Auch wir wurden gelegentlich zu Besuch geladen. Eines schönen Tages ging beim Messerputzen der Putzsand zu Ende. Zudem war gerade Donnerstag, und da brauchten ihn die grossen Mädchen für die Sandsteinböden der beiden langen Korridore, die damit wieder eine schöne, silbergraue Farbe bekamen. Zu viert machten wir uns auf zur nahe gelegenen Kiesgrube, suchten jede einen Sandsteinbrocken und einen möglichst in die Hand passenden Stein. Damit setzten wir uns auf die breite Mauer, die das Wiesenbord zur Scheuneneinfahrt schützte, legten den Sandsteinbrocken auf unsere linke Seite und klopften mit dem echten Stein auf den Brocken, bis er zertrümmert und zu feinstem Sand zerrieben war. So sehr waren wir mit Klopfen, Schwatzen und Singen beschäftigt, dass wir erst innehielten, als ein Schatten uns die Sonne verdunkelte. Aufschauend, gewahrten wir einen Mann, aber nein, eher einen vornehmen Herrn mit Goldrandbrille, der uns lächelnd zuschaute und über unser Tun ausfragte. «Wir müssten den Putzsand wieder auffüllen, um die ewig rostenden Messer zu putzen. Dann müssten morgen auch die beiden Sandsteinböden der Korridore sauber gefegt werden, damit sie wieder ihre schöne, silbergraue Farbe bekämen», erklärten wir dem nun lachenden Herrn. Und unsere Vorwitzigste fügte bei, die Mutter sei immer stolz auf die saubern Böden, denn man wisse ja nie, wann Besuch komme und dazu noch jemand aus der Kommission. Der fremde, vornehme Herr lachte über diese Erklärung, dass ihm die Tränen kamen, er die Brille ausziehen und die Gläser abreiben musste. «Wisst ihr was», meinte er schliesslich, «kommt morgen zu mir nach Hause, da könnt ihr euern Staub im See abwaschen. Seid um 14 Uhr beim Bahnhof Au, dort holt euch jemand ab.» Jubelnd liefen wir ins Haus, die freudige Nachricht verkündend. Zwar war Mutter etwas verlegen, als wir ihr das mit den saubern Böden verkündeten. Sie bekam auch ganz rote Backen. Aber der Vater lachte nur wie der vornehme Mann und tröstete sie. Uns aber verriet er, wer der vornehme Mann gewesen war. «Es sei der Herr Weber aus der
Brauerei gewesen, der fast jeden Tag seinen Spaziergang mache und immer grosse Freude an unserm Hühnerhof habe. Im Übrigen hätten wir nun Gelegenheit, uns nach dem Bad bei Herrn und Frau Weber zu bedanken, denn sie schenkten jedes Jahr jedem von uns Kindern zehn Franken fürs Sparbuch. Der Malztreber, den der Melker den Kühen ins Futter mische, und von dem auch wir zuweilen naschten, komme auch aus der Brauerei.» Wir konnten uns vor Freude kaum fassen, auch wenn der Weg in die Au eine Stunde Weg bei dieser Hitze bedeutete. Natürlich gab es vorher noch eine Inspektion. Mutter wollte jedes Badkleid sehen, es musste alles in Ordnung sein. Wir waren mächtig stolz auf unsere Badekleider, die uns die Mutter zusammen mit der Schneiderin und Betreuerin der Mädchen selber genäht hatte. Die meisten Kinder, ob Mädchen oder Buben, besassen zum Baden nur ein Taghemd, das am untern Saum mit einer Sicherheitsnadel zur Hose zusammengehalten wurde. Aber das Bad im herrlich warmen See, dessen Wasser uns am Ufer nur bis zur Hüfte reichte, wir drin sogar sitzen und Muschelschalen sammeln konnten, war für uns eine Herrlichkeit ohnegleichen. Gestärkt mit einem feinen Zvieri, machten wir uns gegen Abend wieder auf den Heimweg, nicht, ohne das Dankeschön zu vergessen. Und es kam noch zu einer «Moral von der Geschichte». Fortan assen wir mit rostfreien Messern.