Vom Buck zum Plätzli

Quelle: Rundgang II durch Wädenswil, Publikation 1990 von Peter Ziegler

Nordwestlich des Hauses Morgenstern biegen wir nach links in die Buckstrasse ein und befinden uns in einem alten Aussenquartier von Wädenswil mit sehr uneinheitlicher Altbausubstanz. Der Name «Buck», 1637 erwähnt, bedeutet rundliche Bodenerhebung, bezeichnet also die Geländeform. Die kunstgeschichtlich interessanten Bauten reihen sich auf der Südseite der Buckstrasse auf.

Waschhaus

Der würfelartige Kleinbau über unregelmässigem viereckigem Grundriss und mit Walmdach, unmittelbar an der Strasse gelegen, ist Beispiel für ein Waschhaus aus dem 18. Jahrhundert. Es steht im Vorhof der Häusergruppe Buckstrasse 7, 9, 11 und wird auf der Nordostseite von einem leicht ansteigenden Weg mit Treppenaufgang umschlossen und an der Südwestseite von erhöhten, mit einer niederen Mauer eingefassten Strassenniveau. Die spärlichen Bogen- und Reckteckfenster mit Massivläden sind unregelmässig angeordnet. In der Nordwest- und der Südwestwand hat es Holztüren.

110 Waschhaus an der Buckstrasse.

Häuser Buckstrasse 7/9/11

Die drei spätestens aus dem 18. Jahrhundert stammenden, zusammengebauten Wohnhäuser Buckstrasse 7, 9, 11 sind um eine Gebäudetiefe von der Strasse zurückversetzt. So entsteht ein Vorplatz, der durch das Wohnhaus Buckstrasse 13 und das Waschhaus klar definiert ist. An der Nordwestseite des Hauses Buckstrasse 7 führt der schmale Walfischweg vorbei. Alle drei Häuser stehen eigentlich traufständig zur Strasse; ihre mächtigen Dachausbauten erwecken aber giebelständige Wirkung. Beim auf der Strassenseite verputzten Riegelbau Buckstrasse 7 mit seiner auskragender Giebelgaube erscheint das ursprüngliche Hauptdach nur noch als Vordach. Beim Nachbarhaus ist jegliche Spur des Hauptdaches verschwunden. Dieses ist jedoch auf der Rückseite des Gebäudes noch deutlich erkennbar. Beim Haus Buckstrasse 11, ebenfalls mit Giebelgaube zur Strasse, ist das Hauptdach auf beiden Traufseiten schwach angetönt, die Giebelgaube im Bereich des Durchgangs zu den Gärten hinter den Bauten in eigenartiger Weise angeschnitten.
111 Häuser Buckstrasse 7/9/11, Ansicht von Osten.

Häuser Buckstrasse 13/15/17

Auch die spätestens aus dem 18. Jahrhundert stammende Baugruppe Buckstrasse 13, 15, 17 ist wichtiger Bestandteil der weitgehend intakten Häuserzeile auf der östlichen Seite der Buckstrasse. Sie lebt von einer Vielzahl uneinheitlicher Elemente und den auf verschiedenen Höhen angeordneter Fenstern und Türen. Das dreigeschossige Haus Buckstrasse 13, mit abgeschrägter Ostecke und weit auskragendem Satteldach, steht giebelständig zur Strasse, die beiden anschliessenden Gebäude sind traufständig. Das Haus Buckstrasse 17 erhielt 1894 einen Zinnenanbau.
112 Häuser Buckstrasse 13/15/17, Ansicht von Westen.

Haus Bernburg

Dominierendes Gebäude in der alten Randbebauung der Buckstrasse ist das Haus Bernburg (Buckstrasse 19). Es wurde zwischen 1749 und 1756 durch die Familie Hauser gebaut, die zur Wädenswiler Oberschicht zählte. Zur Liegenschaft mit Wohngebäude vom Typ des Zürichseehauses gehörten ein Waschhaus, eine Trotte, zwei Scheunen sowie Garten, Matt- und Rebland. Der Hausname Bernburg lässt sich seit 1854 nachweisen.
Die Bernburg ist ein zweigeschossiger, traufständiger, verputzter Massivbau mit geschweiftem Satteldach. Der Haupteingang mit Freitreppe wird überdacht von einer türmchenartig vorkragenden, die Traufe durchbrechenden Lukarne mit Walmdach, die auf zwei schlanke Steinsäulen aufgesetzt ist. Zur Strassenfront zeigt die Trauffassade drei Fensterachsen mit Steinwänden und Sprossenteilung. Die schmucklose südwestliche Giebelfront mit regelmässiger dreiachsiger Fensteranordnung hat einen hohen, fensterlosen Sockel.
Ein bis ins zweite Stockwerk reichender Terrassenanbau vor dem Hauptteil der südwestlichen Giebelfassade verbindet die Bernburg mit dem geschindelten Haus Buckstrasse 23. Dieses war 1812 noch ein Wasch- und Trotthaus, 1842 eine Blaufärberei und dient seit 1856 als Wohngebäude.
113 Haus Bernburg von Nordwesten.
Als oberstem Haus der Bebauung an der Buckstrasse kommt dem zweigeschossigen, mit Schindeln verkleideten traufständigen Massivbau recht grosse Bedeutung für das Ortsbild zu. Als kleines, bescheiden wirkendes «Arbeiterhaus» mit symmetrischer Fassadengliederung ist es auch typisch für die Umbauzeit: die Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit der Restaurierung von 1986 sind die Häuser Buckstrasse 19 und 21 eine Zierde dieses Quartiers.

Häuser an der Rebbergstrasse

Wir biegen nach rechts in die Rebbergstrasse ein. Der Strassenname und die 1970 eingeweihte Alterssiedlung «Bin Rääbe» erinnern daran, dass sich in diesem Gebiet bis ums Jahr 1900 Rebberge erstreckten. Auch die katholische Kirche steht auf ehemaligem Rebareal.
Das Wohnhaus Rebbergstrasse 8, ein zweigeschossiger Massivbau mit Giebeldach und Quergiebel, wurde im Jahre 1900 am Platz einer 1878 abgetragener Scheune über einem 1881 erbauten Keller erstellt. Das typische Wohnhaus aus der Zeit der letzten Jahrhundertwende zeigt in der Gesamtform wie in den profilierten Fensteraufsätzen klassizistische Stilelemente. Auffallend ist der hohe, verputzte Sockel, den ein um das ganze Haus laufendes Gurtgesims ausscheidet.
Das Doppelwohnhaus Rebbergstrasse 4/6 bildet mit seinem einfachen Baukörper in relativ locker bebautem Siedlungsgebiet einen Gegensatz zu den Wohnblöcken auf der Ostseite der Rebbergstrasse. Die vordere, an die Strasse grenzende Gebäudehälfte, 1812 als Scheune eingetragen, wird 1829 als Wohnhaus mit Scheune und Schopf registriert. Der Zinnenanbau entstand 1888. Der hintere Hausteil wurde 1834 als neues Wohnhaus angefügt und 1894 um einen Zinnenanbau erweitert. Die Dächer der beiden Häuser verlaufen gleich, sind aber in der Höhe um rund 10 Zentimeter gegeneinander verschoben.
114 Haus Buckstrasse 23 von Westen.
115 Haus Rebbergstrasse 4/6 von Osten.

Katholische Kirche St. Marien

Für die 1895 selbständig gewordene katholische Pfarrei Wädenswil erstellte der St. Galler Architekt August Hardegger (1858−1927) in den Jahren 1896 bis 1901 eine Kirche neuromanischem Stil. Der Bau besteht aus einem rechteckigen Hauptschiff, das mit einem Satteldach gedeckt ist und in den Längsfassaden fünf Lichtgaden in Form von rundbogigen Zwillingsarkaden aufweist. Vier einfache Rundbogenfenster und eine Seitentüre durchbrechen die Längsseiten der beiden niedrigen Seitenschiffe unter Pultdächern. Die Türe des nördlichen Seitenschiffs wurde 1973 zugemauert. Eine halbrunde Apsis mit Zwerggalerie unter der Dachtraufe schliesst das Hauptschiff gegen Osten ab. Seit dem Jahre 1959 verbindet ein von Säulen getragenes Flachdach die Kirche mit dem Pfarrhaus und dem daran angebauten neuen Etzelsaal.
116 Katholische Kirche von Norden.
117 Katholische Kirche von Süden, vor 1958.

Die Vierung ist bei der katholischen Kirche Wädenswil nicht konsequent durchgeführt: Das mit einem Dachreiter geschmückte südliche Querschiff im Bereich der Apsis findet auf der Nordseite keine Entsprechung. Dort steht der 1897 vollendete Glockenturm mit den 1903 bei Rüetschi in Aarau gegossenen vier Glocken im Gesamtgewicht von rund 58 Zentnern, gestimmt auf die Tonskala e, fis, a, cis. Gurten gliedern den Glockenturm in vier Geschosse. Im dritten sind die vier Zifferblätter angeordnet, im vierten, wo die Glocken hängen, je vier gekoppelte Rundbogenfenster pro Fassade. Ein gedrungener achtseitiger Spitzhelm, von viel kleinen, pyramidenförmigen Helmen flankiert, bildet den Turmabschluss.
Ein Rundbogenportal und ein Drillingsfenster durchbrechen die Westfassade des Hauptschiffs. Seit 1950 fällt durch diese Fenster kein Licht mehr in den Innenraum; sie wurden beim Einbau der Orgel verschlossen. Das Portal in der Westwand weitet sich von innen nach aussen in zwei Stufen durch einspringende und hervortretende rechte Winkel. Auf jedem vorspringendem Winkel steht eine Säule, deren Basis seit 1959 plastischen Schmuck trägt: Köpfe der Schlange, der Nachteule, der Sumpfkröte und des Menschen symbolisieren nach romanischer Geisteshaltung die Nacht, die Finsternis, das Ungeheuerliche und den erlösten Menschen. Als Motiv für das Tympanon-Relief wählte der gleiche Künstler – Bruder Xaver Ruckstuhl (1911−1979) aus dem Benediktinerkloster Engelberg – 1959 «Maria in den Feuerzungen des Pfingsttages». Am Eingang ins Pfarrhaus und in den Etzelsaal formte Bruder Xaver Ruckstuhl mit blosser Schalung in abstrahierender Art einerseits das Bild des guten Hirten und andererseits formal dekorativ das aufsteigende Band der Herde.
Die 1898 bis 1901 entstandene – heute nicht mehr vorhandene – Innenausstattung der katholischen Kirche stammte von bekannten zeitgenössischen Künstlern. Johann Nepomuk Neumann (St. Gallen) schuf den Hochaltar; Franz Vettiger (Uznach) malte das Altarbild und schmückte die Apsiskuppel mit Fresko der Acht Seligkeiten; Payer & Wipplinger (Einsiedeln) schnitzten die Kreuzigungsgruppe, und der Österreicher Alfons Noflaner lieferte das Chorgestühl.
118 Innenansicht vor der Renovation von 1934.
119 Chor nach der Renovation von 1973.

Die als stilistisch uneinheitlich empfundene Innenausstattung wich 1972/73 unter der Leitung von Architekt Josef Riklin, Wädenswil, einer modernen, aber auch nüchteren Lösung. Sie brachte die neuromanische Grundkonzeption wieder klarer zum Ausdruck und glich sich mit neugestalteter Chorpartie liturgischen Anliegen an. Heute wird der Innenumbau der 1970er Jahre nicht mehr von jedermann als richtig empfunden. Dass das von Franz Vettiger geschaffene Fresko in der Chorapsis damals für immer zerstört wurde, ist zu bedauern.
Die Orgel von 1950 stammt aus der Firma Theodor Kuhn in Männedorf. Albert Schilling (Arlesheim) schuf 1956 den Tabernakel. Altar, Ambo und Kreuz im Chor sowie der mit einer Marienstatue aus Bronze geschmückte Taufstein und die Apostelkreuze im rechten Seitenschiff sind Werke von Xaver Ruckstuhl.

Gasiplatz

Nach dem Besuch der katholischen Kirche begeben wir uns auf der Eintrachtstrasse Richtung Plätzli. Der heute als öffentlicher Parkplatz dienende Gasiplatz links der Strasse erinnert daran, dass in Wädenswil zwischen 1874 und 1926 ein eigenes Gaswerk betrieben wurde, das im Endausbau folgende Gebäude umfasste: ein Verwaltungsgebäude (Eintrachtstrasse 24; erstellt im Jahre 1900), ein Ofenhaus mit Hochkamin, einem grossen und kleinen Gasometer sowie verschiedene Kohlenschuppen. Das Gaswerk wurde am 13. September 1874 eröffnet. Im ersten Betriebsjahr zählte man 76 Gasbezüger. Für Beleuchtungszwecke hatten sie 1076 «Flammen» anschliessen lassen. Dazu kamen 72 mit Gas betriebene Strassenlaternen.
1907 stimmte die Generalversammlung der privaten Gasbeleuchtungsgesellschaft Wädenswil dem Verkauf des Gaswerks an die Gemeinde Wädenswil zu. Von 1908 an wurde dann das Gaswerk auf öffentliche Rechnung betrieben.
120 Gaswerk Wädenswil um 1920.

In den Jahren 1913 bis 1916 erneuerte man die Öfen, und 1920 verwirklichte die Gemeinde eine Abwärmeverwertungsanlage. Grosse Investitionen wollte man aber nicht mehr wagen, denn bereits 1917 hatten die Stimmbürger die Verlegung des Gaswerks ausserhalb des Dorfkerns beschlossen.
1925 entschied sich die Gemeindeversammlung für die Aufhebung des Wädenswiler Gaswerks und für die Ferngasversorung ab dem Gaswerk der Stadt Zürich in Schlieren. Zu diesem Zweck wurde 1925 in der Rietliau ein Gasometer von 4000 Kubikmetern Inhalt aufgestellt (abgebrochen 1985). Am 7. August 1926 stellte das Gaswerk Wädenswil den Betrieb ein. Der Abbruch der Gasfabrik und des Hochkamins erfolgte im Dezember 1926. Das Apparatehaus baute man 1930 in eine Garage um.

121 Apparatehaus des einstigen Gaswerks, 1977.

Reihenhaus Eintrachtstrasse 6/8/10

Wir nähern uns dem letzten Objekt auf unserem kunst- und kulturgeschichtlichen Rundgang: dem aus drei Wohnbauten bestehenden Reihenhaus Eintrachtstrasse 6/8/10. Der Kern der Baugruppe stammt sicher aus dem 18. Jahrhundert, ist möglicherweise aber noch älter. Der obere Hausteil, im 19. Jahrhundert zeitweise eine Schnupftabakfabrik, wurde 1917 abgetragen und unter Walmdach neu aufgebaut. Die für die Häuserzeile charakteristischen vertieften Kellerzugänge erfuhren durch mehrmaliges Erhöhen des Strassenbelags einschneidende Beeinträchtigungen. Das erste Wohngeschoss ist je über eine Freitreppe erreichbar.
122 Häuser Eintrachtstrasse 6/8/10 von Süden.

Richtung Plätzli stösst das Reihenhaus, welches die senkrecht zum See abfallende Eintrachtstrasse auf der Nordwestseite begrenzt, an das ehemalige Restaurant Eintracht, das 1968 geschlossen wurde. Im Vorgängerbau führte der Scherer Lienhard Schinz um 1550 eine Badestube. 1654 gab es hier eine Schmiede. Auf die Geschichte des Plätzlis und weiterer hier gelegener Bauten ist im 1989 erschienenen «Rundgang I durch Wädenswil» hingewiesen worden.




Peter Ziegler