100 Jahre Schulhaus Ort

Jubiläumsfest vom 4. Juli 2009

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2009 von Hansruedi Pfenninger

EHEMALIGENTREFFEN

Am Samstag, 4. Juli 2009, trafen sich morgens 9 Uhr über 160 ehemalige Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge ab 1920 im grossen Festzelt auf dem Pausenplatz der Schulanlage Ort. Eine initiative Gruppe Ehemaliger mit Walter Brändli an der Spitze hatte in wochenlanger Vorbereitung diese Treffen ermöglicht. Begrüsst, mit Namensschild ausgerüstet und einem kleinen Geschenk in der Hand setzte man sich an die geschmückten Jahrgangstische, um sogleich: «Weisch na!» alte Erinnerungen auszutauschen und auf den aufliegenden Klassenfotos vergessene Namen zurückzurufen. Nach Kaffee und Gipfeli besuchte man das eigens für diesen Anlass eingerichtete Museum und erfreute sich an alten Schulfilmen aus den 30er Jahren. Um die Mittagszeit servierten die Helfer des Quartiervereins Au ein warmes Menü, und Karl Hausmann, welcher den ganzen Morgen als Speaker durchs Programm führte, stellte René Sperb vor, welcher anschliessend das Mittagessen mit Tafelmusik auf dem Klavier bereicherte. Im Laufe des Nachmittags verabschiedeten sich die Ersten der Ehemaligen. Viele blieben aber noch und verfolgten gespannt die Schülerspiele.

Empfang der Ehemaligen am 4. Juli 2009.

Beim gemeinsamen Mittagessen im Festzelt.

SPIELE DER SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER

Um 14 Uhr wurde das Schulareal von den Schülerinnen und Schülern der Schulanlage Ort, ihren Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern in Beschlag genommen. Eine grosse Geburtstagsparty mit vielen alten und neuen Spielen stand auf dem Programm. Zum Abschluss versammelten sich alle Schüler auf der Bühne des Festzeltes und sangen aus vollem Hals das eigens für diesen Anlass komponierte Geburtstagslied. Die mehrstöckige Geburtstagstorte verschwand im Nu in den hungrigen Schülermägen, und nun war die Bühne frei für die Musikschulband. Diese und das Akkordeon-Ensemble leiteten nahtlos über zum Quartiervereinsfest.

Spiele der Schülerinnen und Schüler.

FEST DES QUARTIERVEREINS AU

Die Festwirtschaft lief bereits auf Hochtouren, als Rainer Weder, Schulleiter der Schuleinheit Au, die Festbesucher offiziell begrüsste und mit eindrücklichen Zahlen die Entwicklung und Veränderung der Schule und der Bevölkerung in der Au beleuchtete. Anschliessend ergriff Johannes Zollinger, Präsident der Schulpflege, das Wort und überbrachte der Jubilarin Grüsse und Glückwünsche der Behörde. Zum Schluss gab Hansruedi Pfenninger anhand von Zeitungsartikeln und Aufsätzen aus alten Schülerheften noch einen kurzen Abriss über Baugeschichte und Einweihung des Schulhauses im Jahre 1909. Natürlich durften, wie vor 100 Jahren auch, die Liederbeiträge des Männerchors und des Frauenchors nicht fehlen. Nach dem Auftritt der Wadinschränzer wurde bei Musik und Tanz bis kurz nach Mitternacht weitergefestet.
Ein bedrucktes T-Shirt als Erinnerung.

Die mehrstöckige Geburtstagstorte.

Dank dem grossen Einsatz und der guten Zusammenarbeit des Quartiervereins Au, der Lehrerschaft des Schulhauses Ort und der Ehemaligengruppe wurde das Fest zu einem einmaligen Erlebnis und wird allen Teilnehmern noch lange in guter Erinnerung bleiben.
 

MUSEUM IM SCHULZIMMER

Bereits eine Woche vor dem Fest wurde in einem der alten Schulzimmer ein Schulhaus-Museum eingerichtet. Auf Stellwänden, in Vitrinen und auf Gestellen und Tischen wurde die Geschichte der Schule Ort von der Achtklassenschule in einer Bauernstube bis zur modernen Schulanlage mit vielen Fotos und Dokumenten dargestellt. Daneben konnte man sich in alte Schulbänke zwängen und mit Griffeln auf Schiefertafeln oder mit diversen Stahlfedern und Tinte auf linierte Blätter schreiben. Eine Ecke war der Lehrervorbereitung reserviert. Alte Schreib- und Rechenmaschinen lagen neben Zeichnungsbüchern und praktischen Ratgebern. Ein 20-bändiges Lexikon aus dem Jahre 1906 ersetzte früher die Suchmaschinen Google oder Wikipedia. Eine umfangreiche Sammlung alter Glasdias, zusammen mit dem monströsen schwarzen Projektor, bildete einen weiteren Schwerpunkt. Am beliebtesten bei den vielen Besuchern waren aber die grossen Stellwände mit den zahlreichen alten und neueren Klassenfotos. Die meisten Schulklassen im Ort liessen sich in der Woche vor dem Fest während ein bis zwei Lektionen von Hansruedi Pfenninger durchs Museum führen.

Klasse von Lehrer Johannes Hirt.

Mittelstufenklasse von Ernst Hiestand, 1949.

1. bis 3. Klasse von Fritz Rusterholz, 1951.

Im Schulmuseum, das Hansruedi Pfenninger eingerichtet hat.

Alte und neue Klassenfotos stossen auf grosses Interesse.

VON DER SCHULE IM ORT

Die Schule im Ort war lange Zeit eine eigene Schulgemeinde. Im 18. Jahrhundert diente als Schullokal eine Bauernstube. Diese befand sich längere Zeit im ältesten noch bestehenden Haus in der Au, im Bauernhaus Gattiker im Unterort, erbaut 1625, das vor einigen Jahren total renoviert wurde. Im Jahre 1799 baute man an der Alten Landstrasse ein erstes Schulhaus. Dieses wurde 1840 und 1890 erweitert. Noch heute sieht man diesem Wohnhaus (heute Asylantenheim) den ehemaligen Verwendungszweck an. Auf der Südwestseite verraten grosse Fenster die Lage des ehemaligen Schulzimmers. Acht Klassen wurden hier von einem Lehrer betreut. Ein Klassenfoto aus dem Jahre 1895 zeigt die Arbeitsschule unter der gestrengen Lehrerin Luise Gattiker. Im Jahre 1907 wurde die damalige Richtzahl von 70 Schülern auch im Ort deutlich überschritten, sodass sich die Schulpflege entschloss, einen Neubau aufzustellen. Der Auftrag wurde den damaligen IN-Architekten Bischoff und Weideli vergeben, welche schon das Schulhaus Stocken bauten und das Glärnischschulhaus planten. Auf dem Dachboden des Doppelwohnhauses im Zopf fand man im Nachlass von Walter Müller acht Pläne des Schulhauses, signiert und datiert vom 19. bis 21. März 1908. Diese Pläne wurden aber nochmals abgeändert. Die Originale sind heute beim Bauamt. Von den Gebrüder Hauser im Haldenhof kaufte die Schulgemeinde ein Stück Land im Rebberg. Der Zufahrtsweg zum Bauplatz konnte aber erst später durch Enteignung erworben werden, was die Örtler-Vereine zu einer lustigen Zeichnung in ihrer Festschrift «Rundschau im Ort» animierte. Über den Bau des Schulhauses sind zum Glück einige Aufsätze der Geschwister Julius und Elisa Bär aus dem Unterort erhalten geblieben. Daraus erfahren wir, wie alles Baumaterial, Sand, Kies und die schweren Bolliger-Sandsteine vom Seeplatz Wädenswil mit Fuhrwerken auf den Bauplatz gefahren wurden und wie die älteren Schüler mit viel Freude die Ziegel aufs Dach getragen haben. Im Nachlass der langjährigen Arbeitsschullehrerin Emma Hirt fanden sich einige Fotos vom Bau des Schulhauses. Aus der Festrede des Schulpflegepräsidenten Alfred Müller im Zopf, welche im «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» vom 11. August 1909 abgedruckt wurde, erfahren wir weitere Details. Die Baupläne wurden am 5. April 1908 von der Schulgemeindeversammlung genehmigt, und im Juni wurde mit dem Bau begonnen. Im Oktober war der Rohbau unter Dach, aber der strenge und lange Winter 1908/09 verzögerte den Ausbau, sodass die Einweihung nicht wie geplant auf Beginn des neuen Schuljahres im Frühling, sondern erst am 9. August 1909 stattfinden konnte.

Die Stube im 1625 erbauten Bauernhaus Gattiker im Unterort diente als erstes Schullokal.
Im ersten Schulhaus an der Alten Landstrasse 80 wurde von 1799 bis 1909 unterrichtet.
«Der künftige Schulweg zum neuen Schulhaus», humoristische Zeichnung in der Festschrift «Rundschau im Ort», 1909. Da der Weg enteignet werden musste, also noch nicht der Schule gehörte, müssen alle Schüler mit Fluggeräten zur Schule kommen.
Das neue Schulhaus Ort entsteht, 1908/09.
 

DAS EINWEIHUNGSFEST VOM 9. AUGUST 1909

Schon am 6. August wurde die Vorfreude auf das Einweihungsfest geweckt mit einem längeren Bericht auf der Frontseite des «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee». Über die Raumaufteilung steht: «Zwei prachtvolle Lehrzimmer, hohe, weite Gänge, Garderobezimmer, die Aborte mit Einzelspülung und Kläranlage haben ihren Platz im Parterre gefunden, während im ersten Stockwerk ein freundliches Arbeitsschulzimmer, ein Sammlungs- und Handfertigkeitsraum, sowie eine modern eingerichtete Lehrerwohnung mit bewunderungsvoller Fernsicht den Beschauer fesseln werden. Das Souterrain zeigt zwei disponible Räume, wobei der eine bereits für Schulküche und Baderaum reserviert ist. Eine best eingerichtete Waschküche, Zentralheizungs- und Kohlenraum sowie das Archiv und der Lehrerkeller sind recht vorteilhaft platziert. Auch das elektrische Licht, das der moderne Mensch nicht mehr entbehren kann, hat seinen Weg zum neuen Haus gefunden.» Am 9. August um 13 Uhr versammelten sich alle Schüler beim alten Schulhaus, bei bewölktem, aber trockenem Wetter, nachdem es am Morgen noch stark geregnet hatte. Dort wurden sie in Gruppen eingeteilt, und singend marschierte man zum Neubau, welcher festlich geschmückt war und wo die gesamte Bevölkerung der Au versammelt war. Den genauen Ablauf des Festes beschrieb der «Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee» in zwei ganzseitigen Artikeln am 11. und 13. August. Vor der mit Tannengrün dekorierten Bühne sangen die Schüler ein Dankeslied, und Schulpflegepräsident Alfred Müller begrüsste in seiner Rede die geladenen Gäste und gab einen Abriss über die Baugeschichte. Nun sang der Töchterchor das Weihelied, es folgte eine lange, salbungsvolle Rede von Pfarrer Schreiber, Vertreter der Gemeindeschulpflege. Endlich konnte nun der gemischte Chor sein Danklied anstimmen. Als nächster Redner wandte sich der Abgeordnete des hohen Erziehungsrates, Dr. Zollinger, an die Festgemeinde. Er lobte vor allem das gute Verhältnis zwischen der Lehrerschaft und der Schulgemeinde Ort. Nun erklang der frohe und frische Gesang des Männerchors, und anschliessend konnte endlich das neue Schulhaus besichtigt werden. Die Schüler aber zogen in einem Festumzug mit Musik am Brunnenhof vorbei zur Seestrasse und auf die Halbinsel Au. Wegen eines erneuten Regengusses musste die vorgesehene Marschroute leider abgekürzt werden, aus Rücksicht auf die schönen Spitzenröcklein der Mädchen. Das Jugendfest beschrieb der Sechstklässler Julius Bär in seinem Aufsatz. Auf der Au wurden den Kindern zur Stärkung Tee und Butterbrötchen gereicht. Anschliessend galt es möglichst viele Punkte einzuheimsen. Mit Bällen, Pfeil und Bogen, Kindergewehren und mit blossen Händen gab jeder Schüler sein Bestes und freute sich nachher über den gewonnenen Preis. Gegen Abend kam nun auch die Sonne hervor, und so konnten die älteren Kinder auch den einstudierten Fahnenreigen noch vorführen. Nach Bratwurst und Schildweggen machten sich die Schüler auf den Heimweg. Ein Trompetensignal rief nun zum Bankett auf, welches von einer Tafelmusik mit lustigen Weisen untermalt wurde. Der gemischte Chor leitete mit einigen Liedern zum Abendprogramm über. Herr Leuthold-Strickler, Visitator, überbrachte die Grüsse der Bezirksschulpflege. Plötzlich stiegen Raketen in den Nachthimmel. Ein Mitglied der Baukommission hatte ein prächtiges Feuerwerk gestiftet, das von Konrad Hottinger, Wirt zum Restaurant Ausee, fachmännisch gezündet wurde. Grosse Heiterkeit verbreitete der Männerchor mit humoristischen Beiträgen aus seiner Rundschau im Ort. Zum Abschluss ergriff noch Herr Blattmann-Ziegler, Präsident der Gemeindeschulpflege, das Wort. In seiner Rede machte er den von den Wädenswiler Dorfbewohnern damals als minderwertig angesehenen Aussensektionen Mut, indem er unter anderem sagte: «Man braucht sich aber nicht zu schämen, ein Örtler zu sein. Durch regen Fleiss sind sie zu Wohlstand gelangt. Das hat der stolze Bau gezeigt. Die Ansichten der landwirtschaftlichen Bevölkerung haben sich wesentlich geändert, indem auch sie findet, dass bei ihrem Berufe Bildung notwendig ist. Vor 10 Jahren noch hätte man wohl kaum ein solches Wagnis unternommen; heute haben die Örtler aus eigenem Antrieb das schöne Werk durchgeführt.» Bei Tanz und Musik wurde nun noch bis spät in die Nacht hinein weitergefeiert.

Die Bevölkerung der Au weiht am 9. August 1909 das neue Schulhaus ein.

Wer trifft am besten? Kinderspiele am Jugendfest von 1909.

Die älteren Schulkinder führen den Fahnenreigen vor.

SPÄTERE ERWEITERUNGEN UND ANBAUTEN

50 Jahre lang vermochte der grosszügige Bau alle Anforderungen der Schule und die steigenden Schülerzahlen zu meistern. Erst im Jahre 1958/59 wurde westlich davon ein neues Schulhaus mit fünf Klassenzimmern und einem Lehrerzimmer angebaut und mit einem gedeckten, aber offenen Verbindungsgang mit dem alten Schulhaus verbunden. Wegen der starken Bautätigkeit in den 60er Jahren musste der neue Schultrakt bereits 1966/67 um drei weitere Zimmer und den Singsaal erweitert werden, und ein Jahr später kam noch die Turnhalle dazu. In den 70er Jahren wurden auf dem Brunnenhofareal zweimal grössere Schulhäuser geplant, welche aber keine Zustimmung fanden. Die akute Raumnot im Ort musste 1978 mit der Aufstellung eines Doppelpavillons überbrückt werden, und seit der Eröffnung des Oberstufenschulhauses 1975 belegte die Primarschule auch dort noch zwei Zimmer. 1980 wurden auf der Westseite in einem Anbau nochmals drei schöne Schulzimmer realisiert. Neben dem Oberstufenschulhaus Steinacher wurden 1984 ein Primarschulhaus mit sechs Zimmern und eine weitere Turnhalle gebaut. Heute bilden die Schulanlage Ort und das Primarschulhaus Steinacher die Primarschuleinheit Au, welche von einem eigenen Schulleiter betreut wird.




Hansruedi Pfenninger