Vorwort

Der 1989 erschienene Rundgang I durch Wädenswil bietet Anregungen für einen kunst- und kulturgeschichtlichen Streifzug durch den Ortskern. Der in dieser Broschüre beschriebene Rundgang II nimmt das Altersheim auf der Hinteren Fuhr als Ausgangspunkt und führt über die Fuhr und den Unteren Leihof zum Schloss und zur Eichmühle. Durch das Tann geht es dann zum Industriegebiet Reidbach und über Boller, Meierhof, Luft und Buck zur katholischen Kirche und zum Plätzli.
Die Informationen stützen sich neben eigenen Forschungen und Beobachtungen wiederum auf die von der Kantonalen Denkmalpflege erhobene Bestandesaufnahme kunst- und kulturhistorischer Objekte in der Gemeinde Wädenswil, ferner auf das Inventar möglicher Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung, welches die Arbeitsgemeinschaft für Ortsbildpflege und Inventarisation (Zürich) im Auftrag des Stadtrates Wädenswil zu Beginn der 1980er Jahre erstellt hat. Der Denkmalpflege des Kantons Zürich danke ich für die zur Verfügung gestellten Abbildungsvorlagen.


Peter Ziegler
 
1 Ausschnitt aus der Reliefkarte der Gemeinde Wädenswil von 1925, Massstab 1 : 10 000.

Auf der Fuhr

Quelle: Rundgang II durch Wädenswil, Publikation 1990 von Peter Ziegler

Altersheim Fuhr

Das vom Asylverein Wädenswil betriebene Altersheim Fuhr wurde nach Plänen der Gebrüder Bräm erstellt und am 28. April 1928 eingeweiht. Es ersetzte das 1905 bezogene Altersasyl Fuhreck (Fuhrstrasse 20/22). Die Architekten schufen mit den beiden rechtwinklig zueinander gestellten zweistöckigen Trakten, die einen windgeschützten Garten begrenzen und nach der Sonne orientierte Räume enthalten, einen für jene Zeit äusserst modernen Bau. Bemerkenswert ist die bei der Südecke aufgemalte Sonnenuhr, ein Werk des Wädenswiler Kunstmalers Paul Haldimann (1893−1951).

2 Sonnenuhr am Altersheim Fuhr.
3 Altersheim Fuhr von Süden.

Ehemaliger Bauernhof Hintere Fuhr

Bis 1957 lag bergseits des Altersheims, anstelle der heutigen Mehrfamilienhäuser Fuhrstrasse 49 und 51, der Bauernhof Hintere Fuhr. Er bestand bereits im Jahre 1430 und war während Generationen im Besitz der Familie Blattmann, die zur Oberschicht des Dorfes zählte. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewirtschaftete die Familie Hauser das Bauerngut Hintere Fuhr. Es bestand beim Abbruch im Jahre 1957 aus dem Wohnhaus und einer Trotte bergseits der Fuhrstrasse sowie einem Waschhaus seeseits der Strasse. Die zum Hof gehörende Scheune wurde 1927 für den Bau des Altersheims abgebrochen.
4 Bauernhaus Hintere Fuhr von Osten, abgebrochen 1957.

Der Hof Hintere Fuhr war wohl der ursprüngliche spätmittelalterliche Kernhof in diesem Gebiet. Ein Acker «uf der fur» wird in einem Gültbrief aus dem Jahre 1457 erwähnt. Noch 1659 wurde der Flur- und Hofname als «Fur» geschrieben, dass die ursprüngliche Benennung auf Furche zurückzuführen ist und nicht auf die Bedeutung Furt oder Fuhre.

Villen an der Fuhrstrasse

Im Ausgelände des alten Fuhrhofs, am Rand einer steil zum Oberdorf abfallenden Geländeterrasse, entstanden in den 1910er und 1920er Jahren herrschaftliche Villen an der aussichtsreichen Lage. Die Villa Fuhrstrasse 38 mit gebrochenem Walmdach und Gartenpavillon auf der Nordseite einst ein Werk des Architekten Heinrich Müller in Thalwil aus dem Jahre 1911.
Die 1920, während der Epoche des Heimatstils, für den Fabrikanten Karl Wellinger anstelle eines abgerissenen Doppelwohnhauses von 1851 errichtete Villa Fuhrhof (Fuhrstrasse 36) orientierte sich am traditionellen Zürichseehaus.
Der verputzte Massivbau mit in Achsen angeordneter Befensterung und zentralen Quergiebeln in der Südostfassade trägt stark prägende neoklassizistische Züge, so im Treppenhausvorbau auf der Nordwestseite und im Walmdach.
5 Villa Fuhrstrasse 38 von 1911.
6 Villa Fuhrstrasse 36 von 1920.
7 Villa Fuhrstrasse 32 von 1923.

Die Villa Fuhrstrasse 32 ist der dritte markante Villenbau auf der Terrasse zwischen den alten Bauernhöfen auf der Hinteren und der Vorderen Fuhr. Dieses Haus, ebenfalls mit Walmdach gedeckt, wurde 1923 von Baumeister Pasquale Ferrari erstellt. Wie die beiden anderen Villen erhebt es sich in einem ausgedehnten Garten.

Weinbauernhaus Vordere Fuhr

Das ehemalige Weinbauernhaus Vordere Fuhr, ein verputzter Massivbau unter leicht gebrochenem, nur knapp vorspringendem Giebeldach, mit eleganter Walmlukarne in der Südostfassade und zierlichem Gitterbalkon über der gemauerten Freitreppe an der Eingangsfassade steht weithin sichtbar an der Vorderkante der Hauptterrasse über dem alten Dorfkern. Durch die Renovation von 1987 hat es sein rokokohaftes Aussehen – heller Anstrich und vornehme graue Fassung einzelner Teile weitgehend zurückgewonnen. Einen weiteren Farbakzent setzen die türkisblauen Sprossenfenster und die dazu farblich eingestimmten Fensterläden.
8 Vordere Fuhr von Südosten, um 1920. Links die Trotte, welche 1932 abgebrochen wurde.

9 Vordere Fuhr, Südostfassade nach der Restaurierung von 1987.

Besondere Beachtung verdient der Hauseingang: der zierlich profilierte, verkröpfte Sandsteinrahmen mit dem akanthusblattbesetzten Schlussstein und den Initialen des Bauherren-Ehepaares Hans Rudolf Hauser und Susanna Wüest sowie dem Erstellungsjahr 1784 (17.HRH.SW.84), das eingelegte Türblatt in Eiche mit rokokohaft geschwungenem Spiegel, das Oberlichtgitter mit Rocaillemotiven in Schmiedeisenwerk.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Haus den Wohnbedürfnissen jener Zeit angepasst. Eine vor den Kellern auf der talseitigen Giebelfront errichtete Veranda über Holzstützen entspricht - wie Christian Renfer im Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1988 ausführt – stilistisch dem Zinnenaufbau über der rückwärtigen Trauffront, und das dekorativ ausgesägte Stirnbrett an der hinteren Giebellukarne wiederum gehört demselben Formenschatz an wie die hölzerne Zierdekoration an der Kellerveranda. Die beiden Bauteile am Wohnhaus sprechen zudem dieselbe Sprache wie der Stil des Waschhauses, welche 1883 aufgestockt und 1990 renoviert worden ist. Das zierliche Bauwerk, mit altem Sodbrunnen im Innern, weist über einem gemauerten Sockelgeschoss ein einfaches Fachwerk auf. Die wie Zierschablonen ausgesägten Stirnbretter auf den Pfettenköpfen der Vorderseite sind ebenso dem gängigen Repertoire des sogenannten «Laubsägestils» entnommen wie die traufseitige Laube mit ihren ornamentalen Ausschnitten.
10 Vordere Fuhr. Hauseingang mit Datierung 1784.
11 Ofenkachel mit Ansicht der Vorderen Fuhr, 1785.
12 Vordere Fuhr. Waschhaus von 1883.
13 Vordere Fuhr. Brunnen von 1859.

Das Bauerngut Vordere Fuhr wurde 1773 durch Erbteilung von unmittelbar südöstlich benachbarten alten Hof Bühl abgespalten. Der neue Eigentümer, Hans Rudolf Hauser-Wüest (1727−1791), Erbauer des Hauses Vordere Fuhr, gehörte zur Wädenswiler Oberschicht. Er war Hauptmann und bekleidete die Ämter des Landrichters und des Seckelmeisters. Über sechs Generationen hinweg vererbte sich die Liegenschaft in der Familie Hauser auf die heutigen Besitzer. Die bäuerlichen Grundstücke auf der Fuhr – zwischen heutiger Oberdorf- und Unterer Weidstrasse – wurden seit Ende des letzten Jahrhunderts parzellenweise verkauft und mit Ein- und Mehrfamilienhäusern überbaut. Ein Sennereigebäude südöstlich des Wohnhauses wurde 1864 abgebrochen. Die beiden eingewölbten Sennereikeller indessen haben sich unter dem Hausgarten erhalten. Die Schutzobjekte von regionaler Bedeutung dürfen durch die geplante Überbauung am Hang Richtung Oberdorfstrasse nicht zerstört werden. Bergseits des Waschhauses und des wieder laufenden Brunnens von 1859 stand bis 1932 eine Trotte. Heute dehnt sich hier ein Parkplatz aus. (Vgl. auch die Monographie im Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1988.)

Einfamilienhäuser an der Fuhrstrasse

Auf Land, das vom Bauernheimwesen Vordere Fuhr veräussert wurde, stehen die nächsten Häuser, denen unsere Aufmerksamkeit gilt: Das 1923 für den Kaufmann Ernst Zysset erstellte Chalet im Heimatstil (Fuhrstrasse 29), mit Balkenschnitzereien und Hausspruch «Himmelan geht unsre Bahn – wir sind Gäste nur auf Erden»; das 1912/13 von Architekt Heinrich Müller in Thalwil für Lehrer Emil Weber gebaute Einfamilienhaus Fuhrstrasse 27 und das Haus Fuhrstrasse 26 mit auffallend steilem Satteldach und Schablonenmalereien an den Fassaden. Dieses Gebäude wurde 1911 für Gustav Albert Müller (1873−1915) erstellt, der seit 1896 am Reblaubenweg 8 (im heutigen Bereich von Coop und Post) – als Nachfolger des Malers Johann Jakob Fleckenstein – ein bekanntes Geschäft für Schablonenmalerei und Maserierungen führte. Aus Müllers in der ganzen Schweiz bekannten Werkstätte stammten auch die Malereien in der 1909 eingeweihten Turn- und Konzerthalle Glärnisch, die 1987/88 rekonstruiert worden sind. Müllers Haus an der Fuhrstrasse trug ursprünglich Schablonenmalereien in Grün, Rot und Braun an beiden Giebelseiten, an den Dachuntersichten, unter den Traufen und an der Laube. Anlässlich der Aussenrenovation von 1950 wurden nicht mehr alle Malereien erneuert.
14 Chalet Fuhrstrasse 29 von 1923.
15 Haus Fuhrstrasse 27 von 1912/13.
16 Haus Fuhrstrasse 26 von 1911.




Peter Ziegler