Der Kontakt mit der Stadt, mit den Kaufleuten und dem städtischen Markt, weitete den Blick. Man sah dabei aber auch, was die Städter für Häuser bauten, was für Kleider sie trugen, was sie assen, welchen Vergnügen sie nachgingen. Und all das ahmte man nun am See – den von der Obrigkeit erlassenen Sittenmandaten zum Trotz – getreulich nach. Einflussreichere Kreise in Wädenswil nahmen am Ende des 18. Jahrhunderts die Lebenshaltung der Stadt Zürich zum Vorbild und hoben sich bewusst von den bäuerlichen Lebensnormen ab. Wer es sich – vor allem finanziell – leisten konnte, wohnte in schönen, modern möblierten Häusern, kleidete sich nach städtischer Mode mit Rundhüten, ass Fleisch, trank Kaffee, rauchte Meerschaumpfeifen wie die Städter. Man organisierte Tanzpartien und Konzerte, man spielte Theater – 1790 in Wädenswil zum Beispiel «Minna von Barnhelm» von Lessing, und man traf sich in grösseren Gesellschaften im Wirtshaus. Wohlhabende «Fabrikanten » liessen ihre Kinder durch Hauslehrer unterrichten oder schickten sie zur Ausbildung gar ins Welschland. Der Lebensstandard mancher Wädenswiler war jenem der Stadtbevölkerung von Zürich ebenbürtig. Durch eigenen Fleiss war die Oberschicht am See zu diesem Luxus, zu dieser Vorzugsstellung gekommen. Die 1767 eingeweihte Barockkirche zeugt unter anderem noch heute davon, dass man sich vor mehr als 250 Jahren einen berühmten Architekten leisten konnte:
Johann Ulrich Grubenmann aus Teufen. Zur Deckung der Baukosten liess die Kirchenbehörde, der Stillstand, die Kirchenörter – die Sitzplätze – versteigern. Dies führte zum Ausspruch: «Es verchauft mänge Puur es Chüeli, um z chaufe es Chilestüeli!» Je nach Vermögen konnte man einen bevorzugten oder einen weniger auffälligen Platz erwerben. Damit spiegelte sich in der Sitzordnung mit Behördensitzen, Männerstühlen, Weiberbänken und Bänken für Hintersässen (nicht eingebürgerte Niedergelassene) die Sozialtopografie, die Zusammensetzung der Bevölkerung von Dorf, Berg und Ort (Au). Auch viele Bürger- und Bauernhäuser, Mühlen und Gasthöfe trugen die Wohlhabenheit ihrer Erbauer und Bewohner zur Schau.