Hof Burstel

Quelle: Kleine Schriften zur Zürcher Denkmalpflege, Heft 2 von Peter Ziegler

Gehöft Burstel mit Wohnhaus von 1690 (links), Trotte von 1821 (rechts), Speicher (vorne links) und Sennhütte von 1762 (vorne rechts).

Lage

Der Bauernhof Burstel liegt im westlichen Teil des Wädenswilerbergs nahe der Gemeindegrenze zu Horgen, in einer Schleife der in den 1840er Jahren angelegten Zugerstrasse, die Wädenswil mit Hirzel verbindet. Seeseits führt die Obere Einsiedlerstrasse, der einstige Pilgerweg von Zürich nach dem Kloster Einsiedeln, am Hof vorbei.
Situationsplan Massstab 1: 2 500
1 Vers.-Nr. 1460 Neue Sennhütte, erbaut 1886.
2 Vers.-Nr. 1461 Stallscheune, erbaut 1842.
3 Vers.-Nr. 1462 Dörrofengebäude, erbaut 1855.
4 Vers.-Nr. 1463 Sennhütte, erbaut 1762.
5 Vers.-Nr. 1464 Doppelspeicher, erbaut im 17. Jahrhundert.
6 Vers.-Nr. 1465 Wohnhaus, Teil Haab, erbaut 1690.
7 Vers.-Nr. 1466 Trottgebäude, erbaut 1821, mit Schopfanbau von 1868; seit 1914 mit Vers.-Nr. 1465 vereinigt.
8 Vers.-Nr. 1467 Wohnhaus, Teil Höhn, erbaut 1690.
9 Vers.-Nr. 1468 Trottgebäude, erbaut um 1800, mit Sägeanbau von 1843; seit 1914 mit Vers.-Nr. 1467 vereinigt.
10 Vers.-Nr. 1469 Waschhaus/Remise, erbaut 1892.
11 Vers.-Nr. 1470 Stallscheune, erbaut 1900-1901.
12 Vers.-Nr. 1471 Scheune, erbaut im 18. Jahrhundert.
13 Vers.-Nr. 1808 Schopf, erbaut 1907.

Geschichte

Der Hof Burstel zählt zu den mittelalterlichen Ausbausiedlungen auf der untersten Gelände-Terrasse des Wädenswilerbergs. Durch Rodung wurde hier seit dem späten 13. Jahrhundert Kulturland gewonnen, woran noch heute die Flurnamen Langrüti, Ödischwand, Stocken und Rüti erinnern. Guter «ze Burgstal ze Wediswile» werden erstmals 1318 in Zinslisten der Zürcher Fraumünsterabtei erwähnt. 1371 bewirtschaftete ein Heinrich Mülner dieses Gut. Heinzmann von Arne (Arn ob Horgen) hatte hier einen Zinsanspruch, den er im genannten Jahr an Ulrich Minner in Wädenswil verkaufte. Ob der Name Burstel/Burgstall auf eine Burgstelle zurückzuführen ist – beispielsweise auf den Turm eines Meiers des Fraumünsters oder eines Verwaltungsmannes der Herren von Wädenswil oder ihrer Rechtsnachfolger, des Johanniterordens – ist nicht geklärt. Mittelalterliche Siedlungsspuren sind im Burstel bis heute nicht gefunden worden. Zu denken wäre auch lediglich an Güter, die zur Burg gehörten, analog etwa der Bezeichnung Burghalden oder wie dies für den «Burgstel» in Hettlingen nachgewiesen worden ist. Eine Weide ob Burstel grenzte 1459 oben «an der Herren Guot» und unten an die zur Schlieregg führende Strasse. 1509 besass Heini Knecht einen zu «Burgstal» gelegenen Hof. In der Mitte des 16. Jahrhunderts gab es im Burstel mindestens zwei Höfe mit Weidewirtschaft. Jahrzeit- und Kirchenurbar Wädenswil nennen für 1555 den Hof von Ulrich Stutz und das Heimwesen von Heini Schmids Kindern. Eine Urkunde von 1656 erwähnt Richter Hans Heinrich Hohn zu Burstel. Im 17. Jahrhundert wurde der Grosshof weiter zerstückelt. Unter anderem trennte man davon in den 1650er Jahren den Hof Bachgaden ab.
Das heutige Doppelbauernwohnhaus Burstel wurde im Jahre 1690 erstellt. Das Baujahr findet sich an zwei Schildbogenfenstern im Erdgeschoss der Nordwestwand, zusammen mit den Wappen der Familien Höhn und Haab und den Initialen HH und EBH (Heinrich Höhn und Elisabetha Haab). Noch 1812 befand sich das in zwei Wohnhälften geteilte Haus im Besitz der Familie Höhn. Zur selben Zeit bestand die untere Hälfte des Doppelhofes ausser den Gebäuden aus 5 Jucharten Hauswiese, 18 Jucharten Weideland, 2 Jucharten Wiese, 11/4 Jucharten Ried und 41/2 Jucharten Wald. 1802 starb Hans Jakob Höhn (1735–1802) im Burstel, alt Landrichter und alt Seckelmeister. Bei seiner Abdankung äusserte sich Pfarrer Paul Philipp Bruch folgendermassen: «Als Oberhaupt stand er auch seiner patriarchalischen Familie würdig vor, die bereits 112 Jahre ihre Güter und sämtliches Vermögen ungeteilt, gemeinschaftlich bis ins dritte und vierte Glied besitzt und friedfertig, einträchtig und wohlwollend mit einander dürfen, wo nicht einzig, doch höchst selten ist.» 1864 waren die Gebrüder Höhn Eigentümer des einen und Kaspar Haab Besitzer des andern Hausteils. Noch heute wird das stattliche Doppelwohnhaus im Burstel von den Familien Höhn (Vers.-Nr. 1467) und Haab (Vers.-Nr. 1465) bewohnt.

Kunstgeschichtliche Würdigung

Das mächtige Doppelwohnhaus mit seinen ebensolchen Ökonomieanbauten steht etwas von der Zugerstrasse zurückgesetzt im Zentrum der Hofanlage, die sich noch durch typische bäuerliche Freiflächennutzung – Vorgarten, Zier- und Nutzgarten – auszeichnet. Im Osten des Wohnhauses liegt die Stallscheune, im Südwesten die Scheune Vers.-Nr. 1471 von 1762. Im südostlichen Sektor stehen ein Doppelspeicher, das ehemalige Dörrofengebäude, die einstige Sennhütte und ein kleiner Holzschopf.
Doppelbauernwohnhaus Burstel, 1999. Südostfassade mit Fachwerk und Klebedächern im Giebelfeld. Rechts der Doppelspeicher.

Das Doppelwohnhaus Burstel mit rechteckigem Grundriss hat drei Voll- und drei Giebelgeschosse. Das leicht geknickte Satteldach ist mit Bibelschwanzziegeln gedeckt; die Dachuntersichten sind verschalt. Mit Ausnahme des in Sichtfachwerk konstruierten südlichen Giebelfelds ist das voluminöse Gebäude massiv gebaut. In der symmetrisch gegliederten Hauptfassade, der südlichen Giebelwand, befinden sich die beiden Erdgeschosseingänge mit Steingewänden, betont durch einen Balkon mit schmiedeeisernem Geländer aus dem späten 19. Jahrhundert im zweiten Obergeschoss. Ein Gesims im Erdgeschoss und vier Klebedächer im Giebelfeld unterstreichen die Horizontale der Fassade. Die östliche Traufseite weist massive Mauerstreben auf, geniesst: ein Beispiel, das in Helvetien, wie ich glaube mit Recht behaupten zu die westliche im Obergeschoss einen Balkon. Auf der nördlichen Giebelseite sind zwei symmetrisch angeordnete Ökonomiegebäude mit je einem Schopfanbau angefügt. Die Fenster dieser Wand haben teils Holz-, teils Steingewände. An den Schildbogenfenstern im Erdgeschoss weisen die Inschriften und Wappen «16 HH 90» und «16 EBH 90» auf das Erbauer-Ehepaar Heinrich und Elisabetha Höhn-Haab hin sowie auf das Baujahr 1690.
Links: Familienwappen Haab am Fenstersturz der Nordwestfassade. Rechts: Familienwappen Höhn am Fenstersturz der Nordwestfassade.

Links: Nordwestfassade mit wappengeschmückten Schildbogenfenstern. Rechts: Winter im Burstel um 1960. Im Vordergrund die ehemalige Sennhütte Vers.-Nr. 1463 aus dem Jahre 1762.

In der Stube mit Wänden und Decke aus Tannentäfer im ersten Obergeschoss des unteren Hausteils Vers.-Nr. 1465 steht ein Kachelofen mit unigrünen Kacheln. Am Fuss ist er mit «AMH» (wohl Annamarie Höhn) und am Kranz mit «DK HII 1808» (David Kölliker) signiert. Ein Zeithäuschen aus Nussbaum, mit Uhr von Lantwing aus Zug, ist mit 1722 datiert. Das Zifferblatt trägt eine Seelandschaft und das Familienwappen Höhn. Das Möbel wurde ursprünglich für das Schloss Buonas hergestellt und dann von einem Höhn gekauft.
Links: Hausteil Vers.-Nr. 1465. Zeithäuschen aus Nussbaum in der Stube im ersten Obergeschoss. Rechts: Verziertes Zifferblatt aus dem Jahre 1722, mit dem Wappen der Besitzerfamilie Höhn.

Die Stube im ersten Obergeschoss des oberen Hausteils Vers.-Nr. 1467 ist ebenfalls repräsentativ. Wandtäfer und Felderdecke sind aus Tannenholz gefertigt, der Einbauschrank aus Nussbaum. Der Kachelofen mit grün patronierten Kacheln ist am Sockel mit 1816 datiert und am Kranz mit 1789. Die Initialen DK weisen auf den Hafner David Kölliker hin. Im dritten Obergeschoss blieb eine Kammer mit Rauchhäuschen erhalten. Die zwei um 1800 und 1821 auf der nördlichen Giebelfassade angebauten ehemaligen Trottgebäude, von denen das bergseitige ältere jungst zu Wohnzwecken ausgebaut wurde, erheben sich über den gemauerten Erdgeschossen mit je zwei Vollgeschossen teilweise oder ganz in Sichtfachwerkkonstruktion, zeigen teilweise verputzte nördliche Giebelfassaden und tragen je ein leicht geknicktes Satteldach mit Lukarne und verschalten Dachuntersichten. Die beiden Schopfanbauten sind aus stehenden Brettern konstruiert und werden von je einem Satteldach bedeckt. Die zweigeschossige Stallscheune Vers.-Nr. 1461 mit Satteldach wurde 1842 erbaut und 1892 durch einen Schleppdachanbau längs der bretterverschalten nördlichen Traufseite erweitert. Hauptfassade ist die südliche Traufseite mit zwei gemauerten Stallteilen im Erdgeschoss und Scheunenteilen aus stehenden Brettern. Hochrechteckige Fenster mit Rundbogenabschluss durchbrechen die Bretterverschalung des Obergeschosses. Auf der westlichen Giebelseite befindet sich die Tenneinfahrt mit bretterverschaltem Vorbau. Die östliche Giebelseite hat einen gemauerten Sockel; der obere Teil ist bretterverschalt. Der ehemalige Doppelspeicher Vers.-Nr. 1464 – in der Zürichseegegend heute eine Seltenheit – durfte noch aus dem 17. Jahrhundert stammen.
Nordwestliche Giebelseite des Wohnhauses (Mitte hinten) mit den Trotthausanbauten von 1821 (links) und um 1800 (rechts). Im Vordergrund links Schopfanbau.

Der gezinkte Blockbau mit Biberschwanzziegel-Eindeckung des Satteldaches ruht auf einem in den Hang hineingebauten gemauerten Kellergeschoss. Eine hölzerne Aussentreppe führt auf der westlichen Giebelseite ins Obergeschoss. Das Giebelfeld ist schirmartig verbrettert. Das ehemalige Dörrofengebäude Vers.-Nr. 1462 wurde 1855 als Ökonomiegebäude neu erstellt. Im Lagerbuch der Brandassekuranz ist der eingeschossige Bau 1895 als «Dörrofengebäude» eingetragen. Das Vollgeschoss ist massiv gemauert; die Giebelfelder sind bretterverschalt; das Satteldach tragt eine Eindeckung aus Biberschwanzziegeln. Das kleine Gebäude ist auf beiden Giebelseiten erschlossen. Die ehemalige Sennhütte Vers.-Nr. 1463 wurde im Jahre 1762 erbaut. Der eingeschossige Massivbau trägt ein leicht geknicktes Satteldach und ist mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Eingelegte Rotackersteinchen verzieren den Fassadenputz und bilden in beiden Giebelfeldern die Jahreszahl 1762.
Seeseitige Trauffassade des Wohnhausteils, Vers.-Nr. 1465 (links) und 1821 angebautes Trotthaus (rechts).

Doppelspeicher Vers.-Nr. 1464 mit schirmartig verbrettertem Ostgiebel. Gezinkter Blockbau über gemauertem Kellergeschoss.

Das Käsereigebäude stand in engem funktionellem Zusammenhang mit dem daneben liegenden Kühlkeller im Sockelgeschoss des Speichers Vers.-Nr. 1464, dem zur Kühlung der Milch fliessendes Wasser zugeführt werden konnte. 1893 gab man die alte Hofsennte im Burstel auf. Dafür erstellte die neu gegründete «Sennereigenossenschaft Burstel» auf der gegenüberliegenden Seite der Zugerstrasse die grosse Sennhütte Vers.-Nr. 1460. Die alte Sennte diente fortan als Waschhaus. Im Bauerngarten vor dem Wohnhaus Burstel steht ein Gussbrunnen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er soll aus der Stadt Zürich hieher versetzt worden sein.

Schutz

Der Hof Burstel mit Doppelbauernwohnhaus, allen Ökonomiebauten und bäuerlichen Freiflächennutzungen ist 1979 ins Inventar der regionalen Schutzobjekte aufgenommen worden.

Quellen und Literatur

Staatsarchiv Zürich, C II 2, Nr. 202; C II 15, Nr. 156c; F IIa 429, S. 96, 211, 259, 309; F IIc 86; F IIc 88. – Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. II/2, Aarau 1943, S. 255. – Urkundenregesten des Staatsarchivs des Kantons Zürich, Bd, 2, 1370–1384, Zürich 1991, Nr. 2126. – Inventarisation der kantonalen Denkmalpflege, März 1982. – Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 1, Zürich 1934, S. 316. – Hans Kläui, Alfred Häberle, Otto Sigg, Geschichte der Gemeinde Hettlingen, Hettlingen 1985, S. 287. – Jakob Pfister, Die Ortsnamen der Pfarrei Wädenswil, Wädenswil 1924, S. 37/38. – Christian Renfer, Die Bauernhäuser des Kantons Zürich, Bd. 1, Basel 1982, S. 140, 160, 169, 181, 238, 249, 597, 604, 605, 609, 624, 636–639, 642, 644.




Peter Ziegler