Zwei Monumentalbauten der Jahrhundertwende

Quelle: Rundgang I durch Wädenswil, Publikation 1989 von Peter Ziegler

Alte Post

1813 erhielt Wädenswil als erste Gemeinde am Zürichsee ein Postbüro. Es befand sich im Haus des Posthalters am Zentral, wurde um 1845 in den «Frieden» an der Seestrasse und 1854 ins Gebäude neben dem Hotel Engel (Bahnhofstrasse 11) verlegt. 1895 erwarb Jean Streuli den nördlichen Teil des Armenhauslandes am Plätzli und errichtete darauf einen Monumentalbau, in dessen Erdgeschoss die Postlokalitäten eingerichtet werden konnten. Die Eröffnung fand am 14. November 1896 statt.
Der zwischen Friedbergstrasse und Seestrasse gelegene viergeschossige Bau mit hohem, steilem Mansarddach ist eines der grössten und zugleich dominantesten älteren Gebäude im Zentrum von Wädenswil. Das auffällige gebänderte Erdgeschoss übernimmt die Funktion eines hohen Sockels. Wesentliche Elemente sind die beiden Ecktürme, die im Bereich der Obergeschosse durch Balkon und Eckquader betont werden. Auf Fotos der Jahrhundertwende sind auf der zur Seestrasse hin orientierten Hauptfassade zwischen den Fenstern des obersten Stockwerks Jugendstilmalereien zu erkennen.
94 Das 1896 eingeweihte Postgebäude, mit Fassadenmalereien im Jugendstil. Aufnahme um 1900.

1920 wurden die Postlokalitäten an der Seestrasse 105 umgebaut und erweitert und 1954 durch Einbezug der bisher von der Schweizerischen Volksbank gelegten Räume abermals vergrössert. Auf den 15. November 1982 verlegte die Post ihren Betrieb in einen Neubau bei der «Reblaube».
(Über die Post vgl. Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1983.)

«Merkur»

Wir beschliessen unsren kunst- und kulturgeschichtlichen Rundgang durch den Dorfkern von Alt-Wädenswil beim Haus Merkur (Seestrasse 104). Zusammen mit dem ehemaligen Postgebäude bildet dieser mächtige, historische Bau, mit vielfältigen meist klassizistischen Zierelementen, eine fast städtische Situation.
96 Bergseitiger Teil des Wohn- und Geschäftshauses «Merkur» mit bemerkenswerten architektonischen Details.

97 Laden des Einwohnervereins Wädenswil in der Südecke des Geschäftshauses «Merkur», um 1948.

Der «Merkur» wurde anstelle abgebrochener Kleinbauten in zwei Etappen errichtet. 1902/03 baute die Kollektivgesellschaft Kellersberger & Zimmermann den seeseitigen Teil, der mit moderner elektrischer Beleuchtungsanlage ausgestattet wurde. 1905/06 lies der Kaufmann Johannes Schubiger «Zur Fortuna» (Seestrasse 106) bergseits im gleichen Stil ein Wohn- und Geschäftshaus anbauen. Dieses enthielt Wädenswils erstes Warenhaus von Leonhard Ascher. 1918 ging der obere Hausteil ins Eigentum des Einwohnervereins Wädenswil über, der in der folge im Parterre einen Lebensmittel-Verkaufsladen einrichtete.
Der Gebäudekomplex Merkur weist bemerkenswerte architektonische Details auf. Hingewiesen sei auf die beiden vier Geschosse hohen, runden Erker mit Zwiebelhelmen an der Süd- und Westecke, auf die Eckpartien und Lisenen in Quaderwerk, auf die von unten nach oben schmaler werdenden Balkone mit verzierten Eisengeländern, auf die um das ganze Gebäude herumlaufenden profilierten Gesimse und auf die mit würfelartigen Konsolen verzierte Dachuntersicht. Die zur Seestrasse orientierte Fassade wurde oberhalb des in der Mittelachse angeordneten Balkons mit dem Baujahr 1906 datiert.



95 «Merkur»: Balkon und Baudatum 1906.







Peter Ziegler