Die drei ältesten Gasthäuser im Dorf Wädenswil waren das
Gemeindehaus bei der Kirche, die
«Krone» und der
«Engel». Im 18. Jahrhundert kam als vierter Gasthof der
«Hirschen» dazu. Wann das Haus gebaut wurde und in welchem Jahr man den Gasthofbetrieb aufnahm, soll im folgenden erörtert werden.
Aus den Grundbuchprotokollen kann man erschliessen, dass die nachmalige Liegenschaft «Hirschen» ursprünglich den Namen «Heimgarten» getragen hat. Unter dieser Bezeichnung wird sie im Besitz des Färbers Ulrich Eschmann und von dessen Bruder, Hauptmann Hans Eschmann, im Jahre 1720 erwähnt. Das Areal grenzte an den Töbelibach und die Landstrasse sowie bergwärts an den Gemeindeplatz. Zum Besitz der Eschmann gehörte auch das Gebäude «Raspermund», das eine Färbereieinrichung und eine Trotte enthielt. Später wurde jenes Gebäude zum Wohnhaus umgestaltet (heute Schönenbergstrasse 1). 1755 wurde der «Heimgarten» an Leutnant Schneider verkauft, und von diesem kam der Besitz im Jahre 1766 an Caspar Hottinger auf Untermosen. Anlässlich der letzten Handänderung wurde festgehalten, zum Verkauf gehöre nebst 1/6 Nutzungsrecht am Brunnen «die Tavernengerechtigkeit, zum Hirtzen genannt». Damit wird erstmals der Name «Hirschen» fassbar. Der neue Besitzer lässt sich zugleich als erster bekannter Gastwirt nachweisen. 1771 ist nämlich die Rede vom Hirschenwirt Hans Caspar Hottinger. Dieser verkaufte im genannten Jahr dem Tischmacher Rudolf Reiner «ein Haus mit angebautem Rossställi und hinterm Schopf, genannt Heimgarten». Zum Verkauf gehörten auch das Seil und die Bank in der Metzg, das Tavernenrecht zum Hirschen sowie 1/6 Brunnenanteil.
Im Jahre 1807, nach dem Tod von Hirschenwirt Ryner, wurde der Schwager des Verstorbenen, der Schuhmacher Jakob Eschmann, Eigentümer der Liegenschaft «Heimgarten». Eindeutig lässt sich nun belegen, dass mit «Heimgarten» um diese Zeit das kleine direkt oberhalb des «Hirschen» gelegene Haus gemeint war. Von ihm wird 1777 gesagt, es liege «beym Hirzen». Allem Anschein nach dürfte der «Hirschen» als Gasthof in den 1760er Jahren entstanden sein und allmählich den älteren Namen «Heimgarten» auf einen Teil der Liegenschaft zurückgedrängt haben, der sich dann seit 1845 im Besitz der Familie Huber befand.
Die Häuser wurden im alten Wädenswil nicht mit Strassennamen und Hausnummern bezeichnet. Für die genaue Lokalisierung einer Liegenschaft innerhalb des Dorfes ging man von Fixpunkten aus, die einem weiteren Bevölkerungskreis vertraut waren. Man erwähnte beispielsweise öffentliche Bauten − Kirche, Gemeindehaus, Schulhaus, Schützenhaus − und fügte bei, in welcher Richtung man zum weniger bekannten Haus gelangte. Man präzisierte aber noch nicht mit Himmelsrichtungen, sondern mit «vorn» und «hinten», «oben» und «unten». Wie allgemein am Zürichsee bedeutete auch in Wädenswil «vorn», was näher gegen Osten oder Süden lag, «hinten» was eher westlich oder nordwärts gelegen war; «unten» bezeichnete die Richtung gegen den See, «oben» jene gegen den Berg. Wenn ab etwa 1800 auch der Hirschen als Fixpunkt für Lagebezeichnungen umliegender Gebäude erscheint, darf daraus geschlossen werden, dass der Name des Gasthofs sich bereits gut eingebürgert hatte.
Am 15. Oktober 1807 wurde Gemeindewirt Heinrich Haab Eigentümer der Liegenschaft «Heimgarten» und des Tavernenrechts zum Hirschen. Es scheint, dass Haab nun den dreigeschossigen Baukörper mit Walmdach errichtet hat, der im 19. Und 20. Jahrhundert noch wiederholt umgestaltet worden ist. Darauf deutet mindestens ein Eintrag im Grundbuchprotokoll von 1829 hin. Als die Söhne des im Mai 1829 verstorbenen Hirschenwirts Heinrich Haab das väterliche Erbe veräusserten, hielten sie fest, es handle sich um «das unlängst neuerbaute Gasthaus zum Hirschen mit Pferdestall daran und Zinnenanbau mit Metzg». Und ergänzend wurde beigefügt, «an obigem Gasthaus ist ein neues Saalgebäud erstellt worden». Ob nur der Saalanbau oder auch der Gasthof aus der Zeit des Hirschenwirts Heinrich Haab stammt, ist nicht ganz klar. Der dreigeschossige Baukörper mit Walmdach könnte sehr wohl erst um 1807 und nicht schon in den 1760er Jahren entstanden sein. Denn gerade in den ersten Jahren nach 1800 wurden in Wädenswil verschiedene Bauten mit Walmdach erstellt, so 1811 der
«Freihof» und der
«Friedberg» 1814/15 die
«Gerbe».