GROS, JAQUES (1858–1922)

Quelle: Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert (Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hrsg.), im Birkhäuser Verlag Basel, 1998

* 23. September 1858 in Landstuhl (Rheinland-Pfalz), ✝ 18. Oktober 1922 in Meggen, LU, Architekt.
Als Sohn des Gärtnermeister Georg Friedrich Gross besuchte Jacques Gros die Schulen in Basel. Während seiner Lehre beim damals bekannten Basler Baumeister und Architekten Rudolf Aichner-Burckhardt (1836-1900) bildete er sich an der Zeichnungs- und Modellierschule in Basel weiter. An der bautechnischen Abteilung erhielt er in drei aufeinanderfolgenden Jahren je einen 3., 2. und 1. Preis sowie ein Diplom für ausgezeichnete Leistungen. Als Meisterschüler vertrat er zeitweilig seinen Lehrer E. Götz. Im Baugeschäft Aichner war Jacques Gros zunächst am Neubau des Basler Stadttheaters (1875) beschäftigt, später an Tief- und Hochbauten der Aktienbrauerei Basel-Strassburg, an Hotels, Villen, Geschäfts- und Wohnhäusern. Nach sechsjähriger Tätigkeit verliess er 1880 Basel, um sich in Frankreich und Deutschland weiterzubilden. 1884-87 war Jacques Gros in St. Moritz beim Bündner Baumeister Nikolaus Hartmann tätig, Hier erhielt er bedeutende und für seine weitere Entwicklung wichtige Anregungen im Bereich der Holzbaukunst und Sgraffitomalerei. Anschliessend trat Jacques Gros für drei Jahre als «Spezialist für Holzarchitektur» in die Parkettfabrik Bucher & Durrer in Kägiswil bei Sarnen ein. Eine der Haupttätigkeiten der Firma war die Erstellung von Hotels und den dazugehörenden Anlagen. Auf dem Bürgenstock z.B. wurde 1873 das Grand Hotel Bürgenstock eröffnet; Jacques Gros hatte als Architekt wesentlichen Anteil an den 1887 erstellten elektrischen Kraftwerkanlagen, der elektrisch betriebenen Drahtseilbahn, dem Bahnhofrestaurant, dem Parkhotel sowie an Wäscherei, Gärtnerei, Sägerei, Werkstätten und weiteren Anlagen für die Hotels auf dem Bürgenstock.
Im Mai 1890 eröffnete Jacques Gros eine eigenes Architekturbüro in Zürich. Mit seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten brachte er genau jene Voraussetzungen mit, um in der baufreudigen Zeit der Jahrhundertwende erfolgreich zu wirken. Bis gegen 1910 leistete er eine immense architektonische Arbeit. Ausser der Fabrik gab es keine Bauaufgabe, in der er sich nicht versucht hätte. Sein Spezialgebiet aber war der Bau von Chalets, Villen, Landhäusern und Ausstellungshallen, mit denn er zu einem typischen Vertreter des «Schweizer Holzstils» wurde. Entscheidend beeinflusst und gefördert hatte ihn der ETH-Professor und Begründer der schweizerischen Bauernhausforschung Ernst Gladbach. Jacques Gros besass ein ausgesprochenes zeichnerisches und malerisches Talent. In seinem Nachlass sind Blätter vorhanden, bei denen die dekorativen Rahmenmotive eine fast grössere Bedeutung erhalten als das Projekt selbst. Den Höhepunkt seiner Wertschätzung stellte wohl die Berufung zum Chefarchitekten der züricherischen Gewerbeausstellung von 1894 dar. Sein architektonisches Hauptwerk jedoch ist das 1897-99 erstellte Grand Hotel Dolder am Zürichberg.
Jacques Gros war Mitglied des SIA und erhielt bei etlichen Architekturwettbewerben 1. Preise. Verschiedentlich trat er mit visionären Ideen an die Öffentlichkeit: 1895 war es ein Projekt für einen malerisch gruppierten neuen Hauptbahnhof für Zürich, 1897 ein gewaltiges «Kunsthaus- und Stadthallenprojekt» auf dem heutigen Sechseläutenplatz, 1898 das Variété Eldorado für Zürich, 1899 ein Erweiterungsprojekt für das Luzerner Rathaus, 1901 waren es Um- und Erweiterungsbauten für das Zürcher Künstlergütli.

Zürich, Grand Hotel Dolder, 1897-99.

Alle diese Projekte erregten zwar einiges Aufsehen, blieben aber ohne Realisierungschance.
Ende 1903 wurde Jacques Gros Direktor der schweiz. Parkett- und Chaletfabrik in Interlaken, nahm jedoch bereits am 1. Januar 1905 seine Tätigkeit in Zürich wieder auf. Trotz der grossen Zahl von Aufträgen, welche Jacques Gros ausführen konnte, blieb ihm der materielle Erfolg versagt. Er war wohl zu sehr Künstler und zu wenig Geschäftsmann. Einige Bauherren blieben ihm das Honorar schuldig oder entschädigten ihn mit minderwertigen Aktien; ausserdem wurde er das Opfer gerissener Spekulanten, u.a. durch den Kauf eines wertlosen Steinbruchs bei Regensdorf ZH.
Mit den politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen um die Jahrhundertwende verlor der Baustil des Historismus seine Bedeutung. Es gelang Jacques Gros nicht, die veränderten Strömungen in der Architektur, namentlich die Hinwendung zum Jugendstil, nachzuvollziehen. Ab etwa 1907 liessen die Aufträge nach, und er geriet zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Die Wettbewerbsprojekte für die Universität (1908), das Bezirksgebäude (1909) und die Nationalbank (1916) in Zürich müssen als verzweifelte Versuche betrachtet werden, wieder einmal einen grösseren Auftrag zu erhalten. Sein Motto beim Wettbewerb der Universität lautete bezeichnenderweise: «So Gott will 1908». 1916 musste er sein Haus am Zürichberg verkaufen und wohnte dann in Wallisellen. Sein Büro befand sich noch im Chamhaus an der Unteren Zäune in Zürich, die Aufträge blieben aber aus. 1921 liess er sich in Meggen bei Luzern nieder, wo ihn sein Schwager der erfolgreiche Hotelarchitekt Emil Vogt, als Bauführer für ein Landhaus beschäftigte.

Werkauswahl

Zürich, Chalet Alpenrose, Hofstrasse 82 (1891/92); Bern, Chalet für Oberst Ulrich Wille, Alpenstrasse 17-21 (1892, abgebrochen); Zürich, Kant. Gewerbeausstellung (1894); Stations- und Restaurationsgebäude Waldhaus Dolder (1894, abgebrochen); Grand Hotel Dolder (1897-99); Villa Sonnenhalde, Münchhaldenstrasse 39 (1899); Angern bei Magdeburg (D), Jagdschloss und Sommersitz Heinrichshorst (1899/1900); Zürich, Villa Kiew, Sonnenbergstrasse 124 (1910/11, abgebrochen).

Eigene Schriften

Skizzen für Wohn- und Landhäuser, Villen, etc., zwei Serien zu 60 Tafeln, Ravensburg 1897 und 1903: Holzbauten, Chalets und verschieden Schweizer Architekturen, 100 Tafeln, Stuttgart 1901; Zwei Alben für die Chaletfabrik Kuoni & Cie in Chur [o.J.].

Lit. [Auswahl]

HBLS 3; SKL 4; SBZ 80 (1922), 233 [Nekrolog]; Nievergelt, Dieter: Der Historismus-Architekt Jacques Gros und seine Hauptwerke in Zürich, in: Zürcher Denkmalpflege 10/2 (1986), 86-95; ders.: Erbauliche Visionen vom Lande und von alter Zeit – Kunstvolle Entwürfe im Nachlass des Architekten Jacques Gros, in: Turicum 19 (Frühjahr 1988), 42-52; Dokumentation Jacques Gros (Archiv städt. Denkmalpflege Zürich).

Nachlass

Archiv städt. Denkmalpflege Zürich (Teil des zeichnerischen Nachlasses).

[dieter nievergelt]