Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2009 von Loretta Seglias
 

DIE ORTS- UND REGIONALGESCHICHTE IM BLICKFELD

«Die Dokumentationsstelle oberer Zürichsee (DOZ) sammelt und erschliesst alles, was in oder über Wädenswil publiziert wurde. Sie verfügt zudem über alle wesentlichen Publikationen über die benachbarten Gebiete und Gemeinden, insbesondere das Zürichsee-Gebiet. Der repräsentative Bestand an Literatur zur Geschichte des Kantons Zürich und der Schweiz sichert die Einordnung in übergeordnete Zusammenhänge.»

DIE ANFÄNGE

Seit 1950 sammelt der Wädenswiler Historiker Prof. Dr. Peter Ziegler Quellen und Publikationen zur Geschichte Wädenswils und der Region Zürichsee. Nicht selten erhielt er Material aus Haushaltsauflösungen oder aus Nachlässen. Immer wieder fischte er auch Material aus Baumulden oder – als Jugendlicher – bei Sammeltouren durch Wädenswil, vor der Kehrrichtabfuhr. Im Laufe der Jahre wurde die Sammlung immer umfangreicher, zu umfangreich, um sie weiter bei sich zuhause aufbewahren zu können. Der zusätzliche Wunsch, diese Sammlung als Ganzes des Öffentlichkeit zugänglich zu machen, veranlasste Peter Ziegler 1991 dazu, ein erstes Mal bei der Stadt Wädenswil ein entsprechendes Gesuch – inklusive eines Konzeptes – zu stellen. Platz- und Geldmangel verhinderten dieses Vorhaben jedoch zunächst.

Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee am Hoffnungsweg 5 in Wädenswil.

Der zweite Anlauf 1999 war – auch dank dem bekundeten Interesse an der Sammlung durch eine Nachbargemeinde – erfolgreicher. Am Hoffnungsweg 5 wurde die passende Lokalität gefunden und in der Folge so umgebaut, dass die darin aufbewahrten Archivalien und Publikationen fachgerecht in einem klimatisierten Raum gelagert werden können. Das enorme Gewicht der Sammlung machte zusätzlich eine Bodenverstärkung notwendig. In einem zweiten Raum wurde ein Leseraum mit Computer zur Datenbankrecherche und einem Fotokopierer eingerichtet.
Adrian Scherrer übernahm in der Folge den professionellen Aufbau dieser Bibliothek. Dazu gehörte neben der aufwendigen Erfassung des Bestandes auch die Konzeption einer elektronischen Datenbank, die heute eine schnelle Suche – auch über das Internet – ermöglicht.
Am 12. April 2002 wurde die Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee feierlich eröffnet.
Zwei Wassereinbrüche in den Anfangsjahren ertränkten einen Teil des Bestandes buchstäblich. Bis auf einige wenige Exemplare konnte aber durch Restauration und Neuerwerbungen der Bestand wieder vervollständigt werden.
Nach der erfolgreichen Aufbauphase übergab Adrian Scherrer die weitere Betreuung der Dokumentationsstelle im Juli 2004 an mich, Loretta Seglias.
 

DER BESTAND

Der Gesamtbestand beinhaltet zur Zeit über 5000 Monografien (Bücher und Broschüren), rund 5000 Quellendokumente (Handschriften, Korrespondenzen, Protokolle, Fotografien, Karten etc.), und zirka 1000 Zeitungsbände und Zeitschriften. Einzigartig ist die Zeitungsausschnittsammlung mit rund 10'000 thematisch geordneten Ausschnitten zu Wädenswil – vereinzelt zu anliegenden Gemeinden –, erschlossen in 220 thematischen und 710 biografischen Dossiers. Darin finden sich in Lokalzeitungen oder weiteren Publikationen veröffentliche Beiträge zu Einzelpersonen und Themen rund um Wädenswil und die angrenzenden Gemeinden. Um alle Artikel einordnen zu können, besitzt Peter Ziegler seit vielen Jahren ein Doppel-Zeitungsabonnement.
 
Die Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee ist unterteilt in einen Archiv- und einen Bibliotheksteil. Schwerpunkt des Archivbestandes liegt auf Wädenswil, der Bibliotheksteil ermöglicht darüber hinaus eine geografische (regional und überregional) und thematische Einbettung der Archivbestände, auch mit thematischen Spezialbeständen etwa zur schweizerischen Burgenkunde oder Militärgeschichte.
Im Archivteil finden sich beispielsweise die Archive des Schützenvereins Wädenswil, der Viehversicherung, des Grütlivereins, der Kinderkrippe, des Kadettenkorps, des Pestalozzivereins, der Harmonie, der Wadin Schränzer und der X-Gesellschaft sowie die Firmenarchive Tuwag und Ehrsam.

Compactusanlage im klimatisierten Archivraum.

Wichtige Einzelbestände sind die Nachlässe Karl Stamm, Paul Felix und Diethelm Fretz. Auch das Archiv der Lesegesellschaft Wädenswil – u.a. mit ihren umfangreichen Chroniken – bietet wertvolle Einblicke in die Geschichte der Stadt. Zur weiteren Information über wahrgenommenes Tagesgeschehen der Region ist der Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee/Zürichsee-Zeitung – seit 1851 vollständig – einsehbar. Die nicht-gegenständlichen Bestände des ehemaligen Ortsmuseums Wädenswil sind ebenfalls in der Dokumentationsstelle archiviert.
 

DIE BENUTZER UND DIE ARCHIVIERTEN

Die Dokumentationsstelle ist Anlaufstelle für unterschiedlichste Interessen und Recherchen. Studentinnen und Studenten zählen ebenso zu den Benutzern, wie Personen auf der Suche nach der Geschichte der eigenen Familie, mit genealogischen Interessen also.
Viele Familien haben in Wädenswil in Form von Fotografien, handschriftlichen Aufzeichnungen aber auch in offiziellen Dokumenten ihre Spuren hinterlassen.
Von 1796 erhalten geblieben ist beispielsweise der «Taufzedel» des Taufgötti Jakob Schwarzenbach an Jakob Hoffmann, in dem er ihm unter anderem wünscht: «Möchten deine Lebenssorgen immer frey von aller Blage immer foller Segen seinn. Und wann der Hor (Tod) der einst wird kommen führ er dich mit allen Frommen in des Himmels Freuden ein.»[1]
Oder die Menükarte eines Hochzeitspaares von 1924, die Einblick in ein Festessen der damaligen Zeit gibt: Das Mahl begann mit einer «Tapioscasuppe», gefolgt von einem Filet mit grünem Gemüse, Rheinsalm mit holländischer Sauce und Salzkartoffeln, später gab es Milkenpastetchen, Poulet mit Salat, Englischen Pudding mit Crème. Zum Dessert Früchte, Haselnusstorte, Erdbeer- und Vanille-Glace sowie Café und Früchtetorten.[2] Aber auch die Erkenntnis, dass Länge, Höhe und Bauart von Häusern schon 1711 zu nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen Anlass gaben, zeigt der Geschworenen-Spruch zu einem geplanten Bau an der Türgasse. Hier waren sich Heinrich Käller und Rudolf Gattiker auf der einen Seite und Hauptmann Jörg Teiller auf der anderen Seite nicht darüber einig, wie ein Haus wiedererrichert werden sollte. Neben der Grösse gab auch der quer zu stehen kommende First Anlass zur Klage. Der Geschworenenspruch gab dem Bauherrn zwei Möglichkeiten zur Lösung der Angelegenheit, die eine billiger, die andere teurer. Dieser entschied sich wohl für die teurere, denn der First steht heute quer zu den anderen Dächerverläufen.

Die Historikerin Loretta Seglias beim Registrieren von Neuzugängen in der Dokumentationsstelle.

Eine weitere Begebenheit aus neuerer Zeit, welche in der Zeitungsausschnitt-Sammlung gut dokumentiert ist, ist die Abstimmung zu einer neuen Gemeindeordnung von 1993[3]. Darin war vorgesehen, dass ausschliesslich die weibliche Form verwendet würde und nur in der Einleitung darauf hingewiesen werden sollte, dass diese für beide Geschlechter gelte. Mit der darauf folgenden Empörung, dem grossen Medienecho und der unerwarteten Pionierrolle in der Gleichstellungsdebatte hatten die Politiker dabei wohl nicht gerechnet:
«Weibliche Vorherrschaft in Wädenswil» (NZZ, 9. Juni 1993, S. 49)
«Wädenswils weibliche Verfassung wirft Wellen» (Tages-Anzeiger, 10. Juni 1993, S. 17)
«Der Inhalt ist entscheidend – nicht die Form» (Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee, 22. September 1993, S. 14)
Die Gemeindeordnung wurde schliesslich an der Urne klar verworfen und 1994 eine Version mit beiden Formen angenommen. Knapp 10 Jahre später interessierte sich der japanische Professor für Linguistik, Saburo Okamura, für die Ereignisse von 1993. Er reiste 2002 aus Tokio an, traf sich mit der Initantin von damals und dem Stadtpräsidenten und nahm zu den beschriebenen Ereignissen vor Ort einen Augenschein. In der Folge beantragte er daheim Forschungsgelder für eine genauere Untersuchung.
 

DIE EIGENE RECHERCHE

Um selbst in den ergiebigen Beständen der Dokumentationsstelle zu recherchieren, ist eine eingeschränkte Version der Datenbank auf dem Internet (www.dokumentationsstelle.ch) die erste Anlaufstelle. Da sich der Bestand laufend weiter vergrössert, ist diese Version nicht immer auf dem neuesten Stand. Es empfiehlt sich deshalb, die Suche in der Datenbank vor Ort zu wiederholen, um sicherzustellen, dass alle vorhandenen Dokumente gefunden wurden.
Die Benutzung erfolgt nach telefonischer oder schriftlicher Anfrage im Sekretariat der Stadtkanzlei Wädenswil. Zur Benutzung der Dokumentationsstelle ist der Eintrag in eine Benutzungsliste notwenig. So kann – zur selbständigen Recherche – ein Schlüssel bei der Stadtkanzlei bezogen werden. Beim Wunsch nach Unterstützung bei der Recherche kann ein Termin mit der zuständigen Person vereinbart werden. Die Dokumentationsstelle ist eine Präsenzbibliothek, und es dürfen keine Dokumente mit nach Hause genommen werden. Im Rechercheraum stehen aber ein grosser Tisch zum Aktenstudium und ein Fotokopierer zur Verfügung.
Die Dokumentationsstelle ist ein wichtiges Archiv für die Geschichte der Seegemeinden. Dank der grossen historischen Leidenschaft von Peter Ziegler ist es möglich, dass diese einzigartige und thematisch breit gefächerte Sammlung zur Orts- und Regionalgeschichte allen Interessierten zugänglich ist.

 




Loretta Seglias


ANMERKUNGEN

[1] DOZ, ZB 20:2, Taufzedel für Jakob Hoffmann, 2. März 1796.
[2] DOZ, ZB 23, Menüukarte, 1924.
[3] DOZ, ZA 4:8, Zeitungsausschnitt-Sammlung, Dossier Revision Gemeindeordnung mit weiblichen Formulierungen.


Kontakt:
Stadtverwaltung Wädenswil
Telefon 044 789 72 11
Telefax 044 789 72 15