125 Jahre Frauenverein Ort, 1861-1986

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1986 von Margrith Fuchs
 
Am 29. November 1986 versammelten sich eine grosse Schar Frauen im Landgasthof Halbinsel Au, um das 125jährige Bestehen des Frauenvereins Ort zu feiern.
Die Jubilarin – als ältester Verein der Au – ist ein Beispiel, wie Frauen im letzten Jahrhundert versuchten, ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen und pädagogische, bildungspolitische und soziale Aufgaben zu lösen.
Wieso kam es zur Gründung des Frauenvereins? War schon damals Emanzipation ein Schlagwort oder eine Wirklichkeit? Um die Aufsicht der obligatorisch gewordenen Arbeitsschule – laut Unterrichtsgesetz von 1859 – zu gewährleisten, mussten eine Vereinigung geschaffen werden, die diesen Zweck erfüllen konnte. Das war die Geburtsstunde des Oertler Frauenvereins. Während vielen Jahren beaufsichtigte der Frauenverein die Handarbeitsschule. Was heute selbstverständlich durch den Staat geregelt wird, war früher oftmals Aufgabe privater Institutionen. Als mit der Zeit der Staat die vom Verein gepflegten Schulaufgaben übernahm, widmeten sich die Frauen anderen Verpflichtungen.
In früheren Jahren gestaltete der Frauenverein die Weihnachtsfeier mit Kinderbescherung. Dass die Geschenke nur aus brauchbaren Artikeln zusammengestellt und mit Äpfeln und Nüssen garniert wurden, soll auch der heutigen Konsumgesellschaft wieder in Erinnerung gerufen werden. Ab 1941 durften die Kinder sogar einen Wunschzettel verfassen, mit nützlichen Geschenken, wie Sackmesser, Taschentücher, Portemonnaie, Schere, Schreibpapier.
Für die während der Kriegsjahre im Schulhaus einquartierten Soldaten wurde eine heimelige Stube eröffnet, und zur Linderung mancher Not verschickte man Soldatenpäckli ins ganze Land. Der jährliche Höhepunkt war, und ist auch heute noch, die Vereinsreise. Wie leuchten die Augen mancher Seniorin, wenn sie von einem einstigen Ausflug während der Krisenzeit berichten kann. Damals war es nicht üblich, einen freuen Tag zu beanspruchen und Haus und Familie alleine zu lassen. Doch hat es sich immer gelohnt, als Verschnaufpause im Kreise der Vereinsmitglieder einige frohe Stunden zu verbringen. Mit neuem Elan haben die Frauen Ihre Aufgaben angepackt, zum Wohle der Familie und des Vereins. Ihre Grossherzigkeit hat sich bis in die heutigen Tage erhalten; wird sie auch in unserer schnellebigen Zeit genügend zum Vorbild genommen?
Bei Quartieraktivitäten springt der Verein gerne ein. Im November ist die Verpflegung der Teilnehmer am Räbeliechtliumzug jeweils Ehrensache. Seit einigen Jahren wird im März der Orangenverkauf zugunsten der Schweizer Landwirtschaftlichen Mittelschule Nachlat Jehuda in Israel durchgeführt. Turnstunden und Sprachkurse sind weitere Angebote. Monatlich – meistens am dritten Donnerstag – bietet eine «Stubete» Gelegenheit zum Stricken und Plaudern und um neue Kontakte zu knüpfen. Die angefertigten Arbeiten, wie Schlüttli, Socken, Halstücher, werden einer caritativen Organisation überlassen. Der Erlös des Päckliverkaufs, der anlässlich der jährlichen Generalversammlung durchgeführt wird, ist für Notsituationen in der näheren oder weiteren Umgebung bestimmt. Bastelkurse stehen ebenfalls auf dem Vereinsprogramm. Die Tätigkeiten des Frauenvereins haben sich gewandelt. Das Herz aber, so darf man hoffen, hat die Jubilarin auf dem rechten Fleck. § 1 der Statuten lautet: Der Frauenverein Ort bezweckt den Zusammenschluss aller Frauen der Au. Die Einladung, Mitglied zu werden, geht auch an Sie, liebe Leserin.




Margrith Fuchs