Erwerbsleben einst und heute

Quelle: Schönenberg, 1985 von Peter Ziegler

Landwirtschaft

Schönenberg gehört geographisch und klimatisch bereits zum Voralpengebiet. Verhältnismässig viel Regen begünstigen den Grasanbau, die Weidewirtschaft und die Viehzucht. Vom Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein war auch der Ackerbau von Bedeutung. Dies belegen verschiedene Zinsen und Zehnten von Höfen im Wädenswiler Berg, Abgaben an Getreide. Aber auch die frühe Erwähnung der Mühle in Mülistalden spricht für Acker- und Getreidebau. Er wurde zur Hauptsache als Aegertenwirtschaft betrieben: Da und dort brach man ein Stück Weide um und säte es mit Getreide an. Wurde der Ertrag spärlicher, liess man das Feld vergrasen und pflügte anderswo wieder um. Das Ackerland in Schönenberg ging von 113 Hektaren im Jahre 1787 auf beinahe 22 Hektaren im Jahre 1910 zurück. 1960 wurden wieder 53.34 Hektaren Äcker gezählt. Die Arealstatistik von 1972 wies 923,73 Hektaren Acker-, Wies und Streuland aus, bei einer Gesamtfläche von 1095.67 Hektaren. Früh ging man auch zum Kartoffelbau über. 1772 pflanzten die Schönenberger bereits 52 Jucharten mit der damals in unserer Gegend neuen Bodenfrucht an. 1787 registrierte man in der Gemeinde sogar noch eine Jucharte Reben. Heute wird in Schönenberg kein Rebbau mehr betrieben.
61 Bauernfamilie Hitz auf der Egg, mit Erntearbeiten, um 1920.
 
Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts nahm die Viehzucht im Raume Schönenberg einen grossen Aufschwung. Für das Buttern und Käsen schlossen sich die Bauern verschiedener Gehöfte und Weiler zu Genossenschaften zusammen und brachten die Milch zu Weiterverarbeitung in Sennhütten. Am Ende des 18. Jahrhunderts zählte man in Schönenberg 42 Sennten. Einige dieser Hütten sind noch erhalten, werden aber teilweise anderweitig genutzt.
1787 zählte man in Schönenberg 754 Hektaren Wiesen und 266 Hektaren Weideland. 1960 wies die Arealstatistik noch insgesamt 813,88 Hektaren Wiesland aus.
62 Riedlandschaft beim Sagenhölzli.
65 Grasbau und Viehzucht.

Auch in der Viehhandlung ergaben sich Verschiebungen. 1787 zählte man in Schönenberg 617 Stück Rindvieh, 23 Pferde, 114 Schweine, 19 Schafe und 3 Ziegen. 1961 waren es 1868 Stück Rindvieh, 54 Pferde, 2098 Schweine, 44 Schafe und 30 Ziegen. Und die Viehzählung 1983 ergab 1790 Stück Rindvieh, 47 Pferde, 1340 Schweine, 246 Schafe und 45 Ziegen. Auffällig ist die Zunahme der Schweinezucht seit 1787. Sie ist im Zusammenhang zu sehen mit der Ausweitung der Milchwirtschaft.
Der Obstanbau war einst weniger verbreitet. Obstbäume gruppierten sich meist um die Einzelhöfe. Entlegene Güter wurden meist nicht damit bepflanzt, angeblich wegen Diebstählen. Die Obstbaumzählung von 1981 ergab für Schönenberg folgende Resultate: 2275 Birnbäume, 2129 Zwetschgen- und Pflaumenbäume, 199 Nuss-, 21 Quitten- und 12 Aprikosenbäume.
63 Aegertenwirtschaft im Buecheried.
66 Ehemalige Sennhütte bei der «Sonne».

Der Wädenswiler Berg war einst eine waldreiche Gegend. Zu den grössten Wäldern im heutigen Gemeindegebiet von Schönenberg gehörte das Tiefenbachholz. Es war Eigentum der Landvogtei Wädenswil und umfasste im Jahre 1705 eine Fläche von 60 Jucharten, die bis 1794 auf 55 Jucharten (20 Hektaren) reduziert wurde. Die Einzelhofsiedlung begünstigte im Raume Schönenberg die Waldrodungen und die Parzellierung. Flurnamen weisen auf Rodungen oder auf heute verschwundene Waldbestände hin, so Buechen, Dicktann, Gschwänd, Gschwändmatt, Wald und Waldrain. Der Name Rechberg erinnert an das Vorkommen von Rehen. Laut Arealstatistik von 1972 gab es in Schönenberg 96 Hektaren Wald. 1787 waren es 103 Hektaren gewesen und 93 Hektaren im Jahre 1912.
64 Heuet auf der Egg, um 1920.

Schönenberg darf auch heute noch als bäuerliche Gemeinde bezeichnet werden. Allerdings nimmt die Zahl der von hauptberuflichen Landwirten geführten Betrieben laufend ab. Hatte man 1850 240 und 1955 121 Bauernbetriebe gezählt, so waren es 1985 nur noch knapp 80. Vor dreissig Jahren machten die bäuerlichen Haushalte 9,4 Prozent aller Haushalte aus, 1984 waren es 5,7 Prozent.

Heimindustrie

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts blühte in Schönenberg die textile Heimindustrie. Sie wurde als Ausgleich zur Landwirtschaft betrieben und brachte in manche Haushaltung regelmässig etwas Bargeld. 1787 zählte man in der Gemeinde 435 Baumwollspinner – bei einer Gesamtbevölkerung von 1149 Einwohnern – und 63 Webstühle. Nach 1800 wurde die Heimarbeit für die Seidenindustrie bedeutender als jene für die Baumwollverarbeitung. Die Volkszählung von 1850 ergab, dass damals in Schönenberg 155 Weber und Weberinnen im Seidengewerbe tätig waren. Der Aufschwung der textilen Heimarbeit widerspiegelte sich in steigenden Bevölkerungszahlen. Mit dem Zusammenbruch der Heimindustrie nach 1850 setzte auch in Schönenberg die Abwanderung ein. Vergleicht man die Bevölkerungszahlen einiger Höfe im Jahre 1870 mit jenen von 1910, wird der Schwund besonders deutlich:

Hof 1870 1910
  Einwohner Einwohner
Nussbäumen 42 13
Schwarzenbach 34 7
Wolfbüel 60 31
Tannenmattli 11 4

 

Die letzte Seidenweberin in der Gemeinde war Frau Seline Schörno-Götz (1882−1958) in der Tanne, ursprünglich Seidenweberin bei der Firma Gessner in Wädenswil. Nach ihrer Verheiratung wob sie zuerst für eine Ferggerei in Hütten, dann für eine in Samstagern, später für eine Züricher Firma und seit 1924 für die Firma Stünzi Söhne in Horgen. Im Sommer 1951 wurde der Webstuhl von Frau Schorno abgebrochen.
67 Seline Schorno am letzten Seidenwebstuhl in Schönenberg, 1951.

Die bedeutendsten und zugleich ältesten Gewerbebetriebe waren die Mühle in Mülistalden sowie die Gaststätten.

Die Mühle Mülistalden

Die Mühle in Mülistalden war mit Sicherheit im Jahre 1434 in Betrieb. 1555 wird Cleinhans Stocker als Inhaber genannt. Als Richter Eschmann im Jahre 1571 die vermutlich durch Feuer zerstörte Mühle wieder aufbauen wollte, wurde ihm das Recht dazu von den anderen Müllern in der Herrschaft Wädenswil bestritten. Da aber Eschmann den früheren Bestand der Mühle vor dem Herrschaftsgericht nachweisen konnte, entschied das Gericht zu seinen Gunsten und das Urteil wurde vom Rat in Zürich als Appellationsinstanz geschützt. Richter Eschmann, der die Mühle in den 1570er Jahren wieder neu erstellte, gehörte zu den reichsten Bauern der damaligen Zeit. Sein Hof Chülpen bot zwanzig Kühen Winterfutter, was weit über dem Durchschnitt lag.
1702 wird Heinrich Eschmann-Schwarzenbach als Müller auf Mülistalden bezeugt. Witwe geworden, verkaufte Frau Susanna Eschmann den Betrieb dem Leutnant Georg Haab. Und von dessen Sohn, Batzenvogt Johannes Haab, ging sie 1757 an den Tochtermann Heinrich Hauser über. Bei dieser Handänderung werden genannt: Ein Haus mit Schmiede und Mühle, eine Scheune mit einer Haberdarre, ferner Garten, Hanfland, Matten, Holz, Boden und ein Weiher.
1781 liess der Müller Heinrich Hauser-Haab auf Mülistalden, wo man periodisch unter Wasserknappheit litt, einen Mühleweiher graben. Das sei eine Verletzung ihrer ehehaften Rechte, klagten die anderen Müller. Erst nach dem Hauser vor Gericht bewiesen hatte, dass er keine Erweiterung der Mühle plane, wies der Zürcher Rat die Klage der Müller ab.
68 Mülistalden. Wohnhaus von 1779.

69 Erinnerungen an den Mühlebetrieb.
Die Familie Hauser betrieb die Mühle, mit der auch eine Sägerei verbunden war, bis 1893. Dann ging sie von Kaspar Hauser an dessen Neffen Jakob Schärer über. Heute ist die Mühle nicht mehr in Betrieb.
Im Weiler Mülistalden sind noch Mühlebauten aus verschiedenen Zeitabschnitten erhalten. Das 1779 neuerstellte Riegelhaus wurde 1982 renoviert. Das an der Strasse gelegene Gebäude mit Mansartdach, 1818 als Brennerei bezeichnet, dient seit 1842 als Wohnhaus.

Gastgewerbe

Schon 1523, also zur Zeit der Johanniterherrschaft Wädenswil, wird ein Wirtshaus in der Tanner erwähnt. Unter Zürich erhielt es dann die Tavernengerechtigkeit. Aufgrund dieses Privilegs durften Fremde hier übernachten, und der Wirt war berechtigt, warme Speisen abzugeben. 1829 suchten die Brüder Johannes und Rudolf Kleiner zur Tanne Schönenberg beim Kleinen Rat in Zürich um das Recht nach, in ihrem Betrieb wieder eine Taverne betreiben zu dürfen. Das Recht dazu war nämlich in der Zwischenzeit erloschen. Da die Gesuchsteller nachweisen konnten, dass zu ihrem Haus früher die Tavernengerechtigkeit gehört hatte, und da sie geltend machten, der Reiseverkehr auf der Strasse nach Schindellegi habe derart zugenommen, dass die Errichtung eines Gasthauses einem Bedürfnis entspreche, erteilte der Rat am 24. Dezember 1829 das Tavernenrecht.
70 Wirtshausschild Tanne, Mitte 19. Jahrhundert.

71 Gasthof Rössli, um 1923.
Eine andere Wirtschaft lag auf Geissferen. Sie wurde 1678 von Johannes Eschmann geführt, der 1701 Land von seinem Heimwesen für den Kirchenbau verkaufte. Bei Eschmanns Wirtschaft dürfte es sich um den heutigen Gasthof Sonne handeln. Das Haus wurde 1666 gebaut, war ebenfalls mit dem Tavernenrecht ausgestattet und gehörte im Jahre 1804 einem Johannes Günthard. In seiner Familie vererbete sich der Betrieb jeweils vom Vater auf den Sohn, bis Alois Günthard die Gaststätte 1927 verkaufte.
In einem 1836 neu erstellten Wohnhaus führte Wirt Heinrich Schärer ab 1842 den Gasthof Rössli – seine Fassaden sind leider 1973 durch eine Aluminiumverkleidung beeinträchtig worden. 1878 wurde die heute nicht mehr stehende Speisewirtschaft zum Frohsinn eröffnet. Das Restaurant Frohe Aussicht in der Stollen besteht seit 1908, das Restaurant Schützenmatt seit 1916.
72 Gasthaus Sonne, vor 1927.



Handwerk, Gewerbe, Berufe

Im Jahre 1850 gab es in Schönenberg laut Ergebnis der Volkszählung bereits ein differenziertes Handwerk und Gewerbe. «Handwerker hat es 77, am meisten Schuster und Maurer», heisst es im Bericht. Erwähnt werden vier Schmiede und ein Spengler, zwei Korbmacher, ein Spezereihändler, ein Krämer, ein Gärtner, vier Leinenweber, ein Wollenweber und sieben Modistinnen. An weiteren Berufen sind aufgeführt 13 Sennen, ein Pferdehändler, ein Kaufmann, ein Müller, ein Pfarrer, zwei Lehrer, ein Arzt und zwei Tierärzte.
Zehn Jahre später, 1860, ergaben sich drei Schwerpunkte in Schönenbergs Handwerk und Gewerbe.

Nahrungsmittelbranche:
Ein Bäcker, zwei Metzger, ein Branntweinbrenner, ein Käsehändler, vier Wirte, acht Spezereihandlungen.

Bekleidungsbranche:
Zwei Modistinnen, zwei Ausrüster, ein Schirmmacher, drei Ellenwarengeschäfte, sieben Schneider, zehn Schneiderinnen, neun Schuster, zwei Seidenfergger, drei Korbflechter.

Bauhandwerk und Hilfsbetriebe der Landwirtschaft:
Ein Drechsler, ein Holz- und Ladenhändler, zwei Küfer, vier Maurer, zwei Zimmermeister, zwei Schmiede, vier Wagner, ein Rechenmacher.

Das Handels-Adressbuch des Kantons Zürich von 1881/82 nennt für Schönenberg folgende «Handelsfirmen»:
Branntwein- und Mosthandel: Kaspar Hasler & Sohn, Heinrich Hitz, Egg.
Eisenwaren: Heinrich Landis zum Freihof.
Ellenwaren: Heinrich Schärer, beim Schulhaus.
Glaswaren: Heinrich Landis, zum Freihof.
Holzwarenhandlung: Hans Heinrich Hitz.
Käsefabrikation: Heinrich Schärer, beim Schulhaus.
Käsehandlungen: Jakob Rusterholz, Johannes Strickler, Tanne.
Lederwaren: Heinrich Landis, zum Freihof.
Mühlegewerb: Kaspar Hauser, Müller.
Quincailleriewaren: Gustav Treichler.
Sattlerwaren: Carl Schrader.
Schuhwaren: Gustav Treichler.
Schweinehandel: Kaspar Oberholzer, Säubad.
Spezereihandlungen: Jakob Rusterholz, Jakob Schärer, zum Frohsinn; Johannes Strickler, Tanne, Gustav Treichler.

73 Tirggel mit «Seehof» Wädenswil, um 1840.

Ein eigentliches Handwerkerzentrum war der Weiler Tanne. Hier gab es schon um die Jahrhundertwende eine Schmiede, eine Metzgerei, ein Malergeschäft, etwas später die Post und zwei Lebensmittelläden. Am 1. November 1982 schloss Frieda Bachmann ihr Tanne-Lädeli endgültig.
Laut Volkszählung 1941 arbeiteten von insgesamt 496 erwerbstätigen Schönenbergerinnen und Schönenbergern 259 in der Land- und Forstwirtschaft, 144 in Industrie- und Handwerk, 15 in der Branche Handel, Bank, Versicherung, 5 im Gastgewerbe, 6 im Verkehr, 13 erbrachten öffentliche oder private Dienstleistungen, 22 waren in der Hauswirtschaft und 32 anderweitig tätig.

Die Volkszählung 1980 ergab folgende Struktur der 642 Berufstätigen:
Land- und Forstwirtschaft
137
Industrie, Handwerk, Gewerbe
201
Dienstleistungen
304

Schönenberg verfügt heute über ein differenziertes Kleingewerbe. Es finden sich da unter anderem die Honigtirggelfabrik, eine Brennerei, zwei mechanische Werkstätten, drei Spenglereien, eine Autospenglerei, ein Autospritzwerk, eine Garage, ein Betrieb für Rollstuhlbau und je eine Firma für Gartenbau, für Tankreinigungen und für Dachisolationen, Abbruch und Bedachungen. Es gibt hier zwei Transportunternehmen, vier Schreinereien, einen Sattler, einen Schuhmacher, einen Tapezierer, einen Coiffeur, zwei Bildhauer, einen Bäcker, einen Metzger, ein Lebensmittelgeschäft und fünf Wirtschaften.




Peter Ziegler