Über den Kirchenweg zur Türgass

Quelle: Rundgang I durch Wädenswil, Publikation 1989 von Peter Ziegler

Hauserhaus am Kirchenweg

Das 1766 von der Familie Hauser erstellte Doppelwohnhaus (Schönenbergstrasse 13, Kirchenweg 2/4) oberhalb der reformierten Kirche zeigt die typischen Merkmale des in Fachwerktechnik erstellten Weinbauernhauses am Zürichsee: aus Bollensteinen gemauertes Untergeschoss mit tiefen Kellern, Oberbau Riegelwerk, breites, steilgiebeliges Dach mit Lukarne in der Mittelachse der südöstlichen Trauffront. Der erhöht gelgene Hauseingang in der Mitte der Südostseite kann über eine beidseitige Freitreppe erreicht werden. Zum langgestreckten Riegelbau gehörten eine Trotte (heute Haus Schönenbergstrasse 11) und eine freistehende Scheune. Diese wurde umgebaut und beherbergte von 1874 bis 1910 die private Freischule. Das Gebäude musste 1950 dem Bau der Turnhalle Eidmatt I weichen. Ein Teil des beträchtlichen Umschwungs der Liegenschaft war bis um 1920 mit Reben bepflanzt. Der bedeutendste Bewohner des Weinbauernhauses war Julius Hauser (1834−1897), Gründer der Sonntagsschule und Initiant des 1870 eröffneten Kinderheims Bühl. Das Hauserhaus wurde 1975 restauriert.
43 Hauser-Haus am Kirchenweg, erbaut 1766.
44 Haus Kirchenweg 6/8, erbaut 1706.

Doppelhaus Kirchenweg 6/8

Das 1706 erstellte und 1984 renovierte Doppelwohnhaus – die Jahrzahlen finden sich an den Sandsteinbogen der Kellereingänge – ist der südlichste Bau in der Hausreihe zwischen der Schönenbergstrasse und dem Kirchenweg. Das mächtige viergeschossige Gebäude mit Giebeldach vom Typ des Zürichseehauses ist mit Ausnahme seiner Südostseite vollständig von Anbauten umgeben. Diese wurden 1855, 1878 und 1903 beigefügt und veränderten die ursprüngliche Architektur bis zur Unkenntlichkeit. Durch die Staffelung der verschiedenen Gebäudeteile erhielt der Baukomplex aber auch eine neue Qualität und ist heute wegen seine Situationswertes für das Ortsbild von Bedeutung. Die beiden Treppen vor der Südostfassade, welche zu den im ersten Obergeschoss liegenden Hauseingängen hinaufführen, stammen in ihrer gegenwärtigen Anordnung kaum aus der Bauzeit des Hauses. Sie verdecken nämlich fast die Hälfte der rundbogigen Kellertore.
Vorbei am 1859 erstellten Haus Kirchenweg 10 erreichen wir auf dem Kirchenweg das Haus «Adlerberg».
Der 1989/90 zum Cevi-Jugendhaus umgebaute und bei dieser Gelegenheit aussen restaurierte «Adlerberg» (Kirchenweg 13) ist ein einfaches, klar gestaltetes dreigeschossiges Wohnhaus mit klassizistischen Stilmerkmalen und einer gewissen Verwandtschaft zum Typ des Zürichseehauses. Zu dieser Einfachheit und Klarheit steht der dominante Treppenturm in klarem Gegensatz. Die Kombination der verschiedenartigen Gebäudeteile ergibt den besonderen Reiz und die Spannung, welche der «Adlerberg» ausstrahlt. Nordost- und Südwestfassade des Hauses sind identisch gegliedert: mit je drei symmetrisch zum Giebel in Achsen angeordneten hochrechteckigen Fenstern. Im Giebelfeld sitzen zwei aus den Achsen heraus verschobene Fenster. Unmittelbar unter dem First betont ein kleines Fenster die Mittelachse. Die Südostfassade zeigt ebenfalls drei Fensterachsen. Auf der Nordwestfassade wirken diese, wegen des grösseren Achsabstandes, breiter. Als besondere Zierde ist eine Wetterfahne mit Windrose auf dem Dach des Treppenturms zu erwähnen. Originell ist sodann der Taubenschlag zwischen dem Treppenturm und dem leicht geknickten Dach des Hauptbaus. Der mit Sandsteingewänden gefasste Haupteingang im Erdgeschoss des Treppenturms trägt im Türsturz die Jahrzahl 1836. Sie ist identisch mit dem Baujahr laut Grundprotokoll. Gemäss bauanalytischen Beobachtungen während des Umbaus könnte der Treppenvorbau auch später ans Hauptgebäude angefügt worden sein. Bei dieser Gelegenheit hätte man den Türsturz von 1836 aus dem Altbau in den neueren Anbau versetzt. (Zur Hausgeschichte vgl. Peter Ziegler, «Adlerburg» oder «Adlerberg»?, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee» vom 18. Juli 1988.)
45 Haus Kirchenweg 6/8: Kellerportal von 1706.
46 Haus Adlerberg von 1836, vor der Restaurierung von 1989/90.

Dorfschmiede und «Eisenhammer»

Das wohlproportionierte, schlichte Wohnhaus Zum Eisenhammer (Schönenbergstrasse 23) an der Kreuzung Schönenbergstrasse/Oberdorfstrasse erstrahlt seit der Renovation von 1986 mit rotem Ziegeldach und pastellgrünen Fassaden in neuem Glanz. Das Gebäude wurde 1864 vom Schmied Gottlieb Huber gebaut. Dieser war seit 1858 Eigentümer einer Wagen- und Hufschmiede, die 1826 vom Schmied Rudolf Hofmann – wohnhaft in der «Schmiedstube» - erstellt worden war, auf dem Platz ob dem heutigen Feuerwehrhaus stand, von 1843 bis 1855 dem Schmied Georg Schrot gehört hatte und dann an Vater Jakob Huber übergegangen war. Diese Schmiedewerkstätte, die auch die Namen «Eisenhammer» und «Schmiedstube» verständlich macht, ging 1879 samt Wohnhaus durch Kauf an Albert Bosshard über. Von ihm kam sie 1892 an Reinhold Kleiner. 1907 wurde die Schmiede anlässlich der Korrektur der Schönenbergstrasse und im Hinblick auf den Bau des Feuerwehrhauses (1909) abgebrochen.
47 Die 1907 abgebrochene Schmiede am Standort des heutigen Feuerwehrhauses. Rechts das Haus Adlerberg.


Das Haus Zum Eisenhammer ist ein typischer Vertreter des Wohnhauses der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: ein klassizistischer Bau mit strenger, karg wirkender Fassadengestaltung. Der verputzte dreigeschossige Massivbau weist ein gebändertes Sockelgeschoss mit betonten Hausecken auf und ist durch ein profiliertes Gurtgesims von den oberen Geschossen abgehoben. Die Fassaden sind symmetrisch gegliedert, die Fenster in regelmässig gereihten Achsen angeordnet.
Die vierachsige südöstliche Traufseite trägt einen gross dimensionierten, über zwei Fensterachsen reichenden Quergiebel. Die als Hausrückseite ausgebildete Nordwestfassade findet die Betonung im überdachten Hauseingang in der Mittelachse. Die zweiachsigen Schmalseiten tragen im Giebelfeld je ein Bogenfenster.
Im Haus Zum Eisenhammer wohnte der Kaufmann Eduard Hauser-Meier (1840−1914). Sein hier aufgewachsener Sohn Rudolf Otto Hauser (1874−1932) wurde ein international berühmter Archäologe und Prähistoriker. 1897 entdeckte Hauser das Amphitheater Vindonissa und 1905 sowie 1908 im Tal der Vézère in Südfrankreich Skelette und Schädel von Menschen, die hier in der mittleren Altsteinzeit (um 100 000 vor Christus) beziehungsweise in der jüngeren Altsteinzeit (um etwa 40 000 vor Christus) gelebt hatten. (Zur Hausgeschichte vgl. Peter Ziegler, Aus der Geschichte des Hauses Zum Eisenhammer, «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee», Nr. 144 vom 25. Juni 1986. Zu Otto Hauser vgl. Rudolf Drössler, Otto Hauser – ein berühmter Bürger aus Wädenswil, Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1988.)

48 «Eisenhammer», erbaut 1864.

Schmiedstube

Gegenüber dem Feuerwehrhaus von 1909 – anstelle des Garagenvorplatzes lag ein 1907 eingedeckter Feuerweiher – erheben sich zwischen Schönenbergstrasse und Rotweg drei dominante Bauten: das Restaurant Schmiedstube, das Haus Zur Hohlen Eich und das Haus Scheidweg.
In einer Februarnacht des Jahres 1944 brannte das schon 1660 erwähnte Haus zur Schmiedstube nieder. Es hatte anfänglich dem Sigristen Ulrich Eschmann gehört; 1739 zog hier der Schulmeister Hans Hofmann ein. Dessen Sohn Rudolf richtete – wohl in den 1770er Jahren – im väterlichen Haus eine Schmiede ein, was der Liegenschaft dann den Namen Schmiedstube eintrug.
Anstelle des durch Brand zerstörten Hauses wurde 1945/46 nach den Plänen von Architekt Albert Kölla ein Neubau erstellt, der sich mit einfachen, klaren Proportionen und wenigen, aber gekonnt eingesetzten Zierelementen aussergewöhnlich gut in die Reihe alter Bauten einpasst.
49 «Schmiedstube», erbaut 1945/46.
50 «Hohle Eich», erbaut 1683.

Ortsmuseum zur Hohlen Eich

Das 1683 erstmals erwähnte Haus zur Hohlen Eich (Schönenbergstrasse 22) – verwandt mit den ungefähr gleichzeitig entstandenen Bürgerhäusern an der Türgass – gehörte zu den gut eingerichteten, vornehmeren Häusern des Dorfes.
Das Gebäude mit fast quadratischem Grundriss besteht aus einem hohen, leicht vorkragenden Kellergeschoss und zwei Vollgeschossen in Fachwerk und trägt ein leicht geknicktes Satteldach. Die östliche Hausecke ist bis unter das Obergeschoss massiv gebaut. Die gegen die Schönenbergstrasse orientierte südöstliche Giebelfassade präsentiert sich als Hauptfassade mit rot gestrichenem Fachwerk und unregelmässiger Fenstergliederung. Eine einläufige Aussentreppe mit schmiedeeisernem Geländer führt zum Eingangsportal im Hochparterre. Ein profiliertes Steingewände rahmt die aus dem Haus «Giessenmühle» (Seestrasse 27) hierher versetzte barocke Holztür. Ein breit ausladendes Portal auf der rechten Fassadenseite führt in den kreuzgewölbten ehemaligen Weinkeller. Auf der linken Seite durchbrechen drei gekuppelte Rundbogenfenster das massive Kellergeschoss. Der Reihe nach wohnten im Haus zur Hohlen Eich, das 1944 von der Gemeinde erworben wurde, Bauern, Textilverleger, Handwerker und Arbeiter. Seit 1970 ist hier das Wädenswiler Ortsmuseum untergebracht. Es veranschaulicht, wie die Bevölkerung früher wohnte und ihren Lebensunterhalt bestritt.

«Scheidweg»

An exponierter Stelle, in der Gabelung von Rotweg und Schönenbergstrasse steht das Haus Scheidweg. Es – oder ein Vorgängerbau – wird 1568 erstmals urkundlich erwähnt. Im 17., 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wohnten hier namhafte Familien der Wädenswiler Führungs- und Oberschicht (Diezinger, Eschmann, Theiler, Steffan). Der Bau gilt als Stammhaus des benachbarten Fachwerkbaus zur Hohlen Eich, das 1683 durch die Familie Diezinger erstellt wurde.
Der heutige Bau ist das Resultat mehrerer Umbauten im 18. Und beginnenden 19. Jahrhundert. Ein Mauerabsatz auf der Südwestfassade dürfte auf den Kernbau hinweisen. Er war mit seinem wohl vierteiligen Grundriss bedeutend kleiner als das heutige Gebäude und trug ursprünglich – wie eine Zeichnung von 1771 belegt – ein um 90 Grad gedrehtes Giebeldach. Bei einer ersten Hauserweiterung wurde auf der Nordwestseite eine zusätzliche Zimmertiefe angebaut. Diese Etappe entspricht dem unterkellerten Hausteil; gleichzeitig drehte man vermutlich das Dach. Anstelle des ehemaligen Schweinestalls wurde der bestehende Gebäudekubus, wohl im 19. Jahrhundert, abermals nach Nordwesten verlängert.
Das mit der Giebelfront zur Schönenbergstrasse hin orientierte zweigeschossige Wohnhaus Scheidweg bildet zusammen mit den Häusern Hohle Eich und Schmiedstube eine eindrucksvolle Gebäudegruppe im intakten historischen Ortskern von Wädenswil.
51 «Scheidweg», Schönenbergstrasse 20.
52 «Engelburg», Rotweg 2.

«Engelburg»

Westlich des Hauses Scheidweg erhebt sich die markante «Engelburg» (Rotweg 2). Sie soll gemäss mündlicher Überlieferung aus Steinen der 1765 abgebrochenen Wädenswiler Kirche erstellt worden sein. Die beiden Giebelfassaden sind identisch gestaltet; die Fenster haben profilierte Gesimse und massiv wirkende Aufsätze mit Giebeln oder flachen Bogen in klassizistischem Stil. Auch die Südostfassade – mit die Trauflinie durchbrechendem Dachaufbau in der Mittelachse – ist horizontal gegliedert. Ein profiliertes Gesims trennt das gebänderte Erdgeschoss von den Obergeschossen. Über dem bescheidenen wirkenden Haupteingang steht die Inschrift «Engelburg». 1832 wurde auf der Nordwestseite des Hauses anstelle eines älteren Gebäudes ein harmonisch proportioniertes Nebengebäude mit Mostpresse und Zimmern erwähnt. Er ist über einen Verbindungsgang mit der «Engelburg» verbunden und auf drei Seiten von Gärten umgeben.

Ehemalige Hutfabrik Felber

In den Jahren 1910/11 liess Karl Felber seine 1883 gegründete Hut- und Mützenfabrik aus dem Haus zur Gerbe (Gerbestrasse 6) in einen Neubau an der Oberdorfstrasse 16 verlegen. Der lange, dreigeschossige Fabrikbau unter mächtigem Satteldach war geprägt von modernen Architekturempfinden der Zeit. Er ist eine frühe Eisenbetonkonstruktion des bekannten Architekten Robert Maillart (1872−1940), der 1905 auch ein Fabrikgebäude der Pfenninger & Cie. im Giessen und 1906 das neue Kellerei- und Keltereigebäude der Obst- und Weinbaugenossenschaft erstellt hatte.
Die Felber & Co. AG, später von Sohn Ernst Felber-Rutishauser geleitet, fabrizierte vorwiegend Haar- und Wollfilzhüte für Herren und Jünglinge, Zivil- und Sportmützen aller Art, Stoffhüte für den Strand und für Bergwanderungen. Eine besondere Spezialität waren Uniformmützen für Verwaltung, Hotellerie und Polizei. Nach dem Tod des Fabrikanten Ernst Felber im Mai 1954 wurde der Fabrikbetrieb stillgelegt. Die Liegenschaft an der Oberdorfstrasse 16 ging im folgenden Jahr durch Kauf an die Aufzügefabrik A.K. Gebauer & Cie. über. Seit dem 1986 vollendeten Umbau dient das Gebäude als Gewerbe-, Büro- und Verkaufshaus. (Zur Hausgeschichte vgl. auch «Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee» vom 12. Juni 1986.
53 Ehemalige Hutfabrik Felber, Oberdorfstrasse 16. Betonbau von Architekt Robert Maillart, 1910/11.




Peter Ziegler