An der Türgass
Quelle: Rundgang I durch Wädenswil, Publikation 1989 von Peter Ziegler
Wir kehren zum
Haus Scheidweg zurück und biegen in die bereits 1546 erwähnte Türgass ein, welche Schönenbergstrasse und Zugerstrasse miteinander verbindet und 1988 mit einer Pflästerung versehen wurde. Die Türgass bildete einst den letzten Gassenzug im alten Dorf. Nachher befand man sich «oben» im Dorf, woran noch heute die 1899/1900 angelegte Oberdorfstrasse erinnert. Die Türgass, die zu Wädenswils bedeutendsten Sehenswürdigkeiten zu zählen ist, wird durch drei Bautypen geprägt: durch grosse Riegelhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert, durch einfache, oftmals mit klassizistischen Stilelementen verzierte einfache Wohnhäuser des 19. Jahrhunderts sowie durch Neubauten, von denen einige der alten Bebauung angepasst, andere aber ohne jeden Bezug zur alten Substanz erstellt wurden.
Der südliche Eingang zur Türgass wird vom einzigen Riegelhaus des oberen Teils beherrscht: vom quer zur Gasse stehenden Restaurant Höfli. Zusammen mit den Bauten Türgass 21 und 23 gegenüber markiert es einen ersten Engpass, der die Rolle eines Tores übernimmt. Von hier bis zum nächsten Engpass beim
Gasthaus Löwen erstreckt sich ein durch Bauten des 19. Jahrhunderts geprägter Teil. Auf der Westseite wechseln senkrecht zur Gasse stehende Gebäude mit sich öffnenden Gärten und Vorplätzen; eine unregelmässige, aber dichte Hausreihe säumt die Strasse auf der Ostseite.
Der quer in der Achse stehende Baukomplex Türgass 9, 11 und 13 trennt den Gassenzug in einen oberen und einen trichterförmig gegen die Zugerstrasse sich öffnenden unteren Teil. Auf der Westseite bilden hier vier grosse Riegelhäuser eine Reihe. Drei sind giebelständig, ein viertes ist traufständig. Diesen Altbauten gegenüber erstreckt sich ein langer, fünfgeschossiger Neubau, welcher unter anderem die 1970 abgebrochene
Wirtschaft Schwanen ersetzt.
(Zur Türgass vgl. Peter Ziegler, An der Türgass, «Allgemeinder Anzeiger vom Zürichsee», Nr. 224 vom 27. September 1960.)
54 Südlicher Eingang zur Türgass. Links das Haus «Höfli» von 1684.
Häuser Türgass 23 und 21
Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Wohnhaus Türgass 23 hat als Abschluss der ursprünglichen Bebauung entlang der Türgass grosse Bedeutung für das Ortsbild. Wegen der angebauten Wohnhäuser Schönenbergstrasse 14 und 16 sowie wegen des 1871 erstellten Zinnenanbaus kommt das Wesen des Hauses nicht mehr voll zum Tragen.
Das 1818 anstelle eines Schopfes erstellte, mit seiner Westfassade direkt an die Türgass grenzende Haus Türgass 21 enthält seit 1843 eine Schlosserwerkstätte. Der heutige Werkstattanbau aus Stahl, Beispiel einer markanten, eigenwilligen Konstruktion, entstand 1923.
56 Haus Türgass 21. Werkstattanbau von 1923 in Stahlkonstruktion.
Häuser Türgass 20 und 22
Die beiden zusammengebauten Häuser Türgass 20 und 22, mit Gärten gegen Süden, grenzen mit ihrer Ostfassade direkt an die Türgass. Der Kern der Bauten reicht in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück, woran die neu eingemeisselte Jahrzahl 1655 auf dem Türsturz des Hauses Türgass 22 erinnert. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden am ganzen Baukomplex zahlreiche Umbauten und Veränderungen vorgenommen. Trotz Vielfältigkeit und Stilllosigkeit, die sich stark von den Riegelhäusern an der Türgass unterscheidet, sind sie ein wichtiger Bestandteil für die Bebauung an der Türgass: Sie beherrschen den Zugang zum innern, zentralen Teil des Gassenzuges. Auf dem Vorplatz auf der Nordseite des Hauses steht ein kleiner Ziehbrunnen von 1830.
57 Hof bei den Häusern Türgass 20 und 22.
58 Haus «Im Riegel» von 1683/1702.
Häuser Türgass 9, 11, 13
Die drei zusammengebauten, 1982 umgestalteten und renovierten Häuser auf der Nordostseite der engsten Stelle der Türgass bilden einen klar erkennbaren Baukomplex. Da es sich um das einzige alte Riegelhaus nordseits der Türgass handelt, kommt den Bauten grosse Bedeutung zu. Die südwestseitige Giebelfront zeigt, dass zwei ursprünglich freistehende, aus den Jahr 1680er Jahren stammende Häuser später durch Anheben und Verlängern eines Daches an ihren Traufseiten miteinander verbunden wurden. Im Gegensatz zur Südostfassade überspannt in der Nordwestfassade ein einziger Giebel die Häuser Türgass 9 und 13. Die Malerei um den Hauseingang in der Mitte der gegen die Türgass gerichteten Traufseite und der Hausname «Rosbüel» wurden 1982 angebracht.
59 Restaurant «Löwen» (links) und Häusern Türgass 9, 11 und 13 (rechts).
60 Haus Türgass 14 von 1711.
Haus Türgass 14
Das herrschaftliche Wohnhaus Türgass 14 wurde 1711 erstellt, also nur wenig später als die Nachbarbauten. Die gegen den Garten hin orientierte Giebelfassade mit in vier Achsen regelmässig angeordneten, in Paaren gekoppelten Fenstern trägt im Riegelbereich gelbschwarz geflammte Massivläden. Pfettenköpfe und Ortbrett sind verziert. Die gegen die Türgass gerichtete Trauffassade ist stark geprägt durch den zweigeschossigen, extrem hoch wirkenden gemauerten Sockel und den vergleichsweise niederen Riegelteil. Der mit 1711 datierte Sturz über der in der Mittelachse angeordneten breiten Türe mit geschmiedetem Oberlichtgitter ist eine Kopie. Das Original befindet sich heute im Hausinnern. Die mit Initialen versehenen Allianzwappen erinnern an den Erbauer und ersten Besitzer: Hans Georg Theiler, 1663 bis 1714 (Schlüssel und Kleeblatt) und Susanna Rellstab, 1669 bis 1732 (Hauszeichen über Dreiberg). Der grosse Trottenanbau an der Südecke des Hauses entstand, gemäss Datierung am Schlussstein des Tores im Westgiebel, im Jahre 1815.
62 Haus Türgass 14: Türsturz von 1711.
63 Haus Türgass 10: Türsturz von 1688.
Haus Türgass 10/12
In den Jahren 1688/89 baute der Krämer Rudolf Theiler das Haus Türgass 10/12 mit zweigeschossigem, über die Riegelfassade des zweiten Obergeschosses vorspringendem gemauertem Sockel und stark prägendem Fachwerk in den oberen Gebäudeteilen. Nach dem Brauch der Zeit zierte Theiler den Sturz der Kellertüre mit der Jahrzahl (1688), dem von den Initialen RT begleiteten Familienwappen sowie dem Wappen seiner Frau Anna Steffan (AS). Der Haupteingang mit Rundbogentüre im Hochparterre der Südfassade trägt die Jahrzahl 1689 sowie das später angebrachte Familienwappen Brupbacher (Einhorn). Es erinnert an den Schlosser Robert Brupbacher, der 1868 Eigentümer der Liegenschaft war.
Die dem alten Portal nachgebildete zweite Türe im bergseitigen Teil des Hauses entstand 1982, als das Haus – mit rekonstruierter Giebelfront – gegen Westen verlängert wurde.
Die gegen die Türgass gerichtete östliche Giebelfassade weist in Reihen angeordnete zwei- und dreifach gekoppelte Fenster auf. Das Riegelwerk im zweiten Obergeschoss und im Giebelfeld betont stark die Diagonalen. Eine über dem zweiten Obergeschoss angebrachte rechteckige Tafel zeigt zwei Meerjungfrauen. Gemaltes Rankenwerk ziert die Dachuntersichten. Auch die Pfettenköpfe sind verziert.
In den 1830er Jahren stellte der Wädenswiler Buchbinder Johann Jakob Hauser-Hofmann in seinem Haus Türgass 10/12 Jasskarten her. Zuerst verfertigte er die Spielkarten als Nebenbeschäftigung, dann gab er den Buchbinderberuf auf und widmete sich ausschliesslich der Kartenfabrikation. Obwohl Hauser einen tüchtigen Gesellen beschäftigte, der früher in der bekannten Kartenfabrik in Schaffhausen gearbeitet hatte, kam das Geschäft nicht zur erhofften Blüte. 1840 wurde über die
Kartenfabrik Hauser an der Türgass der Konkurs verhängt. Eines der Kartenspiele ist im Ortsmuseum ausgestellt.
61 Haus Türgass 10/12 von 1688/89. Aufnahme von 1928.
Haus Türgass 4/6
Vorbei am Wohnhaus Türgass 8, einem um Gebäudetiefe hinter die eigentliche Gassenfront zurückversetzten hohen Bau von 1876 mit dominantem Mansarddach, erreichen wir das Wohnhaus Türgass 4/6, den untersten Bau in der alten Gebäudereihe auf der Westseite der Türgass. Das 1673 erstellte Haus brannte 1973 weitgehend aus und wurde 1978 in Zusammenhang mit der Überbauung des Nachbargrundstücks an der Rosenbergstrasse in alter Gestalt wiederaufgebaut. Auffallend ist der Gegensatz zwischen den verschiedenen Fassaden. Die Traufseite gegen Südosten besteht im nördlichen Drittel aus einer aus Bohlen geschichteten Blockwand und im restlichen Bereich aus zweigeschossigem Riegelwerk. Die gegen die Türgass hin orientierte, gemauerte Giebelfassade mit Riegelwerk im Giebelfeld ist symmetrisch zur Mittelachse gebaut. Zwei einläufige Treppen führen u den beiden nebeneinander liegenden Hauseingängen. Durch das einzelne Rundbogentor nahe der nördlichen Hausecke gelangte man einst in den Laden der Butter- und Käsehandlung Hauser.
Unverputztes Bruchsteinmauerwerk, die Fugen mit kleinen rötlichen Steinen ausgelegt, und grosse Eckquader kennzeichnen die rückseitige Giebelfassade. Weit auskragende Steinplatten überdachen deren Fenster. Am Sturz des mittleren Kellerfensters ist die Jahrzahl 1711 eingemeisselt.
Die Einmündung der Türgass in die Zugerstrasse wurde 1988 platzartig neu gestaltet. Gleichzeitig entstand auch die moderne Brunnenanlage, und man setzte die beiden an das
Wädi-Fäscht von 1987 (700 Jahre Johanniterkomturei) erinnernden Schachtdeckel mit dem Emblem das «Wadimir» ein.
Beim Durchgang im modernen Schwanenblock aus dem Beginn der 1970er Jahre biegen wir von der Türgasse in die Blumenstrasse ein und erreichen, den gekiesten ehemaligen Sekundarschulhausplatz überquerend, das alte Sekundar- oder
Gewerbeschulhaus (Schönenbergstrasse 4a).
64 Haus Türgass 4/6 von 1673. Nach Brand 1978 in alter Gestalt wiederaufgebaut.