An der Gerbestrasse

Quelle: Rundgang I durch Wädenswil, Publikation 1989 von Peter Ziegler

Doppelhaus Gerbestrasse 9

Die beiden traufseitig aneinandergefügten Giebelbauten mit zwei Vollgeschossen bilden die Ecke Gerbestrasse/Schönenbergstrasse. Sie sind allseitig von Strassen umgeben und haben grosse Bedeutung für das Ortsbild: Sie sind letzte intakte Zeugen der ursprünglichen Bausubstanz am Hirschenplatz und markieren den oberen Beginn der Gerbestrasse.
Das untere, grössere Haus wurde 1759 für den Krämer Hans Heinrich Brupbacher (1711−1793), vorher auf dem Buck, erstellt. Heinrich Brupbacher (1758−1835), der jüngere Sohn, wurde 1791 Eigentümer der Liegenschaft. Er betätigte sich hier als Zeichner, Schrift- und Kupferstecher und unterhielt einen kleinen Kunsthandel mit Verlag. Er gab Schreibvorlagen, Umrisszeichnungen und Formulare aller Art heraus, so Taufscheine, Lehrlingsatteste und Zeugnisse. Sein bekanntestes Werk war die aus 27 Blättern bestehende Serie von Zürichseestichen, die Brupbacher im Auftrag des Zürcher Verlegers Johannes Hofmeister (1721−1800) schuf.
75 Haus Gerbestrasse 9, erbaut 1759.

Hans Jakob Brupbacher (1792−1831), der älteste Sohn des Kupferstechers Heinrich Brupbacher, eröffnete 1817 in seinem Haus unterhalb dem Gasthof Hirschen eine Steindruckerei. Die erste lithographische Anstalt im Kanton Zürich. Unter anderem druckte er ein Erinnerungsblatt an die grosse Teuerung und Hungersnot 1816/17 und 1826 das Festgedicht für den Seesängerverein am Zürichsee. Seit 1832 gehörte die Liegenschaft unterhalb dem «Hirschen» dem Lithographen Johannes Brupbacher-Isler, ab 1868 dem Lithographen Robert Hermann.

An der oberen Gerbestrasse

Im schmalen Spickel zwischen der Zugerstrasse und der Gerbestrasse steht das kleine, zweigeschossige Haus Gerbestrasse 10 mit trapezförmigem Grundriss, klassizistischen Stilelementen und Mansarddach. Es wurde 1895 durch August Hauser erbaut und 1901 zu einem Magazin vergrössert. Das Gebäude ist ein für das Ortsbild wichtiges Element am Hirschenplatz. Trotz seiner Kleinheit definiert es auf klare Weise den Beginn der Gerbestrasse bzw den Verlauf der Zugerstrasse.
An der Gerbestrasse/Sonnenrain liegt das Haus Gerbestrasse 7 mit dem 1947 eröffneten Café Homberger. Schon 1662 wird die Liegenschaft erwähnt, und zwar als Behausung mit Färberei. 1683 ist auch von einer im Keller eingebauten öffentlichen Badstube die Rede. Noch heute ist im Keller ein Sodbrunnen sichtbar.
78 Haus Gerbestrasse 7, Aufnahme aus der Zeit um 1900.

Zur Eisenhalle

Im schmalen Raum zwischen der Zugerstrasse und der Gerbestrasse liegt das Haus «Zur Eisenhalle», Gerbestrasse 8. Im Jahre 1836 wird an dieser Stelle eine Scheune und Remise mit Laden und Comptoir erwähnt. Sie gehörte zur benachbarten Gerberei Hauser. Der Umbau zum Wohnhaus mit Magazin erfolgte zwischen 1894 und 1898. Der Hausname «Eisenhalle» erinnert an die Eisenwarenhandlung von Paul Bindschädler, die seit 1923 im Parterre des Hauses eingerichtet war, zuletzt von seinen Töchtern Julie und Elise geführt und 1973 liquidiert wurde. Einen reizvollen Gegensatz zum niedrigen Gebäude bildet der hohe, schlanke Mammutbaum im kleinen öffentlichen Park auf der Westseite.
76 Haus Gerbestrasse 10, erbaut 1895.
77 Haus «Zur Eisenhalle», mit Wohnungen seit 1899.

Gerbe

Das Haus «Zur Gerbe», Gerbestrasse 6, ist ein markanter Industriebaut des frühen 19. Jahrhunderts. Er wurde in den Jahren 1813/14 im Auftrag des Gerbers Johannes Hauser erstellt, der – sowohl politischen als auch wirtschaftlichen Neuerungen zugetan – die im 17. Jahrhundert als Familienbetrieb gegründete Gerberei im «Talgarten» zu eng gefunden und sich schon 1811 den «Friedberg» als neues Wohnhaus hatte errichten lassen.
80 Ehemalige Gerberei Hauser, ein markanter Industriebau von 1813/14.

Das über einer Grundfläche von 14 x 36 m erstellte klassizistische Gebäude mit Mansarddach, mit durch Giebel betonter Mittelachse, vasengeschmücktem Hauptportal und Freitreppe mit schmiedeeisernem Geländer auf der Westseite gehörte damals zu den schönsten Wohn- und Gewerbebauten der Gegend. Das Haus enthielt ursprünglich in der oberen Hälfte zwei Wohnungen, in der unteren die Gerberei «Johann von Jacob Hauser». Das Nebengebäude – der Zinnenanbau gegen die Zugerstrasse hin – diente als Wasch- und Glätthaus. Mit seinen 70 Gerbegruben war die Gerberei Hauser in Wädenswil der grösste von 260 solchen Betrieben im Gebiet des Kantons Zürich. Walther Hauser, der die Gerberei 1856 übernommen hatte, liquidierte den Betrieb in den 1880er Jahren und wandte sich ganz der Politik zu. 1888 wurde er Bundesrat. Von 1889 bis 1910 beherbergte das Haus zur Gerbe die Hut- und Mützenfabrik Felber, welche dann 1911 in den Neubau Oberdorfstrasse 16 übersiedelte. Nun verlegte Adolf Stutz-Spühler seine 1883 gegründete Druckerei mit Papeterie und Buchhandlung von der Seestrasse ob dem alten Engel in die von ihm erworbene «Gerbe». Bis Ende 1936 wurden hier auch die «Nachrichten vom Zürichsee» herausgegeben, ein viermal wöchentlich erscheinendes amtliches Publikationsorgan für Wädenswil. Seit der Aussen- und teilweisen Innenrestaurierung von 1976/77 präsentiert sich die als kantonales Schutzobjekt eingestufte «Gerbe» in ihrer alten Schönheit.
79 «Gerbe»: Türsturz in der Fassade zur Gerbestrasse.

Haus Gerbestrasse 3

Gegenüber dem grossen klassizistischen Bau der Gerbe steht das Haus Gerbestrasse 3. Es ist nicht auf die Gerbestrasse ausgerichtet, sondern zeigt die ortsübliche Stellung von Altbauten. Hauptfassade gegen Südosten, Giebelseite dem See zugewandt. Laut Inschrift «17 GT 87» am Türsturz wurde das Haus im Jahre 1787 von Georg Theiler erstellt. Es ist ein typisches Zürichseehaus aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit in Achsen angeordneter, symmetrischer Befensterung und der charakteristischen «Guggeere».
81 Haus Gerbestrasse 3, erbaut 1787.

82 Haus Gerbestrasse 1, erbaut 1894.

Häuser Gerbestrasse 1 und 4

Die Häuser Gerbestrasse 1 und Gerbestrasse 4 übernehmen Tor-Funktion: sie markieren den unteren Zugang zur Gerbestrasse. Das Wohn- und Geschäftshaus Gerbestrasse 1 im Strassenzwickel Gerbestrasse/Gessnerweg wurde 1894 als Wohnhaus mit Laden gebaut. Es ist ein dreigeschossiges spätkassizistisches Gebäude mit Mansard-Zinnendach und rückseitigem Veranda-Anbau. In seiner Entstehungszeit verriet es städtischen Geschmack und war Ausdruck jener Haltung, die damals auch mit Wädenswils Übernamen «Klein-Paris» bezeugt wurde.

«Talgarten»

Im Grundprotokoll des Jahre 1694 ist von einem Hans Hauser die Rede, welcher ob der «Krone» ein neues Haus mit einer Gerberei besass.
83 «Talgarten» von 1694. Links das 1885 erbaute Haus Gerbestrasse 4.

84 Das Haus «Talgarten» - ein heute verputzter Riegelbau. Gemälde in Privatbesitz.

Bei dieser Liegenschaft handelt es sich um das prächtige Bürgerhaus zum «Talgarten» (Gerbestrasse 2), genauer gesagt um den älteren, einst parallel zum Gerbebach verlaufenden Haupttrakt. Der ausgewogene, gut proportionierte Bau – ursprünglich ein Riegelhaus, das später verputzt wurde - lebt von der durchwegs ruhigen, einfachen Gestaltung. Die Untersichten des leicht geschweiften Giebeldaches zeigen eine gerundete Gipsverkleidung und in barocker Art verzierte Pfettenköpfe. 1807 erweiterte man das Haupthaus auf der Nordwestseite um einen mächtigen Anbau. Das mittlere der drei Fenster im Erdgeschoss der Südwestseite trägt die Inschrift «IHH 1807» und erinnert damit an das Baujahr und den damaligen Besitzer, den Gerber Johannes Hauser-Steffan (1746−1841). Die beiden Gebäude wurden 1984 renoviert.

85 «Talgarten»: Inschrift am Anbau von 1807.

Haus Gerbestrasse 4

Zwischen dem «Talgarten» und dem 1813 erstellten neuen Gerbegebäude lagen ursprünglich Gerbegruben. Nachdem der Gerbebetrieb in den 1880er Jahren stillgelegt wurde, überbaute man dieses Areal 1885 mit dem heutigen Haus Gerbestrasse 4: einem von Klassizismus geprägten viergeschossigen Gebäude mit Giebeldach und Treppenturm. Die Zierelemente dieses 1987 renovierten Hauses sind spärlich, dafür recht wirkungsvoll eingesetzt, so der verzierte Balkon in der Mitte der Hauptfassade.
86 Balkon am Haus Gerbestrasse 4 von 1885.

An der unteren Zugerstrasse

Nordwestlich des Hauses Talgarten verdienen die beiden kürzlich renovierten Häuser Zugerstrasse 3 und Zugerstrasse 5 Beachtung. Das näher bei der Seestrasse gelegene Gebäude wurde 1847 als freistehendes Webereigebäude erstellt und 1874 zum Wohnhaus umgebaut. Das obere Haus mit Wohnungen und Verkaufslokalen entstand 1894. Beide mit Eckquadern gefassten Bauten zeigen klassizistische Stilelemente, sind dreigeschossig und tragen hohe, steile Mansarddächer mit Zinnen.
87 Häuser Zugerstrasse 3 und 5 aus den Jahren 1847 und 1894.

88 Haus Zugerstrasse 1, abgebrochen 1971.




Peter Ziegler