Der Vorläufer der Ortsparteien

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2019 von Peter Ziegler

Das Protokollbuch des Gemeindevereins 1905 bis 1918

Bevor es in Wädenswil politische Ortsparteien gab, orientierte ein politisch und konfessionell neutraler Gemeindeverein seine Mitglieder und weitere Stimmberechtigte in öffentlichen Versammlungen über bevorstehende Wahlen und Abstimmungen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene und befasste sich mit Verhältnissen in Wädenswil. Im März 2019 wurde der Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee aus Privatbesitz das Protokollbuch des Gemeindevereins Wädenswil geschenkt. Es enthält Aufzeichnungen aus den Vorstandssitzungen, Berichte über öffentliche Versammlungen sowie die Jahresberichte aus der Zeit der Gründung im Jahre 1905 bis im Februar 1918.
1918 gingen die Aufgaben des Gemeindevereins an die «Bürgerliche Vereinigung» über. Diese war ein Zusammenschluss der neu entstandenen Ortsgruppen der Bauernpartei, der Christlich-sozialen Partei, der Demokratischen Partei und der Freisinnigen Partei. Nachdem die Versammlungen der «Bürgerlichen Vereinigung» immer schwächer besucht worden waren, beschlossen die Vertreter der beteiligten Parteien an der Generalversammlung vom Dezember 1928 deren Auflösung.

Wädenswiler Wirtschaften

Der Gemeindeverein hatte kein eigenes Vereinslokal wie etwa die Turner, Schützen oder Sänger, sondern berücksichtigte für seine Sitzungen und Orientierungsabende immer wieder andere Wirtschaften. Und deren gab es zahlreiche, wie die Protokolle belegen. Getagt wurde in den folgenden alphabetisch aufgeführten Lokalitäten: Bellevue, Central, Du Lac, Edelweiss, Einsiedlerhof, Eintracht, Engel, Hirschen, Johannisburg, Löwen (später Volkshaus), Morgensonne, Ochsen, Rössli, Schiffli, Schmiedstube, Schwanen, Trauben, Weinrebe.
Als in Restaurants noch heftig politisiert wurde: Im «Hirschen» an der Ecke Zuger-/Schönenbergstrasse tagte der Gemeindeverein oft.
 

Vereinsgründung

Zu Beginn des Jahres 1905, das genaue Datum ist nicht bekannt, treffen sich auf Initiative von Adolf Bregenzer 15 Männer im Restaurant Schiffli. Sie beschliessen die Gründung eines Gemeindevereins, beraten die Statuten und wählen einen provisorischen Vorstand. Bregenzer, welcher eine Wahl zum Präsidenten ablehnt, erhält den Auftrag, «sich nach einer passenden Persönlichkeit umzusehen, welche sich als Präsident eignen würde». Nach vielen Absagen gelingt es ihm, Dr. J. Hofer im Schloss für dieses Amt zu gewinnen. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder können erst im Laufe der Zeit gefunden werden.
An der ersten Versammlung des Gemeindevereins am Ostermontag, 24. April 1905, im «Hirschen» erklärt sich Dr. J. Hofer auf Drängen der Mitglieder bereit, das Präsidium definitiv anzunehmen. Die Statuten werden für richtig befunden und Kassier Hans Strickler zieht die Jahresbeiträge ein. Dann bespricht man die bevorstehenden Kantons- und Regierungsratswahlen. Aktuar Paul Blattmann, Spenglermeister, verfasst das erste Protokoll. An der ersten öffentlichen Versammlung, die am 12. September 1905 im «Engel» stattfindet, referiert Gemeindepräsident Fritz Weber über die «Gemeindehausangelegenheit». Dabei geht es um den Entscheid, im «Freihof», der von einem Konsortium erworben worden ist, Lokalitäten für die Gemeindeverwaltung zu mieten.
Die Generalversammlungen des Gemeindevereins fanden meist im «Du Lac» statt, weil es dort passende Säle gab.

1906

Um die Beschlüsse möglichst breit abzustützen, beschliesst die Generalversammlung 1906, dass folgende Vereine eine Zweierdelegation in den Gemeindeverein abordnen können: Männerturnverein, Handwerker- und Gewerbeverein, Landwirtschaftlicher Verein, Kaufmännischer Verein, Grütliverein und Arbeiterbund. In einer öffentlichen Versammlung spricht Weinbautechniker Heinrich Schellenberg über «Das Lebensmittelpolizeigesetz» und der Arzt Dr. Wehrli aus Zürich – darauf legt man im Verein besonders Wert – äussert sich als Korreferent. Eine weitere Versammlung gilt dem neuen Wädenswiler Bau- und Strassengesetz und der sich verschärfenden Wohnungsnot. Im November wird beschlossen, sich für das Projekt eines neuen Spritzenhauses einzusetzen. Aktuar Paul Blattmann erhält den Auftrag, «von den Behörden Material zu sammeln in dem Sinn, dass man in der Zukunft einen kleinen und grossen Gemeinderat einführen würde».

1907

Der Vorstand strebt die Gründung eines Speisehauses für die hiesige Arbeiterschaft an und nimmt mit dem Wirteverein Kontakt auf. Viel zu diskutieren gibt der Standort für den Bau des neuen Schulhauses (Glärnisch-Schulhaus) und die Frage, ob zugleich auch eine Turnhalle gebaut werden solle. Die Vereinsdelegierten erhalten Gelegenheit zu einem Gespräch mit der Schulpflege und setzen sich für den Bau einer Turnhalle ein.
Die von 18 Mitgliedern besuchte Generalversammlung vom 10. März 1907 im «Bellevue» wählt als Vorstand:
Dr. J. Hofer, Schloss, Präsident
Albert Blattmann, Eichmühle, Vizepräsident
Jakob Hauser Sohn, Neuhof, Kassier
Paul Blattmann, Spenglermeister, Aktuar
Jakob Hauser, Weinhändler, «Krone», Beisitzer
Jean Steffen, Wirt, «Central», Beisitzer
Paul Hürlimann, Architekt, Beisitzer
Zwei der Gewählten machen allerdings Vorbehalte. Nur widerwillig führt Dr. J. Hofer das Präsidium weiter, denn dieses Amt hat ihm «viele Widerwärtigkeiten eingetragen, indem von gewisser Seite der Gemeindeverein am liebsten dem in Aussicht stehenden Weltuntergang mit auf den Weg gegeben würde». Albert Blattmann nimmt die Wahl zum Vizepräsidenten nur unter der Bedingung an, dass sich die Sitzungen nicht zu lange hinziehen, denn er habe bis zur Eichmühle einen weiten Heimweg.
Die Generalversammlung beschliesst, dem Gemeinderat folgende Anträge zu stellen:
1. Er soll auf Beginn der nächsten Amtsdauer einen ständigen Gemeindekassier und Rechnungsführer anstellen.
2. Er soll die Anstellung eines ständigen Technikers in Aussicht nehmen.
3. Er soll die Frage prüfen, ob die Zahl der Gemeinderäte zu erhöhen sei, um sie von den vielseitigen Kommissionssitzungen zu entlasten.
Für die Gemeindewahlen 1907 legt der Gemeindeverein eine eigene Liste vor. Als Kandidat ist darauf auch der Sozialist Oskar Schweizer, Wirt zum «Edelweiss», aufgeführt, was auf bürgerlicher Seite zu Kritik führt. Quästor Hauser beschliesst, den Jahresbeitrag von 1 Franken bei den Mitgliedern persönlich einzuziehen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Denn viele beklagen sich, sie seien ohne ihr Dazutun in den Verein gekommen. Man habe «ihnen einfach eine Einladung zugesandt mit dem Vermerk, wenn der beiliegende Abschnitt nicht refüsiert werde, sei man Mitglied». Andere Mitglieder beschweren sich, dass im Verein zu viele Sozialisten seien, oder dass man bei Versammlungen im «Engel» für eine Flasche Bier 40 Rappen bezahlen müsse. Die Zahl der Mitglieder für 1907 ist nicht bekannt. Das Protokoll erwähnt jedoch immer wieder angesehene Bürger, welche sich engagiert an den Diskussionen beteiligen, so Gemeindepräsident Fritz Weber, Gemeinderat Paul Schnyder, Gemeinderat J. Schubiger, Gemeinderat Otto Schweizer, Gemeindeschreiber Gottfried Strehler, Bezirksrichter Ulrich Spalinger, Bäckermeister Paul Schärer, Buchdrucker Jakob Baumann zum Florhof, Baumeister Abraham Zimmermann, Lehrer Rudolf Leuthold sowie Jakob Brändli-Weber, Emil Fehr und Otto Höhn, Präsident der reformierten Kirchenpflege.
Engel-Wirt Eduard Schoch war ein aktives Mitglied des Gemeindevereins, das zahlreiche Anträge stellte. Sein Lokal war aber nicht bei allen beliebt, weil es als teuer galt.

1908

Die Generalversammlung 1908 wird von 25 Mitgliedern besucht, nach Ansicht des Vorstandes eine ansehnliche Zahl und «ein Zeichen dafür, dass dem Verein immer steigendes Interesse entgegengebracht wird». Aktuell zählt der Gemeindeverein 230 Mitglieder, 20 mehr als im Vorjahr. Die Versammlung beschliesst, bei den Regierungsratswahlen Oberrichter Dr. Robert Haab, ehemals Wädenswiler Gemeindepräsident, kräftig zu unterstützen. Albert Blattmann und Paul Hürlimann treten aus dem Vorstand zurück. Sie werden ersetzt durch Metzgermeister Heinrich Kunz zur «Wellingtonia», der Vizepräsident wird, und Spengler Emil Fehr.
Zu diskutieren gibt im Vorstand die Schleifung des Sonnenbrunnens. Es wird beschlossen, an den Gemeinderat eine Eingabe zu richten, dass Mittel und Wege gefunden werden, dass der Brunnen in anderer Form der Gemeinde erhalten bleibe. Gerügt wird der tendenziöse Bericht über die Generalversammlung, den Redaktor Adolf Eichenberger in den «Nachrichten vom Zürichsee» veröffentlicht hat mit der Behauptung, der Gemeindeverein segle im sozialdemokratischen Fahrwasser. Statt eine Erwiderung abzudrucken, habe Eichenberger lediglich ein Entschuldigungsschreiben geschickt, weshalb der Vorstand sich an den Verleger Jakob Stutz wendet. Später kommt es zwischen dem Redaktor und dem Verein sogar zum Prozess. An der Vorstandssitzung vom 18. Juli im «Schiffli» wird unter anderem über schlechten Strassenunterhalt und über die Güselabfuhr gesprochen, für welche man fast keine Leute finde.

1909

An der Generalversammlung 1909 wird nach verschiedenen Rücktritten ein neuer Vorstand gewählt:
Heinrich Kunz, Präsident
Dr. J. Hofer, Vizepräsident
Reinhold Jäggi, zur «Morgensonne», Quästor
Paul Blattmann, Aktuar
Jakob Hauser, Neuhof, Beisitzer
Jakob Hauser, Gemeinderat, Beisitzer
Heinrich Isler, Metzgermeister
Ein Gesuch an die reformierte Kirchenpflege, die Kinderlehre am Sonntag vom Nachmittag auf den Vormittag zu verlegen, ist von dieser Behörde abgelehnt worden. Der Vorstand soll dahin wirken, dass dieser Unterricht wenigstens im Sommerhalbjahr vorverlegt wird. Julius Rusterholz macht darauf aufmerksam, dass Bademeister Gattiker die Badeordnung eigenmächtig geändert hat. Statt erst um 21 Uhr schliesst er schon um 20 Uhr. Der Vorstand erhält den Auftrag, bei der zuständigen Behörde zu intervenieren und zu verlangen, dass die Badeordnung strikte eingehalten wird. Unter dem Traktandum «Verschiedenes» beschliessen die Mitglieder, die Versammlungen künftig unter Ausschluss der Presse durchzuführen und je nach Gutdünken selber einen Zeitungsbericht zu verfassen. Nach diversen Austritten schlägt Präsident Heinrich Kunz vor, die Mitgliederzahl 177 zu vergrössern, indem jedes Vorstandsmitglied vier bis fünf Personen werben soll. An einer öffentlichen Versammlung des Gemeindevereins kommt am 29. Oktober unter den lokalen Angelegenheiten die Typhusepidemie im Armenhaus am Plätzli zur Sprache. Man verlangt von der Armenpflege, dass das Areal vollständig abgesperrt wird.
Das Restaurant Weinrebe an der Seestrasse wurde schon 1927 abgebrochen, um die Seestrasse zu verbreitern.

1910

Der Jahresbericht 1909 hält fest, dass fünf Vorstandssitzungen und zwei öffentliche Versammlungen stattgefunden haben. Trotz Auseinandersetzungen mit den «Nachrichten vom Zürichsee» ist die Mitgliederzahl mit 180 Mann stabil geblieben. Oft sei dem Verein das Sterbeglöcklein geläutet worden, «aber aus Schnee und Eis ist wieder grüne Saat gekommen». Der Quästor Reinhold Jäggi weist ein Vermögen von 350 Franken aus. In geheimer Abstimmung werden neue Mitglieder aufgenommen: die Herren Baumeister Robert Leimgrübler, Gottfried Ammann-Isler, Bäcker Carl Ammann und Wirt Karl Kessler im «Hirschen». Mit 13 Ja gegen 4 Nein wird Redaktor Adolf Eichenberger aus dem Gemeindeverein ausgeschlossen. Der in Ungnade Gefallene reagiert mit einem grösseren Zeitungsartikel unter dem Titel «Terrorismus im Gemeindeverein».
Eine Kommission hat sich mit der Gründung einer Sterbekasse befasst und stellt Antrag, eine solche in Wädenswil einzuführen, was die Versammlung gutheisst. Es soll aber für die Idee noch weiter Propaganda gemacht werden. Für die Gründung wird ein Kredit von 50 Franken aus der Vereinskasse gewährt. Unterstützt wird auch eine Anregung des Postbeamten Frei, in Wädenswil ein Postcheckbüro zu eröffnen. Der Vorstand verspricht, die hierzu nötigen 100 Abonnenten zu werben.
Da sich die Vereine weigern, für die Wahlen mit dem Gemeindeverein zusammenzuarbeiten, wird eine Liste nur mit eigenen Kandidaten aufgestellt. Die öffentliche Wählerversammlung vom April 1910 bestimmt die Mitglieder zur Wahl in folgende Behörden: Gemeinderat (13 Mitglieder), Waisenhauskommission (5 Mitglieder), Rechnungsprüfungskommission (5 Mitglieder), Gesundheitskommission (8 Mitglieder), Kirchenpflege (10 Mitglieder), Armenpflege (7 Mitglieder), Gemeindeschulpflege (14 Mitlieder), Steuerkommission (8 Mitglieder) und Eisenbahnkommission (3 Mitglieder).
Ein anonymes Schreiben – vermutlich von Redaktor Adolf Eichenberger – regt die Gründung eines zweiten Gemeindevereins an. Gemeindepräsident Fritz Weber, um seine Meinung befragt, vertritt den Standpunkt, der gegenwärtige Gemeindeverein habe «stets Gutes gewollt und öfters Gutes geleistet», man solle daher von einem zweiten Verein absehen. An der Sitzung vom 26. April 1910 stellt der Vorstand mit Genugtuung fest, dass der Gemeindeverein mit seiner Wahlliste bei der Bürgerschaft einen glänzenden Sieg erreicht hat. Dies will man für die Mitgliederwerbung ausnützen. Es sollen 1500 bis 1600 Zirkulare gedruckt und zusammen mit einem Mitgliederverzeichnis in alle Haushaltungen verschickt werden. Gerechnet wird mit einem Zuwachs von ungefähr 400 bis 500 Mitgliedern. Am 10. Mai 1910 beschliesst der Vorstand, die Vereinsgeschichte zu dokumentieren. Zu diesem Zweck soll ein Buch angeschafft werden, in das sämtliche Drucksachen des Vereins – Inserate, Wahlliteratur, Artikel etc. – eingeklebt werden. Leider ist dieses Buch bis heute nicht aufgefunden worden.
Im Oktober 1910 steht die Einführung der Proporzwahl für den Nationalrat zur Debatte. An der von 250 Männern besuchten Versammlung des Gemeindevereins spricht Dr. med. Conrad Bürgi, Vizepräsident des Gemeinderates, zu Gunsten der Initiative, während Kaufmann Jean Zürrer den ablehnenden Standpunkt vertritt.
Die Werbeaktion hat Erfolg gezeitigt. Mit Stolz verkündet Präsident Heinrich Kunz an der Vereinsversammlung vom 5. Dezember 1910, dass der Gemeindeverein nun 531 Mitglieder zähle und wohl der grösste im Kanton Zürich sei. In Hinsicht auf einen Neudruck der Statuten wird beschlossen, dass künftig 1/10 der Mitglieder die Einberufung einer Versammlung verlangen können. Der Vorstand wird von 7 auf 9 Mitglieder erweitert. Zur Sprache kommt der Neubau eines Bürgerheims. Ein vorliegendes Projekt, bereits mit dem Übernamen «Bürgerloch», wird wegen der Lage im Büelen abgelehnt. Geeigneter als Standort wäre der höher gelegene Platz des Heimwesens von Gottlieb Leemann ob dem Musli. Es wird eine Kommission von 7 Mitgliedern gebildet, welche bei der Armenpflege eine Wiedererwägung des Standortes erreichen soll. Scheitert das Gespräch, sollen Unterschriften für eine Motion gesammelt werden. Nachbarn des neuen Feuerwehrhauses stossen sich daran, dass in dieses Gebäude Arrestzellen verlegt werden sollen. Die Gemeinderäte Jakob Hauser, «Krone», und Julius Herdener stellen die Befürchtungen als übertrieben dar. Der Arrest werde sich diskreter abwickeln, als man gemeinhin annehme.

1911

Bei Baumann zum Florhof werden 1000 Statuten gedruckt und bei Stutz zur Gerbe 600 Mitgliederverzeichnisse. Sie werden den Mitgliedern übergeben, wenn der Quästor von Haus zu Haus den Mitgliederbeitrag einzieht. Die «Siebnerkommission» hat für die Motion «Höherstellung des projektierten Bürgerheims Wädenswil» bis zum 15. Juni 230 Unterschriften gesammelt und wird das Ziel erreichen, der Armenpflege eine Liste mit 250 Namen übergeben zu können. An der Vereinsversammlung vom 21. Januar 1911 wird die gemeinderätliche Vorlage betreffend Dachausbau des Sekundarschulhauses und die Schaffung von Privatgräbern im neuen Friedhof besprochen. Zugestimmt wird auch einem Antrag der Kirchenpflege, den Zementsockel und die Lisenen an der reformierten Kirche zu erneuern.
An der Generalversammlung vom 27. April 1911 hält Präsident Kunz Rückschau auf das Vereinsjahr 1910, in dem 14 Vorstandssitzungen und 7 öffentliche Versammlungen abgehalten worden sind. Die Alters- und Sterbekasse ist gegründet worden. Die Vorstandsmitglieder Paul Blattmann, Jakob Hauser, «Krone», Jakob Hauser, zurück. Sie werden ersetzt durch A. Frei (Aktuar), Gemeindeschreiber Gottfried Strehler (Beisitzer), Andreas Roduner (Beisitzer) und A. Hottinger zur Molkerei (Beisitzer). Zur Ergänzung des Vorstandes auf 9 Mitglieder treten zwei weitere Beisitzer ein: Jean Suter und Malermeister Eichmüller. In einer öffentlichen Versammlung wird am Sonntag, 29. Juni 1911, die «Bürgerheimfrage » diskutiert. Fest steht nun, dass der Ersatzbau für das Armenhaus am Plätzli nicht auf dem Hottinger-Heimet im Büelen, sondern auf dem Bauernhof Leemann verwirklicht werden soll.
Das «Rössli» an der Zugerstrasse – ein weiterer Treffpunkt.

1912

Ab 1912 werden über die Vorstandssitzungen keine Protokolle mehr geführt. Als Quellen dienen nur noch die Aufzeichnungen über die Generalversammlungen sowie die Jahresberichte. An der Generalversammlung vom 16. April im Saal des Restaurants «Eintracht» treten Andreas Roduner, Aktuar A. Frei und Kassier Reinhold Jäggi aus dem Vorstand zurück. Sie werden ersetzt durch Emil Hürlimann-Weber, Sparkassaverwalter Eduard Frick und Landwirt Jakob Vollenweider-Haab im Hangenmoos. Die Vereinsrechnung 1911/12 schliesst bei Fr. 1051.05 Einnahmen und Fr. 712.48 Ausgaben mit einem Aktivsaldo von Fr. 338.57. Im Berichtsjahr sind 9 Vorstandssitzungen und 6 öffentliche Versammlungen mit folgenden Traktanden abgehalten worden: Ökonomiegebäude des Bürgerheims, Neuwahl der Geschworenen, Nationalratswahlen, Erweiterung oder Verlegung des Bahnhofs Wädenswil, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, Wahlen in die Sekundarschulpflege Wädenswil- Schönenberg. Ende 1912 zählt der Gemeindeverein 460 Mitglieder.

1913

Nach den Wahlen an der Generalversammlung vom 28. Februar 1913 im «Du Lac» setzt sich der Vorstand des Gemeindevereins wie folgt zusammen:
Heinrich Kunz, Präsident
Dr. J. Hofer, Vizepräsident
Emil Hürlimann, Aktuar
Eduard Frick, Quästor
Gottfried Strehler, Beisitzer
Jakob Vollenweider, Beisitzer
Jean Suter, Beisitzer
Otto Gut, Malermeister, Beisitzer neu
Ernst Gubelmann zur «Schmiedstube», Beisitzer, neu
Zum neuen Gotthardvertrag, zur Familienväterinitiative, zur Schiffbarmachung von Rhein, Aare und Limmat, zu den Gemeindewahlen und zur Bahnangelegenheit in Wädenswil veranstaltet der Gemeindeverein öffentliche Versammlungen.
Das Restaurant Eintracht bestand von 1878 bis 1968.

1914

An der Generalversammlung vom 24. Februar 1914 im «Du Lac» wird bekannt, dass der Mitgliederbestand von 460 auf 416 gesunken ist. Die Vereinsrechnung weist einen neuen Saldo von Fr. 297.77 aus. Kaufmann Hans Zahner und Lehrer Otto Korrodi werden als Neumitglieder aufgenommen. Malermeister Otto Gut ersetzt den aus gesundheitlichen Gründen zurücktretenden Aktuar Emil Hürlimann und Lehrer Rudolf Leuthold wird neues Vorstandsmitglied. Paul Blattmann bringt die Obst-, Wein- und Gartenbauschule im Schloss zur Sprache, welche im August 1914 aufgehoben werden soll. Die Generalversammlung beschliesst eine Eingabe an den Gemeinderat, er solle sich für die Beibehaltung der Schule einsetzen. Sollte im Kanton Zürich je wieder eine solche Schule eröffnet werden, müsse man erneut Wädenswil als Standort wählen.
Unter dem Traktandum «Verschiedenes» regt Präsident Kunz an, in Wädenswil solle ein Brockenhaus gegründet werden, «wo Gegenstände aller Art, die entbehrlich sind und wie gewöhnlich nur in eine Ecke geworfen werden, gesammelt, restauriert und armen Leuten zu billigem Preis wieder verkauft werden». Der Erlös soll gemeinnützigen Zwecken zufallen. Eduard Schoch, Hotelier zum «Engel», kommt auf die Eisenbahnfrage zu sprechen. Die Generaldirektion der SBB soll endlich einmal Entscheid und Begründung bekannt geben, was in Wädenswil geplant ist.

1915

Die 10. Generalversammlung vom 23. Februar 1915 im «Hirschen» fällt in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Durch die Mobilisation ist die Tätigkeit des Vorstandes im Berichtsjahr 1914/15 stark eingeschränkt worden. Ein Vortrag von Regierungsrat Dr. Oscar Wettstein über «Die Neutralität der Schweiz» ist sehr gut aufgenommen worden. Das Brockenhaus Wädenswil steht kurz vor der Eröffnung. Die Zahl der Vereinsmitglieder ist von 416 auf 374 gesunken. Nach Neuwahlen setzt sich der Vorstand wie folgt zusammen:
Heinrich Kunz, Metzgermeister, Präsident für ein Jahr
Dr. J. Hofer, Vizepräsident
Otto Gut, Malermeister, Aktuar
A. Haab, Postbeamter, Quästor
Rudolf Leuthold, Lehrer, Beisitzer
Ernst Gubelmann, Metzger/Wirt zur «Schmiedstube», Beisitzer
Gottfried Strehler, Gemeindeschreiber, Beisitzer
Heinrich Schärer, Appital, Beisitzer
Emil Hauser-Schwarzenbach, Kaufmann, Beisitzer
Dem Gemeinderat wird ein Gesuch eingereicht, die Behörde solle Gemeindeland für den Gemüseanbau zur Verfügung stellen.
Im «Schiffli» wurde der Gemeindeverein gegründet. Dessen legendärer Wirt, Hermann Gattiker, war Beisitzer im Vorstand. 1931 wurde das Restaurant für den Neubau des Bahnhofs abgebrochen.

1916

Dem Jahresbericht 1915/16 ist zu entnehmen, dass der Krieg die Vereinstätigkeit stark eingeschränkt hat. Viele Mitglieder sind ausgetreten, weshalb der Bestand auf 288 zurückgegangen ist. Der Vortrag von Nationalrat Emil Rellstab über «Die Lebensmittelversorgung unserer Gemeinde» findet grosse Aufmerksamkeit. Das Traktandum Wahlen führt an der Generalversammlung vom 6. März 1916 zu erregten Auseinandersetzungen. Ernst Felber beantragt eine Neuwahl des ganzen Vorstandes, obwohl die Amtsdauer erst in einem Jahr abläuft. Vor allem soll Gemeindeschreiber Gottfried Strehler abgewählt werden. Denn er steht in engster Beziehung zu den Behörden und kann im Vorstand Wahlgeschäfte beeinflussen. Die anwesenden Mitglieder entscheiden sich knapp für Neuwahlen. Gewählt werden in der Reihenfolge der abgegebenen Stimmen:
Heinrich Schärer, Appital, Landwirt
Emil Hauser-Schwarzenbach, Kaufmann
Ernst Gubelmann, Metzger/Wirt
A. Haab, Postbeamter
Otto Gut, Maler
Hermann Pfenninger-Roth, Fabrikant
Jakob Baumann zum Florhof, Vater
Rudolf Leuthold, Lehrer
Heinrich Kunz, Metzger
Die Wahl des Präsidenten kommt nicht zustande. Sollte Jakob Baumann die Wahl in den Vorstand ablehnen, wird Lithograf Hans Müller nachrücken. Zuhanden neuer Statuten stellt Paul Blattmann den Antrag, es dürften keine Gemeinderäte mehr in den Vorstand des Gemeindevereins aufgenommen werden. Abschliessend genehmigen die Mitglieder eine Resolution an den Gemeinderat, dieser solle endlich den Bau der Meierhofstrasse (Etzelstrasse) ausführen.

1917

An der 13. Generalversammlung vom 23. Februar 1917 im Restaurant Schiffli amtet Kantonsrat Jakob Baumann als Präsident. Dieser betont, dass der Gemeindeverein seit der Gründung dem Grundsatz der Neutralität treu geblieben ist. Man soll ihn deshalb nicht leichtfertig gegen Ungewisses tauschen. Ehrend gedacht wird des verstorbenen Gründungspräsidenten Dr. J. Hofer, dem es seinerzeit gelungen ist, die Mitgliederzahl von 287 auf 477 zu steigern. Die Rechnung 1916/17 schliesst mit einem Saldo von Fr. 578.59.
Für eine Amtsdauer von zwei Jahren wird Kantonsrat Jakob Baumann als Präsident bestätigt. Lithograf Hans Müller übernimmt das Aktuariat und Hermann Gattiker, Wirt zum «Schiffli», tritt als Beisitzer in den Vorstand ein. Als interessant werden im Protokoll «die Ausführungen gegen die Sommerzeit» gewürdigt. Konsumverwalter Ernst Kessler hat als Sozialist im Gemeinderat für die Einführung gestimmt. Da auch die Handelswelt dafür ist, wird die Umstellung wohl kommen. Dies betont auch der Betriebschef der SOB. Im Mai 1916 hat sich die Schweiz aus politischen Gründen noch dagegen ausgesprochen. Jetzt müsse man mitmachen, denn Wädenswil könne am Licht 27 000 Franken sparen. Gemeinderat Haab äussert als Landwirt Bedenken. Er hält Unregelmässigkeiten im Melken für wahrscheinlich. Die Versammlung verzichtet auf eine Abstimmung. Beschlossen wird auf Initiative von «Engel»-Wirt Eduard Schoch, im Verein solle demnächst ein Vortrag zum Proporz gehalten werden.

1918

Die 14. Generalversammlung vom 5. Februar 1918 im «Hirschen» wird von Vizepräsident Hermann Pfenninger geleitet. Rechnungsprüfer Abraham Zimmermann bedauert den konstanten grossen Rückgang der Mitgliederzahlen. Quästor Haab erklärt, dies sei auf die Zeitverhältnisse zurückzuführen. Präsident Jakob Baumann und Landwirt Heinrich Schärer treten aus dem Vorstand zurück. Vor den Neuwahlen gibt der Vorsitzende bekannt, es dürfe kein Vorstandsmitglied gewählt werden, das einer politischen Partei angehöre. Vizepräsident Hermann Pfenninger übernimmt neu das Präsidium. Neue Beisitzer werden Materialverwalter Wilhelm Furrer und Landwirt Ernst Hauser auf der Vorderen Fuhr. In einem halbstündigen Referat begründet Lehrer Rudolf Leuthold «die Berechtigung eines neutralen Gemeindevereins».
Die «Johannisburg» stand dort, wo heute der Bahnhofplatz ist. Wie das «Schiffli» wurde auch dieses Restaurant 1931 abgebrochen.
Wegen der kürzlich erfolgten Gründung einer «Bürgerlichen Vereinigung» werde dem Verein künftig eine etwas andere Stellung zukommen. Der Referent kommt zum Schluss, «dass ein neutraler Verein hinsichtlich der Politik in vielen Fragen, wo die Parteien sich gegenseitig aussprechen sollten, eindrückliche Notwendigkeit sei». Gemeinderat Paul Blattmann betont, man solle weiterhin Vorträge mit Pro und Kontra halten, die Wahlgeschäfte seien aber immer ein Sorgenkind gewesen. Emil Fehr äussert sich, er wolle heute nicht das Totenmahl des Gemeindevereins feiern. Die «Bürgerliche Vereinigung» sei ein Block gegen die andern. Uhrmacher Otto Vollrath ergänzt, ein neutraler Gemeindeverein sei Balsam für die kämpfenden Parteien. Und Paul Blattmann meint, die Neutralen müssten auch auf ihre Rechnung kommen und Schutz haben.


Ausblick

Mit dem Eintrag zur Generalversammlung 1918 schliesst das Protokollbuch. Bereits wird die Frage gestellt nach der weiteren Aufgabe und Berechtigung des Gemeindevereins Wädenswil. Durch die Gründung politischer Ortsparteien ist ihm hinsichtlich der Vorbereitung von Wahlgeschäften und der Orientierung über Sachgeschäfte Konkurrenz erwachsen. Noch 1918 kommt es zur Auflösung und zur Vereinigung mit der neu gegründeten «Bürgerlichen Vereinigung».




Peter Ziegler