Anhang: Architektur und Kunst Band 43 (1956)

Quelle: Das Werk - Architektur und Kunst Band 43 (1956) von Hans von Meyenburg

Nachruf

Heinrich Bräm, Architekt BSA/SIA f, 1887-1956 Aus der Ansprache an der Abdankungsfeier im Krematorium in Zürich, 16. August 1956

Der am 13. August infolge eines Unfalls verstorbene Heinrich Bräm war ein Mann mit starker künstlerischer Begabung, großer Tatkraft, scharfer Intelligenz und ausgeprägtem Eigenwillen. Es mag bezeichnend sein, dass seine berufliche Laufbahn nicht mit dem bequemen Weg des akademischen Studiums, sondern mit einer Lehre bei den damals weitbekannten Architekten Pfleghard und Haefeli in Zürich begann. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Lehrzeit folgte eine praktische Tätigkeit im Ausland, so vor allem im Atelier von Prof. Möhring in Berlin. Studienreisen in Italien vervollständigten das berufliche Rüstzeug, mit dem er sich im Jahre 1911 mit seinem älteren Bruder Adolf zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschloss fünf Jahre nachdem dieser bereits ein eigenes Büro eröffnet hatte. Die gemeinsame harmonische und fruchtbare Tätigkeit, vor allem aber die Beteiligung an einer grossen Zahl von Wettbewerben führten sehr bald zu grossen Erfolgen und zu bedeutenden Bauausführungen. Einige der wichtigsten, aus ersten Preisen hervorgegangene Bauten mögen nachstehend besonders erwähnt sein:
Als eine der ersten grossen Bauaufgaben entstand um 1912 das Schulhaus in Zürich-Letten. Dann folgte die Zwinglikirche in Zürich-Wiedikon, eine auf knappem Grundstück zusammengefasste interessante Anlage von Kirche und Kirchgemeindehaus, bei der Heinrich Bräm sich in besonderer Weise für die Zuziehung bildender Künstler eingesetzt hatte. Um 1932 wurden das Altersheim und 1935 das Krankenhaus in Wädenswil, dem Wohnort des Architekten, erstellt. Ungefähr gleichzeitig - ebenfalls aus einem ersten Preis hervorgehend - entstand an repräsentativer Steile, am Bahnhofplatz in Zürich das Viktoriahaus, ein für damalige Begriffe fortschrittlicher, klarer Bau aus Stahl und Glas. Eine Reihe weiterer Wettbewerbserfolge brachte den Namen der Gebrüder Bräm in die vordersten Ränge, und es kann nicht verwundern, dass ihnen auch größere Aufträge direkt übertragen wurden. So zeugt ihr grösster und gewichtigster Bau, die Sihlpost in Zürich, von der Fähigkeit des Erfassens und Meisterns der mit einer so umfassenden Anlage verbundenen besonderen organisatorischen und städtebaulichen Probleme. Schliesslich stellte der schwierige Umbau des Gesellschaftshauses «Zum Rüden» am Limmatquai Anforderungen besonderer denkmalpflegerischer und künstlerischer Art. Neben diesen repräsentativen Bauaufgaben entstanden Wohnkolonien für Genossenschaften, Geschäftshäuser, verschiedene weitere Postgebäude sowie Wohnbauten in Stadt und Land.
Die Erfüllung dieses grossen Arbeitspensums war nur möglich dank der glücklichen Ergänzung der Veranlagungen der beiden Brüder. Während Adolf Bräm vor allem die technische und organisatorische Baudurchführung oblag, betreute Heinrich Bräm vorwiegend die architektonische Gestaltung im Ganzen und im Detail.
Nachdem der Hinschied des Bruders im Jahre 1944 dieser harmonischen Arbeitsgemeinschaft ein schmerzliches Ende gesetzt hatte, führte Heinrich Bräm in Zusammenarbeit mit seinem Sohne Heinrich die Arbeiten mit ungebrochener Tatkraft fort. In diese Zeit fällt die Durchführung einer weiteren Bauaufgabe auf Grund eines Wettbewerbes, nämlich der Umbau und die Erweiterung des Krankenhauses Horgen 1951 bis 1954. Als späte Frucht eines ersten Preises vom Jahre 1933 entstand die neue Erziehungsanstalt Regensberg, ein Bau, der erst vor zwei Jahren zur Vollendung kam. Es folgten ferner Geschäftshäuser, vor allem in Wädenswil und Horgen, und – heute kaum erst begonnen - der Ausbau des Bezirksspitals in Affoltern am Albis.
Heinrich Bräms Bauwerke sind gekennzeichnet durch ein ausgeglichenes Mass an Festhalten an bewährten Traditionen und an Suchen nach dem baukünstlerischen Ausdruck der veränderlichen Gegenwart. Sie sind zugleich auch, in wechselnder Form, die Verkörperung seiner starken, eigenwilligen Persönlichkeit. Heinrich Bräms bereits angedeutete enge Beziehung zur bildenden Kunst, die in der Freundschaft mit Malern und Bildhauern, wie Otto Meyer-Amden, Paul Bodmer, Hermann Huber, Reinhold Kündig und Otto Kappeler, wurzelte, führte ihn zu langjähriger uneigennütziger Tätigkeit in der Zürcher Kunstgesellschaft, wo er insbesondere in der Ausstellungskommission wirkte und stets aktiven Anteil am Gedeihen dieses Kunstinstitutes nahm.
Der Bund Schweizer Architekten trauert um eines seiner verdientesten Mitglieder. Während sein Bruder Adolf ein Mitbegründer war, schenkte Heinrich Bräm dem Bund seine ganze Tatkraft durch viele Jahre hindurch. So leitete er die Geschicke des BSA als Obmann des Zentralvorstandes in den bewegten Jahren 1931 bis 1934. In späteren Jahren, die ihm Prüfungen und den Verlust treuer Freunde brachten, sah man ihn leider weniger oft in unserem Kreise erscheinen. Die jüngeren Kollegen hörten durch die älteren von fröhlichen Stunden, von treuer Kameradschaft und von frischem Witz, und sie empfanden darob nicht nur Hochachtung, sondern auch aufrichtige Zuneigung. Und mit diesen Gefühlen nehmen wir vom Kollegen Heinrich Bräm Abschied, mit der Gewissheit, ihn in lebendiger Erinnerung zu bewahren.