WIE SICH SCHÖNENBERG VON WÄDENSWIL TRENNTE

Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2004 von Peter Ziegler

ZÜRICHSEE-GEMEINDEN ALS VORBILD

Bis zum 18. Jahrhundert bildeten am linken Seeufer nicht alle heutigen politischen Gemeinden auch eine eigene Kirchgemeinde. Wollishofen und Rüschlikon gehörten zu Kilchberg, Oberrieden und Hirzel zu Horgen, Schönenberg zu Wädenswil und Hütten zu Richterswil. In die oft weit entlegene Pfarrkirche des Hauptortes hatten die Bewohnerinnen und Bewohner aus den abgelegenen Regionen am Zimmerberg die Kinder zur Taufe zu bringen; hier wurden die kirchlichen Ehen geschlossen und auf dem Friedhof die Toten bestattet. Hütten erhielt 1496 eine eigene Jakobs-Kapelle, in welcher der Pfarrer von Richterswil bisweilen Messe las; im Hirzel stand seit etwa 1443 eine Niklaus-Kapelle.1
Als die Bevölkerungszahlen anstiegen und in den Dörfern und deren Aussenwachten ein Gemeinschaftsbewusstsein erwachte, strebten die Bewohner den Bau einer eigenen Kirche und die Bildung einer selbständigen Kirchgemeinde an. 1620 löste sich Hirzel von Horgen, 1680 am rechten Seeufer Uetikon von Meilen, und 1702 baute Wollishofen eine Kirche und trennte sich von Kilchberg.2 Es gab damit Vorbilder in der Gegend, die auch im Wädenswiler Berg, dem heutigen Schönenberg, den Entschluss reifen liessen, sich von der Muttergemeinde Wädenswil abzuspalten.

Kirche Wädenswil, bis 1703 religiöses Zentrum auch für die Bewohner im Gebiet des heutigen Schönenberg. Zeichnung von Geometer Rudolf Diezinger, 1833.

GROSSPFARREI WÄDENSWIL

Die mittelalterliche katholische Pfarrei und seit der Reformation die Kirchgemeinde Wädenswil umfasste das ganze Gebiet vom Zürichsee bis an die Sihl. Die höher gelegene Region, der Wädenswiler Berg, war bei der ersten Volkszählung im Jahre 1634 in vier Zonen eingeteilt:3 Der Haslauber-Kreis erstreckte sich ganz, der Mülistalden-Kreis zum grössten Teil, der Gisenrüti-Kreis mit Rechberg und Maas auf heutiges Gebiet von Schönenberg.
Kirchliches Zentrum für alle in diesem Raum gelegenen Höfe war die Dorfkirche in Wädenswil. Hier besuchte man den sonntäglichen Gottesdienst, hier wurden die Kinder getauft und konfirmiert, die Ehen geschlossen und die Toten bestattet. Der Kirchgang von der Sihl und vom Berg ins Dorf war weit und für ältere Leute oft beschwerlich, namentlich im Winter. Hatte man sich durch Schnee und Eis gekämpft, konnte es dann geschehen, dass man in der engen und überfüllten alten Kirche – dem Vorgängerbau der heutigen Grubenmann-Kirche von 1764/67 – keinen Sitzplatz mehr fand.
Nachdem es wiederholt zu unschönen Auftritten, ja zu Raufereien um Sitzplätze gekommen war, forderten die Bewohner aus dem oberen Wädenswiler Berg bereits in den 1680er-Jahren energisch Abhilfe. Sie verlangten den Bau einer eigenen Kirche im Wädenswiler Berg und wandten sich deshalb im Jahre 1697 an den Zürcher Rat, die zuständige Regierung.

AUF DEM WEG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT

Aufgrund der Akten im Staatsarchiv Zürich kann der Verhandlungsweg nachgezeichnet werden, der schliesslich 1702/03 zum Kirchenbau und zur Bildung der Kirchgemeinde Schönenberg geführt hat:
 
1697, 16. November
Der Zürcher Rat tritt auf das Begehren der Leute aus dem Wädenswiler und dem Richterswiler Berg ein und lädt sie gruppenweise zu einer Aussprache über einen allfälligen Kirchenbau im Berg ins Landvogteischloss Wädenswil ein. Als Erste erscheinen Vertreter der 51 Haushaltungen aus den Regionen Wolfbüel und Geissferen (so hiess die Gegend bei der heutigen Kirche Schönenberg, abgeleitet von der Pflanze Geissfarn). Die Bauern versprechen, 2518 Gulden (1 Gulden = 30 Liter Staatswein) an einen Kirchenbau beizusteuern, wenn die Kirche auf Geissferen gebaut wird.4
 
1697, 17. November
Die Leute ab der Egg, vom Rechberg und aus dem Weiler Tanne werden vorgeladen. Sie vertreten 26 Haushaltungen. Wohl auf Betreiben der Dorfleute bekräftigen sie, sie wollten bei der Pfarrkirche Wädenswil bleiben und wünschten keine Änderung.5
 
1697, 19. November
Die Leute aus dem Raum Spitzen, 36 Haushaltungen vertretend, erklären ihrerseits, im Jahre 1620 habe man ihre Höfe der neuen Kirchgemeinde Hirzel zugeteilt, und daran halte man fest.6
 
1697, 25. November
Im Landvogteischloss Wädenswil erscheinen 42 Hausväter aus dem Richterswiler Berg. Die Mehrzahl will kirchlich weiterhin zur Kapelle Hütten bzw. zu Richterswil gehören. Einige anerbieten sich allerdings zu Geldzahlungen und Materiallieferungen, falls die neue Kirche im Raum Wolfbüel erstellt wird.
 
1697, 4. Dezember
Der Zürcher Rat wählt eine Kommission, die sich mit der Frage eines Kirchenbaus im Wädenswiler Berg zu befassen hat. Sie besteht aus folgenden Mitgliedern: Statthalter Ludwig Werdmüller ( 1652–1708), Seckelmeister Heidegger, Junker Obmann Jakob Blaarer, Johannes Rahn (1637–1716), früherer Landvogt in Wädenswil, Hans Jakob Escher (1654–1726), gewesener Landvogt zu Kyburg. Zum Schreiber wird Johann Jakob Holzhalb bestimmt.7
 
1698, 29. Januar
Die «obrigkeitlich Verordneten wegen des Kirchenbaus in der Herrschaft Wädenswil» erhalten den Auftrag, in die Herrschaft Wädenswil zu reiten und Orte in Augenschein nehmen, wo «am komlichsten ein neüwe Kirchen ze bauwen were».8 Der Rat behält sich aber den alleinigen Entscheid über den endgültigen Standort vor.
 
1698, 29. März
Die Regierung lädt zu einer zweiten Konferenz ins Schloss Wädenswil ein. Anwesend sind auch Hans Conrad Ryff (1651–1700) und Hans Rudolf Körner (1653–1728), die Pfarrer von Wädenswil und Richterswil, sowie der Wädenswiler Untervogt Hans Rudolf Eschmann (1670–1711) und dessen Cousin Hans Jakob Eschmann (1659–1742), der Landschreiber der Herrschaft Wädenswil.9 Die zwölf Mann starke Abordnung aus dem Wädenswiler Berg reicht eine «demütige» Bittschrift ein, in der sie die Notwendigkeit eines Kirchenbaus im Berg darlegt. Das sind ihre Argumente:10 Die Gemeinde Wädenswil ist gross und mit rund 3000 Seelen volksreich. In der Kirche Wädenswil hat es zu wenig Platz. Man spricht schon seit längerer Zeit von einer Erweiterung der dortigen Kirche, hat das Vorhaben aber wegen der hohen Kosten nicht realisiert. Die Leute vom Berg haben wenig Lust, sich an solchen Kosten zu beteiligen. Die Richterswiler Kirche ist ebenfalls zu klein. Das Kirchlein Hütten könnte abgerissen und durch einen Neubau im Berg ersetzt werden, an einem Ort, der den Wädenswiler Bergleuten passt. Auf eine Erweiterung der Kirche Hirzel kann verzichtet werden, wenn man die bisher dort kirchgenössigen Leute der neuen Berg-Kirche zuteilt. Der Bittschrift ist ein Verzeichnis angefügt, wonach die Bergleute für einen Kirchenbau im Berg die Summe von 9018 Gulden und die Lieferung von Baumaterialien zusichern. Pfarrer Ryff erklärt, von Wädenswil erhofften sich die Bergleute 3000 Gulden, das Kirchengut könne diesen Betrag jedoch nicht bezahlen. Untervogt Hans Rudolf Eschmann befürchtet: Jetzt sind die Bergleute sehr eifrig. «Wann aber das Werk angefangen, möchte es ihnen wohl bald verleiden.»
Ausschnitt aus der Zürcher Kantonskarte von Hans Conrad Gyger, 1667. Im Zentrum der Hof Geissferen, seit 1702 Schönenberg.

1698, 29. März
Die obrigkeitliche Kommission nimmt einen Augenschein auf möglichen Bauplätzen:11 auf dem Stollenrain, beim Wirtshaus «Sonne» auf Geissferen, im Wolfbüel und auf der Laubegg. Jeder Ort wird bewertet: Stollen hat eine vorteilhafte Höhe, ist jedoch für den oberen Richterswiler Berg sehr abgelegen; der Zugang ist etwas beschwerlich. Geissferen, wo drei Plätze in Frage kommen, ist ein bequemer Ort, aber von den Häusern entfernt. Wolfbüel, eine vorteilhafte Höhe, hat einen beschwerlichen Zugang, da eine Landstrasse fehlt. Laubegg ist sehr abgelegen. Im Anschluss an die Inspektion möglicher Bauplätze begutachtet die Kommission den baulichen Zustand der Kapelle Hütten. Zur «Defension», d.h. zur Anlage auch eines Verteidigungswerks, ist sie schlecht geeignet. Wegen des schlechten Wetters reiten die Kommissionsmitglieder nach Wädenswil zurück und verzichten auf einen Augenschein in der Kirche Richterswil.12

1698, 30. März
Die Kommission besichtigt die Kirche Wädenswil und nimmt die Masse: Länge ohne Chor 63 Schuh, Chorlänge 16,5 Schuh, Breite des Chors 32,5 Schuh, Breite der Kirche 40 Schuh, Länge der Borkirche (Empore) 17 Schuh, Höhe von unten 10,5 Schuh. Der Augenschein bestätigt, dass eine Erweiterung dieses Gotteshauses ohne grosse Kosten nicht möglich ist. Die Verbreiterung würde sehr teuer, zur Verlängerung müsste für 800 Gulden ein anstossender Garten erworben werden. Der Bau einer neuen Kirche im Berg ist daher gerechtfertigt, erfordert aber finanzielle Beihilfe.13
Nachdem die Kommission für einen Neubau im Wädenswiler Berg plädiert hat, bieten Pfarrer, Kirchenpflege und Dorfleute von Wädenswil alle Kräfte auf, um dies zu verhindern.
Dies ihre Argumente:14 Für die Bergleute gibt es «genügend Gelegenheit für Seelenspeise», nämlich jede Woche vier reguläre Predigten und dazu viele Leichenpredigten. Mit Rücksicht auf die Bergleute wird zudem spät zu diesen Predigten eingeläutet. Die Hauptkirche in Wädenswil ist lediglich an Festtagen zu eng. Durch den Einbau einer Empore kann man diesem Missstand leicht abhelfen. Ein Neubau hätte schädlichste Konsequenzen. Es wird zur Teilung der Kirchen- und Gemeindegüter kommen. Wie sollen dann Kirche, Gemeindehaus, beide Schulhäuser (im Dorf und im Mittelberg) unterhalten werden? Wie sollen die zahllosen Armen weiterhin unterstützt werden? Und übrigens: Wie soll man im Berg eine Kirche bauen, wenn die Gemeinde über keinen Schuh breit Allmendland verfügt, den Bauplatz also zukaufen müsste? Das Vorhaben ist unüberlegt. Wegen Fehljahren und Teuerung ist der Zeitpunkt ungeeignet. Man hat zu handeln begonnen, ohne die Bevölkerung im Dorf je zu fragen. Wädenswil hat den Bergleuten bereits ein Schulhaus im Mittelberg gebaut und damit für sie gesorgt. Die Bewohner im Berg wollen den Kirchenbau nur aus Ehrsucht, weil Hirzel eine eigene Kirche besitzt.
Solche Argumente erzürnen die Bergleute. Sie antworten darauf mit Bibelstellen:15
Unzeitig: So haben auch die Juden zur Zeit des Propheten gesprochen: «So spricht der Herr der Heerscharen: Dieses Volk da sagt: Jetzt ist die Zeit noch nicht gekommen, das Haus des Herrn wieder aufzubauen. Darauf erging das Wort des Herrn durch den Propheten Haggai folgendermassen: Steigt hinauf aufs Gebirge und schlaget Holz und bauet das Haus, so werde ich Wohlgefallen daran haben und mich in meiner Herrlichkeit zeigen, spricht der Herr.» (Haggai 1, 2–8)
Unnötig: So haben auch die Jünger Christi gesprochen: «Als aber Jesus in Bethanien im Hause Simons des Aussätzigen war, trat eine Frau zu ihm mit einer Alabasterflasche voll kostbarer Salbe und goss sie ihm über das Haupt, während er bei Tische sass. Als die Jünger das sahen, wurden sie unwillig und sagten: Wozu diese Verschwendung? Das hätte man ja teuer verkaufen und (den Erlös) den Armen geben können. Was betrübt ihr die Frau? Sie hat doch eine schöne Tat an mir getan ... » (Mat. 26, 6–13)
Unüberlegt: Hagelwetter und Teuerung sagen: Man soll Gott umso mehr und besser dienen. Man hat Seelenspeis genug: Aber der Weg ist weit und wüst. Wir hören weder läuten noch schlagen. Nur wenn man nicht zur Kirche geht, hat man nicht zu eng. Der Herr Pfarrer hat gesagt, es gebe 3000 Seelen. Wenn nur tausend kommen, hat man in der Kirche Wädenswil schon mehr als eng. Mit einer neuen Empore ist den Bergleuten nicht geholfen.
Ehrsucht: Dass wir es aus Ehrsucht tun, ist wahr, denn wir eifern für die Ehre und Lehre Gottes. Wir meinen, Kirchen zu bauen sei keine gefährliche Sache. Wir glauben auch nicht an viele schädliche Konsequenzen.

Sommer 1698
Die Bergleute schreiben an die Regierung, in der Kirche Wädenswil sei alle Sonntage «ein Trucken», besonders an den heiligen Festtagen und am Bettag. Eine Erweiterung der Kirche Wädenswil sei nicht möglich. Eine Verbreiterung bedinge einen ganz neuen Dachstuhl und überdies müsste ein Teil des Friedhofs geopfert werden.16 Schulmeister Heinrich Streuli im Mittelberg zeichnet einen Plan der Bergregion, aus dem hervorgeht, wie zentral Geissferen liegt.17
 
1698, 18. August
Während die Behörden von Wädenswil den Zürcher Rat ersuchen, das Bauvorhaben einzustellen, bemühen sich die Bergleute um die Finanzierung des Projektes. 47 Haushaltungen sichern insgesamt 2343 Gulden an den Kirchenbau zu.18

1698, 6. September
Der Pfarrer, die Richter und der Stillstand (Kirchenpflege) von Wädenswil äussern sich in einem Schreiben an den Zürcher Rat über den geplanten Kirchenbau:19 Kirchenbauten sind eine Gott wohlgefällige und für das Heil der Menschen erspriessliche Sache. Man mag daher auch den Bergleuten eine neue Kirche gönnen. Ein solcher Bau kann aber trotz der Seufzer und Klagen zur gegenwärtigen Zeit nicht ausgeführt werden, denn dies ist «ein Werk von weit grösserem und wichtigerem Ansehen, als sich diese guten Berg-Leute einbilden». Es braucht Platz für eine Kirche, einen Kirchhof, ein Pfarrhaus und für Pfrundgüter. Man benötigt Geld für Kirche, Turm, Glocken und Uhr. Es soll in einer Gegend gebaut werden, die weit vom See entfernt gelegen ist. Das Bauen wird daher teuer, zumal kein Allmendland zur Verfügung steht und die Gemeinde mit eigenem Holz schlecht versehen ist.

1699, 2. Oktober
Schulmeister Heinrich Streuli im Mittelberg formuliert im Namen der Bergleute eine weitere, mit Bibelzitaten gespickte Bittschrift zuhanden der Gnädigen Herren in Zürich.20 Er betont, er sei vom Wädenswiler Landvogt ermutigt worden, «von diesem Vorhaben nicht abzustehen». Er bittet die Obrigkeit, die Sache nochmals zu überdenken. Erneuert wird auch das Versprechen der Bergleute, 1200 Taler an den Kirchenbau beizusteuern. Streuli schliesst die Eingabe in der Hoffnung, «Gott der Herr habe an unserem Wollen auch ein Gefallen».
 
1699, 11. Dezember
Der Vorsteher der Zürcher Kirche, Antistes Anton Klingler (1649–1713), schreibt an den Rat, er finde den Bau einer Kirche auf dem Wädenswiler Berg gerechtfertigt und begründet.21 Die Regierung beauftragt am 12. Dezember 1699 eine neue Kommission, die Akten zu studieren und einen «Ratschlag» abzufassen, wie das Werk unter obrigkeitlicher Aufsicht vorsichtig anzufangen und auszuführen wäre und was für Geldbeiträge und Frondienste von den Bergleuten zu erwarten seien.22
 
23. Juni 1701
Der Wirt Jakob Eschmann am Geissferen verkauft der Kommission – Statthalter Ludwig Werdmüller, Junker Ratsherr und Obmann Wilhelm Blaarer, Ratsherr Johannes Escher, der Wädenswiler Landvogt Heinrich Hirzel-von Salis (1656–1718), Hauptmann Hans Caspar Werdmüller, Ratssubstitut Johann Ludwig Hirzel – für 1300 Gulden und 50 Taler Trinkgeld ein halbes Haus, eine halbe Scheune, Krautgarten, Hanfland und eine Matte – «daruff man vor­habens di nöüw Kirchen, so Gott segnen wolle, ze bauen» – im Wädenswiler Berg, genannt am Geissferen.23
 
1701, 29. September
Die Regierung ratifiziert den mit Jakob Eschmann, Wirt auf Geissferen, abgeschlossenen Landkauf für den Kirchenbau.24 Die Regierung übernimmt es – mit dem Vorbehalt, dass die neuen Gemeindegenossen Frondienste leisten – die Kirche, die Kirchhofmauern und ein Pfarrhaus zu bauen. Der Zürcher Stadtingenieur Hans Caspar Werdmüller erhält den Auftrag, die Baupläne zu zeichnen für eine Kirche mit Turm, ein Pfarrhaus und einen Friedhof mit allseitig hohen Mauern, der gleichzeitig als militärische Befestigung dienen kann. Nach den schlechten Erfahrungen im Ersten Villmergerkrieg von 1656 soll auch das Hinterland des Grenzgebietes Zürich/Schwyz zur Verteidigung vorbereitet werden.
 
1701, 5. Dezember
Der Zürcher Rat hat ursprünglich beabsichtigt, mit dem Kirchenbau im Wädenswiler Berg erst zu beginnen, wenn die dortigen Bewohner die versprochenen 1200 Gulden bezahlt haben. Wegen des schweren Hagelwetters ist ihnen dies unmöglich. Landschreiber Eschmann lässt jeden Hausvater sich durch Unterschrift zur späteren Zahlung verpflichten.25 Solchermassen abgesichert, wagt man sich an den Kirchenbau.
 
1701, 7. Dezember
Zwei zürcherische Ämter, das Seckelamt und das Obmannamt, schiessen die fehlende Geldsumme vor.26
 
1701, 18. Dezember
Der Landvogt berichtet nach Zürich, vorgestern sei alles zum Kirchenbau benötigte Holz gefällt worden.
 
1702, 16. Januar
Stadtingenieur Hauptmann Hans Caspar Werdmüller und Wachtmeister Schneider lassen das Fundament anzeichnen und abstechen, damit die Steine für den Bau an den richtigen Ort geführt werden können. Der Zürcher Schanzenherr liefert Pickel, Schaufeln und Steinnepper auf den Bauplatz, das Zürcher Bauamt einen Hebezug, einen Flaschenzug und Hebeeisen.27
 
1702, 3. Februar
Die von Statthalter Ludwig Werdmüller präsidierte Kommission legt die Masse für die neue Kirche zu Geissferen im Wädenswiler Berg fest:28
Innenlänge: 66 Schuh (19,8 m) Innenbreite: 34 Schuh (10,2 m) Innenhöhe: 24 Schuh (7 ,2 m)
Das Mauerfundament muss 6 Schuh (1,8 m) breit, das übrige Mauerwerk 3 ½ Schuh (1 m) mächtig werden. Da der Kirchhof gleichzeitig als Schanzwerk militärischen Zwecken zu dienen hat, werden die Mauern allseits 15 Schuh (4,5 m) hoch aufgeführt, unten 4 Schuh (1,2 m) und oben 2 Schuh (60 cm) dick.
Schönenberg: Kirche, Pfarrhaus, befestigter Kirchhof und barocker Pfarrgarten. Zeichnung von Heinrich Meister (1700–1781) aus Bülach.

1702, 10. Februar
Die zum Bau verordneten Herren schliessen mit dem Maurermeister Johannes Schneider den Werkvertrag ab. Der in Naturalien entschädigte Meister erhält nebst anderem als Lohn 12 Eimer Wein (1320 Liter) und 12 Mütt Kernen (648 Kilogramm).29 Schneider kann nach seinem Gutdünken Wein aus dem Landvogteischloss Wädenswil und Korn aus dem Obmannamt in Zürich abrufen.

1702, 27. Februar
Mit Amtmann Stadler wird der Werkvertrag über Türgerichte, Türen und Fenster abgeschlossen; mit Meister Rudolf Oeri werden die Steinmetzarbeiten vereinbart.30
 
1702, 6. März
Die Zürcher Kanzlei soll einen «Steuerbrief» aufsetzen. Damit darf man in allen Gemeinden von Haus zu Haus gehen und «eine milde Beisteuer an dieses christliche Werk», den Kirchenbau im Wädenswiler Berg, sammeln.31

1702, 7. April
Die Baupläne erfahren Änderungen: Anstelle eines Spitzhelms für den Dachreiter projektiert man eine kuppelförmige «welsche Haube». Einen Kirchturm wird man erst 1897 erstellen. Die Empore wird verkleinert; sie soll nur bis zum ersten Fenster reichen. Statt des ursprünglich vorgesehenen einen Fensters sollen drei Chorfenster gemacht werden, sodass die neue Kirche total 19 Fenster aufweisen wird.32
Schönenberg um 1850. Lavierte Tuschzeichnung eines unbekannten Künstlers.

Pfarrhaus und Kirche mit Dachreiter. Zeichnung von Lilly Haffter, 1897.
1702 , 24. April
Der Zürcher Rat beschliesst: Die Leute an der Spitzen sollen nicht gegen ihren Willen in die Kirche Schönenberg gezwungen werden. Sie sollen aber beim Bau trotzdem Frondienst leisten. Wer sich dem Frondienst entziehen will, wird mit obrigkeitlichem Ernst dazu angehalten. Zum Trost soll den Helfern nach Vollendung des Hauptbaus ein Trunk und Brot verabreicht werden. Dem Maurer Schneider wird zugeredet, «dass er die guten Leute nicht zu gar übereile und sie mit ungebührlichen Worten zu fernerer Arbeit nicht unwillig mache».33
Antistes Klingler soll künftigen Sonntag von den Kanzeln aller Kirchen im Zürichbiet bekannt machen lassen, dass die Steuer für den Kirchenbau im Wädenswiler Berg gesammelt wird. Die Dekane aller Kapitel sollen den Pfarrern «die christliche Beisteuer an dieses zu Gottes heiligen Ehren und vielen Seelen Heil abzielende Werk» mit Nachdruck empfehlen. Die Dekane werden die Kollekten der Gemeinden ihres Dekanats einsammeln und an Statthalter Ludwig Werdmüller abliefern.34

1702, 27. Dezember
Die Kommission berät, wie das Pfrundeinkommen der neuen «Pfarr im Schönenberg» eingerichtet werden soll. Der Wädenswiler Landvogt Hirzel erhält den Auftrag, zuhanden der Gnädigen Herren einen Vorschlag auszuarbeiten, welche Höfe der neuen Kirchgemeinde zuzuteilen sind, bzw. welche Leute «in die neue Kirche tot und lebendig gehören sollen».35 Der Rat beschliesst, in die neue Kirche eine Wappenscheibe des Standes Zürich zu schenken.36 Weitere Fensterschenkungen mit Familienwappen werden von folgenden Personen zugesichert: Bürgermeister Heinrich Escher (1626 bis 1710), Kommissionspräsident Seckelmeister Werdmüller, Familien Hess, Hirzel, Lavater, alt Landvogt Johannes Rahn-Hirzel (1637–1716), Landvogt Heinrich Hirzel (1656–1718). (Alle diese Wappenscheiben werden beim Sturm vom 16. März 1779 zerstört und nicht mehr ersetzt.) Die Frau des Wädenswiler Landvogts Heinrich Hirzel-von Salis stiftet den Taufstein in die neue Kirche.

1703, 6. Januar
Für den neuen Pfarrer «im Schönenberg» wird vom Zürcher Rat das jährliche Pfrundeinkommen festgelegt.37 Es beträgt: 20 Mütt Kernen (1080 kg), 10 Eimer Wein (1110 l), ein Malter Hafer (150 kg), 6 Klafter Holz (18 m') und 60 Gulden.38 Zum neuen Pfarrhof gehören sodann 1 ½ Jucharten Ackerland sowie Heuwuchs für eine Kuh und Weideland zur Sömmerung von zwei Kühen.39
 
Die Frau des Landvogtes Hirzel stiftete diesen Taufstein in die neue Kirche Schönenberg.
 
1703, 11. Januar
Zum ersten Pfarrer der neuen Kirche «auf dem Schönenberg» wählt der Kleine Rat von Zürich, als Inhaber der Kollatur (Pfarrwahlrecht), Salomon Benz (1671 bis 1744).40 Er bleibt während 41 Jahren, bis zum Tod 1744, Seelsorger in Schönenberg.

1703, 18. März
Dekan Johannes Hegi (1643–1711) in Thalwil weiht die neue Kirche Schönenberg ein. Vorgängig hat er am 11. Januar 1703 aus Zürich die Anweisung erhalten, man sei der Meinung, «dass der Herr Dekan sich der Kürze befleissen und die Predigt nicht länger als eine Stunde dauern möge».
Durch Beschluss des Zürcher Rats wird aus Teilen der alten Kirchgemeinden Wädenswil, Richterswil und Hirzel die neue Kirchgemeinde Schönenberg gebildet.41 Folgende 23 Höfe werden von Wädenswil abgetrennt: Egg, Tanne, Schulhaus Mittelberg, Vorder Rechberg, Maas, Schwarzenbach, Rain, Wald, Haslaub, Gschwänd, Wolfbüel, Geissferen, Langwis, Säubad, Stollen, Au, Buebenwis, Täglischür, Fernegg, Zweierhof, Mülistalden, Chülpen und Rotenblatt. Die Kirchgemeinde Richterswil tritt 13 Höfe ab: Unter und Ober Chneus, Tannenmattli, Langmoos, Vorder Langmoos, Säge!, Unter und Ober Hängerten, Böschen, Rebgarten, Unter und Ober Laubegg und Hütten. Aus der Kirchgemeinde Hirzel wechseln sechs Höfe zu Schönenberg: Äsch, Ober und Unter Wisserlen, Nussbäumen, Müsli sowie Hinter Rechberg.

1703, 31. Mai
Die Bauabrechnung liegt vor. Sie gibt Auskunft über den Bau von Kirche, Pfarrhaus und Ringmauer «am Schönen Berg». Erwähnt werden die folgenden, am Kirchenbau beteiligten Handwerker:42
Maurer: Wachtmeister Johannes Schneider Steinmetz: Meister Rudolf Oeri, Amtmann Stadler
Pulver zum Steinsprengen: Zeugherr Werdmüller
Zimmermann: Meister Heinrich lsler, Wädenswil; Heinrich Hofmann, Erlenbach. Tischmacher: Meister Hans Diezinger (alle Arbeiten in der Kirche, ausgenommen die Kanzel)
Maler: Füssli
Glaser: Waser (Kirche), Ryner (Pfarrhaus) Glasgemälde: Landvogt Wolf (7 grosse und 4 kleine Wappen auf Glas) Schlosser: Hans Georg Strickler von Richterswil
Ziegelware: Untervogt Koller, Hauptmann Meier
Hafner: Heinrich Bleuler, Zollikon (3 Öfen im Pfarrhaus)
Glockengiesser: Zunftmeister Füssli
(2 Glocken)
Kanzel: Trinkgeld an Leutnant Streulis Söhne in der Rietwies Horgen, «weil er die Kanzel verehrt (geschenkt) hat». Abendmahlskannen: Meister Caspar Wirt, Kannengiesser (3 Kannen zum Tisch des Herrn)

Die hölzerne Kanzel von 1702, ein Geschenk des Horgner Tischmachers Streuli.
 
Die Kirchenbaurechnung gibt Einblick in die Finanzierung des Baus. An die Baukosten leisteten der Staat 2500 Gulden, die Bergleute 3085 Gulden 13 Schilling 5 Heller, und durch freiwillige Kirchensteuern zu Stadt und Land kamen 3902 Gulden 6 Schilling 10 Heller zusammen.43 Einnahmen von 8540 Gulden 33 Schilling 5 Heller standen Ausgaben von 8549 Gulden 31 Schilling gegenüber. Die Rechnung war damit beinahe ausgeglichen.

DER NAME SCHÖNENBERG

Die Rede ist anfänglich vom Kirchenbau im Wädenswiler Berg auf Geissferen.44 Nach mündlicher Überlieferung, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht, sollen die Wädenswiler, die beim Kirchenbau Frondienste leisten mussten, gesagt haben: «Mir wänd i da schöön Berg ufe!»45 Dies kann indessen kaum der Ursprung für den Namen Schönenberg sein, den ja die Zürcher Regierung, allenfalls zusammen mit dem Antistes, zu bestimmen hatte. Aktenmässig kann nicht nachgewiesen werden, wer den Namen festgesetzt hat. Erstmals erscheint die Bezeichnung «Pfarr im Schönenberg» am 27. Dezember 1702, im Zusammenhang mit der Festlegung des Pfrundeinkommens.
Weitere Erwähnungen finden sich unter den Daten
1703, 8. Januar: im Schönenberg.46
1703, 9. Januar: auf Sonnenberg.47
1703, 31. Mai: am Schönenberg.48
Im Grundprotokoll wird der Restbesitz von Jakob Eschmann an Martini 1709 umschrieben als gelegen «am Geissferen oder jetzt Schönen Berg». Bis 1728 tragen die Rechnungen des Kirchenguts den Titel: «Kirche am Schönen Berg am Wädenschwyller Berg».49 Ab 1731 ist nur noch «Schönenberg» vermerkt.50
 

1784/86: AUFTEILUNG DES ARMEN- UND BATZENGUTS

Schon vor der Abtrennung Schönenbergs von Wädenswil verfügte die Kirchgemeinde Wädenswil über ein Vermögen: über das Armen- und Batzengut, aus dem vor allem Arme unterstützt wurden. Die Kirchgenossen im Wädenswiler Berg hatten seinerzeit an beide Güter Beiträge geleistet, mit Einbürgerungsgebühren ins Armengut und mit Kirchenkollekten ins Batzengut. Da man es bei der Bildung der neuen Kirchgemeinde Schönenberg im Jahre 1703 unterlassen hatte, das bisher gemeinsame Kirchengut aufzuteilen, entstand mit der Zeit Streit zwischen den Kirchgenossen von Wädenswil und jenen von Schönenberg. 1784 wünschten beide Gemeinden die Aufteilung des Besitzes. Im Einvernehmen mit dem Wädenswiler Landvogt ernannten sie Ausschüsse, welche unter dem Vorsitz des angesehenen Untervogtes Hans Caspar Blattmann tagen und zuhanden der Zürcher Regierung eine beiden Parteien genehme Regelung ausarbeiten sollten.
Bevollmächtigte aus Wädenswil waren nebst Untervogt Blattmann die Landrichter Hauser auf Herrlisberg, Steffen an der Leigass, Theiler ob der Kirche und Streuli am Ort (Au). Aus Schönenberg waren abgeordnet die Landrichter Pfister, Kleiner bei der Tanne, Pfister im Äsch sowie Kirchenpfleger Herdener an der Egg und Schützenmeister Staub in der Hüttmatt. Die beiden Ausschüsse trafen hinsichtlich des Auskaufs zwischen Wädenswil und Schönenberg folgende Abmachungen, die sie am 26. April 1784 in der Kanzlei der Landvogtei Wädenswil zu Protokoll gaben:51
Kirche Schönenberg 1897. Der neue Turm ist vollendet, der Dachreiter noch nicht abgebrochen.

 

1. Das Wädenswiler Armen- und Batzengut beläuft sich auf einen Gesamtbetrag von 10 278 Gulden und 24 Schillinge. Schönenbergs Anteil an diesem Vermögen beträgt 2250 Gulden.

2. Schönenberg erhält diesen Betrag bis Ende 1784 oder bis zur Rechnungsablage an Martini 1785 ausbezahlt.

3. Wädenswil zahlt Schönenberg ab Martini 1784 einen Zins von 90 Gulden, ebenso auf Martini 1785, falls die Summe nicht schon vorher ausbezahlt worden ist.

4. Schönenberg erhebt dann von Wädenswil keine weiteren Forderungen mehr. Die beiden Gemeinden sind fortan in kirchlichen Belangen völlig getrennt.

5. Das Wädenswiler Gemeindegut und das Gemeindehaus (Vorläufer des Hauses «Sonne», abgebrochen 1821) bleiben gemeinsames, unverteiltes Eigentum.

6. Jeder Kirchgenosse von Wädenswil darf sich in der Kirchgemeinde Schönenberg niederlassen, ohne dass er dafür Einzugsgebühren zu entrichten hat. Die gleiche Regelung gilt für Kirchgenossen aus Schönenberg, die nach Wädenswil ziehen.

7. Die in der «Batzenlad» (Archiv- und Geldtruhe) aufbewahrten silbernen Becher und Schalen gehören Wädenswil allein; die leere «Batzenlad» geht an die Kirchgemeinde Schönenberg über.

8. Jede Kirchgemeinde kommt für den Unterhalt und für die Verpflegung ihrer kirchgenössigen Armen selber auf. Wer von der einen in die andere Kirchgemeinde zieht, ohne dort Erb- oder Eigengut zu besitzen, wird im Verarmungsfall wieder der ursprünglichen Kirchgemeinde zugewiesen.

9. Vom Einzug der Fremden, die sich in die Bürgergemeinde Wädenswil (von der sich Schönenberg erst 1813 trennte) einkaufen, fliessen drei Viertel dem Gemeindegut Wädenswil zu, und ein Viertel kommt – je nach Wohnsitz – der Kirchgemeinde Wädenswil oder Schönenberg zu.

10. Die Brautkronen – eine Gebühr von Töchtern oder Witwen, die sich ausserhalb der Gemeinde zu verheiraten gedenken – werden weiterhin dem gemeinsamen Gemeindegut gutgeschrieben.

11. Das Braut- und Bechergeld dagegen – eine Einheiratungsgebühr für fremde Bräute – kommt entweder Schönenberg oder Wädenswil zu, nämlich jener Kirchgemeinde, in der sich die Braut niederlässt.

12. Ab Martini 1784 kommt Schönenberg für folgende fixen Auslagen, die man bisher gemeinsam bestritten hat, allein auf: Abendmahlswein, Wartegeld für die Hebamme, Läuterlohn für den Schulmeister, Spesenvergütung an den Pfarrer für das Abholen der für Bedürftige bestimmten Winterkleider in Zürich. Schönenberg zahlt ferner den vierten Teil der jährlichen Patrouillengelder für die Flur- und Nachtwache sowie einen Viertel der Kanzleikosten für die Abnahme der Rechnungen.

Die von den Abgeordneten der beiden Kirchgemeinden ausgehandelte Auskaufsregelung wurde in der Ratssitzung vom 26. Mai 1784 von der Zürcher Obrigkeit ratifiziert.52 Mit der Überweisung des auf 2206 Gulden 36 Schilling reduzierten Betrags an Schönenberg – das gemeinsame Armen- und Batzengut hatte in der Zwischenzeit abgenommen – wurde am 10. April 1786 die endgültige Lostrennung der beiden Kirchgemeinden vollzogen.53

1811/13: AUFTEILUNG DES BÜRGERGUTES

Auch nach der Bildung der selbständigen Kirchgemeinde Schönenberg und der Ausscheidung der Kirchengüter in den 780er-Jahren blieben die Kirchgenossen von Schönenberg Bürger der alten Bürger- und Nutzungsgemeinde Wädenswil. Eine politische Gemeinde im heutigen Sinne gab es im Ancien Regime noch nicht. Auch die Bürgergemeinde Wädenswil hatte – wie die Kirchgemeinde – eigenen Besitz. Unter anderem gehörte ihr das Wädenswiler Gemeinde- und Gesellenhaus samt Ausstattung, die Gemeindemetzg bei der Kirche, der Gemeindeplatz, der Musterplatz auf dem Geren und das Schulhaus im unteren Mittelberg.
Die Helvetik schuf 1798 die Einwohnergemeinde, damals Munizipalitätsgemeinde geheissen. Auch Schönenberg wurde eine Einwohnergemeinde und erhielt einen Gemeinderat. Nachdem die politische Gemeinde Schönenberg einige Jahre bestanden hatte, fand der Gemeinderat im Jahre 1811, es sei nun an der Zeit, auch den Auskauf aus dem gemeinsamen Gemeindegut zu vollziehen und sich damit vollständig von Wädenswil zu trennen.
Wie schon 1784 setzten beide Gemeinden Kommissionen ein, welche die Teilung vorbereiten mussten. Die Bevollmächtigten konnten sich jedoch über den Teilungsmodus nicht einigen. Streitpunkte waren vor allem die Bewertung des Gemeindehauses in Wädenswil und des Schulhauses Mittelberg. Während Wädenswil den Wert des Gemeindehauses auf 5400 Gulden bezifferte, plädierten die Vertreter von Schönenberg für einen weit höheren Betrag. Da Schönenberg für die Abgeltung aller früheren Besitzrechte am Gemeindegut Wädenswil 2000 Gulden verlangte, Wädenswil aber lediglich 1500 Gulden vergüten wollte, kam das strittige Geschäft am 28. Februar 1812 vor die Kommission für administrative Streitigkeiten in Zürich.54 Diese vermittelte in Anwesenheit von Gemeindeammann Theiler und Batzenvogt Hauser aus Wädenswil sowie Präsident Pfister und Seckelmeister Zürrer aus Schönenberg einen Kompromiss: Wädenswil sollte Schönenberg einen Viertel des auf 7000 Gulden veranschlagten Gemeindegutes auszahlen, also 1750 Gulden. Das Schulhaus Mittelberg und der Trüllplatz für militärische Musterungen im Geren Wädenswil dagegen sollten weiterhin beiden Gemeinden gemeinsam gehören.55
Kirche Schönenberg von Osten, 1985.
 
Die Auszahlung erfolgte auf 1. Mai 1813. Mit Zinsen erhielt Schönenberg von Wädenswil 1864 Gulden 13 Schillinge und 9 Heller. Damit waren alle früheren Verbindlichkeiten zwischen den beiden Gemeinden aufgehoben. Wer Liegenschaften in der einen oder andern Gemeinde besass, wurde dort Bürger, wo der Grundbesitz lag. Und jeder, der fortan aus der einen in die andere Gemeinde umzog, musste einen Heimatschein mitbringen und den «Hintersess», eine Niederlassungsgebühr, bezahlen.56
Mit dem Entscheid der Kommission für administrative Streitigkeiten von 1812 war die Schulsektion Mittelberg unter doppelte Verwaltung gekommen. Durch Beschluss des Erziehungsrates vom 15. März 1834 und nachfolgende Bestätigung durch den Regierungsrat teilte man die Schulsektion Mittelberg nach den Grenzen der beiden Kirchgemeinden auf.57 Die neue Sektion Wädenswil-Mittelberg wurde später zur eigenständigen Schulgemeinde Langrüti, die 1925 aufgehoben und mit der Primarschulgemeinde Wädenswil vereinigt wurde. 1834 hatte Schönenberg eine weitere Bindung mit Wädenswil gelöst. Bereits 1836 ging es jedoch mit dem Beitritt zur neu gegründeten Sekundarschule Wädenswil wieder eine neue Allianz ein.




Peter Ziegler


Anmerkungen

1 Peter Ziegler, Hütten, Wädenswil 1987, S. 12-15. - Jürg Winkler, Der Hirzel, Hirzel 1989, S. 69.
2 Peter Ziegler, Die politischen und kirchlichen Verhältnisse (in den Bezirken Horgen, Meilen und Affoltern) seit 900, in: Christian Renfer, Die Bauernhäuser des Kantons Zürich, Bd. 1, Basel 1982, S. 38–41.
3 StAZ, E II 700.116.
4 StAZ, E I 30.109, Nr. 2, 3, 4.
5 StAZ, E I 30.109, Nr. 4.
6 StAZ, E I 30.109, Nr. 4.
7 StAZ, B II 658, S. 93.
8 StAZ, E I 30.109, Nr. 5.
9 Stammtafel Eschmann in: Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 12, Basel 1951, S. 174.
10 StAZ, E I 30.109, Nr. 8.
11 StAZ, E I 30.109, Nr. 6.
12 StAZ, E I 30.109, Nr. 6.
13 StAZ, E I 30.109, Nr. 7.
14 StAZ, E I 30.109, Nr. 16.
15 StAZ, E I 30.109, Nr.17.
16 StAZ, E I 30.109, Nr. 10, II.
17 StAZ, E I 30.109, Nr. 12.
18 StAZ, E I 30.109, Nr. 14.
19 StAZ, E I 30.109, Nr. 15.
20 StAZ, E I 30.109, Nr. 18.
21 StAZ, E I 30.109, Nr. 20.
22 StAZ, E I 30.109, Nr. 21.
23 StAZ, B XI Wädenswil 4, S. 256c. - StAZ, E I 30.109, Nr. 23.
24 StAZ, B II 675, S. 123/124. - StAZ, E I 30.109, Nr. 26.
25 StAZ, B II 675, S. 212/213.
26 StAZ, B II 675, S. 216. - StAZ, B II 677, S. 2. 21
27 StAZ, B II 677, S. 28/29. - StAZ, E I 30.109, Nr. 35.
28 StAZ, E I 30.109, Nr. 33.
29 StAZ, B II 677, S. 77. - StAZ, E I 30.109, Nr. 34.
30 StAZ, E I 30.109, Nr. 37.
31 StAZ, B II 677, S. 97. - StAZ, E I 30.109, Nr. 38.
32 StAZ, E I 30.109, Nr. 39.
33 StAZ, B II 677, S. 149.
34 StAZ, B II 677, S. 150. - StAZ, E I 30.109, Nr. 40.
35 StAZ, B II 679, S. 241/242. - StAZ, E I 30.109, Nr. 43.
36 StAZ, E I 30.109, Nr. 42.
37 StAZ, E I 30.109, Nr. 44.
38 StAZ, Kataloge 453, S. 162.
39 NZZ vom 14. März 1953.
40 StAZ, B II 680, S. 16.
41 StAZ, E I 30.109, Nr. 48.
42 StAZ, E I 30.109, Nr. 33, 47.
43 StAZ, E I 30.109, Nr. 47. - StAZ, R 224, 1.9., Gutachten des Staatsarchivs von 1892.
44 StAZ, E I 30.109, Nr. 48. - StAZ, B II 677, S. 149, dat. 24. April 1702.
45 Jakob Pfister, Die Ortsnamen der Pfarrei Wädenswil, Wädenswil 1924, S. 21.
46 StAZ, B II 680, S. 12. - StAZ, E I 30.109, Nr.44.
47 StAZ, E I 30.109, Nr. 45.
48 StAZ, E I 30.109, Nr. 49.
49 StAZ, E 130.109, Nr. 55, 57.
50 StAZ, B VII 41.19, Kirchenrechnungen Schönenberg.
51 StAZ, B VII 41.16, dat. 26. April 1784.
52 StAZ, B II 1003, S. 51.
53 Peter Ziegler, Schönenberg auf dem Weg zur selbständigen Gemeinde. Dorfzytig Schönenberg, Nr. 17, November 1984. -Peter Ziegler, Schönenberg, Wädenswil 1985, S. 24-26.
54 StAZ, NN 10.10, S. 26.
55 Stadtarchiv Wädenswil, I B 4. - Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee, Chronik der Lesegesellschaft Wädenswil, 1812.
56 Peter Ziegler, Schönenberg, Wädenswil 1985, S. 26/27.
57 Jakob Pfister, Ortsnamen der Pfarrei Wädenswil, S. 101.