redaktionsteam: Carole Enz, Peter Rusterholz, Robert Bauer, Lukas Bertschinger, David Drissner, Jürg E. Frey, Ulrich Zürcher und weitere Mitarbeitende von Agroscope.