Friedhof Wädenswil – Gestalterische Erfahrungen und Erlebnisse

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2018 von Geri Fischer

Erste Erfahrungen mit Friedhöfen machte ich in den 1950er-Jahren. Die einzige grössere, für Ballspiele geeignete Grünfläche war damals in Wädenswil der alte Friedhof. Und so war es klar, dass wir Buben alle schulfreien Stunden zum Fussballspiel auf diesem Grünareal nutzten. Pietätlos schien uns unser Vorgehen nicht und, wie ich mich erinnere, hat uns auch nie jemand auf so etwas hingewiesen. Später war mein Kontakt zum Friedhof – allerdings dann zum neuen Friedhof an der Schönenbergstrasse – wesentlich pragmatischer. Mit der Berufslehre als Gärtner lernte man auch die Arbeiten auf dem Friedhof von Grund auf kennen.
Besonders die Bauarbeiten im neuen Ostteil blieben mir vom Arbeitsaufwand her speziell in Erinnerung. Damals war es verpönt, auf Friedhöfen mit grösseren Baumaschinen zu arbeiten, um die Pressung der Böden zu vermeiden. Und so wurden ganze Grabfelder, Rabatten und Böschungen von Hand humusiert, Wege und Treppen mit einfachen Werkzeugen angelegt. Was mir aber auch intensiv im Gedächtnis blieb, ist die Entwurfsarbeit meines Vaters, der die Ost-Erweiterung planen durfte. Er arbeitete oft nachts an den Skizzen. Die Randbedingungen – wie Begrenzung, Höhenunterschiede, Zufahrtsmöglichkeiten und die Forderung nach zusätzlichen Parkplätzen – erschwerten die Arbeit zur Findung einer ästhetisch ansprechenden Form der Anlage.
 

Änderungen in der Formensprache

Ungefähr ab 1960 entstanden auf den Friedhöfen in unseren Gebieten starke gestalterische Veränderungen. Das Zweite Vatikanische Konzil von 1962 bis 1965 legitimierte die Kremation für Katholiken. Dies trug dazu bei, dass die Feuerbestattungen in den darauf folgenden Jahren massiv zunahmen. Auf Grund der rechteckigen Form der Särge wurden früher fast alle Friedhöfe und deren Grabfelder aus haushälterischen Gründen auch rechteckig angeordnet. Urnengräber hingegen verlangten weniger Platz und zudem musste das Einzelgrab auch nicht mehr unbedingt eine Rechteck-Form aufweisen. Einfach gesagt: Die Bestattungsart bestimmte die Grundform der Grabfelder und somit auch der Friedhöfe. Auch in der Ost-Erweiterung des Wädenswiler Friedhofes ist diese Stilveränderung spürbar. Die Grundform, die einem gotischen Kirchenfenster nachempfunden ist, besteht nicht mehr aus rechteckigen Urnen-Grabfeldern. Eine Form zu finden, die den konservativ-rechteckigen Altteil gegen Osten abschloss, sich aber doch mit ihm verband, war sehr schwierig. Die gotische Anordnung war die Formfindung, die den Ostteil wirken lässt, als würde er schon immer dazu gehören.
Ein weiterer Grund für die formalen Änderungen in der neueren Formensprache der Friedhof-Planungen waren die Gemeinschaftsgräber, deren Nutzung tendenziell zunahm. Dieser Trend entstand anfänglich in grösseren Städten, in welchen sich oft namhafte Persönlichkeiten in den damals als «Grab der Einsamen» bezeichneten Feldern bestatten liessen.
Stilistisch lassen sich im neuen Ostteil nicht nur an der Einfassungsmauer andere Gestaltungstendenzen erkennen. Vor allem in der Materialwahl und in deren Verarbeitungsart waren neue Stileinflüsse spürbar. Vermutlich wirkten dabei immer noch die Ideologien des Heimatstils, also der 1940er-Jahre, mit. Deutlich sichtbar wurde dies bei der Verwendung und Verarbeitung von Naturstein im Gehwegbau durch grossflächige Platten als Wegbeläge oder durch den Bau von Sandsteinmauern und -treppen. Typischerweise änderten sich auch die Pflanzungsarten. Vor allem in den Randbereichen des Friedhofs wurden nicht mehr nur Hecken, sondern freiere Gehölzgruppen zur Raumbildung eingesetzt.
Die neue Hauptachse vom Eingang Schönenbergstrasse wurde 1937 mit der Erweiterung und dem Bau der Abdankungshalle angelegt. Sie führt zum Ostteil, der heute das Herzstück des Friedhofs ist.


Höhenunterschiede als Knacknuss

Durch das starke Bevölkerungswachstum der Stadt Wädenswil in den 1960er-Jahren wurde bereits 1970 eine nochmalige Erweiterung des Friedhofes nötig. Ich bekam damals von der Gesundheitsbehörde den Auftrag für die Planung dieses Teiles. Es war keine einfache Aufgabe, auf dem zur Verfügung stehenden Land, einen sogenannten Südteil des Gottesackers zu planen. Begrenzt wurde das Areal einerseits durch die alte, bestehende Anlage und anderseits durch die Eichweidstrasse. Die Knacknuss der Planung war jedoch ganz klar die Bewältigung der Höhenunterschiede im vorgesehenen Perimeter und den Begrenzungen in den Randzonen. Es war unumgänglich, dass mit Stützmauern gearbeitet werden musste, um einigermassen ebene Bestattungsfelder zu erhalten. Der Vorschlag, die Mauern als Urnenmauern zu nutzen, fand bei der Behörde Anklang.
Durch die Schaffung eines weiteren Einganges und einer Verbindungsachse vom alten Teil des Friedhofes zum neuen Südteil erscheint die starke Terrassierung des Terrains weniger krass. Geprägt durch die notwendigen Stütz- und Einfassungsmauern wurde der Beginn des Betonzeitalters bei diesem Bauvorhaben deutlich sichtbar. Erkennbar ist dies auch bei den Urnennischen in den Stützmauern, welche aus vorfabrizierten Betonelementen gebaut wurden. Dieses Vorhaben verlangte eine minuziös genaue Planung und eine verständnisvolle Zusammenarbeit mit dem Ingenieur, der für die Statik zuständig war. Die Einfassungsmauer und der überdachte, neue Eingang an der Eichweidstrasse gliederten und beruhigten den Südteil wohltuend.

Kirchenfenster-Form als Herzstück

Mit dieser letzten Erweiterung hatte nun der Friedhof Wädenswil seine bis heute bestehende Grösse und Grundgestalt erreicht. Durch fachlich falsch verstandene Pflege des Gottesackers wurde leider in den 1970er-Jahren die Gesamtanlage immer mehr entstellt. Sie verlor auch ihre Ordnung und zeigte zum Teil fast chaotische Züge. Bei den Bestattungen hielt man sich nicht an die Pläne und damit verbunden funktionierte das sehr wichtige Entwässerungskonzept nicht mehr.
Nach einem Behördenwechsel wurde die Situation auf dem Friedhof endlich erkannt. Ein Experte, der damals beigezogen wurde, bezeichnete den Friedhofszustand als «Baumschule mit Bestattungsmöglichkeiten» ...
Ab diesem Zeitpunkt kam wieder Ordnung in die Friedhofspflege. Der in jener Zeit ziemlich verwilderte Nordteil musste in den 1980er-Jahren für eine Neubestattung umgestaltet und entwässert werden. Im gleichen Zeitraum wurde auch der bis heute sehr beliebte Urnenhain und das erste Gemeinschaftsgrab im Nordteil erstellt. Auch weitere, etwas östlicher gelegene Grabfelder wurden für Neubestattungen frisch hergerichtet.
Die letzte kleine Gestaltungsänderung im Friedhof wurde im Ostteil vorgenommen. Um 1990 konnte dem Wunsch nach einem zweiten Gemeinschaftsgrab Folge geleistet werden. Die gestalterische Einpassung dieser Grabform bewirkte, dass der Ostteil in seiner gotischen Kirchenfenster-Form noch besser herausgeschält werden konnte. Er übernimmt damit überzeugend die Wirkung als Herzstück der Friedhofanlage.
Ruhige Oasen mit Ausblick auf den Zürichsee gehören seit 1910 zum Konzept des Friedhofs.

Die gesamte Grünanlage lockert heute die Randzone der Stadt Wädenswil wohltuend auf und präsentiert sich als ästhetisch wertvolle Gedenkstätte. Auch wenn Gestaltung keine exakte Wissenschaft ist, können trotzdem über die Faktoren Raum, Zeit und Zuwendung Schönheitskriterien zur Beurteilung einer Anlage angewendet werden. Beurteilt nach diesen Kriterien darf der Friedhof Wädenswil heute als ausserordentlich schön bezeichnet werden.




Geri Fischer