Wädenswiler auf Strassentafeln

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1975 von Peter Ziegler


Nur wenige Strassen und Wege der Stadt Wädenswil sind nach Personen benannt. Frauennamen fehlen überhaupt. Wer waren die besonders ausgezeichneten Männer? Die folgenden Kurzbiographien geben darüber Aufschluss:

Johannes Hirt (1873-1930)

Johannes Hirt kam 1873 im Wehntal zur Welt. Nachdem er die Volksschulen durchlaufen hatte, entschloss er sich, Lehrer zu werden und trat ins Seminar Unterstrass ein. 1892 wurde er Lehrer in Windlach-Stadel und vier Jahre später an der Schule in Elgg. 1902 wechselte Johannes Hirt an die damals noch selbständige Schulsektion Ort/Wädenswil. Hier löste er den in den Ruhestand tretenden Lehrer Peter Fehr ab. Anfänglich stand Lehrer Hirt der Gesamtschule vor; seit 1909 leitete er die obere Abteilung.
Johannes Hirt war nicht nur in der Sektion Ort, sondern in der ganzen Gemeinde Wädenswil beliebt und geachtet. Dies zeigte sich jeweils auch bei den ehrenvollen Wahlen in die reformierte Kirchenpflege, in welcher er den Dorfteil Ort während mehrerer Amtsperioden vertrat.
Wie sehr der 1930 im Amt verstorbene Lehrer geschätzt war, kann man aus dem Nachruf ersehen, der in der Lokalpresse veröffentlicht wurde. Hier heisst es unter anderem: «Die grossen Sympathien, deren sich Johannes Hirt bei Eltern und Schülern erfreute, kam vor drei Jahren deutlich zum Ausdruck, als der Verstorbene das 25jährige Lehrerjubiläum bei uns feiern konnte, welches bei grosser Beteiligung der ganzen Schulgemeinde festlich begangen wurde. Er hat es in hohem Masse verstanden, der ihm anvertrauten Jugend nicht nur gründliches Wissen beizubringen, sondern auch Herz, Gemüt und Charakter zu bilden und zu festigen. Seiner Familie war er ein überaus treubesorgter Gatte und Vater; von seinen Schülern wurde er hoch verehrt. Allen aber war er ein lieber Freund und ein gutes Vorbild.»

General Johann Rudolf Werdmüller (1614-1677)

Nach Studienaufenthalten in Genf und in Frankreich kehrte der aus vornehmem Zürcher Ratsgeschlecht stammende Johann Rudolf Werdmüller im Jahre 1633 nach Zürich zurück. Er trat aber nicht ins väterliche Textilunternehmen ein, sondern leistete Kriegsdienst bei den Schweden, wo er 1643 zum Oberst befördert wurde. Aber schon bald rief die Zürcher Regierung den tüchtigen Kriegsmann zurück und übertrug ihm die Führung eines für Venedig und Dalmatien entsandten Zürcher und Berner Regimentes. Als der Oberst wegen brutaler Strenge in seinem Heer vom Zürcher Rat zur Rede gestellt wurde, trat er 1650 für einige Jahre ins Privatleben zurück, kaufte die Untere Au und liess dort eine Villa in venezianischem Stil mit grossen Gesellschaftsräumen bauen, wo er seinen orientalisch-üppigen Haushalt mit luxuriösem Hausrat und zwei türkischen Sklaven, einem Leibburschen und einer jungen Sklavin, unterbringen konnte. An die Villa stiess ein ausgedehnter Garten mit ausländischen Bäumen und Pflanzen. In die Halbinsel hinein zog sich ein Teich, welcher durch einen Kanal mit dem Zürichsee verbunden war.

Walter Hauser (1837-1902)

Walter Hauser, Sohn des Gerbers Jakob Arnold-Hauser Theiler, wurde am 1. Mai 1837 in der «Gerbe» in Wädenswil geboren. Nach dem Besuch des Zürcher Gymnasiums wollte Walter Hauser das Apothekerstudium ergreifen: er musste aber an Stelle seines verstorbenen Bruders ins väterliche Geschäft eintreten. Hier begann er als Gerberlehrling und Arbeiter und wurde später Geschäftsführer, Leiter und Inhaber der angesehenen Lederfirma «Johann de Jakob Hauser zum Friedberg».
Der Turner und Demokrat Walter Hauser kam 1868 in den Zürcher Verfassungsrat und 1869 in den Kantonsrat und in den Nationalrat. 1879 wurde er Ständerat, 1883 Ständeratspräsident und 1881 zürcherischer Regierungsrat. Als solchen stand er verschiedenen Departementen vor; vor allem aber war er Finanzdirektor. Als erfolgreicher Wirtschaftspolitiker half er bei der Reorganisation der Südostbahn und der Tösstalbahn, und er vertrat die Regierung im Verwaltungsrat der Nordostbahn. 1883 und 1887 amtete Hauser als umsichtiger Präsident des Zürcher Regierungsrates.
Die vielseitige Tätigkeit im Staatsdienst veranlasste Hauser zur Aufgabe seines Geschäftes. 1888 rückte der angesehene Politiker zum Artillerie-Obersten auf, und im gleichen Jahr wählten ihn die Bundesversammlung als fünften Zürcher zum Bundesrat. In den ersten zwei Jahren stand er dem Militärdepartement vor; 1891 übernahm er als Nachfolger von Bundesrat Hammer das Finanz- und Zolldepartement. Damit war er dank seiner Sachkenntnis und mit seinem ausgesprochenen Sinn für Ordnung und Sparsamkeit bis zu seinem 1902 im Amt erfolgtem Tod am rechten Platz. 1892 und 1900 bekleidete er die Würde des Bundespräsidenten.
1904 wurde oberhalb der «Gerbe» in Wädenswil ein vom Bildhauer Adolf Meyer (1867-1940) in Zollikon geschaffenes Denkmal eingeweiht, das heute im Rosenmattpark steht.

Julius Hauser (1834-1897)

Am 6. Juni 1834 als Spross eines alten Wädenswiler Geschlechtes geboren, verlebte Julius Hauser im väterlichen Heimwesen auf der Vorderen Fuhr eine glückliche Jugend. Der musikalische Knabe genoss eine sorgfältige, aber straffe Erziehung und erwarb sich − wie der nachmalige Bundesrat Hauser − im Institut Heer in Horgen eine gute Schulbildung. Seine Eltern hielten ihn früh zu Arbeitsamkeit und Sparsamkeit an und weckten in ihm tief religiösen Sinn. 1845 bezog die Familie Hauser das stattliche Weinbauerngut ob der Kirche, wo Julius an der Seite des Vaters in die vielgestaltige Arbeit eines Rebbauern hineinwuchs.
Durch Predigten des Pfarrers Heinrich Zimmermann am Zürcher Fraumünster angeregt, richtete Julius Hauser im Jahre 1856 auf dem oberen Boden seiner Scheune (im Gebiet der heutigen Sportanlagen «Eidmatt») ein gottesdienstliches Lokal ein, wo fortan jeden Sonntag eine Schar Andächtiger zusammenkam. Der Stiftung des Evangelischen Vereinshauses folgte in den 1870er Jahren − wiederum auf Initiative von Julius Hauser − die Einführung der Sonntagschule.
Im Jahre 1870 ersteigerte Hauser ein Heimwesen auf dem «Bühl». Mit seinem Freund Samuel Zeller gründete er hier eine Anstalt für geistesschwache Kinder, die schon 1873 in den Besitz der Hauseltern überging. Das Kinderheim Bühl brannte in der Nacht vom 10. Auf den 11. November 1932 ab, worauf am heutigen Standort zwischen Rötiboden und Untermosen ein Neubau erstellt wurde.
1874 rief Julius Hauser mit einigen Gesinnungsfreunden die Freie Schule Wädenswil ins Leben. Sie wurde im alten Schützenhaus am Rotweg (am Standort des heutigen Sekundarschulhauses Fuhr) eröffnet, wenig später in die umgebaute Scheune des Weinbauern Julius Hauser ob der Kirche verlegt und im Frühling 1910 mangels Finanzen geschlossen.
Im Herbst 1874 erwarb Julius Hauser das Heimwesen «Neuhof» im Wädenswiler Berg, wo er versuchte, eine Heilstätte für Trinker einzurichten. Das sicher wohlgemeinte Werk gelang aber nicht recht und blieb in den Anfängen stecken.
1880 verheiratete sich Julius Hauser mit der Sonntagsschullehrerin Anna Huber von Wädenswil. Eigene Kinder blieben dem Ehepaar versagt. Dafür adoptierte Hauser zwei Mädchen und er nahm 89 Patenschaften an. In seiner steten Bescheidenheit wirkte der Weinbauer für Kinder, Arme, Kranke und Elende.
Im Frühjahr 1897 wurde Julius Hauser von einer hartnäckigen Krankheit niedergeworfen, der er am 12. Dezember erlag.

Karl Stamm (1890-1919)

Karl Stamm wurde am 29. März 1890 in Wädenswil geboren. Das weitläufige Vaterhaus am Hoffnungsweg 7 mit Kellern, Gängen, dem Geschirrladen, den Töpfen und verstaubten Folianten bildete ein herrliches Spielparadies. Der Tod der Mutter und des Lieblingsbruders überschatteten jedoch die Jugendzeit. Rückblickend schrieb der 21jährige Karl Stamm: «Da die Menschen meines Hauses mich nicht verstanden, suchte ich die Natur auf, die stumme Welt. Ich fühlte mit dem Abend und dem See und fernen Bergen … Ein Erbe hat mir meine Mutter mitgegeben: die Poesie.»
Auch am Lehrerseminar in Küsnacht fühlte sich Karl Stamm unverstanden und unglücklich. Konflikte mit der Lehrerschaft und Verstösse gegen die Hausordnung hätten beinahe mit der Ausweisung aus der Schule geendet. Dass gerade in jener Zeit eine Reihe seiner ersten Gedichte unter scheuen Initialen im Blatte seiner Heimatgemeinde gedruckt wurden, war für Karl ermutigende erste Beglaubigung, die ihm wohl tat.
Nach Aufenthalten in Paris und in Italien übernahm Karl Stamm im Frühling 1910 als junger Lehrer die Achtklassenschule von Lipperschwendi im Tösstal. Hier entstand eine 1913 im Druck erschienene Sammlung von Sonetten, mit dem besonders bekannt gewordenen Gedicht «Der Blinde im Frühling».
1914 übernahm Karl Stamm eine Lehrstelle in Zürich. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, das Geschick des eigenen Volkes und der militärische Alltag mussten vom feinfühligen Dichter verarbeitet werden: 1915 veröffentlichte Stamm das schmale Gedichtbändchen «Aus dem Tornister»
Eine Zeit furchbarsten Zerrissenseins und verzehrender Unrast folgte. Stamm floh die Stadt und ihre Menschen. Er verschloss sich und sank in beengende Einsamkeit. Beängstigende Zweifel an sich und an den Menschen seiner Umgebung trieben ihn von Ort zu Ort. Die Arbeit stockte. Seine Seele war krank. Eine irrige Liebe führte den Dichter an den Rand.
Nach der Dienstbefreiung im April 1917 kam für Karl Stamm langsam die Genesung. Er war gewillt, in ein neues Leben zu schreiten. Während der Krieg weiter tobte, tat der Dichter wieder seine Pflicht im Schulzimmer eines Zürcher Aussenquartiers und schrieb daneben an einem neuen Gedichtband, am «Aufbruch des Herzens», welcher auf Weihnachten 1918 im Druck erschien. Im selben Jahr entstand das bekannte Bilderbuch «Die Kinder im Schlaraffenland».
Im Februar 1919 wurde Karl Stamm von der Grippe befallen. Dieser Krankheit erlag der erst 29jährige Dichter am 21. März 1919. Sein Grabstein, der ein Relief mit zusammenbrechendem Pegasus trägt, steht im westlichen Teil des Wädenswiler Friedhofes.

Hermann Müller-Thurgau (1850-1927)

Hermann Müller kam am 21. Oktober 1850 in Tägerwilen zur Welt. Nach dem Besuch des Lehrerseminars Kreuzlingen wurde er, mit knapp zwanzig Jahren, als Lehrer an die Realschule in Stein am Rhein gewählt. Schon bald entschloss er sich aber zum Studium am neugegründeten Polytechnikum, der späteren ETH Zürich, wo er 1874 zum Doktor der Naturwissenschaften promovierte.
Nach zweijähriger Assistententätigkeit an der Universität Würzburg erhielt der junge Schweizer die ehrenvolle Berufung nach Geisenheim, wo er als Leiter des neuen Instituts für Pflanzenphysiologie an der Preussischen Lehr- und Forschungsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau ein dankbares Tätigkeitsfeld fand. Als Forscher wie als Berater der deutschen Weinbauern erhielt er hohe Anerkennung. In Geisenheim was es auch, wo ihm zur Unterscheidung von einem gleichnamigen deutschen Kollegen der Zuname «Thurgau» verliehen wurde, den er auch nach der Rückkehr in die Heimat zeit seines Lebens behielt.
Die Rückkehr fiel ins Jahr 1891, in eine eigentliche Krisenzeit des schweizerischen Obst- und Weinbaus. Die unerfreuliche Situation führte 14 deutschschweizerische Kantone und Halbkantone zu einem Konkordat zusammen, mit dem Ziel, eine landwirtschaftliche Versuchsanstalt und höhere Schule zu gründen. Der Kanton Zürich schenkte den Initianten die halbzerfallene Domäne des Schlosses Wädenswil, und Hermann Müller-Thurgau wurde mit dem Aufbau des neuen Instituts betraut.
Der Weinbautechniker Heinrich Schellenberg unterstützte den neuen Direktor bei der Weiterführung der schon in Deutschland begonnenen Züchtung der Riesling s Sylvaner-Rebe, wobei es, nach rund zwanzigjähriger Arbeit, 1906 erstmals gelang, etwa 100 Liter Wein dieser Sorte herzustellen. Der grösste Verdienst von Hermann Müller-Thurgau waren indessen seine grundlegenden Forschungen über die Herstellung unvergorener, alkoholfreier Weine aus Obst und Trauben.
Aus dürftigen Anfängen schuf Hermann Müller-Thurgau ein Institut von internationaler Geltung. 1902 ging die Versuchsanstalt Wädenswil zur grossen Freude aller Beteiligten an die Eidgenossenschaft über, und 1970 wurde sie zur Forschungsanstalt erhoben.
An seinem 70. Geburtstag wurde Müller-Thurgau mit vielen Ehrungen bedacht. Die Universität Bern ernannte ihn zum Ehrendoktor, viele landwirtschaftliche Organisationen zum Ehrenmitglied. Direktor Müller leitete die Versuchsanstalt Wädenswil bis 1924, das heisst bis zu seinem 73. Lebensjahr. Nach kurzem Krankenlager starb der temperamentvolle, kritische und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Forscher und Lehrer am 18. Januar 1927.
 

Albert Walder (1861-1930)

Albert Walder musste sich seinen Weg zum Primarlehrer erkämpfen. Nach der Primarschule hatte er zuerst während zweier Jahre in der Fabrik zu arbeiten, dann besuchte er − nur noch während zweier Jahre − die Sekundarschule und anschliessend das Seminar. Seine erste Stelle fand der junge Lehrer in Bertschikon-Gossau. Hierauf wirkte er in Oetwil am See, und dann holte man ihn an die noch selbständige Schulgemeinde Wädenswil-Langrüti. Im Jahre 1909 wechselte Albert Walder an die Schule Ort, die damals ebenfalls eigenständig war. Hier betreute er die Klassen der Unterstufe, während sein Kollege Johannes Hirt an der Mittelstufe unterrichtete. Mit Eifer vertrat Albert Walder die Interessen seiner Schulgemeinde. Die Kirchenpflege Wädenswil hatte in ihm von 1916-1921 ein aktives Mitglied. Die nötige Ausspannung von der geistigen Arbeit fand Lehrer Walder in seinem Baumgarten. Der Mann, der in früher Jugend die Not am eigenen Leibe erfahren hatte, zeigte stets eine offene Hand für Bedürftige. Besonders gerne bedachte er Glaubens- und Liebeswerke, die von andern übergangen wurden.
Ein heimtückisches Leiden verzehrte merkwürdig schnell die Kräfte des rüstigen Mannes. Mit letzter Energie führte er sein Schulamt, bis er 1930 völlig erschöpft pensioniert wurde. Lehrer Albert Walder konnte den Ruhestand nicht mehr lange geniessen. Er erlag seiner Krankheit bereits am 16. Juli 1930.

AUGUST GESSNER (1815-1896) und EMIL GESSNER (1848-1917)

Der aus altem Stadtzürcher Geschlecht stammende August Gessner, dessen Vater in Zürich ein eigenes Textilverlagsgeschäft betrieb, begann 1836 in einem Seidengeschäft in Aussersihl die Lehre und arbeitet zwei Jahre in einem Handelshaus in Marseille. 1841 kehrte der 25jährige August Gessner in die Schweiz zurück. Er liess sich in Wädenswil nieder und traf am 1. August 1841 als Teilhaber ins dortige Seidenstoffgeschäft Theiler & Steiner ein. Im August 1849 übernahm August Gessner die Firma auf alleinige Rechnung. Im Jahre 1855 beschäftigte der Unternehmer in seiner Seidenwinderei im «Rosenhof» am Fusse des Kirchhügels bereits 90 Mitarbeiter, und die Zahl der Heimweber und –weberinnen war auf 740 angestiegen. Als der Raum knapp wurde, kaufte Gessner umliegende Grundstücke und Bauten auf. In den 1860er Jahren erstand er am Schulweg in der Eidmatt vier Wohnhäuser mir Nebengebäuden und schuf so jenes zusammenhängende Areal, dass vom Sohn Emil Gessner um letzte Jahrhundertwende arrondiert und zur Liegenschaft «Rosenmatt» ausgeweitet wurde.
Im Neuwiesenquartier südöstlich des Krähbaches kaufte August Gessner im Jahre 1877 einen grösseren Bauplatz für eine mechanische Seidenstoffweberei, und zwischen 1860 und 1871 erwarb er für den etappenweisen Bau des Sommersitzes «Bürgli» auf dem Galgenrain ob der Seeferen verschiedene Reb- und Wiesenparzellen.
August Gessner trat im öffentlichen Leben der Gemeinde Wädenswil wenig in Erscheinung. Er beteiligte sich höchstens an Unternehmen, die in irgendeiner Beziehung standen zu seinem Geschäft. So kämpfte er 1861 mit anderen Wädenswilern entschlossen gegen das Projekt einer Reppischtallinie die eine Eisenbahn am See konkurrenzierte. Gessner gehörte auch zu jenen Industriellen und Gewerbetreibenden, welche im Herbst 1863 auf der Basis einer Aktiengesellschaft die «Leihkasse Wädenswil», die spätere Bank Wädenswil gründeten.
Auf Ende Juli 1881 zog sich der alternden August Gessner nach 40jähriger Wirksamkeit aus der Leitung seines Unternehmens zurück und überliess die Führung des Seidenhauses, das seit diesem Zeitpunkt die Bezeichnung «Gessner & Co» trug, seinem 32jährigen Sohn Emil.
Er hatte von 1863-1866 die Industrieschule Winterthur besucht und anschliessend in Lausanne, Lyon und Bergamo die Sprachkentnisse vertieft. Von New York aus, wo er in den Jahren 1870/71 als Kaufmann seine praktischen Fertigkeiten geschult hatte, war er mit einigen Freunden rund um die Welt gereist und reich an Erfahrungen nach Wädenswil zurückgekehrt, um im väterlichen Geschäft eine Prokuristenstelle anzutreten. Im April 1880 verheiratete sich Emil Gessner mit der Arzttochter Meta Regina Heusser von Hirzel, der Nichte der Schriftstellerin Johanna Spyri-Heusser. Im Gegensatz zu seinem Vater, der keine öffentlichen Ämter bekleidet hatte, tat sich Emil Gessner auch politisch hervor. 1874 wurde er in den Gemeinderat gewählt, 1882 in den Kantonsrat. Während langer Jahre war er sodann Mitglied der Sekundarschulpflege. Regen Anteil nahm er an der Entwicklung der 1878 gegründeten «Quellwasserversorgungs-Gesellschaft Wädenswil», deren finanzielle Interessen er zu wahren hatte. 1893 finden wir den aufgeschlossenen Unternehmer unter den Gründern und im Verwaltungsrat des Elektrizitätswerkes Waldhalde an der Sihl, zu dessen Stromabnehmern er von Anbeginn an zählte.
Auch für die Verkehrsverbesserung setzt sich Emil Gessner-Heusser ein, vor allem als Mitglied des Initiativkomitees für die Gründung der «Dampfbootgesellschaft Wädenswil». In der Zeit, da Emil Gessner seinem Seidenhaus als Direktor vorstand, fielen vier wichtige Ereignisse: Der Übergang vom Verlagsbetrieb zur mechanischen Seidenweberei und, damit verbunden, der Bau neuer Geschäftslokalitäten in Wädenswil; die Gründung eines Zweiggeschäftes in Richterswil, die Eröffnung eines Auslandbetriebes in Waldshut; die Umwandlung des Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft.
Mit diesen Massnahmen konnte Gessner konkurrenzfähig bleiben und mit den Neuerungen der Zeit Schritt halten. Als er im Kriegsjahr 1917 starb, hinterliess er ein technisch weitgehend reorganisiertes, gut konsolidiertes Unternehmen.




Peter Ziegler