August Gessner-Theiler (1815–1896)

Quelle: Jubiläumsbuch 175 Jahre Gessner von Peter Ziegler

Aimé Conrad August Gessner, geboren am 11. September 1815 als Sohn des Kaufmanns und Textilverlegers Hans Conrad Gessner (1776–1853) und der Sophia Augusta geb. Zollikofer (1780–1844), wuchs zusammen mit seinem jüngeren Bruder Johann Robert (1816–1889) in St. Gallen auf. Kurz vor 1830 zog die Familie nach Zürich um, wo der Vater ein eigenes Textilgeschäft eröffnete.1 Nach dem Besuch der Industrieschule und durchlaufener Lehre in einem Seidenhaus in Aussersihl arbeitete August Gessner in einem Handelshaus in Marseille.2 Dann zog er 1841 nach Wädenswil und wurde Teilhaber des Seidenstoffgeschäfts Steiner & Gessner, vormals Theiler & Steiner.3
1847 verehelichte sich August Gessner mit Berta Maria Emerentiana Theiler (1826–1903), der Tochter des früheren Teilhabers Heinrich Theiler-Wirz.4 Johannes Steiner hatte 1843 Bertas ältere Schwester Elisabeth Theiler geheiratet.5 So waren die beiden Seidenfabrikanten auch Schwäger.
August Gessner wurde Vater von fünf Kindern: Sophie Berta (1850–1908), Emilia Selina (1852–1936), Emil August (1848–1917), Adele Eugenia (1854–1880) und Lina Cécile (1859–1943). Die Familie wohnte zunächst in der neu aufgestockten Beletage des Geschäftshauses «Rosenhof». Dann liess August Gessner in den Jahren 1864 bis 1873 auf dem Galgenrain, der alten Richtstätte der Herrschaft Wädenswil, durch die berühmten Zürcher Architekten Johann Breitinger (1814–1880) und Leonhard Zeugheer (1812–1866) den Familiensitz «Bürgli» erbauen: ein Sommerhaus im Stil der Mittelmeerpaläste, mit Rittersaal, Flachdächern, Turmzinnen, Wehrmauern und kunstvollen Park- und Gartenanlagen. Weil die flachen Zementdächer nicht wasserdicht waren, versah sie Architekt Alfred Friedrich Blunschli 1884/85 mit steilen Giebeldächern und die Türme mit Spitzhelmen. Damit wurde der Mittelmeerpalast zum «Bürgli».6 Das untere Bürgli wurde 1941/42 für den Bau des Hauses Bürglistrasse 8 abgebrochen, das obere Bürgli 1966, weil der Hang gegen die Seestrasse ins Rutschen gekommen war.7
Ab 15. August 1849 war August Gessner alleiniger Inhaber der noch im Verlagssystem betriebenen Seidenstoffweberei. Er beschäftigte vor allem Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter, denen er zu Pferd nachzugehen pflegte.8 Auf Ende Juni 1881 zog er sich aus der Leitung seines Unternehmens zurück und überliess die Führung des zu einer Kollektivgesellschaft umgewandelten Seidenhauses, das nun Gessner & Co. hiess, seinem Sohn Emil Gessner-Heusser und dem Prokuristen Heinrich Schnorf-Schulthess.
Im öffentlichen Leben trat August Gessner wenig in Erscheinung. Das Geschäft, dem er sich mit viel Hingabe widmete, liess ihm dazu keine Zeit. Immerhin kämpfte er 1861 entschlossen gegen das Projekt einer Reppischtalbahn, welche die Seegemeinden benachteiligt hätte, und ermunterte die Bevölkerung von Wädenswil, Aktien für die Seetalbahn, die Linie Zürich–Ziegelbrücke, zu zeichnen.9 Zusammen mit dem Buchdrucker und Verleger Arnold Rüegg (1814–1892) und dem Tuchfabrikanten Johann Jakob Treichler-Pestalozzi (1824–1894) gehörte Gessner sodann zu jenen Industriellen und Gewerbetreibenden, die im Herbst 1863 auf der Basis einer Aktiengesellschaft die «Leikasse Wädenswil», die spätere Bank Wädenswil und heutige Niederlassung der Credit Suisse, gründeten.10 Die konstituierende Generalversammlung vom 22. November 1863 wählte August Gessner zum ersten Präsidenten des Verwaltungsrates. Dieses Amt hatte er bis 1866 inne.11 1881 übergab August Gessner seine Firma seinem einzigen Sohn Emil Gessner-Heusser, der den Betrieb mechanisierte und 1909 in eine Aktiengesellschaft umwandelte. August Gessner-Theiler starb am 9. Mai 1896 in Wädenswil.




Peter Ziegler


Anmerkungen

1 Zürcher Bürger Etat, Bd. 1830, S. 56.
2 Zürcher Bürger Etat, Bd. 1838, S. xx; 1840, S. 64.
3 StAZH, O 38d.8, fol. 122.
4 StAZH, E III 132.7, S. 88.
5 StAZH, E III 132.4, S. 344.
6 Hans Jenni. Kunstführer der Schweiz, Bern 1945, S. 563.
7 Peter Ziegler. Vom Bürgli auf dem Galgenrain. Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee, 13.4.1966.
8 Hans Rudolf Schmid. 100 Jahre Bank Wädenswil, Wädenswil 1963, S. 37.
9 Stadtarchiv Wädenswil, IV B K, II/342.
10 A. Wartmann. Bank Wädenswil 1863–1913, Wädenswil 1914, S. 7, 24, 26.
11 Hans Rudolf Schmid. 100 Jahre Bank Wädenswil, S. 20.