Das Gewerbehaus in Wädenswil

Zürichsee-Zeitung vom 30. Dezember 1997 von Peter Ziegler
 
Dieser Tage ist die Aussenrenovation des der Stadt Wädenswil gehörenden Gewerbehauses an der Schönenbergstrasse 3 abgeschlossen worden. Mit seinen weissen Fassaden und den dunkelgrünen Fensterläden ist das in drei Etappen entstandene Gebäude wieder eine Zierde des Wädenswiler Ortskerns.

Kernbau mit Färberei und Büchsenschmiede

Ein mit der Jahreszahl 1690 versehenes, in Stein gehauenes Allianzwappen der Familien Theiler und Huber über einem Kellerfenster auf der Südseite des Hauses datiert wohl den vier Fensterachsen breiten, gegen die Schönenbergstrasse gerichteten Kernbau des heutigen Gebäudes. Dieser gehörte damals einem Hans Theiler, der in den Wädenswiler Gemeinderechnungen von 1699 als Schmied bei der Kirche erwähnt wird. Nach dem Tod seines 31-jährigen Sohns Konrad im Januar 1731 entschloss sich Vater Theiler, den Betrieb aufzugeben. In Färber Johannes Hotz fand er einen Käufer für sein «Hus im Dorf Wedenschwill underhalb dem Gmeindhus gelegen, darinn bis anhin ein Schmidten gewesen». Die Handänderung erfolgte am 8. August 1733.

Allinanzwappen Theiler / Huber am Sturz eines Kellerfenster in der Südwestfassade.

Hotz entstammte einer schon 1683 in Wädenswil bezeugten Färberfamilie und übte sein Handwerk zusammen mit dem Bruder Christoph in einer Liegenschaft ob dem «Ochsen» (heute Ecke Lindenstrasse/Zugerstrasse) aus. 1733 trennten sich die Geschwister, und Johannes Hotz eröffnete in seinem neu erworbenen Haus unterhalb der reformierten Kirche einen eigenen Betrieb. Dieser ging später an die Söhne Rudolf Hotz-Theiler und Landrichter Hansjakob Hotz-Strickler (1731–1800) über.
Während sich Hansjakob als Färber betätigte, übte sein Bruder Rudolf Hotz-Theiler das Büchsenmacher-Handwerk aus und fabrizierte und reparierte Gewehre. Ein Plan der Wädenswiler Kirchenumgebung aus dem Jahre 1757 zeigt die damalige Situation: das Haus mit Färberei und Büchsenschmiede sowie ein Mangegebäude oberhalb des Wohnhauses, im bergseitigen Garten nahe der späteren Schönenbergstrasse. 
 

Erweiterungsbau von 1768

Der südöstliche Teil des Hauses Schönenbergstrasse 3 – markiert durch drei Fensterachsen – scheint aus dem Jahre 1768 zu stammen. Schriftlich lässt sich dies zwar nicht eindeutig belegen, doch verweisen mehrere Indizien auf diese Bauzeit. Ausser dem Stil des Hauses, der dem ähnlicher Bauten in Wädenswil aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 18, Jahrhunderts entspricht, ist vor allem die Jahreszahl 1768 über der heutigen Haustüre zu erwähnen. Der datierte Türsturz befindet sich am Treppenhausvorbau, der indessen erst im Jahre 1909 angefügt worden ist. Vorher zierte er einen anderen Eingang.
Für einen Erweiterungsbau um 1768 spricht auch, dass die Liegenschaft in den Grundprotokollen vor und nach diesem Datum anders umschrieben wird. Während 1757 von einem «Haus mit der Farb darunter und der Schmidten dabei» die Rede ist, entnimmt man dem Grundprotokoll von 1802 den Hinweis, die östliche Behausung sei früher «ein Anhänki und Schopf» gewesen und sei «seitdem neu erbauen».
Kirche und erstes Schulhaus um 1800. Im Hintergrund das Gewerbehaus.

Die Seidenfärberei Hotz

Der westliche Teil des Doppelwohnhauses unterhalb der Kirche ging 1801 nach dem Tod von Landrichter Hansjakob Hotz durch Kauf in den Besitz der jüngsten Tochter, Katharina (1773–1824), über, die sich mit Hans Konrad Hotz (1776–1851), einem Sohn des Chirurgen Johannes Hotz-Hüni (1740–1803), verheiratet hatte. Im Erdgeschoss dieses Hausteils – assekuriert unter der Nummer 200 lag unter den Wohnungen das Farbhaus; in der gegen den Rosenhof orientierten Haushälfte – unter der Nummer 199 brandversichert – wohnte der Büchsenschmied Rudolf Hotz (1764–1821).
Konrad Hotz-Hotz, der ebenfalls das Färberhandwerk erlernt hatte, gab der Hotzschen Färberei unterhalb des Gemeindehauses neue Impulse und gliederte seiner Mange ums Jahr 1810 eine «Seidenfarb» und einen Garntrockner an. Er vollzog damit einen wichtigen Schritt, indem er sich nicht ausschliesslich auf das Färben von Baumwolle spezialisierte, sondern auch die steigende Bedeutung erlangende Seide färbte.
Mit dem Aufschwung der textilen Heimindustrie gewann das an keine Monopolbewilligungen gebundene Färbergewerbe rasch an Bedeutung. Es fehlte darum auch in Wädenswil nicht an Konkurrenten. Dies bekam Konrad Hotzens gleichnamiger Sohn zu spüren, welcher seit 1842 das väterliche Unternehmen weiterführte. Im Sommer 1850 verkaufte er seinen Betrieb mit allem Drum und Dran dem Färber Heinrich Marthaler. Doch auch dieser hielt im erlernten Beruf nicht lange durch.
 

Der Kolonialwarenladen von Heinrich Marthaler

Um 1867 liquidierte Heinrich Marthaler seine Färberei, um vom einträglicheren Handel zu leben. Er eröffnete im bisherigen Farbhaus an der Schönenbergstrasse, das er 1861 erworbenen hatte, den Laden «zur Farb» und handelte mit Spezereien und Kolonialwaren. Am 16. Dezember 1867 empfahl er sich im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» unter anderem für trockenen Landleim, Kaffee-Extrakt, Zimt, Nelken, verschiedene Tabaksorten und für Zigarren.
 

Teil des Seidengeschäfts Gessner

Der gegen den Rosenhof orientierte südöstliche Hausteil kam nach dem Tod von Büchsenschmied Rudolf Hotz im Frühjahr 1821 an dessen 1796 geborenen Sohn Rudolf. Dieser betätigte sich auch politisch und gehörte eine Zeitlang dem Kantonsrat an. Älter geworden, sah er sich gezwungen, die Büchsenmacherei aufzugeben, da niemand die Nachfolge antreten wollte. Das im Garten ob dem Haus gelegene Schmiedegebäude wurde 1861 dem Färber Heinrich Marthaler verkauft, die südöstliche Wohnhaushälfte 1864 dem Seidenindustriellen August Gessner-Theiler. Dieser verlegte die Seidenwinderei ins Gebäude, da er im Stammhaus, dem benachbarten Rosenhof, zu wenig Platz hatte. Bis zur Aufnahme des mechanischen Betriebs im neuen Fabrikbau zwischen Florhof- und Stegstrasse im Jahre 1882 bildeten Rosenhof und Gewerbehaus unterhalb der reformierten Kirche die Zentren des Gessnerschen Seidengeschäfts. Um 1930 war im ehemaligen «Hotzenhaus» das Notariat untergebracht.

Die Nebengebäude

Die Lagerbücher der Brandassekuranz, welche mit dem Jahr 1826 einsetzen, geben Auskunft über die zu Schmiede und Färberei gehörenden Nebengebäude. Auf dem Ausgelände der Liegenschaft des Büchsenschmieds Rudolf Hotz stand im Jahre 1826 ein Waschhaus, das August Gessner 1870 abbrechen liess. Die an der Schönenbergstrasse – zwischen dem Gewerbehaus und der Gemeindemetzg mit Sonnenbrunnen – gelegene Schmiede des Rudolf Hotz diente Heinrich Marthaler 1864 als Farbhaus und 1878 als «Verkaufsgebäude». Sie wurde 1909 für die Korrektion der Schönenbergstrasse abgetragen. Das 1826 in die Brandassekuranz aufgenommene Mangebäude des Seidenfärbers Konrad Hotz, in der Nähe des noch offen fliessenden Töbelibachs gelegen, wurde 1855 von Heinrich Marthaler als Farbhaus verwendet und ab 1878 als Waschhaus. 1885 liess August Gessner auch diese Baute beseitigen.
 

Handänderungen im 20. Jahrhundert

Im März 1908 verkaufte Frau Marie Meier-Marthaler, die einzige Erbin des am 5. August 1900 verstorbenen Heinrich Marthaler, ihren Hausteil samt Umgelände und Nebengebäuden dem Seidenindustriellen Emil Gessner-Heusser, der schon Eigentümer der näher beim Rosenhof gelegenen Haushälfte war. Der neue Besitzer liess das ihm nun ganz gehörende Gebäude umbauen. Auf der Nordseite wurde ein Treppenhausvorbau angefügt, und der Laden an der Schönenbergstrasse ging ein: Die ehemalige Büchsenschmiede im Garten ob dem Haus, die der Hutmacher Hunziker zuletzt noch als Ladenlokal benützt hatte, wurde im Jahre 1909 im Zusammenhang mit der Korrektion der Schönenbergstrasse beseitigt.
Seit 1941 gehört das Haus Schönenbergstrasse 3 der Politischen Gemeinde WädenswiI. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich hier unter anderem das Kriegswirtschaftsamt, wo die Wädenswilerinnen und Wädenswiler jeden Monat die Rationierungsmarken abholen konnten. Weiter beherbergte das Gebäude ab 1942 bis zum Bezug der Neubauten im Grüental im Jahre 1984 die «Schweizerische Obst- und Weinfachschule», die heutige Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Bauliche Würdigung

Das Gewerbehaus, das mit seinem Namen an seine frühere Bedeutung erinnert, zählt zu den dominanten Gebäuden entlang der Schönenbergstrasse. Zusammen mit der reformierten Kirche von 1764/67 und dem Haus Zur Sonne von 1821 beherrscht es den unteren, steil ansteigenden Strassenabschnitt. Die Hauptfassade ist Richtung reformierte Kirche orientiert. Die in sieben Achsen angeordneten Fenster haben unterschiedlichen Achsabstand. Die westlichen vier Achsen entsprechen dem ältesten Gebäudeteil der Zeit um 1690, die östlichen drei sind später, möglicherweise 1768, hinzugefugt worden. Die Aussenrenovation von 1997 brachte den dreigeschossigen Bau mit Riegelwerk in den Giebelfassaden und am dominanten Treppenturm wieder voll zur Geltung.




Peter Ziegler