Häuser an der Türgass

Quelle: Allgemeiner Anzeiger vom Zürichsee, 27. September 1960 von Peter Ziegler

Ein schöner Winkel

Die Türgass zählt zweifellos zu den schönsten Winkeln innerhalb unserer Gemeinde. Hier hat sich ein währschaftes Stück Alt-Wädenswil erhalten, das in seiner Geschlossenheit eine Sehenswürdigkeit bildet. Eine Reihe behäbiger Bürgerhäuser, selbstbewusste Steinbauten aus der Zeit zwischen 1670 und 1780, säumen die Gasse und geben ihr stolzes Gepräge. Die Häuser mit ihren steilen Giebeln und den bemalten Dachuntersichten, mit dem leuchtenden Riegelwerk, den getäferten Stuben und den tiefen gewölbten Kellern; die Häuser mit den behauenen Tür- und Fensterstürzen und den Allianzwappen auf den Schlusssteinen sind Zeugen alter Handwerkskunst und Zeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs und lassen auf Wohlstand und gewissen Reichtum ihrer Erbauer und Bewohner schliessen.

Anwohner

In der Tat wohnten an der Türgass eine Reihe von Gewerbetreibenden und Fabrikanten, die angesehenen Geschlechtern entstammten. Für das 17. Jahrhundert werden etwa erwähnt: Wachtmeister Blattmann, Krämer Rudi Teiler, der Barbier Heinrich Schärer, die Maurer Caspar Baumann und Hans Wyder, ferner Sattler Isler und Schuhmacher Hans Keller. Im 18. Jahrhundert finden wir an der Türgass den Fähnrich Teiler und den Schützenmeister Blattmann, den Pillenmacher Pfister, Chirurg Gattiker und Bäcker Höhn, den Schneider Epprecht, den Sattler Isler, den Stundenrufer Isler und den Schuhmacher Huber. Im 19. Jahrhundert wohnten hier unter anderem der Pastetenbäcker Fleckenstein, der Gärtner Knupp, Kupferschmied Suter, Nagler Dürsteler, der Kartenfabrikant Hauser, Sattler Isler und Tierarzt. Hofmann. All diese Händler und Gewerbetreibenden hatten für ihre Butiken eine günstige Verkaufslage gewählt.

Ein alter Strassenzug

Die Türgass war nämlich in früherer Zeit einer .der drei Hauptstrassenzüge unseres Dorfes. Durch sie ging Verkehr zwischen der alten Landstrasse Zürich–Chur und den Höfen im Berg. Vom Alter der Gasse zeugt schon die Lage: Durch die Türgass gelangte man aus dem Gebiet des Krähbachs und Sagenrains in den Dorfkern, zur Kirche oder zum Gesellenhaus, ins Oberdorf. zum Leihof oder zu den Bauerngütern auf der Fuhr.
Die älteste, bis jetzt bekannte Erwähnung der Türgass findet sich als «Türengass» in einem Wädenswiler Herrschafts-Urbar vom Jahre 1546 (Staatsarchiv Zürich, F IIa 42). Der Name und die Schreibweise variierten in der Folge gar häufig: 1555 «Dürrgassen» und «Dürrengass», 1562 «Türen Gassen», 1580 «an der thüren Gass», 1684 «an der theuren Gass», 1687 «Türrgass», 1690 «Dür Gass», 1796 Dürrgass», Diese Fülle von Ausdrücken erschwert die Deutung des Namens erheblich, Pfarrer Jakob Pfister leitet die Bezeichnung in seinen «Ortsnamen der Pfarrei Wädenswil» von einer Hanf- oder Flachsdarre her. Es wäre aber auch denkbar, dass der Begriff, dessen älteste Form ja «Türengass» lautete, auf ein Türchen oder Gatter zurückgeht. Auf alle Fälle ist die Schreibweise «Thürgass» überholt, da sie auf die Zeit um die Jahrhundertwende zurückgeht: auf eine Zeit, da man Wörter wie Türe, Tor, teuer usw. durchwegs mit th schrieb.
Schreiten wir, von der Schönenbergstrass herkommend, die Türgass hinunter!

Haus Türgass 32, «Höfli»

Als erstes markantes Gebäude mit neulich renoviertem Riegelwerk fällts das Restaurant «Höfli» auf. Dieses Haus – im Jahre 1684 vom hiesigen Maurer Wyder erstellt – gehörte ursprünglich dem Wachtmeister Pfister, welcher von Beruf Krämer war und hier wohl auch seine Krambude hatte. Zu Krämer Pfisters Eigentum an der «theuren gass» (Anspielung auf die damaligen Preise?) gehörte diverses Ausgelände – Krautgarten, Hanfland und Reblauben – das bergseits vom Acker des verstorbenen Sigristen Ulrich Eschmann begrenzt wurde (heutiges Areal Engelburg). Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam die Liegenschaft in den Besitz des Fassführers Jakob Blattmann, und von diesem ging das Haus samt dem angebauten Schweinestall und allem Umland am 9. Mai 1739 auf freier Gant an den Schuhmacher Heinrich Hauser über. Nachdem das Gebäude mehrere Male den Eigentümer gewechselt und eine Zeitlang der Esther Fleckenstein, dann dem Posamenter Theiler ob der Kirche gehört hatte, kam es an Martini 1845 an Johannes Hauser, dann an den Küfer Staub, und ab 1863 war es Besitz von Gottfried Brändli, der in einem 1864 errichteten Nebengebäude eine Metzgerei betrieb. In den 1880er Jahren taucht erstmals die Hausbezeichnung «Höfli» auf.

Häuser Türgass 20, 22, 24

Der unterhalb des «Höfli» gelegene Gebäudekomplex reicht in seinen Anfängen in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Um 1655 erstellte man auf Leutnant Ulrich Schnyders ehemaligem Mattland einen Neubau, der vom Schuhmacher Hans Keller bezogen wurde. Die Liegenschaft scheint ihm aber nicht rentiert zu haben. Deshalb sah sich der Schuster schon sechs Jahre später gezwungen, sein Haus zu unterteilen und die eine Hälfte samt Hanfland dem Caspar Buman, genannt «Clynbübli», auszumieten. Schon 1687 geriet auch der Maurer Baumann in Not. Er musste seinen Besitz verpfänden, und 1696 ist bereits Heinrich Isler, genannt Dübler, Eigentümer des Hausteils. Islers Söhne, Rudolf und der Stundenrufer Jakob Isler, unterteilten ihr halbes Haus erneut. Nachdem auch Baumann sein halbes Haus geteilt und an Jakob Sauter verkauft hatte, bestand das Gebäude an der oberen Türgass aus vier getrennten Hausteilen, von denen in der Folge jeder seine eigene Geschichte hatte und gar häufig den Besitzer wechselte.

Haus Türgass 18, «Im Riegel»

Wechselreich ist auch die Geschichte des etwas von der Türgass weggerückten Hauses «Im Riegel» der Familie Schulthess. Auch dieser Bau datiert, wie die meisten Türgass-Häuser, aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Das Gebäude wurde ebenfalls vom Baumeister Wyder errichtet, eine Zeitlang sogar von ihm bewohnt und am 9. Brachmonat 1683 an Heinrich Schärer und dessen Sohn Michel verkauft. Der frühere Eigentümer sicherte sich zwar noch das Wohnrecht bis Martini 1683, nachher zog er in das heutige Haus «Höfli» um. Da die Käufer offenbar nicht sehr gut bei Kasse waren, einigte man sich auf einen kleineren Preis und traf dafür eine lustige Vereinbarung, die im Interesse beider war. Michel Schärer war nämlich von Beruf Barbier und betrieb in seinem Hause – ähnlich dem Barbier in der Badestube am Plätzli – das Schererhandwerk. Dies machte sich Maurer Wyder zu nutzen, indem er zu Protokoll geben liess, Meister Schärer solle ihn als Ersatz «12 Jahre lang vergäbens barbieren und zu Ader lassen». 1692 ging das Haus an Leutnant und Weibel Caspar Blattmann über und von ihm an den Sattler Kaspar Isler. Isler war eine Zeitlang schwer angefochten. Seine Konkurrenten in Richterswil verübelten ihm nämlich, dass er im Wädenswiler und Richterswiler Berg auf die Stör ging und versuchten deshalb mit Hilfe «der löblichen Sattler der Statt Zürich», dem Sattler an der Türgass das Arbeiten auf Kundschaft zu verbieten. Der Verteidiger Islers, der Wädenswiler Untervogt Hans Jakob Streuli, machte aber mit Erfolg geltend, dass ein solches Verbot erstens den Haushaltungen zum Schaden gereiche und zweitens den konkurrierenden Sattlern aus der Innerschweiz Tür und Tor öffnen würde, was «die gnädigen Herren gewiss nicht wollen ...» Unter Isler wurde der Bau an der Türgass, wie mancher andere im Dorf, in zwei gesonderte Wohnteile getrennt. Eine Jahreszahl im oberen, jüngeren Teil lässt als Datum des Umbaus 1702 vermuten. Die eine Haushälfte verblieb weiterhin dem Sattler Isler und seinen Nachkommen; die andere wurde vom Schneider Epprecht und seinen Erben bewohnt. Noch 1824 betrieb in diesem Hause ein Sattler Isler sein Handwerk. 1842 kam dann die Liegenschaft an Konrad Knupp, der hier eine Gärtnerei begründete, welche 1893 in den Besitz der Familie Schulthess überging.

Haus Türgass 16, «Frohburg», heute «Löwen»

Ungefähr da, wo sich heute das Haus zur «Frohburg» erhebt, stand wohl schon vor der Mitte des 17. Jahrhunderts ein Wohngebäude. Es wird erstmals im Grundprotokoll von 1667 aufgeführt und gehörte dem Jagli Baumann, welcher dem Spital Zürich zinspflichtig war. Offenbar war die Behausung schon alt und baufällig; daher liess Hans Heinrich Suter den Bau im Jahre 1689 neu aufrichten. Ein weiterer Umbau dürfte, laut Jahreszahl an der Türe, ins Jahr 1781 fallen, also in die Zeit, da Landrichter Jakob und Öler Heinrich Gattiker von der Liegenschaft Besitz ergriffen. 1817 liess sich hier der Kupferschmied Rudolf Suter nieder, ein initiativer Handwerker, der den Wädenswilern 1828 eine neue Feuerspritze baute, die als kleines Werk sehr gut ausgefallen sein soll.

Häuser Türgass 9, 11, 13

Das der «Frohburg» gegenüber gelegene Wohnhaus wird schon in den 1680er Jahren, als es Felix Bütschli gehörte, als «zweyfache Behusung» erwähnt, die hinten, unten und vorn an Säckelmeister Hans Ulrich Eschmanns Matten und Hanfland stösst und oben an die Landstrasse (Türgass). Die eine Haushälfte wurde am 29. Brachmonat 1687 samt dem halben Schopf und dem Schweinestall, dem Nussbaum, den Reblauben und der untern Partie des Gartens an Jakob Keller, den Weber, verkauft. Noch 1745 ist ein Angehöriger der Familie Keller im Besitz der einen Haushälfte; die andere wurde damals vom Steinmetz Heinrich Leuthold bewohnt. Dieser hatte am 3. Juni des genannten Jahres von Leutnant Hofmeister gekauft: «1 Behausung samt Garten, Waschhaus und Schweinestall an der Dürgass» und ebenso sämtlichen Hausrat in Stube, Kammer, Keller, Küche und den «übrigen Gehalten». Leutholds Witwe veräusserte ihre Liegenschaft im Februar 1777 mit Zustimmung ihrer vier Kinder an den Bäcker Höhn aus der Oberen Rüti. Von diesem kam das Haus 1805 an alt Landrichter Heinrich Hauser, den Müller zu Mülistalden, wenig später an Rudolf Schneider aus dem Stoffel, und im Oktober 1826 kaufte es der Pastetenbäcker Heinrich Fleckenstein. Er richtete an der Türgass eine Backstube ein, die zwei Jahre später mit Backhaus, Teigmulden, Wirkbank, Backtüchern, Backbrettern, Wasserstanden, Stangen und weiterem Zubehör auf den Sohn, Jakob Fleckenstein an der Türgass, überging. Bis 1843 blieb Fleckenstein an der Türgass dann tauschte er sein Haus mit demjenigen des Konrad Baumann bei der alten Kanzlei. Auch nachdem der Besitz käuflich an alt Gemeindepräsident Kaspar Rellstab auf dem Leihof übergegangen war, hielt Baumann den Bäckereibetrieb aufrecht. 1875 zog dann hier der Bäcker Heinrich Osterwalder ein, der sich auch Anrechte am Sodbunnen zu sichern wusste. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Bäckereibetrieb aufgegeben, und das Haus wurde nun ausschließlich zu Wohnzwecken benutzt.

Haus Türgass 14

Unklar ist die ältere Bau- und Besitzergeschichte des Hauses Türgasse Nr. 14, da es im 17. Jahrhundert nur einmal und lediglich indirekt bezeugt wird. Im Grundprotokoll vom 17. Jänner 1687 lesen wir, dass Wachtmeister Hans Blattmann dem Krämer Rudolf Teiler ein Mattenstück verkauft habe, das «zwüschent ihr beidersyts Hüseren liegt», damit auf diesem Areal ein Wohngebäude aufgerichtet werden könne. Dieses neuerbaute Haus kann eindeutig mit dem Gebäude Türgass 10 identifiziert werden. Rudi Teiler aber erweist sich bis 1690 als Besitzer des weiter unten gelegenen, Hauses Türgass 4. Somit: kommt als Eigentümer der oberen Liegenschaft nur Wachtmeister Hans Blattmann in Frage. Ob er der Erbauer des heutigen. Gebäudes ist, bleibe dahingestellt. Es wäre durchaus möglich, dass das ehemals Blattmannsehe Haus abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt worden wäre. Als mutmassliches Datum für einen solchen Neubau käme das Jahr 1711 in Betracht (Jahreszahl über dem Türsturz). Sichere Anhaltspunkte können jedoch erst aus dem Grundprotokoll vom 17. August 1812 gewonnen werden. Damals übernahm Jakob Teiler – der sich im Gegensatz zu seinen Nachbarn, welche im Handwerk oder Gewerbe tätig waren, zur Landwirtschaft hingezogen fühlte – folgendes Heimwesen: Ein Haus mit angebautem Schweinestall, den halben obern Teil der Scheune, die Hälfte des Waschhauses, einen Garten und ein Mattenstück. Ausserdem war er berechtigt, den Trottbaum in Gemeindeammann Teilers Trotte zu benutzen.
Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die Liegenschaft im Besitz der Familie Teiler. Sie vererbte sich 1815 auf Conrad Teiler und von ihm auf die beiden ältesten Söhne Heinrich und Konrad, welche das Haus «den Gängen nach» teilten. Heinrich erhielt dazu den hintern und mittleren Keller, den vorderen Teil der Scheune mit dem Stall, den oberhalb des Hauses gelegenen Garten und das in Konrads Matten stehende Pulverhäuschen. Konrad Teiler nahm den vorderen Teil des Gebäudes in Besitz, ebenso den Garten, das Mattenstück und die vordere halbe Scheune mit dem Schopf. Konrad Teilers Eigentum ging später an den Tierarzt Hofmann über, welcher einige Jahre darauf auch den andern Hausteil erwarb und somit folgende Liegenschaft besass: Ein Wohnhaus nebst einem Nebengebäude mit Mostpresse und Birnenmühle darin und angebautem Schweinestall, eine Scheune mit Anbau sowie Garten und Matten. 1870 ging das Gut auf die Erben Hofmanns über und von diesen an die Familie Schulthess.

Haus Türgass 10/12

Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass in den 1680er Jahren an der oberen Türgass, im heutigen Haus «Restaurant Höfli», der Krämer Pfister seine Bude eingerichtet hatte. Zur selben Zeit wohnte an der unteren Türgass ebenfalls ein Krämer: Rudolf Teiler. Er ist der Erbauer des Gebäudes Türgass 10. Da sich Teiler wohl aus Platzgründen gezwungen sah, seinen Neubau so nahe an Wachtmeister Blattmanns Behausung zu rücken, dass die Dachtraufen sich beinahe berührten, musste er seinem Nachbarn folgende Zusicherung geben: «Es solle zwüschent beiden Hüsern ynhin nützit gelegt werden, weder Mist noch Holz, damit der Wachmeister auch durchhin gahn könne.» Blattmann aber hatte seinerseits dafür zu sorgen, dass der Krämer jederzeit sein Vieh zwischen den Häusern durchtreiben konnte. Im Sommer 1793 teilten die Söhne des verstorbenen Leutnants Johannes Teiler das väterliche Erbe, welches damals die folgenden Bauten und Grundstücke umfasste: Das Wohnhaus, ein Waschhaus, eine Scheune, eine Trotte mit Weinpresse und Birnenmühle sowie diverses Mattland. 1817 veräusserte dann Rudolf Teiler, als Alleinerbe des Gemeindeammanns Heinrich Teiler, den gesamten Besitz an Buchbinder und Spielkartenfabrikant Jakob Hauser hinter dem «Hirschen». Dieser bezog nun eine der drei Wohnungen; gleichzeitig nahm er Umbauten vor und gliederte dem Waschhaus eine Metzgerei an. Hausers Sohn Eduard baute die Metzgerei zur Schlosserwerkstätte um. Hier betrieb er bis 1868 sein Handwerk; dann verkaufte er die ganze Liegenschaft seinem Konkurrenten, dem Schlosser Robert Brupbacher. Der neue Eigentümer liess sich im Grundprotokoll folgende, bisher nur mündlich vereinbarten Rechte und Servituten garantieren: Jakob Hofmann, der Besitzer des oberen Nachbarhauses, ist verpflichtet, von der Brunnenstube, die in seinem Keller liegt, alles überfliessende Wasser durch eine Teuchelleitung Schlosser Brupbachers Waschhaus zuzuführen. Hofmann hatte auch die Wasserleitung zwischen Brunnenstube und Türgass instand zu halten. Der Schlosser musste ihm jedoch das hierzu notwendige Material unentgeltlich zur Verfügung stellen.
Der heutige Besitzer der Liegenschaft – Schlossermeister Hans Buchmann – liess die späteren Anbauten, welche die Architektur des Hauses störten, entfernen. Dadurch präsentiert sich das frisch renovierte Gebäude äusserlich wieder in den alten, wohlausgewogenen Proportionen, die ihm sein Erbauer in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gegeben hat.
 

Haus Türgass 4/6

Das unterste der Türgass-Häuser gehörte dem bereits erwähnten Krämer Rudolf Teiler. Nachdem jener gegen Ende des Jahres 1688 seine neue Behausung bezogen hatte, entschloss er sich, die alte Liegenschaft seinem Nachbarn, dem Wachtmeister Blattmann, abzutreten. Dieser verliess nun das heutige Haus Türgass 14 und richtete sich weiter unten wieder wohnlich ein. 1766 teilten die Brüder Kaspar und Schützenmeister Johannes Blattmann ihr väterliches Erbe. Johann, der Ältere der beiden, bezog die obere, bergwärts gelegene Haushälfte und sicherte sich den Keller unter beiden Hausgängen und ein «Bäuli» mit einer Wohnung und einem Schweine- und Rossstall darunter. Ausserdem nannte er den an die Türgass grenzenden Garten und eine Weide mit Scheune, Trotte und Birnenmühle im «Mülibach» sein Eigen. Wachtmeister Kaspar Blattmann bewohnte den unteren, seeseitigen Hausteil und war zudem Besitzer eines Käsekellers und einer nordwestlich des Gebäudes gelegenen Brunnenquelle. Mag es auf den ersten Blick scheinen, Kaspar habe bei der Teilung den Kürzern gezogen, so gilt es zu bedenken, dass der Besitz einer Quelle für ihn sehr wertvoll war, umso mehr, als es damals in Wädenswil noch keine öffentliche Wasserversorgung gab. Mit dem Hauseigentümer wechselte jeweils auch die Wasserquelle, welche das sogenannte «Gnadenbrünneli» speiste, ihren Besitzer. Sie gehörte 1796 dem Weibel Blattmann, 1825 einem Jakob Streuli, 1827 dem Weinschenk Gattiker und 1864 dem Kantonsrat Heinrich Blattmann. Mittlerweile hatten auch die Bewohner umliegender Gebäude Anrecht auf die Wasserquelle geltend machen können. So entstand schliesslich eine Brunnengesellschaft, welche 1867 im Grundbuch notarisch zugefertigt erhielt: «Einen Brunnen, genannt Gnadenbrunnen, und einen Ziehbrunnen, sowie einen ausgemarchten Platz (35,5 m2) unterhalb des «Rössli» zu Wädensweil liegend, stosst: 1. an Ulrich Wirthen Garten, 2. an Heinrich Ruckstuhlen Garten, 3. an die Zugerstrasse und 4. an die Dürrgass». Bei der Korrektion des Fuhrweges, der heutigen Rosenbergstrasse, traten die neun Brunnengenossen ihre Gerechtigkeiten an die Gemeinde Wädenswil ab. Diese verpflichtete sich, die Brunnenstube sorgfältig zu decken und räumte der Genossenschaft das Recht ein, «das der letzteren zu Eigentum verbleibende Wasser durch das Gemeindestrassengebiet abzuleiten, behufs allfällig späterer Benützung auf Privatland». Somit verstummte das Plätschern des Gnadenbrunnens. Stehen blieb einzig der Brunnenstock des Ziehbrunnens, und er steht heute noch (1960), mit seinem halb verrosteten Pumpenhebel, im Gärtchen, das zwischen der Türgass und der Rosenbergstrasse liegt.


Nachtrag: Dieses Haus brannte 1973 aus und wurde anschliessend in alter Form wieder aufgebaut.




Peter Ziegler