VOR 450 JAHREN: ZÜRICH KAUFT DIE HERRSCHAFT WÄDENSWIL

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1999 von Peter Ziegler

Das «Wädi-Fäscht 1987» erinnerte daran, dass der letzte Freiherr von Wädenswil am 17. Juli 1287 seinen Besitz dem Johanniterorden verkauft hatte. Ein weiteres Jubiläum hätte man dieses Jahr begehen können. Vor 450 Jahren endete der Einfluss der Johanniter in Wädenswil. Am 16. August 1549 wurde der Kaufbrief besiegelt, wonach die Johanniterkomturei mit allen Rechten in zürcherisches Eigentum übergehen sollte. Da Schwyz und Glarus gegen den Erwerb der Herrschaft Wädenswil durch Zürich bei der Tagsatzung Einsprache erhoben, konnte die Handänderung allerdings erst im Oktober 1550 vollzogen werden.
 

UNBOTMÄSSIGE UNTERTANEN

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kam die religiöse, rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Johanniterordens in der Herrschaft Wädenswil mehr und mehr ins Wanken. Streitigkeiten mit den unbotmässigen Untertanen verursachten dem Orden lästige und teure Prozesse. Der Rat von Zürich, als Schiedsrichter angerufen, profitierte von dieser Situation und konnte seinen Einfluss in den Dörfern am oberen linken Zürichseeufer verstärken.
Bereits 1524 gedachte Johann von Hattstein, der für Wädenswil zuständige Grossprior der deutschen Zunge, die Herrschaft Wädenswil zu veräussern und führte geheime Verhandlungen mit dem Zürcher Rat. Allein, der Grossmeister des Ordens, Philippe Villiers de l’Isle Adam, war für ein solches Geschäft nicht zu gewinnen.

DIE REFORMATION WIRKT SICH AUS

Im Frühling 1529 traten die Wädenswiler Herrschaftsleute mit Beschluss der Gemeindeversammlung zur reformierten Lehre Huldrych Zwinglis über. Dadurch wurde die Position Zürichs weiter gestärkt, die Stellung des Ordens abermals geschwächt. Im Jahr 1549 rissen Wädenswiler das Ordenswappen von den Kirchentüren und ersetzten es durch den Schild des Standes Zürich, mit dem man sich verbunden fühlte. Lang andauernde Unruhen, denen der deutsche Grossprior Georg Schilling von Cannstatt machtlos gegenüberstand, beschleunigten die Angliederung der Herrschaft Wädenswil an Zürich.

DER JOHANNITERORDEN WILL VERKAUFEN

Am 1. Februar 1548 erschienen Beauftragte des Grosspriors vor dem Zürcher Bürgermeister und einer Abordnung des Rats und boten ihnen die Komturei Wädenswil - umfassend das Gebiet der heutigen Gemeinden Wädenswil, Richterswil, Schönenberg, Hütten und Uetikon - zum Kauf an. Sie meldeten, Georg Schilling habe sich mit Zustimmung des Ordens entschlossen, die Herrschaft Wädenswil unter allen Umständen zu veräussern. Er sehe sich dazu gezwungen wegen des andauernden Ungehorsams des Untertanen und wegen der Misswirtschaft des auf der Burg Wädenswil hausenden Schaffners Beat Wirz. Gestützt auf das 1342 abgeschlossene Burgrecht und die freundschaftlichen Beziehungen wolle man der Stadt Zürich für den Kauf den Vorzug geben.
Die Ratsherren heuchelten Befremden über den Entschluss des Grosspriors. Sie erklärten sich aber sofort bereit, mit Georg Schilling zu verhandeln. Sie teilten dies auch dem Ordenskapitel in Speier mit und schlugen vor, der mit den nötigen Vollmachten betraute Grossprior solle zur Erledigung des Geschäfts persönlich nach Zürich kommen, die Angelegenheit indessen mit höchster Verschwiegenheit behandeln.
Am 2. Juli 1548 verhandelte eine Ratskommission unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Johannes Haab mit den Anwälten des Grosspriors und Komturs zu Wädenswil, Georg Schilling von Cannstatt. Die Johanniter legten zunächst dar, was für Einkünfte die Komturei Wädenswil eintrug und nannten dann eine Kaufsumme von 32 000 Gulden. Diesen Betrag fanden die Zürcher aber zu hoch. Die Anwälte des Ordens wurden daher eingeladen, anlässlich der nächsten Rechnungsablage der Kommenden Wädenswil und Bubikon nochmals vor dem Rat zu erscheinen und ihm ein niedrigeres Angebot zu unterbreiten.
 

DER VERTRAGSABSCHLUSS VOM 16. AUGUST 1549

Da Georg Schilling bald durch andere Geschäfte beansprucht war - er musste Kaiser Karl V. auf seinen Fahrten begleiten - ruhte die Wädenswiler Angelegenheit mehr als ein Jahr lang. Erst am 31. März 1549 fasste das Provinzialkapitel des Ordens zu Speier den Beschluss wegen des Verkaufs der Herrschaft Wädenswil an Zürich. Am 9. Juli 1549 kündigte Grossprior Schilling dem Rat das baldige Eintreffen seiner Gesandtschaft an. Der Wichtigkeit der Sache entsprechend, war sie gross. Zu ihr gehörten Adam von Schwalbach, Komtur zu Tobel; Sigfrid Raming, Statthalter zu Heitersheim; Johann Bernhard Rümelin, Doktor und Kanzler; Konrad Vachheim, Statthalter zu Rheinfelden, und Friedrich Kempf als Sekretär.
Man einigte sich auf eine Kaufsumme von 20 000 Gulden und setzte einen Vertrag auf, den der Zürcher Stadtschreiber am 3. August 1549 vor dem Grossen Rat verlas, worauf dieser einhellig zustimmte. Die eigentliche Kaufverschreibung wurde vom Grossprior ausgefertigt.

Porträt-Medaille des Grosspriors Georg Schilling von Cannstatt.

Sie trägt das Datum vom 16. August 1549 und die Siegel des deutschen Provinizialkapitels, des Grosspriors Georg Schilling von Cannstatt sowie der Komture von Tobel, Würzburg, Villingen und Basel.

UMFANG DES ERWERBS

Gemäss Vereinbarung überliess der Orden dem Rat von Zürich folgenden Besitz und folgende Rechte:

1. Die Herrschaft und die Burg Wädenswil samt den zugehörigen Behausungen, Scheunen und Trotten.
2. Die Dörfer Wädenswil, Richterswil und Uetikon mit den dazugehörenden Höfen und Häusern, soweit diese in der Komturei Wädenswil lagen.
3. Die Landeshoheit mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit.
4. Zwölf umzäunte und mit Weideverbot für fremdes Vieh belegte Waldungen samt dem Jagdrecht.
5. Das Mannschaftsrecht, also das Recht, die Untertanen zum Kriegsdienst aufzubieten.
6. Das Recht zur Besteuerung der Untertanen.
7. Die geistlichen und weltlichen Lehen: Kirchen und Pfarrhöfe, bäuerliche Lehenhöfe.
8. Die Seen und Weiher samt Fischereirechten.
9. Die Mühle mit den zugehörigen Wasserrechten.
10. Die Grundzinsen und Zehntenerträge in der Herrschaft Wädenswil und im dazugehörenden Wollerau.
11. 89 Jucharten Ackerland, ferner Matten und Weiden.
12. Die Sennhütte mit Vieh und Zubehör.
 

VORBEHALTE DES ORDENS

In der Verkaufsurkunde sicherte sich der Orden Rechte und Besitz, die man vom Verkauf ausdrücklich ausnahm:

1. Die Lehen des Abtes von Einsiedeln und des nun aufgehobenen Fraumünsterstifts (Vogtei über die Gotteshausleute).
2. Den vom Wädenswiler Fach bei Hurden zustehenden Fischzins von jährlich tausend Albeln, welcher dem Johanniterhaus Bubikon vorbehalten wurde.
3. Die Hälfte des Hausrats und der Bettwäsche in der Burg Wädenswil.
4. Teppiche sowie gewirkte und genähte Kissen und Tücher, die dem Grossprior Schilling gehörten.
 
Schliesslich wurde im Vertrag vom 16. August 1549 vereinbart, die Kaufsumme solle in zwei Raten entrichtet werden. 12 000 Gulden waren bei der Übergabe der Burg Wädenswil fällig, die restlichen 8000 Gulden ohne Zinsverrechnung auf Verenatag (1. September) 1550.
Nachträglich äusserte Schilling den Wunsch, Zürich solle dem Orden die ganze Summe auf einmal auszahlen, und zwar im Zeitpunkt der Übernahme des Komtureibesitzes und mit Abzug der Zinsen für die erst im Jahr 1550 zur Zahlung fälligen 8000 Gulden. Darüber fasste der Zürcher Rat indessen keinen Beschluss. In der Zwischenzeit hatte er nämlich vernommen, Schwyz wolle den Kauf anfechten.
 

SCHWYZ UND GLARUS OPPONIEREN

Schwyz hatte wohl selber an den Erwerb der Komturei Wädenswil gedacht. Nun war ihm Zürich, begünstigt durch den Orden selbst, zuvorgekommen. Bei neuen kriegerischen Auseinandersetzungen - seit den Kappeler Kriegen waren erst zwanzig Jahre vergangen - konnte die Burg Wädenswil den Zürchern als Stützpunkt für Einfälle in die Innerschweiz dienen. Das sollte verhindert werden.
Nachdem Verhandlungen zwischen Zürich und dem Orden einerseits sowie Schwyz und Glarus andererseits ins Stocken geraten waren, kam die Angelegenheit vor die Eidgenössische Tagsatzung. In Luzern (29. Oktober 1549), Baden (28. Januar 1550), Einsiedeln (2.-6. Juni 1550), Brunnen (21. Juli 1550) und Luzern (29. Juli 1550) wurde verhandelt, doch konnte der Konflikt erst am 11. August 1550 auf der Tagsatzung zu Baden beigelegt werden.
 

Burg Wädenswil: Streitpunkt im Vertragsabschluss von 1549/50. Kopie der Chronik des Gerold Edlibach um 1500. Illustration des Wädenswiler Steuerstreits von 1468.

EIN KOMPROMISS FÜHRT ZUM ZIEL

Der Kauf der Komturei Wädenswil durch Zürich wurde genehmigt. Zürich musste sich aber verpflichten, die Burg Wädenswil innert drei Jahren abzubrechen. Dadurch, dass Zürich in die Schleifung der Burg einwilligte, war für Schwyz die wichtigste Forderung erfüllt. Nun stand der Übernahme der Herrschaft Wädenswil durch die Stadt Zürich nichts mehr im Weg. Von Baden aus meldeten die zürcherischen Gesandten dem Grossprior am 21. August 1550 das glücklich erreichte Resultat.
Mit der Entgegennahme der Kaufsumme am 10. Oktober 1550 brachte der Orden seine Komturei Wädenswil los. Zürich hatte ein lang erstrebtes Ziel erreicht, und in der Geschichte der Herrschaft Wädenswil begann mit der Errichtung der zürcherischen Landvogtei und dem Bau des dorfnahen Schlosses als Ersatz für die abzubrechende Burg ein neuer Abschnitt.
 




Peter Ziegler