Wädenswil hat einen Umfang und eine Grösse angenommen, die zu denken geben, weil der dörfliche Charakter, die Überschaubarkeit und das Sich-Kennen allmählich verloren gehen. Glücklicherweise setzen sich aber in Wädenswil zahlreiche private und öffentliche Institutionen für kulturelle Belange ein: für Literatur, Musik, Film und Theater. Das Jahresprogramm 1961/62 der
Lesegesellschaft wurde mit einem Vortrag von Dr. Peter Sager vom Schweizerischen Ostinstitut in Bern eröffnet. Er sprach über «Ostpolitik und unsere Stellungnahme zum Kommunismus». Die vier folgenden Veranstaltungen waren dem zeitgenössischen literarischen Schaffen gewidmet. Die Lyrikerin Erika Burkhard und der Schriftsteller Kurt Guggenheim lasen aus eigenen Werken. Buchhändler Franz Arnold aus Zürich gab in einer Plauderei über Neuerscheinungen einen «literarischen tour d'horizon», und Dr. Eduard Stäuble, Baden, zog einen stilkritischen Vergleich zwischen den beiden Schweizer Dramatikern Max Frisch und Peter Dürrenmatt. Eine Fahrt auf die Ufenau, wo Benedikt Frei seine archäologischen Ausgrabungen erläuterte, eröffnete das Winterprogramm 1962/63. An Autorenabenden lasen Otto F. Walter aus einem neuen Roman und Ossip Kalenter aus seinen Satiren und Idyllen. An einem Tessiner-Abend gab Professor Galgari einen Überblick über die Geschichte und die Probleme des Tessins. − Im Winter 1961/62 sprach Prof. Karl Fehr, Frauenfeld, an fünf Kursabenden der Volkshochschule über Jeremias Gotthelf. Dr. J an Slawe, Zürich, äusserte sich im folgenden Jahr über aktuelle Probleme des Jazzlebens.
In den Abonnementskonzerten machten wiederum erste Künstler mit klassischem und zeitgenössischem Musikschaffen bekannt. Besondere Höhepunkte des Wädenswiler Musiklebens bedeuteten die beiden Aufführungen des verstärkten Wädenswiler
Kirchengesangvereins, welcher im März 1963 sein 75-jähriges Bestehen gefeiert hat. Im Dezember 1961 wurde − zusammen mit dem Winterthurer Stadtorchester und den Solisten Edith Mathys, Marga Höffgen, Johannes Feierabend und Bruno Müller − Georg Friedrich Händels «Messias» aufgeführt. Als Jubiläumskonzert brachte der Kirchengesangverein, wiederum unter der Leitung von
Rudolf Sidler, Bachs «Matthäuspassion» zu Gehör.
Die Kulturfilmgemeinde Wädenswil zeigte in den Wintern 1961/62 und 1962/63 die Dokumentarfilme: «Der verlorene Kontinent», «Quer durch die Antarktis», «Beim Volk der Hunzas», «So ist Japan», «Wunder und Rätsel der Sternenwelt», «Nepal», «Schwarze Haut − heisse Erde», «Amerika hat viele Gesichter», «Transafricana» und die Spielfilme «La carozza d'oro», «La fernme du boulanger», «Les belles de nuit», «Wild ist der Wind», «Fanfan la Tulipe», «Die verlorene Festung», «Der General» und «Der brave Soldat Schwejk».
Mit ihrem Passionsschauspiel «Dienst auf Golgatha» von Marcel Dornier ernteten die Freunde des
Volkstheaters grossen Erfolg. Sie beeindruckten, als es im September 1962 einen Besuch bei der Laienspielgruppe St. Jakob in Wien-Schwechat zu erwidern galt, mit diesem Stück auch viele Leute in Schwechat und Wien. Im Januar 1963 führten die Freunde des Volkstheaters eine Komödie auf: das von Cäsar von Arx geschriebene Mundartstück «Vogel friss oder stirb».
Zur Erhaltung der dörflichen Eigenständigkeit trägt auch das Vereinsleben bei. Die LesegeselIschaften
Langrüti und Ort wurden in Quartiervereine umbenannt. Der
Quartierverein Au entwickelt in der Au, wo grosse Bauvorhaben verwirklicht werden und die Bevölkerung rasch anwächst, eine rege Tätigkeit. Die periodisch erscheinenden «Au-Aktualitäten» orientieren die Bevölkerung über aktuelle Fragen, daneben werden Vorträge gehalten; alte Bräuche leben wieder auf und neue werden eingeführt: die Bundesfeier, der
Räbenlichterumzug der Au-Schuljugend, die Klausfeier und die Waldweihnachtsfeier im Winterbergholz.
Ausser dem bereits erwähnten Kirchengesangverein Wädenswil konnten noch einige andere Dorfvereine Jubiläen feiern: Der
Männerturnverein, zu dessen Gründern unter anderen der nachmalige
Bundesrat Walter Hauser gehört hatte, beging im Oktober 1961 die Hundertjahrfeier. Bis zum Jahre 1916 hatte sich der Verein nicht in erster Linie das Turnen zum Ziele gesetzt, sondern die Behandlung von politischen Tagesfragen. So wurden vom Vorstand die Wahlgeschäfte der Gemeinde vorbereitet, und zusammen mit dem
Handwerker- und Gewerbeverein und dem
Landwirtschaftlichen Verein einigte man sich jeweils auf gemeinsame Vorschläge. Am 20. Januar 1916 konstituierte sich anstelle der aufgelösten Altersriege der heutige Männerturnverein, der sich nur noch dem Turnen widmete.
Der Evangelische Verein Wädenswil konnte im Mai 1962, der Christliche Verein junger Männer in Wädenswil im November 1962 ebenfalls auf hundertjähriges Bestehen zurückblicken. Im gleichen Jahr beging der Asylverein Wädenswil, welchem die Gründung des ersten
Spitals (1886), der Bau des
Altersheims auf der Fuhr (1926/28) und des Krankenhauses an der Schlossbergstraße (1935) zu verdanken ist, sein 75-Jahr-Jubiläum.
Das Zürichsee-Jodler-Treffen vom 8./9. September 1962 in Wädenswil war zugleich die Feier des 25-Jahr-Jubiläums des hiesigen
Jodler-Klubs. Der 1938 in aller Stille gegründete Klub nahm ab 1941 an Jodler-Treffen teil und trat an öffentlichen Abendunterhaltungen auf. Einen besonderen Höhepunkt bedeutete das Jahr 1954, das Jahr, in welchem der Klub Wädenswil mit der Durchführung des Nordostschweizerischen Jodlerfestes beauftragt wurde.
Auch die Jugendlichen schliessen sich zu Klubs und Vereinen zusammen. Zu den bestehenden Jugendorganisationen wie Kadetten, Pfadfinder, Jungwacht und kirchliche Jugendgruppen kamen im Verlaufe der letzten zwei Jahre drei neue Organisationen: der Filmklub der Jungen, der Jugendclub Wädenswil und der
Tambouren-Verein Wädenswil.