Werner Hauser-Höhn (1917–1994)

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1994 von Peter Weiss

Wenn Werner Hauser mit seiner Familie eine Bergtour unternahm, pflegte er abends auf dem Heimweg in tiefer Freude und Dankbarkeit zu sagen: «Lueged ä namaal zrugg.» In diesem Sinne halten wir Rückschau auf sein Leben.
Werner Hauser kam am 15. Januar 1917 in der Vorderen Rüti in Wädenswil zur Welt. Bei seinen Eltern Jakob und Luise Hauser-Streuli durfte er eine schöne und glückliche Jugendzeit erleben, zusammen mit dem älteren Bruder Jakob und dem jüngeren Bruder Hans. Natürlich mussten die drei Knaben schon früh auf dem prächtigen, alten Bauernheimwesen aus dem Jahre 1654 mithelfen.
Der in alter Schrift an einen Deckenbalken der Stube aufgemalt Spruch bestimmte auch ihr Leben:

«Gott Liebet alle arbeitsamen
Und Segnet Ewig ihren Namen.
Der Fule kumt in not und Tod
Und hat Kein Trost vom grechten Gott.»

Werner Hauser-Höhn (1917–1994).
Gleichzeitig gaben ihnen die Eltern aber auch die Freude an der Natur und eine tiefe Ehrfurcht vor dem Schöpfer mit auf den Lebensweg.
Werner Hauser besuchte während sechs Jahren die Primarschule in der Stocken und nachher drei Jahre die Sekundarschule in Wädenswil. Eigentlich wäre er gerne Lehrer geworden. Weil sich aber der ältere Bruder nicht für den Beruf des Landwirts entschliessen konnte, und überdies noch nicht feststand, wie sich der jüngere entscheiden werde, wurde Werner Hauser Bauer. Er trat in die landwirtschaftliche Schule Wädenswil ein, wo er als bester seines Jahrgangs abschloss und sich hernach im Bernbiet und im Waadtland das nötige praktische Rüstzeug holte. Auch später bildete er sich in Fachkursen weiter und war einer der ersten gelernten Baumwärter.
Waren im Sommer die wichtigsten Arbeiten auf dem Hof beendet, unternahm man gemeinsam grosse Touren: zu Fuss in die Berge oder auf dem Velo durch die ganze Schweiz und sogar nach Italien.
1937 rückte Werner Hauser nach Frauenfeld in die Train-Rekrutenschule ein, und im September 1939 war Kriegsmobilmachung. Das bedeutete für ihn Abschied vom Elternhaus für längere Zeit. Aus tiefer Liebe zur Heimat setzte er sich überzeugt für sie ein und wäre auch bereit gewesen, das letzte zu geben, hätte die Schweiz verteidigt werden müssen. Werner liess sich zum Unteroffizier und später zum Trainoffizier ausbilden. In beiden Schulen erhielt er hervorragende Schlusszeugnisse.
Weil er so gut qualifiziert worden war, übertrug man Werner Hauser auch eine besonders schwierige Aufgabe: Das Nidwaldner Gebirgsfüsilierbataillon 47 war zu jener Zeit fast nicht mehr zu führen. Immer wieder kam es zu Meutereien, und die Offiziere mussten ausgewechselt werden. Ausgerechnet hier wurde der Zürcher Werner Hauser als Säumeroffizier eingesetzt. Eine harte und verantwortungsvolle Aufgabe! Dank seinem grossen Einsatz, seiner natürlichen Autorität und seiner Überzeugungskraft gelang es ihm, wieder Disziplin in die Truppe zu bringen und sie während zwölf Jahren in gutem Geist gegenseitiger Achtung und Kameradschaft zu führen. Wie kurzweilig und gern erzählte Werner Hauser von seinen Erlebnissen mit Ob- und Nidwaldner Dienstkameraden!
Trotz verschiedenen Vorschlägen zur Weiterbildung verzichtete Werner Hauser darauf Hauptmann zu werden. Wie die meisten seiner Kameraden war er froh, als die lange Aktivzeit zu Ende war, - und schliesslich wollte er bald heiraten.
1947 hielten er und seine Verlobte Anna Höhn aus dem Burstel Hochzeit. Im Verlauf vieler glücklicher, aber auch strenger Jahre kamen sechs Kinder zur Welt: vier Mädchen und zwei Knaben. Zur Familie gehörten auch die Grosseltern; im währschaften Bauernhaus hatte es genügend Platz für alle. Man arbeitete gemeinsam, teilte Freude und Leid miteinander. Erinnert sei nur ans Jahr 1965, als der ganze Viehbestand von 36 Häuptern wegen der Maul- und Klauenseuche notgeschlachtet werden musste.
Werner Hauser behauptete des öftern von sich, er sein ein strenger Vater gewesen. Aber seine Kinder erlebten das anders. Sicher wurden sie von ihren Eltern zur Arbeit angehalten, und das Wort des Vaters galt. Gleichzeitig schenkte er ihnen aber auch grenzenloses Vertrauen, und in allem spürte man immer seine grosse Güte. Er konnte ihnen nicht nur die Freude an den bäuerlichen Tätigkeiten weitergeben; er unternahm mit ihnen auch mancherlei. Nach der Kirschenernte, dem Heuet oder am Chilbimontag reiste man aus, machte eine Bergtour oder lernte sonst ein Stück Heimat kennen. Und wieviel wusste der Vater stets zu erzählen, auf wie viel Schönes machte er aufmerksam, wie kannte er die Blumen und fast jeden Berg mit Namen.
Auch freuten sich die Eltern, als die Familie immer grösser wurde, als Schwiegersöhne und Schwiegertöchter dazukamen und im ganzen 17 Enkelkinder. Kein leichtes für Werner Hauser, an einem Familientreffen alle Enkel zusammen zu fotografieren. Denn immer wieder sprang einer aus dem Bild!

Gehöft Vordere Rüti der Familie Hauser, mit prächtigem Bauernhaus von 1654

Als Werner Hauser 65 Jahre alt geworden war, übergab er seinem 25-jährigen Sohn Heinrich den Hof in der Vorderen Rüti. Während 35 Jahren hatte er hier selber gewirtschaftet und zum Land, den Bäumen und den Gebäuden Sorge getragen. Es war ihm ein Anliegen, das wertvolle Erbe in gutem Zustand weiterzugeben. Und gleichzeitig liess er dem Sohn in allem freie Hand, im Vertrauen darauf, er werde es auf seine Art auch gut machen.
Nebst seiner Arbeit auf dem Hof engagierte sich Werner Hauser während Jahren in bäuerlichen Genossenschaften und verschiedenen politischen Ämtern der Gemeinde Wädenswil. 35 Jahre lang war er in der Molkereigenossenschaft tätig, zuerst als Rechnungsrevisor, dann als Vorstandsmitglied und Vizepräsident. Viele Jahre gehörte er auch dem Vorstand der Obst- und Weinbaugenossenschaft am Zürichsee an, und präsidierte die Ortsgruppe der «Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei», wie die SVP damals noch hiess.
Seine Behördetätigkeit begann in der Primarschulpflege Wädenswil. Von 1954 bis 1958 war er Mitglied des Gemeinderates, der damaligen Exekutive, von 1974 bis 1982 des Parlaments, und anschliessend schätze man von 1982 bis 1993 seine Mitarbeit und sein Urteil in der Natur- und Heimatschutzkommission.
Werner Hauser freute sich, Menschen zu begegnen und kennenzulernen; er war auch gerne bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Er machte nicht viele Worte. Aber wenn er etwas sagte, dann war es durchdacht, und man hörte auf ihn. Er war kein Draufgänger. Vorsichtig und sorgfältig erwog er alles und handelte überlegt. Was man an ihm vor allem schätzte, war seine Aufrichtigkeit, seine Ehrlichkeit und seine Zuverlässigkeit.
Weil er bei den Leuten grosses Vertrauen genoss, anvertraute man ihm 1976 das Friedensrichteramt für den Berg und die Au. In den 15 Jahren als Friedensrichter lernte er viele Anliegen, Sorgen und Probleme verschiedener Menschen kennen. Er nahm sein Amt sehr ernst, versuchte zu vermitteln, einzulenken und gute Lösungen zu finden. Er war glücklich, wenn er einen Streit schlichten und zur Versöhnung beitragen konnte. Andererseits empfand er die verschiedenen Ehestreitigkeiten, Verhärtungen und Ausweglosigkeiten auch als Belastung. War die Aufgabe manchmal schwierig und mit Enttäuschung verbunden, so bedeutete sie für Werner Hauser doch eine grosse Bereicherung und brachte ihn – wie er sich selbst einmal äusserte – in menschlicher Hinsicht weiter.
Zu den schönsten Stunden in Werner Hausers Leben zählten sicher auch die Wanderungen und Touren, die er zusammen mit seinen Bergkameraden der Seniorengruppe der SAC-Sektion Hoher Rohn unternahm. Es war seine Idee die ganze Schweiz zu durchwandern, zuerst vom Bodensee zum Genfersee, dann vom Jura bis Chiasso. Der Plan vom grossen Wanderkreuz durch unser Land zeigt etwas von Werner Hausers Kühnheit und inneren Weite. Sorgfältig bereitete er beide Touren bis ins Detail vor, befasste sich mit Geschichte und Kultur der verschiedenen Gegenden, und entsprechend viel wusste er darüber zu erzählen. Was er auf den Wanderungen erlebte und erfahren hatte, beschrieb er einmal mit folgenden Worten: «Eine tiefe Liebe zur Heimat mit ihrer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt, die grosse Begeisterung am Wandern in der herrlichen Bergwelt, die unerschütterliche Kameradschaft zu den treuen Bergfreunden sind die wahren Grundlagen für das bestehen unserer Seniorengruppe.»
Wer sonst nicht auf die Wanderung mitgehen oder sonst reisen konnte, den nahm Werner Hauser in seinen wunderbaren und kurzweiligen Lichtbildvorträgen mit auf den Weg. Wie konnte er da erzählen, was wusste er nicht alles! Die Begeisterung, die von ihm ausstrahlte, wird niemand vergessen, der einmal dabei gewesen ist. Über hundert Vorträge hat er gehalten: so etwa im Rentnerverein und in der «Frohmatt», in der Lesegesellschaft Stocken und in den Seniorenferien der Kirchgemeinde.
Gerne machte er auch im Männerturnverein und bei den Turnveteranen mit, und mit Kollegen zusammen besuchte er die bekannten Kochkurse für Männer.
1987 musste der bisher kerngesunde Werner Hauser erfahren, dass die gleiche Krankheit, an der sein Vater gestorben war, auch ihn befallen hatte. Das traf ihn schwer und beschäftigte ihn immer wieder.
Ein Kurs der Landfrauen gab den Anstoss, über den Hof Vordere Rüti eine Chronik zu schreiben. Diese Aufgabe fesselte ihn völlig. Mit unglaublichem Eifer sammelte er Dokumente, übersetzte er alte Briefe, forschte er in Geschichtsbüchern und verfasste eine mustergültige Hofchronik in mehreren Bänden. Die Arbeit an der Chronik half Werner Hauser, die Krankheit zeitweise zu vergessen und sein Leiden besser zu ertragen.
Abwechslung und grosse Freude breiteten Werner Hauser in den letzten Lebensmonaten die vielen Besuche in Feldheim und nachher im Spital Wädenswil. Anfangs Februar 1994 verlangte er aus eigenem Entschluss Spitalpflege, damit man ihm mit starken Medikamenten die ärgsten Schmerzen nehme. Denn er hing am Leben und kämpfte bis fast zuletzt.
Am Palmsonntag 1994 wollte er noch einmal sein «Feldheim» besuchen, wie um Abschied zu nehmen. Er setzte sich ans Pult und schaute alles an, dann ging er mit äusserster Anstrengung zu seinem Alpengärtchen: «Lueg deet d Änziane, die händ ja scho Chnöpf.» Nach einer Fahrt über die Panoramastrasse nach Hütten, dann auf den Hirzel und zur dortigen Kirche, rastete er in der Rüti. Anschliessend erfreute er sich noch an den blühenden Kirschbäumen im Steinacher. Am Ostermontag besuchte er zum letzten Mal die Rüti und nahm Abschied.
In der Nacht vom 15. auf den 16. April 1994 wurde Werner Hauser von seinem Leiden erlöst. Ein reiches, treues und bodenständiges Leben war zu Ende gegangen.



Peter Weiss