Bei der reformierten Kirche

Quelle: Rundgang I durch Wädenswil, Publikation 1989 von Peter Ziegler

Reformiertes Pfarrhaus

Am Alten Eidmattschulhaus vorbei erreichen wir den 1962 neu gestalteten Vorplatz zwischen der reformierten Kirche und dem seit 1931 der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Wädenswil gehörende Pfarrhaus. Es wurde 1759 vom Staat Zürich anstelle eines abgebrochenen Vorgängerbaus erstellt und ist damit älter als die benachbarte reformierte Kirche. Der mit Satteldach gedeckte, in den Hang hineingestellte zweigeschossige Massivbau ruht auf einem Kellergeschoss, das im Nordosten als Vollgeschoss, im Südwesten nur als niedriger Sockel in Erscheinung tritt. Alle vier Ecken zeigen sichtbares Quaderwerk aus Sandstein; die weiss verputzten Aussenmauern sind symmetrisch gestaltet: gegen Nordwesten mit vier, in den übrigen Fassaden mit drei Fensterachsen. Hauptfassade ist die gegen die Kirche orientierte Südwestseite in der Flucht der ehemaligen Friedhofmauer. Die über eine gerade Treppe erreichbare Haustüre mit Pflanzenornamenten im Gitter vor dem verglasten oberen Teil betont die Mittelachse ebenso wie die relativ grosse Walmdachgaube in der Dachfläche.
Links und rechts des Hauseingangs erinnert je eine Grabtafel an den 1862 bis 1866 beseitigten ehemaligen Friedhof bei der Kirche. Die linke Platte ist nicht beschriftet. Die Tafel rechts galt Alt Präsident Johann Jakob Hauser in der Gerbe (1776−1846) und dessen Ehefrau Elisabeth Stäffen (9. April 1776 bis 18. März 1815).
33 Pfarrhaus bei der Kirche, erbaut 1759.
34 Pfarrhaus: Grabtafel für Johann Jakob und Elisabeth Hauser.

Reformierte Kirche

Die 1764 bis 1767 am Standort des abgebrochenen mittelalterlichen Gotteshauses nach den Plänen des Brücken- und Kirchenbauers Hans Ulrich Grubenmann von Teufen (1709−1783) erstellte barocke Querkirche mit Rokokostukkaturen bildet im Grundriss ein Querrechteck (36 x 20 Meter) mit bergseits vorspringendem Risalit (20 x 3 Meter). Vor der Mittes des Risalits steht der 65 Meter hohe Glockenturm. Seine rundbogigen Zwillingsfenster gehen auf romantische Vorbilder zurück, der achtseitige Spitzhelm über leicht geschweiften Giebeln ist gotisches Erbe. Auf den Zifferblättern von 3,3 Metern Durchmesser drehen sich Zeiger, die 1,98 Meter und 1,76 Meter lang sind. Die mit Dokumenten versehene Turmkugel hat Ausmasse von 66 x 63 Zentimetern. Der Turmhahn misst 104 Zentimeter von der Zehe bis zum Kamm und 95 Zentimeter vom Schnabel bis zum Schwanzende. Im Turm hangen fünf Glocken aus den Jahren 1842, 1885, und 1895 mit Gewichten von 4442 kg, 2344 kg, 1317,5 kg, 532,5 kg und 268 kg.
35 Reformierte Kirche nach der Aussenrestaurierung von 1983/84.
36 Reformierte Kirche: Schmiedeeisernes Gitter von 1766.
37 Reformierte Kirche mit Friedhof. Rechts die Häuser an der heutigen Schönenbergstrasse. Zeichnung von Johann Jacob Hofmann, 1771.

38 Das Kircheninnere nach der Innenrenovation von 1950 bis 1952.

Die Kirchenfassade sind durch weitmaschiges System horizontaler und vertikaler Teilungen im Stil der österreichischen Barockarchitektur gegliedert. Auf leicht vorspringendem Sockel ruht ein Hauptgeschoss mit schmalen Rundbogenfenstern. Über deren Scheitel zieht sich ein schmales Gurtgesims hin. Darauf folgt ein niedrigeres, bis zum Dach reichendes Obergeschoss, dessen Fenster oben und unten mit Einzug gerundet sind
Die Lisenen aus Sandstein und die linearen Fassadenmalereien wurden anlässlich der Aussenrestaurierung von 1983/84 nach Vorlagen aus der Bauzeit rekonstruiert. Der ebenerdige Turmeingang weist ein Schmiedeeisengitter von 1766 auf, mit der alten Form des Wädenswiler Gemeindewappens. Die übrigen Eingänge sind mit polygonal geschweiften Haubendächern überdeckt, die auf toskanischen Säulen ruhen.
Im 1950/51 letztmals renovierten stützenlosen Innern, das von einer brückenähnlichen Dachkonstruktion überspannt wird, an welcher die Decke aufgehängt ist, sind besonders bemerkenswert die drei freitragend eingespannten Emporen, die mit Rocaillen, pflanzlichen Elementen und Puttenköpfen gezierten Deckenstukkaturen des Vorarlbergers Peter Anton Moosbrugger (1732−1806), die ebenfalls von diesem Künstler marmorierte hölzerne Kanzel in der Mitte der Längsfassade sowie die 48 Familienwappen ehemaliger Kirchenstuhlbesitzer an den Lehnen je der zweituntersten Stuhlreihe auf den beiden Seitenemporen. Die Kirche verfügt über 1316 Sitzplätze. Im Schnittpunkt des Längs- und Quergangs, die strenge Bankgevierte abteilen, steht der Taufstein von 1767 aus Bündner Marmor. Am Fuss der Kanzelseite haben sich die Behördesitze aus der Landvogteizeit erhalten. Die Farbfenster von 1862 stammen aus der Werkstatt des Zürcher Glasmalers Johann Jakob Röttinger (1817−1877). Die 1952 von der Firma P. Goll in Luzern gelieferte Orgel – die vierte seit 1826 – zählt 49 Register in drei Manualen und wird elektrisch betrieben.
(Über die Reformierte Kirche Wädenswil orientiert ausführlich: Peter Ziegler, Kirche Wädenswil, Wädenswil 1983.)
39 Männerstühle auf der Nordwestempore von 1950, mit Name und Wappen des ersten Besitzers.
40 Plan der von Peter Anton Moosbrugger geschaffenen Stuckdecke von 1766.

41 Längsschnitt durch die Kirche, 1915. Dachstuhlkonstruktion: Orgelempore vor der Erweiterung 1919/20.

42 Grundriss des Kirchenschiffs, 1915. Die Anordnung der Bestuhlung wurde anlässlich der Innenrenovation von 1950/51 leicht verändert.




Peter Ziegler