Vom Boller zum Buck

Quelle: Rundgang II durch Wädenswil, Publikation 1990 von Peter Ziegler

Boller/Oberer Meierhof

Die beiden aus dem 18. Jahrhundert stammenden ehemaligen Weinbauernhäuser im Boller (Bollerweg 50 und 46) entstanden an der ehemaligen Landstrasse, die auf der ersten Terrasse über dem Seeufer durchführte, und zwar auf der Hofstätte des früheren oberen oder äusseren Meierhofes, und bildeten mit den dazugehörenden Ökonomiegebäuden einen bäuerlichen Weiler.
Der grosse Vorgängerhof, Besitz der Johanniterkommende Wädenswil, wurde schon vor 1400 in zwei Heimwesen unterteilt: in den unteren oder niederen und den oberen oder äusseren Meierhof. Der Lehenhof oberer Meierhof, stiess südlich und östlich an den Hof Unter Eichen (Zollingerhäuser), das Tann und das Reidholz und dehnte sich seewärts bis zur Giessenmühle und zur Rothausmatte aus. Im Jahr 1600 zog im oberen Meierhof ein neuer Lehenbauer ein: Bartli Boller. Nach ihm oder seinen Nachfahren wurde der äussere Meierhof in Boller umbenannt.
Das Weinbauernhaus Bollerweg 50, ein heute verputzter Fachwerkbau, steht an der Strassenverzweigung Einsiedlerstrasse/Tannstrasse/Bollerweg. Das Haus mit seeseits über den Erdboden reichendem Kellergeschoss, zwei Wohngeschossen und einem Satteldach ist nicht datiert, dürfte aber im 18. Jahrhundert gebaut worden sein. Die gegen den Zürichsee ausgerichtete Giebelfassade zeigt im Kellergeschoss, das zwei gewölbte Keller enthält, zwei Rundbogenportale mit rautenförmigen aufgedoppelten Torblättern. Die symmetrisch gegliederte Hauswand weist zwei Achsen mit gekoppelten Fensterpaaren auf. Die Fenster der massiv gemauerten Bergseite sind steinumrandet und mit Steinplatten als Wetterschutz überdacht, die übrigen noch mit Holzgewänden eingefasst. Der seeseitige Garten mit älterem Baumbestand, durch eine alte Quadersteinmauer mit Eisenzaun begrenzt, entstand wohl im 19. Jahrhundert. Ein ehemals freistehender Schopf wurde 1864 zum Waschhaus mit Wohnung umgebaut und mit dem Hauptgebäude verbunden.
91 Wohnhaus Bollerweg 50 von Süden.

92 Bollerweg 46. Wappen Blattmann von 1741.
Das typische Zürichseehaus Bollerweg 46 an exponierter Lage zeigt die ortübliche Stellung mit First in der Hangrichtung und Giebelseite zum See. Der 1902 vor die südöstliche Hausfassade gestellte Zinnenanbau verändert die Proportionen des ehemaligen Weinbauernhauses wesentlich. Die seeseitige Giebelfassade mit meist paarweise angeordneten Fenstern weist im Erdgeschoss zwei Kellerportale mit Rundbogensturz auf. Über dem südlichen Portal trägt eine Kartusche das Blattmann-Wappen und die Inschrift «HJB 1741». Diese erinnert daran, dass Hans Jakob Blattmann das Haus im Jahre 1741 gebaut hat. Zum Gehöft gehörten ehemals mehrere Scheunen sowie ein Speicher, der 1897 in ein Wohnhaus (Bollerweg 48) umgebaut wurde.
93 Haus Bollerweg 46, erbaut 1741. Ansicht von Norden.

Ehemalige Brauerei Wädenswil

Auf der Höhe des 1909 gebauten Hauses Bollerweg 36/38 und des Hauses Säntisblick von 1896/97 (Bollerweg 32) sind seewärts Erweiterungsbauten der ehemaligen Brauerei Wädenswil aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sichtbar. Bis 1845 verlegte Heinrich Rusterholz seine 1826 im Haus Grünenhof gegründete Brauerei auf das neue Gelände beim Rothaus. 1856 ging der Betrieb an Gottlieb Naef und Braumeister Michael Weber über. In den 1860er und 1870 wurde der Betrieb gegen die Einsiedlerstrasse hin vergrössert. Die Brauerei Wädenswil blieb bis 1970 in den Händen der Familie Weber. Dann ging sie an die Sibra Holding über. Ende September 1990 wurde die Bierproduktion in Wädenswil eingestellt.
94 Brauereigebäude aus den 1860er und 1870er Jahren.

Doppelwohnhaus Meierhof

95 Weiler Meierhof von Osten. Flugaufnahme von 1979.

Auf dem unteren oder niederen Meierhof der Johanniterkomturei Wädenswil wirtschaftete im Jahre 1431 Hans Buocher. Im frühen 16. Jahrhundert – unter Komtur Johann von Hattstein – ging das Gut an die Familie Wild über, welche in der Folge während mehreren Generationen dessen Geschicke bestimmte.
An die Familie Wild erinnern zwei Inschriften mit Familienwappen über den Wohnhaustüren in der Südostfassade des auffallend grossvolumigen Doppelhauses Meierhof (Meierhofstrasse 24/26). Beide Hausteile wurden gemäss den Jahrzahlen am Bau 1722 erstellt. Die Initialen «HW» und «NRW SB» bedeuten «Hans Wild» und möglicherweise «Hans Rudolf Wild, Susanna Blattmann».
96 Meierhof, Türsturz von 1722.
97 Meierhof, Allianzwappen Wild/Blattmann.

Das barocke Wohnhaus, Nachfolgebau des unteren Meierhofs der Johanniterkomturei, ist in ortsüblicher Weise mit der Giebelseite gegen den Zürichsee ausgerichtet und mit der Hauptfassade nach Südosten. Durch Stellung und Grösse ist es der dominierende Bau des Weilers. Der meist verputzte, kombinierte Massiv- und Fachwerkbau weist über hohem Kellergeschoss zwei Wohngeschosse und drei Dachgeschosse auf.
Auf der Nordseite des Hauses Meierhof stand ehemals ein doppeltes Waschhaus und ein Trotthaus, an dem sieben Eigentümer einen Anteil hatten. 1881 wurdes das Trottwerk abgetragen, und seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Gebäude als Wohnhaus (Meierhofstrasse 22) genutzt.

Sennhütte und Brunnen

Nordwestlich des Meierhofwegs, der vom Weiler zur Etzelstrasse führt, stand seit dem 18. Jahrhundert eine leicht in den Wegraum vorgreifende Sennhütte mit Brunnen. Sie schloss den haufenförmig angeordneten Weiler Meierhof bergseits ab. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Sennhütte gemeinsamer Besitz von acht Nutzniessern. Nach dem Rückgang der Hofsennerei um 1850 wurde das Gebäude als Brennhaus genutzt. Wegen des schlechten Bauzustands wurde die Sennhütte abgerissen und 1989 an leicht verschobenem Standort rekonstruierend wiederaufgebaut. Sie dient heute Wohnzwecken. Der ebenfalls kopierte ehemalige Brunnen mit zwei Trögen aus Sandstein trägt am Stock die Jahrzahl 1989.

98 Meierhof. 1989 erneuerter Brunnen.

101 Detail des Speichers aus dem 18. Jahrhundert.

Stallscheune und Speicher

Flugsparrendreiecke, Schwellen und Bohlen datieren die 1928 bergseits verlängerte Scheune in Holzkonstruktion mit massiven Stalleinbauten ins 18. Jahrhundert. Das zum Fachwerk-Wohnhaus Meierhofstrasse 14/16 gehörende Ökonomiegebäude, ein ehemaliger Bohlenständerbau, grenzt mit der Giebelseite hart an die Meierhofstrasse und bildet mit dem benachbarten Doppelwohnhaus aus dem 18. Jahrhundert einen schmalen Durchgang.
Der an der Wegkreuzung in der Mitte des Weilers gelegene Speicher mit bretterverschaltem Holzrahmengerüst und Satteldach mit Aufschieblingen stammt ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert. Daraufhin deuten vor allem die Flugsparren und die verzierten Flugsparrendreiecke («Züri-Vieri») im breiten Vordach gegen die Meierhofstrasse.
99 Meierhof. Stallscheune, 1990.

102 Wohnhaus Meierhofstrasse 17/19.

Wohnhaus Meierhofstrasse 17/19

Das mehrfach unterteilte ehemalige Doppelwohnhaus aus dem 18. Jahrhundert steht traufständig zum See am Rand der Geländeterrasse und ist auf drei Seiten von Gärten umgeben. Die Fassade Richtung See ist dreigeschossig ausgebildet, jene gegen die Meierhofstrasse zweigeschossig. Hier finden sich drei Eingänge, wovon zwei mit Inschriften im Türsturz: «HH 1841 B» und «1803». Die Jahrzahlen dokumentieren die auch von der Gebäudeassekuranz belegte Aufteilung des Hauses unter mehrere Besitzer im Verlaufe des 19. Jahrhunderts. «HHB» ist als Hans Heinrich Brändli aufzulösen.

Wohnhaus Meierhofstrasse 14/16

Als Ersatz für ein älteres Wohnhaus entstand 1771 als westlicher Bau des Weilers Meierhof das Riegelhaus Meierhofstrasse 14/16, mit massivem Kellergeschoss und zwei Wohngeschossen in Fachwerk. Eine an der Nordecke des Gebäudes eingemauerte Bauinschrift auf Sandsteinquader «HVB / EBH / 1771» nennt das Erstellungsjahr und die Auftraggeber: Hans Ulrich Brändli (1740−1791) und dessen Ehefrau Elisa Betha Huber (1742−1788). Der 1899/89 renovierte Fachwerkbau mit klarer symmetrischer Fassadenordnung und schönem barockem Gitterwerk im Oberlicht der Kellertüre der seeseitigen Giebelfront zeigt die ortstypische Stellung mit der Hauptfassade nach Südosten. Ein ursprünglicher Schopf- und Schweinestallanbau auf der Nordwestseite des Hauses wurde 1881 zu Wohnzwecken umfunktioniert und bei der Renovation 1988/89 besser gestaltet.
100 Wohnhaus Meierhofstrasse 14/16 von 1771. Ansicht von Süden.

Lehenhaus des Schlossguts

Das Wohnhaus Meierhofstrasse 8, ein traufbetonter Satteldachbau mit Ausrichtung der Giebelseite auf den See und mit Hauptfassade nach Südosten, war ehemals ein zum Schlossgut gehörendes Lehenhaus. Es könnte noch aus dem 17. Jahrhundert stammen und bildet mit dem 1845 erstellten spätklassizistischen Wohnhaus Meierhofstrasse 9 auf der gegenüberliegenden Strassenseite eine dem Weiler Meierhof vorgelagerte, ansprechende Baugruppe.

Scheune der Eidgenössischen Forschungsanstalt

An der Wegkreuzung Meierhofstrasse/Schlossgasse steht am Rand einer Geländeterrasse ein wohl im 18. Jahrhundert erstelltes hölzernes Ökonomiegebäude mit zwei massiven Stalleinbauten. Als «Scheune am See» gehörte der Bau zum Schlossgut. Er ist möglicherweise der Nachfolgebau jener Scheune, die als Vordergrund eines Stichs abgebildet ist, den Matthäus Merian 1642 vom Schloss Wädenswil schuf. Am heutigen Ökonomiegebäude sind Ständer, Lüftungswand und Flugsparrendreiecke besonders sehenswert.
103 Wohnhaus Meierhofstrasse 8. Lehenhaus des Schlossguts.

104 Scheune des ehemaligen Schlossguts.

Rebhäuschen im äusseren Letten

Im Areal der Eidgenössischen Forschungsanstalt zwischen Etzelstrasse und Palmenweg steht ein gemauertes Rebhäuschen. Es gehörte ursprünglich zu einem bäuerlichen Heimwesen, das 1826 dem Neubau des Wohnhauses zur Palme weichen musste, und stammt sicher noch aus dem 18. Jahrhundert. Das mit gebrochenem Walmdach gedeckte, würfelförmige Gebäude mit Sockelgeschoss und Ecklisenen hat in der seeseitigen Fassade eine Türe, die über eine Aussentreppe mit Podest erreicht wird, und in den übrigen Fassaden je ein Fenster mit zweit Brettläden. Der einst mit Reblaub umrankte, zweigeschossige barocke Kleinbau wurde 1976 restauriert.





107 Rebhäuschen im äusseren Letten. Aufnahme um 1920.

Wohnhaus Sylvana

Das 1924 für Dr. med. Emil auf der Mauer gebaute Wohnhaus Sylvana (Palmenweg 7) steht am Rand der ersten Geländeterrasse über dem Zürichsee und ist von dort sowie über das unverbaute Gelände bergseits gut einsehbar. Das kubisch wirkende, herrschaftliche Wohnhaus mit prägnantem Mansardendach zeigt neubarocke Formen. Drei Fensterachsen mit Betonung der Mittelachse bestimmen allseits die Fassadenordnung. Der Eingang liegt auf der Mittelachse der Bergseite und ist als Portikus abgebildet: Zwei Kunststeinsäulen stützen einen Balkon mit Schmiedeisengeländer. Vor dem Obergeschoss der Seefassade mit Blendbogen zieht sich ein Balkon über alle Fenster hin.

Wohnhaus zur Palme

Das biedermeierlich geprägte Wohnhaus zur Palme (Palmenweg 6) mit konsequenter, regelmässiger Fassadengestaltung wurde im Jahre 1826 durch den Giessenmüller Caspar Blattmann gebaut. Es ersetzte einen abgetragenen Bau mit Wohnhaus, Scheune und Trotte. Auch das südlich davon gelegene Rebhäuschen gehörte ehemals zum Blattmannschen Heimwesen. Der traufbetonte, zweigeschossige Satteldachbau mit geschweiften, verputzten Untersichten hat symmetrisch gestaltete Fassaden. Ein Quergiebel betont die Mitte der südöstlichen, ein Treppenhausvorbau die Mitte der nordwestlichen Traufseite. Im Schlussstein des Türgerichts ist das Baujahr 1826 eingehauen.
105 Haus Sylvana von 1924, Palmenweg 7.

106 Wohnhaus zur Palme von 1826. Palmenweg 6.
Vom Haus zur Palme aus erreichen wir über den Parkplatz oberhalb des Altbaus der 1895 gegründeten Obst- und Weinbaugenossenschaft Wädenswil das rechts davon gelegene Haus Wellingtonia (Luftstrasse 34).

Haus Wellingtonia

Das um 1750 erbaute Haus mit zweiläufiger Freitreppe an der seeseitigen Giebelfront setzt mit seinen wohlausgewogenen Proportionen im äusseren Luftquartier einen markanten Akzent. Hohe baukünstlerische Bedeutung hat das Gebäude wegen den einzigartigen Sgraffito-Malereien auf der Nordfassade. Diese sind zwischen zwei Fenstern im Giebelfeld mit 1881 datiert, haben im Kanton Zürich Seltenheitswert und dürften von einem Künstler aus der Bauschule Gottfried Sempers stammen. Im unteren Teil herrschen vertikale Felder mit Girlanden, Medaillons mit Frauenbrüsten und nackte Fruchtträger vor. Zwischen den Fenstern des zweiten Stockwerks sind gerahmte antikisierende Landschaften angeordnet, umgeben von Girlanden und Putten. Unter den Fenstern befinden sich liegende Felder, im ersten Stock mit heraldisch angeordneten Drachen und im zweiten Stock mit Medaillons und Frauenköpfen im Profil, gehalten von nackten Figuren, die sich aus Girlanden heraus entwickeln. Die kunstgeschichtliche bedeutenden Sgraffito-Malereien wurden 1979/80 mit Unterstützung des Kantons Zürich fachgerecht restauriert. (Vgl. Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1980.)
108 Fassadenmalerei von 1881 am Haus Wellingtonia, Luftstrasse 34.

Haus Morgenstern

Wir folgen der Luftstrasse Richtung Zentrum, kommen am Park der 1973 abgebrochenen alten Liegenschaft Walfisch vorbei, überqueren die Schlossbergstrasse und stehen bald vor dem von der Strasse bergseits zurückversetzten Haus zum Morgenstern (Luftstrasse 26). Das Gebäude wurde 1834 von Johann Jakob Schnyder-Hochstrasser erstellt und 1893 durch einen Anbau mit klassizistischen Stilelementen erweitert. Schnyder betrieb im «Morgenstern» eine Rosshaarspinnerei und in einem 1859 erstellten und 1989 abgebrochenen Gebäude in der Ecke Luftstrasse/Schlossbergstrasse eine Seifensiederei. 1873 wurde der Betrieb an die Einsiedlerstrasse verlegt, wo bis 1929 etappenweise die Fabrikgebäude der «Rosshaari» entstanden, der heutigen J. Schnyder AG, die Matratzen und Liegemöbel herstellt.
109 Haus Morgenstern von 1834/1893.
Die traufständige Nordostfassade des dreistöckigen Kernbaus von 1834 zeigt in der Mittelachse einen Quergiebel mit Walmdach. Die Fenster sind in sechs Achsen angeordnet. Ein profiliertes Gurtgesims trennt das durch schmale Türen in der zweiten und vierten Achse erschlossene Erdgeschoss von den Wohngeschossen. Der Anbau von 1893 trägt mit dem Dreieckgiebel über der schmalen Bogentüre in der äusseren Achse sowie mit trapezförmigen Schlusssteinen in den Stichbogen der zweit breiten Tore klassizistische Züge.
Die südöstliche Giebelfassade des Kernbaus ist symmetrisch gestaltet: drei dreifach gekoppelte Fenster im Erdgeschoss, je ein dreifach gekoppeltes Fenster in den äusseren Achsen des ersten Stockwerkes und zwei Fenster im Giebelfeld. Die Nordwestfassade tritt wegen des Anbaus von 1893 wenig in Erscheinung. Ihr Giebelfeld weist zwei grosse Rundbogenfenster auf und seitlich davon zwei kleine, annähernd quadratische Fenster. Zur Luftstrasse hin ist dem Haus Morgenstern ein Hof vorgelagert, den eine schulterhohe Mauer von der Strasse trennt.




Peter Ziegler