Während sich eine Grenze üblicherweise als Linie darstellt, die oft an topographische Gegebenheiten angelehnt ist, sind sprachliche Grenzen nicht als Linien, sondern als Streifen oder Grenzzonen zu sehen, in denen oft interessante Widersprüchlichkeiten festzustellen sind, in denen aber auch ein teilweiser Ausgleich stattfinden kann. Es gibt kleinräumige Ausnahmen, für die eine historische Erklärung möglich ist: So ist man sich in Ossingen und Stammheim bewusst, zwar zum Weinland zu gehören, weiss aber um deutliche sprachliche Unterschiede. Das erklärt sich daraus, dass die alte Römerstrasse von Winterthur über Hettlingen, Thalheim, Stammheim und um den Stammerberg herum nach Stein am Rhein führte, also Ossingen nicht berührte, was zur Folge hatte, dass sich Stammheim dialektal weit mehr gegen Norden öffnete. Eine entsprechende Öffnung nach Osten stellen wir bei Ellikon an der Thur fest, das an der alten Römerstrasse Winterthur–Pfyn liegt.
Mundartliche Binnenräume charakterisieren sich vor allem durch spezifische Lautungen und weniger durch einzelne Ausdrücke. Karte 12 zeigt den signifikanten Lautunterschied bei der Verdumpfung von mhd. â: Im grösseren Teil des Kantons hören wir für «Abend»› die Lautung Aabig, im Oberland bis westlich von Brütten Oobig, im Weinland nördlich der Thur Òòbig. Weitere gleichlautende Beispiele: Aadere «Ader», gaa «gehen», Haagge «Haken», Saame «Samen», Spaa «Span», spaat «spät». Mit Karte 1 wäre eine einfache, eingängige Binnengliederung gegeben, bei der sich das Zürcher Oberland und das Zürcher Weinland mit dem Rafzerfeld und dem Grenzstreifen Ellikon – Hagenbuch absetzen.
Eine spezielle lautliche Ausprägung nördlich der Thur und im Streifen Ellikon – Hagenbuch, z.T. auch im Rafzerfeld, wird auch deutlich, wenn wir Karte 2 mit der «Speckgrenze» betrachten: Im Weinland und Rafzerfeld, aber auch östlich anschliessend im Kanton Thurgau und teilweise im Kanton St.Gallen, hören wir Spèck mit einem Vokal, der dem hochdeutschen ä entspricht, im übrigen Kanton Zürich Späck mit dem überoffenen charakteristischen ä. Weitere Beispiele: Chräps «Krebs», Mässer «Messer», Wäschpi «Wespe».
Deutlich andere lautliche Gliederungen gehen aus den beiden Karten 3 und 4 hervor: Einmal haben wir in einem Gebiet von Winterthur an nördlich für «Säge» die Form Sagi, südlich davon Saagi – dasselbe gilt für das Verb «sägen».
Wieder eine andere Gliederung des Sprachraums ist mit der Karte «Tanne» illustriert: Die deutlich hörbare Geminierung (entsprechend der hochdeutschen Schreibung) hören wir im Weinland und im Rafzerfeld, aber interessanterweise auch im Knonauer Amt.
Weitere Beispiele: bräne «brennen», Brune «Brunnen», Hame «Schinken», Wane «Wanne».
Eine teilweise ähnliche Erscheinung haben wir im lexikalischen Bereich bei den Begriffen für den «Flachkuchen mit Belag»› (Karte 5): Im grösseren Mittelteil des Kantons sagt man dafür Wèèe oder Wèèije, im Norden zum grösseren Teil Tünne, das aber auch im Knonauer Amt und neben Wèèe bis nach Wädenswil und Richterswil auftaucht.
Zwar können wir vom Gehör her einigermassen unterscheiden, ob jemand aus dem Oberland, aus dem Raum Winterthur oder aus dem Weinland kommt bzw. dort seine Sprache erworben hat. Mit den vorangehenden Beispielen ist aber belegt, dass die Zuordnung zu einzelnen Dialekträumen komplexer ist. Dies gilt auch für den