Druckerei Arnold Rüegg zum Florhof (1841–1891)

Quelle: «Gedruckt in Wädenswil - Eine Metamophose», 2017 von Peter Ziegler

Druckerei von Arnold Rüegg zum Florhof um 1880.

An die heikle Aufgabe der Zeitungsgründung trat nach 1840 nicht mehr ein Buchdrucker heran, sondern ein ortsansässiger geschulter Krämer: Arnold Rüegg (1814–1892) von Sternenberg. Im Jahre 1819 hatte sich dessen Vater, der Krämer Felix Rüegg-Hürlimann (1891–1870), in Wädenswil niedergelassen, in einem älteren Haus gegenüber dem Gasthof Hirschen, wo er eine «Quincaillerie-, Messing-, Stahl- und Eisenwarenhandlung» betrieb. 1839/40 ersetzte er das baufällige Gebäude durch das neue Haus «Florhof», wo er das bisherige Geschäft weiter betrieb.
Brief adressiert an Rüegg zum Florhof, 1867.

Nach guter Ausbildung im Wädenswiler Institut Rusterholz und im Institut Hüni in Horgen trat der Sohn Arnold Rüegg als Prokurist ins väterliche Unternehmen ein. Für seine Eisenwaren musste Rüegg Reklame machen. Im dörflichen Milieu stand ihm aber nur eine einzige wirksame Möglichkeit zur Verfügung: der Kirchenruf. Aber diese Propaganda von der Kanzel war wenig erfolgreich. Daher suchte Arnold Rüegg ein wirksameres Mittel. Inserate in den politischen Blättern der Stadt Zürich kamen für den Krämer nicht in Frage. Darum entschloss er sich, ein eigenes Publikationsorgan zu schaffen und gab auf Weihnachten 1841 die Probenummer eines Wochenblattes heraus, das er «Allgemeiner Anzeiger am Zürichsee» benannte.
Da Wädenswil in jenen Tagen gerade ohne Buchdrucker war – Johann Rudolf Fretz war seit mehr als einem Jahr flüchtig – übertrug Redaktor und Verleger Arnold Rüegg den Druck seines Blattes der Firma Johann Jakob Ulrich im Berichthaus Zürich. Bis zum Jahresende 1842 konnte das jeden Samstag im Format 18 mal 26 Zentimeter herausgegebene vierseitige Anzeigenblatt die Auflage auf tausend Exemplare steigern. Bis Donnerstagabend konnten bei Rüegg in Wädenswil Inserate aufgeben werden. Am Freitag begab sich der Redaktor mit dem Manuskript nach Zürich. Am Nachmittag wurde das Blatt gesetzt, in der Nacht erfolgte der Druck und am Samstagmorgen um 8 Uhr wurde die Zeitung ausgeliefert. Der Postkutschenkurs von Zürich nach Glarus brachte die abonnierten Blätter in die Dörfer am linken Ufer des Zürichsees. Boten trugen sie in die abgelegenen Weiler und Höfe des Wädenswiler und Horgner Bergs. Vom 3. Dezember 1842 an hiess das Anzeigenblatt «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee».
Nachdem die Kirchgemeindeversammlung am 28. Mai 1842 beschlossen hatte, dass in der Kirche keine amtlichen Publikationen mehr verlesen werden sollten, wurde der «Anzeiger» mit Neujahr 1843 amtliches Publikationsorgan von Wädenswil. Bald folgten andere Gemeinden, die den Kirchenruf abschafften: 1843 Stäfa und 1848 Richterswil, Thalwil und Rüschlikon.
Anfänglich war der «Anzeiger» ein Geschäftsblatt. Als Lückenbüsser erschienen dann und wann Berichte über Geschehnisse ausserhalb des Geschäftslebens. Nach und nach baute Arnold Rüegg seine Zeitung zu einem Blatt aus, in dem nicht nur wirtschaftliche Anliegen, sondern auch kulturelle und politische Fragen zur Diskussion gestellt wurden.
Als Rüegg 1848 den Entschluss fasste, seinen «Allgemeinen Anzeiger vom Zürichsee» wöchentlich zweimal herauszugeben, kündigte er den Druckvertrag mit dem Berichthaus und richtete in einem einstöckigen Anbau ans Haus zum Florhof eine eigene Druckerei ein. Aus dem Messing-, Stahl- und Eisenwarenhändler war nun endgültig ein Redaktor, Drucker und Verleger geworden. Ab 1856 gab der Verleger seine Zeitung dreimal pro Woche heraus: als Montag-, Mittwoch- und Samstagausgabe. Der Jahrgang 1864 zeigt das vergrösserte Format 23 x 32 cm. Weitere Wechsel erfolgten 1869 (25 x 37 cm), 1877 (25 x 39 cm) und 1883 (27 x 40,5 cm).
Nebst der Zeitung druckte Arnold Rüegg verschiedene Broschüren und Bücher. In der Zentralbibliothek Zürich finden sich folgende Werke:
Arnold Rüegg (1814−1892).

Schweizerische Nordostbahn-Polka: für das Pianoforte, op. 8, undatiert, aus den 1850er Jahren.
Schweizerischer Bildungsfreund: eine Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung, 1854–1862.
Katalog der Industrie- und Gewerbeausstellung in Wädensweil, 1865.
Johann Heinrich Kägi. Geschichte der Herrschaft und Gemeinde Wädensweil, 1867.
Konrad Meier. Die Glockengiesserei in Zürich, 1870.
Kaspar Wetli. Nachtrag zum technischen Bericht vom Jahr 1871 über die Eisenbahnunternehmung Wädenswil–Einsiedeln, 1873.
Albert Treichler. Die Schwefelquellen an der Lenk im Ober-Simmenthal, Kanton Bern, 1876.
Walter Hauser (der spätere Bundesrat). Panorama vom Engel Wädensweil, 1878.
Arnold Sigg. Bilder aus der Geschichte Wädensweils 1200–1798, eine Broschüre zum Historischen Umzug der X-Gesellschaft an der Fasnacht 1881.
Broschüre zur Einweihung des Neuen Eidmattschulhauses, 1890.

Probeblatt des «Anzeigers am Zürichsee» 1841.

Buch zum Kirchenjubiläum 1867.

Im Auftrag der Gemeinde Wädenswil druckte Rüegg sodann Gemeinderechnungen, Budgets und Weisungen.
Aus Rüeggs unpolitischem Blatt der Gründerzeit wurde in den 1860er Jahren ein politisches Kampforgan, von dem in der Folge verschiedene Kreise abrückten und 1883 zusammen mit dem unternehmungsfreudigen Buchdrucker Adolf Stutz die «Nachrichten vom Zürichsee» gründeten. Nun gab es in Wädenswil zwei Lokalzeitungen, die bald in gesundem Wettbewerb, bald in harter Konkurrenz standen und sich gegenseitig kritisierten, berichtigten und belehrten. Dieser Zustand dauerte bis Ende 1936. Dann stellte Adolf Stutz das Erscheinen der «Nachrichten vom Zürichsee» ein und der «Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee» wurde ab 1. Januar 1937 eine Tageszeitung.
Am 31. Oktober 1891 verkaufte der kinderlose Arnold Rüegg den Zeitungsverlag, die Druckerei und ein angegliedertes Papierwarengeschäft an Jakob Baumann und Adolf Funk. Diese führten das Unternehmen als Firma Baumann & Funk zum Florhof weiter.




Peter Ziegler