Hütten einst und jetzt

Quelle: «Wochenpost am Zürichsee», 18. Juni 1987 von Peter Ziegler

Hütten liegt im südlichsten Teil des Kantons Zürich, auf den Höhen des Richterswiler Berges und am Nordhang der Hohen Rone. Das 729 Hektaren grosse Gemeindegebiet grenzt im Osten und Südosten an den Kanton Schwyz, im Süden und Südwesten an den Kanton Zug. Der tiefste Punkt, der Spiegel des Hüttnersees, befindet sich 658 Meter über Meer, der höchste, der Höhboden auf der Hohen Rone, 1209 Meter.
Die Lage in voralpiner Moränenlandschaft bedingte seit der frühesten Besiedlungsphase im Hochmittelalter die Streusiedlung. Um 1910 wies die Gegend das schweizerische Maximum an Einzelhöfen auf. Vier grosse Viehzüchterhöfe werden schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwähnt, nämlich Segel (1268), Hütten (1270), Langmoos (1270) und Laubegg (1278). Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts setzte nach Rodungen eine neue Kolonisationswelle am Hang der Hohen Rone ein, und in den Urbaren des 16. Jahrhunderts erscheinen Hofnamen in der Gegend des Hüttnersees.

Gemeindestrukturen

Das Gebiet von Hütten gehörte bis 1287 zur Grundherrschaft der Freiherren von Wädenswil, von 1287 bis 1549 zur Johanniterkommende Wädenswil und von 1550 bis 1798 zur zürcherischen Landvogtei Wädenswil. Dann löste sich Hütten politisch von Richterswil und wurde während der Helvetik (1798–1803) eine selbständige Munizipalitätsgemeinde im Distrikt Horgen. Kirchlich bildete Hütten einen Teil der mittelalterlichen Pfarrei Richterswil. Da der Kirchgang an den See beschwerlich war, stifteten Bewohner der Höfe im Berg eine Kapelle, die 1496 dem heiligen Jakob geweiht wurde. Mit den übrigen Gemeinden der Herrschaft Wädenswil ging auch Hütten 1529 zur Reformation über. Anstelle der 1656 im Ersten Villmergerkrieg zerstörten Kapelle entstand 1668 ein neues kirchliches Gebäude. Dieses versah seinen Dienst bis 1855 und wurde dann durch den heutigen spätklassizistisch-neugotischen Bau des Zürcher Architekten Johann Kaspar Wolff ersetzt.
1703 teilte man die Höfe zu Hütten der neu gebildeten Kirchgemeinde Schönenberg zu. Nachdem seit 1752 ein in der Stadt Zürich wohnender Vikar die Hüttner seelsorgerlich betreut hatte, erhob der Kleine Rat von Zürich 1824 die bisherige Filialpfarrei zur selbständigen Kirchgemeinde.
Die Katholiken aus Hütten besuchten bis 1924 den Gottesdienst in Wädenswil, dann wurden sie der neu gebildeten Pfarrei Schönenberg zugeteilt, der bis heute neben Hütten auch Hirzel gehört. 1969 erhielt Hütten eine eigene katholische Kirche.
Plan Hütten 1856.
 

Krieg in Hütten

Das im Grenzgebiet zwischen dem reformierten Zürich und dem katholischen Schwyz gelegene Gebiet von Hütten war viermal Kriegsschauplatz. Während des Ersten Villmergerkrieges drangen am 1. Februar 1656 katholische Angreifer in die zürcherische Landvogtei Wädenswil ein und verbrannten in Hütten 15 Häuser. Nach diesem Überfall befasste sich der Zürcher Kriegsrat eingehender mit der Verteidigung der Herrschaft Wädenswil. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts liess er zwischen Zürichsee und Sihl fünf in weitem Bogen angeordnete Erdwerke aufwerfen: die Sternenschanze in der Richterswiler Allmend, das Eichschänzli bei Samstagern, die Bellenschanze am Hüttnersee, die Hüttnerschanze zwischen Hütten und der Sihl sowie eine Befestigung, welche die Finsterseebrücke über dem rechten Sihlufer deckte. 1712, während des Zweiten Villmergerkrieges, kam es im Raume Hütten erneut zu Kampfhandlungen. In achtstündiger Abwehr konnte ein Angriff der Schwyzer auf die Landvogtei Wädenswil zurückgeschlagen werden.
Plan von Felix Vogler, 1748. Von links: Bellenschanze, Hüttnerschanze, Schanze Itlismoos, Eichschanze, Sternenschanze.

1799 versuchten Österreicher und Russen vergeblich, die französische Besatzungsmacht aus der Schweiz zu vertreiben. Auch die Gegend des Hüttnersees war nun wieder Kriegsschauplatz. Österreichische Truppen hatten auf Laubegg Quartier bezogen und bekämpften von da aus französische Kontingente.
Zum letzten Mal erfüllte Kriegslärm den Raum Hütten während des Sonderbundskrieges im November 1847. Schwyz und Zug gehörten dem Sonderbund an, Zürich stand auf der Seite der Sonderbunds-Gegner. In der Nacht auf den 14. November 1847 brannten die Schwyzer die Hüttnerbrücke nieder. Auch in den folgenden Tagen gab es in der Gegend Scharmützel zwischen Sonderbunds- und Tagsatzungstruppen; zu grösseren Schäden kam es aber nicht.
 

Molkenkurort Hütten

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Hütten ein bekannter Molkenkurort. Die ersten Kurgäste, meist aus der Stadt Zürich, fanden sich im Jahre 1810 ein. Sie genossen hier Kuhmilch, später auch Ziegenmolken. Beliebt waren Spaziergänge in frischer Landluft. Die Gasthöfe Krone, Bären und Kreuz profitierten vom Ruhm des Kurortes. Dann änderten sich die Zeiten. Der «Bären» wurde 1915 aufgehoben, das «Kreuz» 1982.
Gruss aus Hütten, 1905.

Hütten mit Krone und Bären im Jahr 1900.

Bevölkerungsentwicklung

Im Jahre 1634 zählte Hütten als Teil der Kirchgemeinde Richterswil 299 Einwohner. 1709 registrierte man 404 Einwohner, 1772 schon 559. Die höchste Zahl wurde 1850 mit 718 Bewohnern ermittelt. Der Rückgang der textilen Heimindustrie einerseits und die Abwanderung nach den industrialisierten Seegemeinden andererseits brachten dann erhebliche Bevölkerungsverluste. Zwischen 1850 und 1910 verlor Hütten durch Abwanderung über 25 Prozent der Bevölkerung. Der Tiefststand wurde 1920 mit 523 Einwohnern erreicht. Zwischen 1900 und 1950 blieb die Einwohnerzahl mehr oder weniger konstant. Dann folgte eine Phase der Aufwärtsentwicklung. Ende 1986 zählte die Gemeinde wieder 714 Einwohner. Laut Volkszählung 1980 waren von den 327 Berufstätigen 91 in der Land- und Forstwirtschaft tätig, 111 in Industrie, Handwerk und Gewerbe, 125 im Dienstleistungssektor.
 

Land- und Forstwirtschaft

Verhältnismässig viele Niederschläge begünstigen in Hütten den Grasbau, die Weidewirtschaft und die Viehzucht. Im 19. Jahrhundert war vor allem die Käse- und Butterproduktion bedeutend. Eine Reihe von Sennhütten und Käsereibauten – heute meist anderweitig genutzt – erinnern noch an diese Zeit. Die Viehzählung 1983 ergab 873 Stück Rindvieh, 23 Pferde, 1126 Schweine, 105 Schafe, 20 Ziegen, 8621 Hühner und 73 Bienenvölker.
Die landwirtschaftlich genutzt Fläche der Gemeinde Hütten reduzierte sich von 690,3 Hektaren im Jahre 1891 auf 637,08 Hektaren im Jahre 1960. 1905 zählte man in Hütten 73 Bauernhöfe. Laut Betriebszählung 1955 gab es in der Gemeinde 66 Landwirtschaftsbetriebe und 60 hauptberuflich tätige Landwirte. 1986 existierten noch 40 kleinere bis mittlere Bauernbetriebe, von denen rund ein Drittel dem Berggebiet zugeteilt waren.
Seit dem Mittelalter gehörte den Gemeindegenossen von Richterswil eine ausgedehnte Waldung am Nordhang der Hohen Rone, die Egg. 1808 wurde dieser Besitz zwischen Richterswil und Hütten aufgeteilt. Hütten erhielt den fünften Teil oder 65 Jucharten. Zwischen 1860 und 1900 kaufte die Gemeinde von privaten Eigentümern Wald auf. Vom 729 Hektaren grossen Gemeindegebiet sind heute 242 Hektaren oder rund 32 Prozent bewaldet. 136 Hektaren gehören der Gemeinde Richterswil, 43 Hektaren der Gemeinde Hütten, und in die übrigen 39 Hektaren Waldboden teilen sich 59 private Besitzer.

Verkehr

Im 19. und 20. Jahrhundert baute Hütten sein Strassennetz stark aus. Eine Pferdepost stellte 1872 die Verbindung nach Schönenberg und Wädenswil her. 1887 fuhr erstmals ein Sommerpostkurs Menzingen – Hütten – Schindellegi, der 1890 bis Zug und Feusisberg verlängert, 1916 aufgehoben und 1933 als konzessionierter Autokurs wieder eingeführt wurde. Am 1. Dezember 1922 löste auf der erweiterten Linie Horgen – Hirzel – Schönenberg – Hütten – Wädenswil das Postauto die Rösslipost ab. Im 1949 bezogenen Postauto-Stützpunkt Hütten waren 1984 sieben Postcars stationiert.
Postkutsche Wädenswil – Hütten auf der letzten Fahrt, 30. November 1922.
 

Schule

Von einer Schule «im obern Berg» wird erstmals im Jahre 1640 berichtet. Sie war eine Nebenschule von Richterswil und wurde nur im Winter geführt. 1759 erhielt Hütten ein eigenes Schulhaus, in welchem während vier Generationen die Schulmeister Lattmann unterrichteten. 1838 liess die Gemeinde ein neues, vierstöckiges Schulhaus bauen. Es wurde 1968 durch das Primarschulhaus am Fuss der Schanz abgelöst und dient seither als Probenlokal der Dorfvereine, als Dorfbibliothek und Kindergarten.
Von 1836 bis 1963 besuchten Kinder aus Hütten die Sekundarschule Richterswil-Hütten. Mit der Oberstufenreorganisation von 1963 wurde Hütten – mit Rücksicht auf bessere Verkehrsverbindungen – der Oberstufenschulgemeinde Wädenswil zugeteilt.
 

Gemeindeaufgaben

Mit grossem finanziellem Aufwand hat Hütten in den letzten Jahren verschiedene Gemeindeaufgaben fortschrittlich gelöst. Durch Beschluss der Gemeindeversammlung ging 1970 die 1883 gegründete private Quellwasserversorgung ins Eigentum der Politischen Gemeinde über. Diese liess die Anlagen grundlegend erneuern. Eine elektronische Steuerung in der Betriebswarte beim Schulhaus und eine ferngesteuerte Pump- und Messstation im «Segel» garantieren hohe Sicherheit und rationellen Betrieb. Im Jahre 1984 wurden in der Gemeinde rund 200‘000 Kubikmeter Quellwasser gefasst. Davon verbrauchte Schönenberg 120‘000 Kubikmeter, Menzingen 10‘000 Kubikmeter.
Auch das Abwasserproblem ist in Hütten zu einem grossen Teil gelöst. Das Dorfgebiet und die Weiler Vorder Langmoos, Hinter Langmoos und Segel sind an die Kanalisation angeschlossen. 1980 kaufte sich die Gemeinde definitiv in die Kläranlage Mülenen/Richterswil ein, welcher die Schmutzwässer seit 1974 über ein Pumpwerk bei der Badeanlage am Hüttnersee zugeführt werden.
Geruchsbelästigungen und ein Umdenken in Sachen Umweltschutz veranlassten die Gemeindebehörde, die Kehrichtdeponie über dem 1958 eingedeckten Wäschbach aufzugeben. Seit 1968 wird der Kehricht in die zentrale Verwertungsanlage Horgen gebracht.
Die Feuerwehr verfügt über 60 Hydranten und über Löschwasserreserven im Gebiet Schönau-Örischwand-Heiten. In der alten Postgarage steht seit 1955 ein zweckmässiges Gerätelokal zur Verfügung. Auch das Löschmaterial wurde laufend neusten Entwicklungen angepasst. 1953 beschaffte die Gemeinde eine Zweirad-Motorspritze, 1969 ein Ölwehr-Ortsbesteck, 1970 eine Schlauchwaschmaschine, 1971 einen zweiten Hydrantenwagen, und 1978 bewilligten die Stimmberechtigten den Kredit für die Anschaffung eines Klein-Tanklöschfahrzeugs.
1980 nahm die Gemeinde Hütten ein Mehrzweckgebäude in Betrieb. Mit dem Neubau, der sich gut ins Ortsbild einfügt, erhielt die Primarschule eine Turnhalle und Werkräume, die Politische Gemeinde Räumlichkeiten für die Werkabteilung, und drittens konnten Zivilschutzräume geschaffen werden.

Hüttnersee

Vor etwa 15‘000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit, schürfte eine Seitenzunge des Linthgletschers die Mulde des Hüttnersees aus und türmte den Moränenquerriegel Seerain auf, der den Abfluss des Schmelzwassers hemmte. 1520 wird für das damals noch grössere Gewässer der Name «Bibetsee» überliefert; 1667 tritt der Name Hüttnersee auf, der sich in der Folge durchsetzte. 1945 erliess der Zürcher Regierungsrat eine Verordnung zum Schutze des Hüttnersees. Damit wurden der See und das Flachmoor Storchenweidli mit seiner seltenen Flora bewahrt vor Wochenendhäuschen, Zeltplätzen, Reklameschildern, Gerümpelablagerungen und Motorbootgeknatter. Der Zutritt zum Wasser ist nur im Areal der 1949 eröffneten, auf Gemeindegebiet von Richterswil gelegenen Badeanlage in der Nordostecke des Sees erlaubt.

Gastof Krone Hütten 1905.
 
Gasthof Kreuz Hütten, 1921.




Peter Ziegler