ZEHN JAHRE THEATER TICINO: DIE FORTSETZUNG EINES EXPERIMENTS

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1994 von Ruedi Angele
 
Damals, vor jubiläumsträchtigen zehn Jahren, gründete eine Schar junger Leute an der Seestrasse 57 ... Nein, so geht das nicht. Das Theater Ticino widersetzt sich dem beschaulich distanzierenden Blick in die Annalen. Auch wenn der Ausdruck der kulturellen Welt entstammt, lassen sich die zurückliegenden Jahre nicht «Revue passieren». Man kann sie auch nicht zu einer chronologischen Glasperlenkette aneinanderreihen. Mit dem «Damals» steht nämlich das «Demnächst» in Frage und mithin das «Wie lang noch?» Nach 800 Veranstaltungen, vielfältigsten Gigs, Szenen, Flipps und auch Flops hat sich das Ticino nicht als Institution «etabliert», sondern nimmt als jeweils saisonales Experiment seine Fortsetzung. Immer wird mit der Vergangenheit die Zukunft fragwürdig. Auch nach zehn Jahren ist die Kulturstätte keine Selbstverständlichkeit geworden. Schicken wir diese Feststellung als Kompliment voraus, wenn es nun darum geht, quer (statt in chronologischer Längsrichtung) durch das zehnjährige kulturelle Experiment zu gucken.

WURZEL UND ANSTOSS

Immerhin muss auch das Phänomen Ticino bei seinen Wurzeln angepackt werden. Die lagen zu Anfang der 80er Jahre am anderen Dorfrand zürichwärts. Auf der Schönegg war eine Wohngemeinschaft entstanden, eine WG im Sinn eines alternativen Freiraums, der sich dem bürgerlich-familiären Wert- und Ordnungssinn entzog. Provokative Lebensentwürfe der 68er und 80er Bewegungen wurden auf der Schönegg durchgespielt und kultiviert. Um Kultur im engeren Sinn, aber um Anstoss in derselben Gegenrichtung, ging es im «Klup am Central», wo im damaligen Migros-Pavillon das erste Sofa-Kino entstand und mit dem Apparat des Zürcher AJZs Filme projiziert wurden. Von einem Volksentscheid sanktioniert, wurde die alte Schönegg abgebrochen und durch etwas «Ordentliches» ersetzt. Aber das (bereits gelebte) Bedürfnis nach Freiraum liess sich mit dem Abriss der Liegenschaft nicht aus der Welt schaffen. Irgendwann in jener Zeit kehrte der jüngere der jetzigen Ticino-Burkhardts von seiner Schauspielausbildung in Wien zurück. Experimentelles Theater und schräge Konzerte wurden da und dort weiter erprobt. Die Ideen aus jenem bewegten Kreis mündeten schliesslich in die Forderung nach einem Kulturhaus in Wädenswil.
Bevor wir den Blick aufs Ticino fokussieren, muss jener ganze Kreis bewegter junger Leute aus Schönegg und Central in die Gegenwart hervorgerückt werden. Viele von ihnen sind nämlich noch da! In auffälliger Zahl lebt und wirkt die «Generation» der späten 50er und frühen 60er Jahrgänge in Wädenswil. Von den Ateliers und Werkstätten auf dem TUWAG-Areal über den Marktstand des Alp-Tritt-Clans bis zum Freiluft-Kino im Rosenmattpark, zwischen verschiedensten Nischen und Passionen spinnt sich ein Beziehungsgeflecht, das Wädenswil von den Rändern her belebt. − Die Geschichte des Ticinos ist integraler Bestandteil eines soziokulturellen Dorfphänomens mit erstaunlicher Ausstrahlung über Jahre, ja über ein ganzes Jahrzehnt hinweg.

VOM KUHHANDEL ZUR SUBVENTION

Zurück zu den Fakten des Anfangs: Aus besagtem Wunsch nach einem Kulturhaus und Ersatz für die alte Schönegg entstand vorerst eine Volksinitiative, die von der Stadt einen Beitrag von 550‘000 Franken verlangte. Im Dezember 1982 eingereicht, empfahl sie der Stadtrat dem Parlament zur Ablehnung. Der Gemeinderat wies die ablehnende Weisung jedoch zurück und verlangte, das Begehren eingehender zu prüfen: eine erste und hoffnungsvolle Wende. Im weiteren Verlauf der nun aufbauenden politischen Diskussion konkretisierten sich die Wünsche der Kulturaktivisten auf ungeahnte Weise. Sie stiessen auf den leerstehenden Tanzsaal des ehemaligen Restaurants Ticino, in dem sich in den 60er Jahren Rockmusiker und Handörgeler abgewechselt hatten und es zwischen italienischer und einheimischer Kultur hoch her gegangen war. Da liess sich was machen!
In einem politischen Kuhhandel mit dem Stadtrat zogen die Initianten ihr Begehren schliesslich zurück und erreichten im Gegenzug handfeste Zusagen. Die Behörden segneten 1985 einen einmaligen Umbaubeitrag von 20‘000 Franken ab und stellten darüber hinaus einen jährlich wiederkehrenden Betriebsbeitrag in Aussicht:
Das war das grüne Licht für Subventionen, über deren Höhe sich die Geister bis in die jüngste Gegenwart scheiden und weiter scheiden werden (das nächste Mal spätestens im Herbst 1995, wenn es um eine fünfjährige Verlängerung des jährlichen Beitrags geht). Der stadträtliche Sparbudget-Vorschlag für 1994 hat es gezeigt: Die in Geld umgemünzte politische Wertschätzung ist dem Ticino auch nach zehn Jahren nicht gewiss.

VERBRIEFTER FREIRAUM

Trägerin des Umbaus war und Mieterin der Liegenschaft ist bis heute die bereits im Oktober 1982 gegründete Stiftung «Wädenswiler Kulturstätten». In ihren wenigen, fürs Ticino weiterhin verbindlichen Statuten ist der Freiraum aus den bewegten Anfangszeiten in Form der Selbstverwaltung verbrieft. Die Stiftung habe zum Zweck, ist auf dem vergilbten Dokument zu lesen, in Wädenswil selbstverwaltet betriebene Kultur- und Begegnungsstätten zu fördern.
Bevor es nach der Gründung des Ticinos im April 1984 auf der einstigen Tanzfläche mit neuer Kultur losging, zogen jedoch noch lange anderthalb Jahre ins Land. Der hartnäckige Rekurs eines Nachbars blockierte den geplanten Umbau und stellte die Initiantinnen und Initianten auf eine harte Geduldprobe mit unabsehbarem Ende und unproduktiven Ausgaben. − Wenn man die Korrespondenz-Ordner des Ticinos studiert, vermischt sich die «vorzügliche Hochachtung» am Ende der Briefe mit tiefgründiger Skepsis gegenüber dem, was an der Seestrasse in Schwung kam.
Item, der Wartefrist ist im Nachhinein eine gute Seite abzugewinnen: Während die Kulturtäter noch nicht durften, hatten sie reichlich Zeit, sich zu finden. «Im Trockenen» durchliefen sie die Phase von den Luftschlössern zu den pragmatischen Plänen und kästen untereinander die Organisation ihres Betriebes aus.
Anno 1984: Das Ticino-Team der ersten Stunde ...
 

... in der Rumpelkammer des ehemaligen Tanzsaals, dem eine neue Kultur entwuchs.

PERSONEN STATT STRUKTUREN

Den Grundsatzdiskussionen ist kein komplizierter Kultur-Apparat entwachsen. Bis heute funktioniert das Ticino mit minimalen Strukturen. Im Kern wirken seit dem Anfang die beiden Profis Martin und Ueli Burkhardt. Dazu kommen wechselnde Akteure, die das Kulturprogramm je nach Zeit und Lust mitprägen. Wenn die Theater und Konzerte mit allem Drum und Dran realiter über die Bühne gehen, braucht es die Unterstützung eines Kreises von Sympathisantinnen und Helfern, die nebst der Knochenarbeit sporadisch neue Ideen einbringen und dafür sorgen, dass das Ticino nicht nur ein Zuschauerraum, sondern auch ein Treffpunkt ist. Das wär's denn schon: So einfach ist der «Ticino-Kuchen» aufgebaut.
Zweifellos haben die Gebrüder Burkhardt das Ticino nachhaltig und persönlich geprägt. Aber den «verbrieften» Freiraum haben sie offengehalten. Es gibt keine hierarchischen Strukturen, keine Pflichtenhefte, aber auch keinen Lohn. Burkhardts leben von der Hand in den Mund, aber für eine Passion. Das wirkt bis heute un- und ausserordentlich, vielleicht auch anstössig.
Die Vorteile dieser schlanken Organisation liegen auf der Hand. Mangels «Verwaltung» fallen zeitraubende Grundsatz-diskussionen weg, in denen mit schöner Regelmässigkeit das Rad neu erfunden würde. Das eingespielte Macher-Team ist beweglich und kann auch hinter der Bühne improvisieren und experimentieren. Allerdings bleibt alles an den wenigen haften. Die Burkhardts sind nicht nur Produzenten, Veranstalter und Techniker, sondern auch Buchhalter, Hauswarte, Plättlileger und vieles mehr. Da liegt eine Konzentration auf die Kultur im engeren Sinn der Bühne nicht drin.
Möglich, dass diese minimale Strukturierung und Arbeitsteilung die beste Form ist, einen mit 11 mal 12 Metern recht kleinen Raum mit einem minimalen Budget kulturell zu «bewirtschaften». Immerhin denkbar wäre eine breitere, überpersönliche (und damit langfristige) Abstützung und Institutionalisierung des Ticinos. Das wäre bei einem Kauf der Liegenschaft wohl zwingend gewesen, der anfangs 1994 für kurze Zeit zur Diskussion stand. Inzwischen konnte der Mietvertrag bis 1999 verlängert werden. So bleiben dem Team strukturelle Aufrüstung und Delegierung erspart. «Bis auf weiteres» lebt das Ticino vom Herzblut seiner Betreiber.
Bevor die Filmhelden 1994 durch den Rosenmattpark flimmern, posiert das Ticino-Team in den Publikumsrängen. Jahr für Jahr steigert sich der Zulauf ins hochsommerliche Open-air-Kino.

ZUR HAUPTSACHE: DIE KULTURELLEN OFFERTEN

So persönlich die Auswahl ist, das Kulturangebot im Ticino geht in die Breite. Diese Breite war von Anfang an erklärtes Ziel der Veranstalter und schliesst immer wieder eine pragmatische Kompromissbereitschaft gegenüber dem «gängigen Geschmack» ein. In der Provinz gibt es kein Publikum für ein exklusives Minderheitsprogramm.
So wechselt im Ticino junger CH-Rock mit feinsinnigen Monologen. Der schwarze Jazzer reicht einem Bündner Barden die Türfalle, der die Bühne Trudi Gerster für ein Kindermärchen überlässt. Profi- und Laientheater, Frauenchor, Kabarett, Lesung, Filmkrimi, Vernissage, Handörgeler, Harfe und Punk: All das hat auf den 130 Quadratmetern im Ticino Platz. Ohne Vielfalt mit Ausgewogenheit zu verwechseln, bringt das Ticino auch sperriges Kulturgut und politische Standpunkte auf die Bühne.
Innert zehn Jahren haben die Burkhardts im kunterbunten in- und ausländischen Gastspielprogramm indes Akzente gesetzt, die auf persönlichen Vorlieben beruhen und immer wieder das «gute alte» Sprechtheater betreffen (über die Förderung des Mediums Theater weiter unten mehr). Frucht solcher Pflege von illustren Stammgästen − nennen wir etwa den australisch-holländischen Puppenspieler Neville Tranter − ist die umgekehrte Vorliebe der Gäste für das kleine Theater in der Provinz, in dem sie auch zu einer reduzierten, fürs Ticino bezahlbaren Gage gerne Station machen.
Zum stets wechselnden Gastspielprogramm kommen zusammenhängende Konzepte und Reihen, die oft Freundinnen und Freunde ins Ticino bringen. Das sind etwa stille Sonntagsmatineen oder − unvergesslich − Filmabende mit selbst erarbeiteten, hochkarätigen Porträts aus der Hand von Hanspeter Keller und Cri Bertozzi. Solche Spezialitäten sind ins Ticino hinein- und nach Monaten oder Jahren wieder herausgewachsen oder haben sich, wie die Konzerte von Thomas Waldvogel, verselbständigt und laufen auf eigener Schiene weiter.
Mehrmals ging das Ticino raus. Es holte die nie so recht geheuren Töne der Lausanner Formation BBFC auf die Burgruine und veranstaltete, zusammen mit dem Kulturkarussell Rössli in Stäfa, auf der Fähre, mitten im See, ein Vollmondkonzert mit dem «Willem Breuker Kollektief». So wie er damals schien, scheint der Mond nicht mehr. − Solche Happenings lassen sich nur um den Preis ihrer Einmaligkeit wiederholen.
Voller Mond und freier Jazz: Das «Willem Breuker Kollektief» spielt auf der Fähre mitten auf dem See − einer jener Gigs, die sich nicht wiederholen lassen.
Wieder zwischen den eigenen Wänden, hat das Ticino inzwischen eine neue Nische entdeckt: Zum Bühnenspiel kommt Kunst aus der Küche von Christine Muser, die zu jenem Kreis gehört, der das Ticino im Innersten zusammenhält. In Form von magischen, theatralischen oder musikalischen Diners bietet das Ticino vom Magen bis zum Kopf Kultur für alle Sinne und hat Erfolg − bis das nächste Experiment fällig ist.

Ess-kapaden für alle Sinne: Die Schauspieler tragen auf, ...


... das Publikum diniert, applaudiert und geniesst ein vielgängiges Menü mit Theater: die vierte Eigenprodution des Theaters Ticino.

AUF DIE KRAFT DES THEATERS INSISTIEREN

Die ambitioniertesten Unternehmen sind zweifellos die eigenen Werke, bei denen die Kultur-Manager des Ticinos zu Theaterschöpfern werden. Fünfmal gingen bisher selbst inszenierte und produzierte, aufs Ticino zurechtgeschnittene Stücke über die Bühne, und immer wirkten Profis, Halbprofis und Laien zusammen. Schön war jeweils der Erfolg, immens aber der Aufwand. Läuft schon das Gastspielprogramm mit allem Drum und Dran energie- und vor allem geldmässig oft auf der letzten Zacke, braucht eine Eigenproduktion (die letzte von 1991 war «Guernica») einen ausserordentlichen Kick und dann einen langen Schnauf. Schwer zu sagen, wie so was zustande kommt, durch einen «zwingenden» Stoff, eine besondere Konstellation oder ganz einfach, weil es der eine oder die andere wieder einmal wissen will.
Überblickt man abschliessend die zehn Jahre und die rund 800 kunterbunten Veranstaltungen, sticht eine Konstante heraus. Es ist, mal schrill, mal verhalten und poetisch, das gesprochene Theater. Nicht, dass die Burkhardts bei dieser Bevorzugung die gute Nase fürs trendig Publikumsträchtige gehabt hätten. Das Gegenteil ist (leider) der Fall. Man kann ja heute nicht mehr behaupten, auf den Bühnen brodle die Gesellschaft, oder die guten alten Bretter bedeuteten die Welt. Still ist es um Theater-Schauspielerinnen und -Regisseure geworden. Grosso modo haushalten sie mit dem Bestehenden und haben ein bescheidenes Echo. Die Veranstalter müssen sich an Theaterabenden mit einem oft intimen Publikum abfinden. Nichtsdestotrotz bleibt das Ticino dabei und pflegt das von drastischeren Medien arg konkurrenzierte Theater geduldig weiter.
Was kommt schon an die Authentizität einer Geste oder an die Ästhetik eines aus der Sprache herausgemeisselten Dialogs heran? Es gilt, auf die Kraft des Theaters zu insistieren. Das haben die Initianten des Ticinos bereits vor zehn Jahren in ihrer ersten Drucksache mit einem schönen, verschrobenen, jedenfalls uneingeschränkt weitergeltenden Satz formuliert:
«Dass Theater als Kunst verstanden wird, wissen wir. Aber dass es mit Kultur zu tun hat und dass wir überhaupt noch eine haben, dies herauszufinden, wird der Kern unserer Arbeit sein.»

TUCHFÜHLUNG INBEGRIFFEN

Die Zwanzigjährigen sind jedenfalls nicht mit Theater hinter dem Ofen hervorzulocken. Tatsächlich ist die zuverlässigste Altersklasse im Ticino-Publikum nicht mehr ganz jung, sicher über dreissig. Ansonsten lässt sich von den Gästen sagen, dass sie etwa fifty-fifty aus Wädenswil und aus der umliegenden Region inklusive Zürich stammen und sich stark nach den angebotenen Kulturressorts ausrichten. Heute kommt kaum mehr jemand aus blosser Neugier ins Ticino. Auch nach Feierabend hat man ein klares Ziel, kommt, um genau das und das zu sehen oder zu hören.
Bei der Breite des Angebots ergibt sich ein steter Wechsel. Das war schon immer so: Das Ticino hat sich nie auf ein «Szenen-Publikum» beschränkt.
Bewusste Abgrenzungen oder Schwellenängste vor dieser Kulturstätte entstammen in den seltensten Fällen dem dargebotenen Programm, sondern allenfalls der bewegten Geschichte, jenem «Geist» vielleicht, der vor über zehn Jahren erstmals auf der alten Schönegg auftauchte. Ob es unter Einheimischen diese Abgrenzungen überhaupt noch gibt, in einer grenzauflösenden Zeit, da alte Schubladen keinen Sinn mehr haben und das Ticino höchstens vom Schiff aus betrachtet am linken Dorfrand liegt?
Herzblut fürs Theater: Margrit Winter als «Barbona» auf dem Sprung. Die genadete Schauspielerin ist über siebzig, gehört zum freien Ensemble «Il soggetto», in dem das Ticino-Team regelmässig mitwirkt.
 
Wer kommt, ist jedenfalls sofort mitten drin. Im kleinen Raum geht Kultur von Angesicht zu Angesicht über die Bühne. Die Tuchfühlung mit den Künstlerinnen und Künstlern wie mit dem Publikum ist im Eintrittspreis inbegriffen. Genau mit dieser Atmosphäre der Nähe zeichnet sich das Ticino gegenüber den zwangsläufig anonymeren Kulturstätten in Zürich aus. Umgekehrt bescheren die in- und ausländischen Stars oder Aussenseiter Wädenswil quirlige, befremdliche, betörende und unberechenbare Momente. Sie sorgen für 130 Quadratmeter Urbanität im Dorf. − Weiss Wädenswil nach zehn Jahren, was es am Ticino hat?



Ruedi Angele

DATEN, ANEKDOTEN

Oktober 1985: «Tut mir leid, Frieda!» Sorry, aber so und nicht anders lautet der Titel des ersten Gastspiels im Ticino − eine Art Tanztheater.
 
Dezember 1987: Eine der besten Vorführungen der zweiten Eigenproduktion. Das Publikum stellt einen bis in die Gegenwart gültigen Rekord auf: Die Gäste sind zu viert! Das Stück, das sie gleichwohl zu sehen bekommen, heisst «Stille Nacht».
 
April 1988: Der illustre amerikanische Jazzer Chico Hamilton lässt wegen einer Abänderung seiner Europatournee den Ticino-Termin platzen. Dumm, dass der Vertrag bereits unterschrieben ist. Das Ticino prozessiert und gewinnt nach drei Jahren (gewinnt dabei sogar ein bisschen Geld).
 
März 1989: Zweifellos liegt das Theater günstig: zentral und nicht weit vom Bahnhof. Anderer Meinung ist der Theatermensch Gabriel Magos, der zum Zug aussteigt und dann auf möglichst direktem Weg der Seestrasse entlang marschiert. Er marschiert leider Richtung Zürich und marschiert und marschiert. Der Auftrittstermin rückt näher, und die Veranstalter kriegen Vögel.
 
April 1990: «Granatsplitter, eine rasende Lesung», halb so wild, der Künstler verwendet Weihrauch. Feierlich gestimmt, folgt das nicht eben zahlreiche Publikum der Organistin in die Kirche und lauscht der Literatur am Taufbecken.
 
Juni 1990: Die Veranstalter haben die Nase vorn. 13 Monate vor dem Jubeljahr 1991 feiern sie ihr H(EI)mat-Fest (l‘oeuf et la patrie): ein grosses Theater-, Musik- und Zeltfestival auf dem Seeplatz.
 
März 1991: Ein rares Datum: Das Ticino eckt mit einer Veranstaltung an. Andreas Gross nimmt im Zeichen des Golfkriegs an einer Podiumsdiskussion über Militarismus teil. Das spricht sich im Dorf rum. Post festum wird der heutige Nationalrat als persona non grata qualifiziert. Ein daran anschliessender Briefwechsel liest sich spannend.
 
August 1992: Zum zweiten Mal flimmern Kinorenner durch den Rosenmattpark. Das Open-air mausert sich zum Hochsommerhit, aber nicht restlos alle sind begeistert. Ein Wädenswiler Bürger ereifert sich: «So etwas hätte Gottfried Keller nie geduldet!» − Ob er den guten Göpf richtig gelesen hat?
 
August 1993: Die Acapickels stellen den anderen Zuschauerrekord auf. Seine Zahl unterliegt feuerpolizeilichem Stillschweigen. Erstmals reklamiert ein Gast wegen den nicht nummerierten Plätzen.
 
November 1993: Der alte Name Ticino bewährt sich. Er lockt das Tessiner Fernsehen an, das in seiner Tagesschau einen Beitrag ausstrahlt. Das Thema nebst Ausschnitten aus einer aktuellen Veranstaltung: die vom Wädenswiler Stadtrat beantragte Halbierung der Subventionen und die 4600 protestierenden Gegenstimmen einer Petition.