Am Rotweg

Quelle: Rundgang II durch Wädenswil, Publikation 1990 von Peter Ziegler

Weidhof

Wir biegen in den Fuhrweg ein, der einst das Heimwesen auf der Vorderen Fuhr begrenzte, und erreichen nach kurzem Anstieg den Weidhof und das Riegelhaus Bühl am Rotweg. Der Weidhof (Fuhrweg 6/Untere Weidstrasse 2a) war ursprünglich ein Nebengebäude das älteren Hofes Bühl und wurde 1880 zum Wohnhaus umgebaut. Im Anbau auf der Südseite war von 1933 bis 1956 ein Verkaufsladen des Einwohnervereins Wädenswil eingerichtet. Der Name Weidhof erinnert wie die Untere und die Obere Weidstrasse daran, dass sich in diesem Gebiet einst ausgedehnte Weiden erstreckten In den 1920er Jahren wurden dann erste Wohnhäuser erstellt. Die dichtere Überbauung folgte in den 1940er und 1950er Jahren.

Reihenhaus Bühl

Auf Bühl in jenem Gebiet, wo heute die Untere Weidstrasse in den Rotweg einmündet lagen im späten Mittelalter drei Bauerngüter, die 1505 in einem Gültbrief erwähnt werden. Ruedi Horgers Gut «uf bueol», Heini Kellers Gut «uf bueol» und ein Gut «gelegen obem dorf Wädischwil, ein wissen und ein weid aneinanderen, genampt uf bueol». Als Grenzen werden unter anderem Welti Blattmans «röttyboden» erwähnt, ferner der «kilchweg, der uf hergisberg gat», also ein Abschnitt des auf dem Trasse des heutigen Furthofwegs, der Rötibodenstrasse und des Rotwegs verlaufenden alten Kirchwegs von Herrlisberg ins Dorf.
17 Reihenhaus Bühl von Osten, um 1920. Im Hintergrund rechts der Weidhof.
 
Das stattliche dreiteilige Reihenhaus Bühl erhebt sich über dem massiven, erhöhten Kellergeschoss mit zwei Vollgeschossen in Sichtfachwerkkonstruktion und wird von einem geknickten Satteldach mit Gauben gedeckt. Die reich gegliederte und reich verzierte südliche Traufseite ist die Hauptfassade. Der untere Hausteil ist bis unter das erste Obergeschoss gemauert; hochrechteckige Einzelfenster durchbrechen das erhöht liegende Erdgeschoss. Die Inschrift «17 HB AI 17» mit Allianzwappen Blattmann/Isler im Schildbogenabschluss des Kellerportals erinnert an die Erbauer Heinrich Blattmann und Anna Isler. Die Jahrzahlt 1717 weist diesen Hausteil als Kernbau aus.
Der oberste Hausteil wurde 1725 angefügt, wie die Jahrzahl in diesem Kellertürsturz belegt. Die beiden oberen Hausteile bilden eine architektonische Einheit. In der Mittelachse führt eine gegenläufige Steintreppe mit schmiedeisernem Geländer ins erhöht liegende Erdgeschoss. Reihenfenster mit Fallläden belichten hier die beiden Stuben. Die westliche Giebelseite ist massiv und wird im Giebelfeld von drei Rundbogenfenstern durchbrochen; die übrigen Fenster sind hochrechteckig. Die östliche Giebelfassade ist bis unter das erste Obergeschoss gemauert; die Untersichten des Schwebegiebels und die Brettläden sind bemalt.
Das seit 1927 unter Bundesschutz stehende Reihenhaus Bühl mit seinen Zier- und Nutzgärten auf der Ost- und Südseite setzt im vorwiegend aus neueren Bauten bestehenden Wohnquartier einen deutlichen Akzent.
 

Altes Bühl

18 Kinderheim Bühl am Rotweg von Norden, eröffnet 1870, abgebrannt 1932.

Südlich des Reihenhauses Bühl, auf der anderen Seite des Rotwegs, stand ein um 1830 neuerstelltes Bauernhaus mit angebautem Schopf, das 1868 aus dem Besitz von Jakob Streuli an den sozial denkenden Weinbauern Julius Hauser (1834−1897) kam. Zusammen mit seinem Freund Samuel Zeller (1834−1912), dem Gründer der Zellerschen Anstalt in Männedorf, schuf er im Jahre 1870 auf dem Bühl ein «Asyl für schwachsinnige und kränkliche Kinder». Als Leiter amtete der in der Pflege Geisteskranker bewanderte Prediger Karl Melchert (1832-1896), der das Heim drei Jahre später zu Eigentum erhielt.
Anfänglich bot das Kinderheim Bühl Raum für 15 bis 20 Zöglinge, vom bettlägrigen Schwachsinnigen bis zum Spezialschüler. Gottfried Zürrer, der sich 1906 mit der Wittwe Maria Melchert-Anliker verheiratete und das Kinderheim Bühl bis 1933 leitete, baute vorerst den Dachstock des alten Hauses aus und erweiterte dann die Anstalt um einen Neubau (Schützenmattstrasse 2).
Ein Grossbrand, der 12 Todesopfer forderte, zerstörte das alte Haus in den frühen Morgenstunden des 10. Novembers 1932 bis auf die Grundmauern. Eine Welle des Mitgefühls im ganzen Land ermutigte zum Wiederaufbau. 1933 ging das private Kinderheim Bühl in den Besitz einer Stiftung über, welche im Gebiet Untermosen einen Neubau erstellen liess, der im Frühsommer 1934 bezugsbereit war und den Flurnamen des ersten Standorts weiterträgt. Am alten Platz wird bald nichts mehr an das 1870 eröffnete Kinderheim erinnern. Der vom Brand verschonte Anstaltstrakt, der später als Wohnhaus diente, soll demnächst einer modernen Überbauung weichen.

Schützenmattstrasse

Der Name Schützenmatt erinnert daran, dass sich in dieser Gegend einst der Scheibenstand des Schützenhauses am Rotweg befand. Das 1859 eröffnete Schützenhaus erhob sich am Standort des heutigen Sekundarschulhauses Fuhr. Es diente bis 1894 als Schiessstand, wurde dann zum Wohnhaus umgebaut und 1952 abgebrochen. Vor 1859 schossen die Wädenswiler aus dem Schützenhaus beim Seehof (Seestrasse 94) auf Scheiben am Kronenbach (beim heutigen Café Brändli). Von 1894 bis 1969 lag der Wädenswiler Scheissplatz im Steinacher; 1980 weihte man den Schiessstand Beichlen ein.
19 Links Haus Fuhreck, rechts Schützenhaus, abgebrochen 1952.

Rotweg

Wir folgen dem Rotweg seewärts bis zur Kreuzung Fuhrstrasse. Der Name Rotweg ist verwandt mit dem Hof- und Flurnamen Rötiboden. Beide haben nichts mit der Farbe Rot zu tun, sondern mit roden, also urbar machen. Der «Rodweg» führte ins Rodungsgebiet «Rütiboden», das bereits 1495 unter dieser Bezeichnung erwähnt wird und erst seit 1555 Rötiboden heisst.

Fuhreck

20 Haus Fuhreck am Rotweg, Altersheim von 1905 bis 1928.
 
An der Kreuzung des von Ortskern her steil ansteigenden Rotwegs mit der parallel zur Hangneigung verlaufenden Fuhrstrasse steht auf einem Geländesockel, den eine Natursteinmauer gegen die Strasse abstützt, das 1904/05 vom Wädenswiler Baumeister Alfred Dietliker erstellte Doppelwohnhaus Fuhreck. Die symmetrische Anlage mit zentralem, traufständigem Satteldachbau und vorstehenden Giebelbauten am Rand geherbergte von 1905 bis 1928 das vom Asylverein Wädenswil geführte Altersasyl, das dann in einen Neubau auf der Hinteren Fuhr verlegt wurde. Das Fuhreck ist ein typischer Jugendstilbau mit interessant gestalteter Fassadenanordnung. Auf der Seite gegen den Rotweg ist dem Mittelteil eine Veranda vorgebaut. Diese hat im ersten Wohngeschoss breite Bogenöffnungen im Obergeschoss eine überdachte Terrasse mit Holzgeländer. Die ursprünglich dekorativ gestalteten Giebel, die auf älteren Fotos markant in Erscheinung treten, sind gegenwärtig verputzt.

Villa Fuhrstrasse 24

1936 liess der Jurist Dr. Hans Fürst (1902−1968), der spätere Bundesanwalt, durch den Wädenswiler Architekten Heinrich Kübler (1908−1968) nördlich des Hauses Fuhreck die Villa Fuhrstrasse 24 erstellen. Sie war Kübler erster Villenbau. Vor Baubeginn musste das Gelände am Rosenberghang ausgeebnet werden. Zum Auffüllen des kleinen Tobels verwendete man gemäss mündlicher Überlieferung den Aushub für die ebenfalls von Kübler geplante Abdankungshalle auf dem Friedhof Wädenswil.



21 Villa Fuhrstrasse 24 von Südosten.




Peter Ziegler