Im Meierhof und auf dem Boller

Manuskript 1996 von Peter Ziegler, überarbeitet

Der Flurname Meierhof kommt in vielen Gemeinden unseres Kantons vor, und immer weist er auf denselben Ursprung hin: Er bezeichnet den Ort, wo in mittelalterlicher Zeit ein Beamter des Grundherrn hauste und in dessen Auftrag Steuern und Zinsen einzog. Ihrer Wichtigkeit entsprechend, lagen die Meierhöfe fast durchwegs an zentraler Stelle, etwa im Dorfkern, bei der Kirche, an einem wichtigen Verkehrsweg oder in der Nähe des grundherrlichen Sitzes. Die beiden letzten Punkte treffen auch für den Meierhof Wädenswil zu, für jenes Gut, das sich aus der Gegend des Giessens bis zum Reidholz hinauf erstreckte und sich dadurch in nächster Nähe der Burg Wädenswil und der Pilgerstrasse nach Einsiedeln befand.

Im Dienst der Freiherren von Wädenswil

Im 13. Jahrhundert war der Meierhof Wädenswil Lehen der Freiherren von Wädenswil und Sitz ihres Verwaltungsbeamten, des Ammanns, der in den Urkunden auch häufig «minister» genannt wird. Während rund zwanzig Jahren, von zirka 1255 bis 1275, erscheint in Wädenswil sechsmal ein Ammann Ulrich; 1286 tritt ein Ammann Heinrich auf, der möglicherweise der Familie Mettler angehörte.1
Der Meierhof war offenbar gut organisiert. Neben Wohn- und Ökonomiegebäuden verfügte er − wie Diethelm Fretz in seinen «Studien zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte der Gemeinden Wädenswil und Richterswil» feststellt − über eine vollständige Schmiedewerkstätte, die auch für die Freiherren Arbeit leistete. Um 1260 führte die Schmiede in Wädenswil ausgerechnet der Bruder des Ammanns Ulrich. Dieser Schmied, des Namens Rudolf, gelangte um 1260 zusammen mit Ammann Ulrich und dem Ammann Rudolf Nägeli in Richterswil in den Besitz des Reidholzes. Genaue Angaben über die Grösse und die Funktion des Wädenswiler Meierhofes können den spärlichen ältesten Urkunden nicht entnommen werden.

Im Dienst der Johanniter

Eine ganz andere Situation bietet sich im 14. und 15. Jahrhundert dar, das heisst zu der Zeit, da die Herrschaft Wädenswil dem Johanniterorden unterstand. Wohl war der Meierhof von den Freiherren an ihre Rechtsnachfolger übergegangen; er wurde aber bald seinem Zweck entfremdet: Der Hof wurde Erblehen, ein unter Nachkommen vererbbares Pachtgut, und war nun ein gewöhnliches Bauernheimwesen, das vom Lehensmann bewirtschaftet und genutzt wurde. Schon vor 1400 war der grosse Liegenschaften-Komplex in zwei kleinere Heimwesen unterteilt worden: in den «Unteren Meierhof» und in das Lehensgut «Oberer Meierhof».

Der Untere Meierhof oder Meierhof

Der Rodel über den Loskauf von Herrschaftsleuten von der Leibeigenschaft gegenüber dem Johanniterorden erwähnt im Jahre 1408 Johannes und Conrad sowie einen Hug «ab dem Meyerhof». 1431 gehörte das Gut den Johannitern, dies es gegen Pacht als Erblehen an Hans Bucher weitergaben. Für die Nutzung dieser Liegenschaft hatte der Lehenmann Bucher jeweils auf Martini einen Zins zu bezahlen, bestehend in 14 Mütt Kernen, 1 Pfund Haller, 4 Hühnern und 100 Eiern.2 Dieses Gut vererbte sich auf die Nachkommen und umfasste gemäss Erblehenbrief, den Komtur Hugo von Montfort ausgestellt hatte, Haus, Hof, Scheunen, Reben, Acker- und Wiesland. Bucher hatte sich das Recht zusichern lassen, in den obrigkeitlichen Waldungen Zimmerholz hauen zu dürfen, damit er jederzeit seine Bauten in gutem Zustand unterhalten könne.
1431 verliehen der Schaffner und die Brüder des Johanniterhauses Wädenswil dem Lehenmann Hans Bucher und all seinen Erben den Hof und das Gut «der Meyerhoff, da der egenant Hans Bucher uffgesässen ist» und erlaubten ihm, in der Wäldern der Komturei, ausgenommen im Reidholz, Holz zum Zimmern zu schlagen.3
Über ein Jahrhundert lang wurde der Meierhof durch die Familie Bachmann bewirtschaftet. 1458 wird Heini Bachmann «auf dem Meierhoff» erwähnt, und im Steuerbuch von 1468 sind Heini und Wälty Bachmann «uff Meyer hoff» verzeichnet.4 Der Hof war offenbar in zwei Haushaltungen aufgeteilt. Die eine wurde von Wälti Bachmann und dessen Frau bewohnt, die andere von Heini Bachmann und seiner Frau und deren verheiratetem Sohn Rudolf. Im Mai 1510 verhandelte Komtur Johannes Heggenzer mit Hans Bachmann über den Auskauf der Holzgerechtigkeit im Reidholz und im Tann. Dabei wurde festgehalten, der Meierhof grenze an den Oberen Meierhof.5

Lehenhof der Familie Wild

Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts, der genaue Zeitpunkt ist unbekannt, ging der Untere Meierhof an die Familie Wild über. 1552 war Hans Wild dort ansässig.6 Seine Familie bestimmte während mehreren Generationen die Geschicke des Hofes. Lehenherr war damals bereits der Rat von Zürich. Kurz zuvor hatte man, nach der Gründung der zürcherischen Landvogtei Wädenswil, vom Meierhof jenes Areal abgetrennt, auf dem 1551 das als Ersatz für die Burg das Schloss gebaut wurde. Dies bewirkte eine Senkung des Zinses.7
1568 schrieb Hans Eschmann, Richter der Herrschaft Wädenswil, für Uli Wild einen neuen Lehenbrief. Dabei wurde ausdrücklich betont, der Meierhof rühre als Lehen «von der Festi» Wädenswil. Jetzt habe ihn Wild kaufweise an sich gezogen.8 Er war nun Hofbesitzer. Aus der Urkunde geht hervor, was damals zum Meierhof gehörte: Haus und Hofstatt, Äcker, Matten und Weiden, sechs Jucharten Wald und drei Jucharten Reben. Die Weide- und Heufläche reichte, um im Sommer zwanzig Kühe zu füttern und im Winter zwölf.9
Als Grenzen der Liegenschaft nennt die Urkunde unter anderem die Hausmatte von Grosshans Knabenhans, die Güter Breite und Bürglen (Schloss-Areal), das Tann, den Oberen Meierhof (= Boller) und die Schmiedgass.
Die Bauern Wild waren darauf bedacht, ihr Eigentum in gutem Zustand zu erhalten. Als 1601 die «Tachung buwens und verbesserung bedürftig gewesen», machten sie die Gnädigen Herren zu Zürich auf die schon 1431 im Erblehensbrief getroffene Vereinbarung aufmerksam, wonach der Besitzer in den Staatswaldungen gratis Schindel- und Bauholz fällen dürfe. Landvogt Conrad Grebel löste die Holzpflicht ab und liess das Dach des Meierhof-Hauses auf Kosten der Landvogtei mit Ziegeln eindeckten. Fortan hatten aber die Wild das Dach auf eigene Kosten instand zu halten.10
Ausschnitt aus dem Lehenbrief vom 9. September 1431. In der mittleren Zeile: «Unnsren hoff und guott genant der Meyerhoff da der genant Hans buocher uffgesässen Jst».

Bis zum Jahre 1607 wurde der Untere Meierhof von den beiden Brüdern Hans und Christian Wild gemeinsam bewirtschaftet. Nun wollten sie die Liegenschaft aufteilen, was ihnen Bürgermeister Konrad Grossmann und der Wädenswiler Landvogt Konrad Grebel im November 1607 bewilligten.11 Am 24. Wintermonat einigten sich die zwei im Beisein von Landvogt Wirz und Richter Eschmann auf folgende Liegenschaften-Teilung: Hans Wild übernimmt die untere Behausung samt den seewärts gelegenen Hausmatten; Christian Wild erhält den oberen Hausteil samt allen andern, zum Hof gehörenden Gütern.
1625 erweiterte Weibel Wild die Nutzfläche des Hofes, indem er eine Matte der Schlossgüter erwarb und dafür einen jährlichen Zins von 13 Mütt Kernen, 3 Hühnern, Eiern und Geld entrichtete.
In den folgenden Jahrzehnten wurde dann Stück um Stück der Ländereien abgestossen. Das Bauerngut schrumpfte mehr und mehr zusammen. 1667 besass Ulrich Wild die eine Hälfte des Doppelwohnhauses Vers.-Nr. 100/101 «usserhalb dem Dorf Wedeschwyl». Dazu gehörten zwei Scheunen, je die Hälfte eines Speichers, einer Trotte und eines Waschhauses.12 Zum Umschwung zählten Krautgarten, Hanfland, Matten, ½ Jucharte Stickelreben, Weide, Acker und zirka 1½ Jucharten Holz und Boden, alles beieinander liegend, genannt «der under Meierhoff».
Die andere Haushälfte gehörte im Jahre 1667 dem Schneider Jakob Suter, der 1693 als Nachbar von Hans Wild, Ulrichs Sohn, bezeichnet wird.13 1690 verkaufte Hans Wild auf dem Meierhof eine zwischen Landvogteischlosses und See gelegene Scheune samt Mattland und Reben im Ausmass von 14 Jucharten dem Richter Heinrich Leuthold und schmälerte damit das Areal des ursprünglichen Meierhofs.14 Dieser war aber schon seit längerer Zeit kein Verwaltungssitz eines Meier mehr, sondern ein zur Pacht verliehenes obrigkeitliches Bauerngut.
Hans Wild hatte offenbar mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn dieses Stück Land war mit 1750 Gulden belastet, sodass ihm bei einem Kaufpreis von 2100 Gulden lediglich 350 blieben. 1691 nahm er daher bei Batzenvogt Jakob Hauser auf Rötiboden einen Kredit von 200 Gulden auf und 1693 150 Gulden bei den Söhnen seines Vetters Hans Caspar Wild sel.15 Niklaus Wild musste 1720 bei Säckelmeister Hans Haab «uff dem Boller» 500 Gulden aufnehmen, damit er seine Schwester Verena auszahlen konnte.16

Neubau von 1722

Das auf dem Meierhof lebende Ehepaar Hans Caspar und Verena Wild-Hottinger hatte mindestens drei Kinder, nämlich die Söhne Hans17, geboren am 2. März 1662, Rudolf18, geboren am 15. August 1671, und Niklaus19, geboren am 26. Dezember 1679. Als die Söhne erwachsen waren und zum Teil eigene Familien gründeten, wurde der Raum im Weiler Meierhof eng. So entschlossen sich die Brüder Hans und Rudolf zum Bau eines neuen Doppelwohnhauses (Meierhofstrasse 24/26), während Niklaus als jüngster vermutlich das ältere elterliche Heimwesen übernahm.
Haus Meierhof 1984.

Das 1722 erstellte stattliche Doppel-Wohnhaus − der herausragende Bau des Weilers − wurde in der ortsüblichen Weise mit der Giebelseite gegen den See ausgerichtet und mit der Traufseite gegen Süden. Der von barocken Stileinflüssen geprägte, grossvolumige, verputzte Massiv-Fachwerkbau hat über hohem Kellergeschoss zwei Wohngeschosse und, eher eine Seltenheit, drei Dachgeschosse. Der gerade Türsturz des oberen Hausteils Vers.-Nr. 103 trägt die Inschrift «17 H W 22», jener des unteren Hausteils Vers.-Nr. 102 die Inschrift «17 HRW SB 22» und dazu zwei Wappen. Mit Hilfe der Kirchenbücher lassen sich diese Initialen aufschlüsseln. HW bedeutet Hans Wild; HRW Hans Rudolf Wild und SB Susanna Blattmann. Die gleiche Aussage macht auch das in Stein gehauene Allianzwappen: das Familienwappen Wild mit dem Wilden Mann und das Familienwappen Blattmann mit dem halben Mühlrad. Hans Wild, Erbauer und erster Besitzer des oberen Hausteils, starb am 30. Oktober 1735 als Junggeselle im 75. Altersjahr.20 Dies die Erklärung, weshalb im Sturz der oberen Türe Initialen einer Ehefrau und Allianzwappen fehlen.
Meierhofstrasse 24 und 26: Türsturz am Haus Meierhof mit Datierung 1722. Aufnahme von 1979.

Die Ehe von Hans Rudolf Wild und Susanna Blattmann von Richterswil wurde um 1690 geschlossen. 1691 kamen der Sohn Rudolf, 1692 die Tochter Elisabeth, 1694 Anna und 1696 Ulrich zur Welt.21 Hinter den Initialen HRW SB verbirgt sich auch Tragik. Im selben Jahr, da das neue Haus im Meierhof fertiggestellt wurde, starb Hans Rudolf Wild im Alter von 50½ Jahren.22
Ein Neubau im Ausmass des stattlichen Meierhofhauses von 1722 bedurfte finanzieller Mittel. Laut Grundprotokoll waren die Eichmüller Blattmann die Geldgeber. Noch 1736 schuldete man Säckelmeister Hans Jakob Blattmann, nun auf dem BoIler ansässig, die Summe von 2400 Gulden. Als Sicherheit (Unterpfand) stellte Niklaus Wild namens seines verstorbenen Bruders Hans Wild: «Diejenigen Stuck und Güter, als eine Behausung, so vor wenigen Jahren neu gebaut worden, wie solche geteilt, item Anteil Scheune, Garten, Hanfland, Weid, Matten, Reben, Holz und Zugehörd, wie er es von seinem Bruder Hans Wild selig ererbt und bekommen habe, auf dem Meierhof genannt und gelegen.»
Haus Meierhof, Allianzwappen Wild/Blattmann. Aufnahme von 1979.

Im Besitz der Familie Höhn

Im April 1739 verkaufte Niklaus Wild, Erbe des Bruders Hans Wild, seinen Anteil am Gut «genannt uff dem Meyerhof» auf offener Gant dem Schützenmeister Hans Heinrich Höhn, dies im Beisein von Landvogt Johann Ulrich Lochmann, Untervogt Hans Rudolf Eschmann und Säckelmeister Hans Jakob Blattmann.23 Damit hielt «uff dem Meyerhof» eine Familie Einzug, welche die Geschicke des Haupthauses des Weilers bis ins 19. Jahrhundert hinein bestimmen sollte. Der Familie Höhn gelang es nämlich, auch den unteren Hausteil zu erwerben. Ob dies vor oder nach 1739 der Fall war, ist ungeklärt. An Martini 1784 verfügte Heinrich Höhn auf dem Meierhof über ein Haus samt Waschhaus und Schweinestall, wie auch Trotthaus mit halber Trotte (halbes Nutzungsrecht) und Birnenmühle darin.24 Im Weiteren hatte Höhn einen Drittel Anteil an der Sennhütte Meierhof, besass eine halbe Scheune (die andere Hälfte war Besitz des Geschworenen Blattmann), ferner Garten, Hanfland, Matten und 1½ Jucharten Reben auf dem Meierhof. Das Gut warf Futter ab für die Sömmerung und Winterung von zwei Kühen und war mit Hypotheken belastet, die auf Zimmermann Heinrich Isler auf Rutenen, auf Feldsattler Isler an der Türgass und auf Säckelmeister Heinrich Blattmann auf dem Bühl lauteten.
Aus einer etwas jüngeren Güterumschreibung, datiert vom 2. Mai 1793, geht hervor, dass zum Meierhof-Besitz von Heinrich Höhn zudem eine unterhalb der Eichmatte gelegene Matte und Weide mit Scheune gehörte, zudem besass Höhn 1½ Jucharten Holz und Boden südöstlich des Schlosses und eine weitere Jucharte Wald im Reidholz.25 Die in der Nähe des Reidholzes gelegene Matte und Weide samt Scheune, ein Rebstück auf dem Meierhof und ein Viertel Nutzungsrecht an Trotte und Birnenmühle in Höhns Trotthaus gingen am 10. Juni 1796 durch Kauf in den Besitz des Geschworenen Jakob Blattmann auf dem BoIler über.26
Heinrich Höhn muss bald nach diesem Verkaufsakt gestorben sein. Bereits an Martini 1796 treten nämlich Hans Höhns Erben in Erscheinung.27 Am 16. Januar 1797 teilten die Brüder Heinrich und Jakob Höhn, Heinrichs sel. Söhne aus erster und zweiter Ehe, den väterlichen Meierhof, nachdem sie ihre Mutter Susanna Höhn-Brupbacher und die drei Schwestern Anna, Elisabetha und Lisbeth ausgekauft hatten.28

1797: Erneute Teilung des Hauses

Der jüngere Jakob Höhn-Trinkler erhielt beim Erbgang «den unteren Teil an einem gedoppelten Haus, den Hausgängen und der Scheidewand nach geteilt» (also das Haus Vers.-Nr. 102, Meierhofstrasse 24). Dazu gehörten ein Schopf oder Waschhaus und Schweinestall daran, die untere Hälfte des Trotthauses mit 1/8 Nutzungsrecht, 3/8 Nutzen der Birnenmühle, 1/6 Sennhütten-Anteil sowie ein zwischen Haus und Landstrasse gelegener Garten und Wiesenbletz, eine Matte unterhalb der Landstrasse, 2½ Vierling Reben südöstlich des Hauses, Ausgelände hinter dem Haus und 2½ Vierling Holz und Boden im Reidholz.29
Der obere Hausteil (Vers.-Nr. 103, Meierhofstrasse 26) ging bei der Erbteilung vom 16. Januar 1797 an Heinrich Höhn über. Er hatte Anteil an Waschhaus und Schweinestall und besass Nutzungsrechte an der Trotte, der Birnenmühle sowie der Sennhütte. Zu Heinrichs Besitz kamen zudem Garten, Ausgelände, Matten, ungefähr 2½ Vierling Reben und 1½ Vierling Wald im Reidholz.30
Bis 1797 hatte das Doppelwohnhaus Meierhof demselben Besitzer gehört. Mit der Erbteilung dieses Jahres splitterten sich die Eigentumsverhältnisse, wie schon in der Bauzeit, wieder auf. Beide Hausteile nahmen ab jetzt getrennte Entwicklungen.

Der untere Hausteil (Vers.-Nr. 102) seit 1797

Am 15. Januar 1828 verkaufte Jakob Höhn, nun im Bachgaden Wädenswil sesshaft, seinen Meierhof-Besitz dem Käsehändler Jakob Staub.31 Dieser wiederum veräusserte am 29. April 1836 seinem Nachbarn Jakob Bollier den an dessen Waschhaus stehenden Schopf sowie die Hälfte des Trotthauses samt dem zwischen Schopf und Trotthaus gelegenen Stall.32 Am 1. Mai 1837 reduzierte sich der zum unteren Hausteil gehörende Besitz abermals. Jakob Staub verkaufte nun seinen Viertel Anteil an der Scheune im BoIler dem dort ansässigen Schützenmeister Johannes Blattmann.33 Am 6. April 1839 trennte sich Jakob Staub überhaupt vom Meierhof. Die untere Haushälfte mit vier Wohnungen ging jetzt durch Kauf an alt Friedensrichter Rudolf Staub am Ort über. Dazu gehörten der Schweinestall, 1/8 Nutzungsrecht in der Trotte von Bannwart Bollier, 3/8 Nutzen an der dortigen Birnenmühle sowie 1/6 Sennhüttenanteil, ferner Garten und Ausgelände, die Matte unterhalb der Landstrasse, 2½ Vierling Reben sowie 1½ Vierling Matten vorhalb dem Haus, ob der Strasse.34
Als weitere Eigentümer des unteren Hausteils lassen sich in den Lagerbüchern der Brandassekuranz und in den Grundprotokollen nachweisen.35:
1843 Barbara Gattiker
1855 Barbara Baumgartner-Gattiker, im Konkurs
1864 Jakob Schärer und Witwe Bollier
1873 Heinrich Brändli
Heinrich Brändli bezeichnete sich 1881 als «Metzger und Wirt auf dem Meierhof». Er besass am 25. März 1881 die untere Hälfte des Wohnhauses mit einem Schweinestall «hinten dabei» und zirka einer Are Hofraum und Garten. Dazu den ideellen 6. Teil am Brunnen bei Arnold Pfisters Schopf und Brennhaus.36 Brändli muss nicht sehr glücklich gewirtschaftet haben. Am 24. Juli 1883 war der in Konkurs geratene Metzger, der sich zuletzt in Hombrechtikon aufgehalten hatte, unbekannt abwesend.37 Da ihm die Leihkasse Wädenswil vorher Darlehen gewährt hatte, kam Brändlis Meierhofbesitz zu um die Schuld reduziertem Preis an die Leihkasse.38 Diese wiederum veräusserte ihn am 20. August 1883 dem Taglöhner Johannes Kunz von Oberdürnten39, welcher nun auf den Meierhof zog, aber bereits im Oktober 1884 kinderlos starb. Erbin wurde die Witwe Meinrada Anna Aloisa Kunz-Bammert.40 Sie behielt das Ererbte indessen nicht lange, sondern verkaufte es am 13. September 1889 dem bereits auf dem Meierhof wohnhaften Leonz Buob von Hergiswil.41 Am 20. Februar 1902 wurde durch Kauf der Maurer Joseph Heinzer von Schwyz Eigentümer.42 Bei dieser Handänderung wird ausser dem Wohnhaus Vers.-Nr. 102 ein Schweinestall und Abtritt mit Durchgang zur Scheune Vers.-Nr. 105 erwähnt. Noch immer gehörte zum Haus 1/6 Anteil am Brunnen beim nun dem Küfer Huber gehörenden Schopf und Brennhaus Vers.-Nr. 109.
Josef Heinzer fand am 16. Juli 1904 im Landwirt Jakob BoIler von Egg, wohnhaft auf dem Kirchbühl Meilen, einen Käufer des Meierhof-Hauses.43 Und dieser wiederum veräusserte sein Eigentum am 16. Juli 1924 dem Baumeister Abraham Zimmermann an der Seferen in Wädenswil.44 Dessen Erben verkauften 1944 an die Tuchfabrik Pfenninger + Cie. AG. Die späteren Besitzer werden hier mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte nicht mehr aufgeführt.

Der obere Hausteil (Vers.-Nr. 103) seit 1797

Im Gegensatz zum unteren erfuhr der obere Hausteil etwas weniger Besitzerwechsel. Nach dem Tod des Bannwarts Heinrich Höhn ging die Liegenschaft am 7. November 1827 durch Kauf an den Miterben Jakob Bollier-Hottinger von Horgen über.45 Nach dem Tod des Ehemannes wurde die Witwe am 6. September 1855 alleinige Eigentümerin.46 Nach deren Ableben kaufte der Sohn Heinrich die Brüder Jakob und Robert sowie die Schwester Elisabetha aus und übernahm am 21. Januar 1867 den ganzen Nachlass der Mutter, nämlich47: Ein halbes Haus mit Waschhaus und Schweinestall (Vers.-Nr. 103), die obere Hälfte am Trotthaus (Vers.-Nr. 104), eine Scheune (Vers.-Nr. 105) und 2½ Vierling Garten und Reben, einen Schopf (= untere Hälfte Trotthaus Vers.-Nr. 104), 3/8 Trotte, ¼ Birnenmühle, 1/6 Anteil am Meierhofbrunnen sowie Matten und Ackerland und 1½ Vierling Wald im Reidholz.
Am 6. Mai 1874 verkaufte Landwirt Heinrich Bollier diesen Besitz dem Landwirt Daniel Zollinger, der nun vom Sandhof auf den Meierhof übersiedelte.48 Der neue Eigentümer arrondierte zunächst seinen Meierhof-Besitz. Am 14. Mai 1881 erwarb er von Landwirt Arnold Pfister und Küfer Heinrich Huber deren Nutzungsrechte an seiner Trotte und Birnenmühle.49
Ab Mitte der 1890er Jahre stiess Daniel Zollinger jedoch verschiedene Grundstücke des Meierhofs wieder ab. Am 11. Mai 1895 verkaufte er dem Landwirt Conrad Rhyner im Grüental die 1½ Vierling Waldung im Tann im Reidholz50, und 1908 veräusserte er dem Wädenswiler Baumeister Robert Leimgrübler und dem Obermaschinisten Samuel Suter auf dem Meierhof je eine 7 Aren 48m2 messende Parzelle Mattland als Bauland.51 Die Brauereibesitzer Fritz und Franz Weber erwarben am 18. November 1908 von Zollinger 1034 m2 Matten auf dem Meierhof52 und am 27. Oktober 1919 zudem 14 Aren 33 m2 Wiesland.53 Weitere 20 Aren 07 m2 Wiesen kamen am 6. Oktober 1921 durch Kauf an Landwirt Jakob Isler auf dem Meierhof, den Besitzer des bergseits der Etzelstrasse gelegenen Bauernhofes.54 1937 wurde Giacomo Roncoroni Eigentümer des durch die oben erwähnten Verkäufe reduzierten Meierhof-Besitzes mit dem Haus Vers.-Nr. 103 als Zentrum sowie dem ehemaligen Waschhaus und dem einstigen Trottgebäude (Vers.-Nr. 104) als Annex.

Der Obere Meierhof, das Gut «Boller»

Ein Eintrag im Grundprotokoll von 1729 liefert den Schlüssel zur Lokalisierung des Oberen Meierhofes. Es geht daraus nämlich eindeutig hervor, dass der schon um 1400 bezeugte, vom Lehenbauern Uli Hafler bewirtschaftete Obere Meierhof, der an das Bauerngut Gebreiti von Hans Schmid grenzte, identisch ist mit dem heutigen Gut Boller.55
Im Jahre 1413 fand eine Handänderung statt. Am Sankt Gertrudstag sprach der Johanniterkomtur Hugo von Montfort «das gut uff dem obern meigerhof» dem Heini Schmid von Wädenswil als Erblehen zu.56 Dieser übernahm Haus, Hofstatt mit Reben, Äckern, Wiesen und Ausgelände und ging die Verpflichtung ein, das Heimwesen gut zu betreuen und jährlich auf Martini den Zins zu entrichten, der ausser Geld und Getreide auch das halbe Quantum Wein von den zwei Jucharten Reben «uff dem Wasen» begriff. Dafür sicherten die Johanniter dem Bauern aus ihren Waldungen Schindelholz zu, damit er, wann immer es sei, wie der Bauer auf dem untern Hof, das Hausdach neu decken könne. Am 17. März bestätigte Hans Schmid auf dem Oberen Meierhof, von den Herren zu Wädenswil eine weitere Jucharte Reben nahe dem Reidholz zu Erblehen empfangen habe.57
1431 lässt sich Hans Wild als Lehenbauer auf dem in der Herrschaft Wädenswil gelegenen Hof, genannt «der obermeyerhoff» nachweisen. 58 Das Jahrzeitbuch von 1555 nennt als Grenzen des zehntplichtigen Oberen Meierhofs oben das Reidholz, unten das Tann und drittens den unteren Meierhof.59
Noch 1568 ist ein Jakob Bachmann Inhaber des Lehenshofes.60 Das Gut erscheint jetzt nicht mehr als Eigentum der Johanniter; es ist Besitz der Stadt Zürich, welche wenige Jahre zuvor die den Johannitern zustehenden Grundstücke samt allen Rechten aufgekauft hat. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts bestand der Obere Meierhof aus Haus, Scheune, Hofstatt und Wies-, Acker- und Weideland für fünf Kühe. Ausserdem gehörten 1½ Jucharten Reben dazu. Von der Grösse der Liegenschaft erhält man dann eine klare Vorstellung, wenn man die Grenzbeschreibungen studiert. Im Süden reichte der Obere Meierhof bis ans Reidholz, an das Tann und das Ausgelände der Eichmühle. Seewärts dehnte es sich bis zur Giessenmühle und zur Rothausmatte aus und stiess dorfwärts an den Untern Meierhof.
Im Jahre 1600 zog im Oberen Meierhof ein neuer Lehenbauer ein: Bartli Boller, und nach diesem Besitzer − oder seinen Nachkommen − wurde dann der Äussere Meierhof in Boller umbenannt.61 Der Name BoIler, welcher die ältere und ursprüngliche, aber seit langem bedeutungslose Namenform «Oberer oder Äusserer Meierhof» ersetzte, wäre also vom Familiennamen Boller herzuleiten und nicht, wie Pfarrer Pfister in seinen «Ortsnamen der Pfarrei Wädenswil» ausführt, von «boll», was so viel wie rundlicher Hügel (vgl. «Bolle») bedeutet.62 Pfisters Deutung würde zwar auf die Geländeform passen; sie widerspricht aber der urkundlichen Deutung des Namens.

Besitz der Ärztefamilie Hotz

Nach der Mitte des 17. Jahrhunderts war das Bollergut Sitz zweier Familien, die innerhalb der Herrschaft Wädenswil eine wichtige Stellung einnahmen. Zuerst hauste hier die berühmte Ärztefamilie Hotz oder Hotze, welche sich zwischen 1655 und 1657 von Richterswil nach Wädenswil verpflanzt hatte. Chirurg Hans Jakob Hotz, geb. 1665, führte den väterlichen Hof weiter, zusammen mit seinem Bruder Jakob Hotz, der sich ebenfalls als Arzt betätigte. Im Bollerhaus, wo auch die Familie Haab wohnte, holte sich Hans Jakob Hotz zugleich seine Frau, Susanne Haab.63 Nachdem sich Hauptmann Hotze 1739 hatte ins Richterswiler Bürgerrecht aufnehmen lassen, übersiedelte er mit seiner Familie in ein Heimwesen am Dorfbach in Richterswil.
In die Gebäulichkeiten auf dem Boller teilten sich damals bereits verschiedene Personen, und dazu taten sie dies erst noch nach verschiedenem Mass. Wer die zum Kauf angebotene Bollerliegenschaft erwerben wollte, durfte keine Hindernisse scheuen, umso mehr, als der Boller kein repräsentatives Heimwesen war.

Besitz der Familie Blattmann

Und dennoch fanden sich zwei Männer, welche die momentan günstige Konstellation auf dem Gütermarkt ausnützten und den Hof im Jahre 1729 erstanden: die Eichmüller Kasper und Hans Jakob BIattmann. Mit ihren greifbaren Gülten und Gulden stachen sie alle andern Interessenten aus und erwarben, was käuflich war: die eine Hälfte des Wohngebäudes, ein Keller- und Schütteanteil im Speicher und die ideelle Hälfte der Sennhütte.64 Schon wenige Jahre später war Hans Jakob Blattmann (1681–1757) froh, dass er von der Eichmühle auf den BoIler ziehen konnte. Hier liess er im Jahre 1741 für sich ein neues Haus (heute Bollerweg 46) bauen und über der Supraporte sein Familienwappen, das Baujahr und die Initialen HJB anbringen.65
Heimwesen Bollerweg 46. Aufnahme von 1938.

Wappen von Hans Jakob Blattmann und Baudatum 1741 am Haus Bollerweg 46.
 
Die Familie seines Bruders nahm nämlich zahlenmässig fortwährend zu, und dementsprechend verminderte sich der Platz in der Eichmühle für eine zweite Familie ständig. Als sich die beiden Brüder am 19. Mai 1755 wirtschaftlich ganz trennten, baute Säckelmeister Hans Jakob Blattmann auf dem Boller noch ein weiteres Haus (Vers.-Nr. 92, Bollerweg 50) und machte es zum Mittelpunkt eines neugeschaffenen bäuerlichen Heimwesens.66 Dieses war zwar nicht überaus gross, was die Ertragsfähigkeit anbetraf; es konnte aber einen Inhaber wie Jakob Blattmann, der über ansehnliches Kapital verfügte, das aus seinen Müllerzeiten stammte und bei diesem und jenem Nachbarn zinstragend angelegt war, doch nähren und befriedigen.
Haus Bollerweg 50.

Über die Person des Besitzers vermerkt die «Geschichte der Blattmann» von Diethelm Fretz unter anderem Folgendes: «Wenn wir den Begründer der Linie auf dem Boller auf Grund der Akten als Griesgram ansprechen müssen, zum mindesten für seine letzten Lebensjahre, so wollen wir immerhin bedenken, dass den flotten Kavalleristen von 1706 im Leben eben doch eine schöne Reihe Schläge getroffen haben: Zwei Frauen sah er von sich wegsterben und dazu sieben Kinder; und den ihm einzig verbleibenden Sohn sah er sich in unglückseligen Scheidungsprozessen aufreiben. So wirkt denn sein letzter Akt vom 20. März 1757, durch den er vom Todbette aus Haus und Hof seinem Sohne zu einem Preise verschrieb, der nun wieder seine zwei Tochtermänner aufschnellen machte, wie eine Art Bilanz seines Lebens: An innerem Wert war man nicht vorwärts gekommen, und so mochte der Sohn all seine Hinterlassenschaft bekommen, nach dem Massstab gemessen, den die Resignation diktierte ...»67

Besitz von Jakob Blattmann (1721–1772)

Auch Blattmanns gleichnamiger Sohn, der auf dem Boller die Nachfolge antrat, war nicht glücklich. 1761 kehrte in seinem Hause die Ruhr ein und raffte innert einer Woche seine drei Kinder weg. Blattmann suchte seinen Schmerz in der Arbeit zu vergessen und war darum froh, dass ihm die Öffentlichkeit die Ämter des Geschworenen und des Säckelmeisters übertragen hatte. Säckelmeister Blattmann auf dem Boller wollte etwas gelten. Dies zeigte sich besonders deutlich in den Jahren 1766/67. Als im neuerbauten Wädenswiler Gotteshaus die Kirchenörter versteigert wurden, sicherte sich Blattmann gleich 14 Stühle, obwohl er genau wusste, dass er sie nicht einmal mit seinen Knechten, Mägden und Tagelöhnern ganz besetzen konnte.68
In Hans Jakob Blattmanns zwiespältigem Wesen zeichnete sich bereits die bevorstehende Umwälzung auf geistigem und politischem Gebiet ab. Trotz grosser Anstrengungen konnte er sich aber nicht zur reinen Form des Bauern zurückfinden. Sich selbst genügende Eigenwirtschaft trieb er nur in geringem Mass; er verkaufte die Milch einem Milchträger, und daneben mostete er trotz obrigkeitlichem Verbot Obst.

Besitz von Landwirt Hans Jakob Blattmann (1745–1827)

Nachdem Säckelmeister Blattmann am 24. März 1772 gestorben war, ging der Bollerhof auf den einzigen Sohn über, der wiederum Hans Jakob hiess.69 Auch dieser Blattmann bekleidete verschiedene öffentliche Ämter. Schon mit 25 Jahren wählte man ihn, der damals unter der Standesmiliz als Wachtmeister Dienst tat, an der Wädenswiler Maiengemeinde 1770 zum Geschworenen. Und als die Zürcher Regierung im Jahre 1792 in Fronarbeit von Wädenswil aus eine neue Bergstrasse durch das Reitholz gegen die Schindellegi erstellen liess, amtete Blattmann als Aufseher.
Kurz nach Abschluss der Strassenbaute wurde der Geschworene vom Boller Armengutsverwalter. Nach der Französischen Revolution wollte man Hans Jakob Blattmann gar in die Gemeindekammer wählen. Er schlug aber die Wahl aus, da er Repräsentant der älteren Generation sei. Geschworener Blattmann sah seine Entwicklungsmöglichkeiten eben nicht auf politischem Gebiet, sondern in seinen Heimen. Er betrieb auf dem Boller intensive Vieh- und Milchwirtschaft; der Milchertrag floss zum grössten Teil in die eigene Sennhütte, wo man wenn möglich Sommer und Winter hartkäste.
Als im November 1798 die Landvogtei Wädenswil aufgehoben und das zum Schloss gehörende Land in Pacht vergeben wurde, benützte Blattmann die Gelegenheit, seinem Heimwesen neue Mattland- und Weideparzellen anzugliedern, und er pachtete auf sechs Jahre die an seine Liegenschaft grenzenden Eich- und Sennweidgüter. Es erwuchs ihm aber daraus nicht viel Gutes: Als 1799 die fremden Heere auch in Wädenswil eindrangen, schlugen die Österreicher ausgerechnet in der Eichmatte zwei Lager auf, die sie erst nach drei Monaten wieder aufhoben. Dies aber hatte für Blattmann zur Folge, dass er kein Pfund Emd einbringen konnte, und dass auch seinen Kirschbäumen schwerer Schaden widerfuhr.
Geschworener Hans Jakob Blattmann (1745–1827).
Nur mit grösster Mühe konnte Blattmann den Pachtzins herauswirtschaften. Brachte die Kriegszeit dem Bauern auf dem Boller auch viele Verluste, so trug sie ihm andererseits auch wieder Verdienst ein. Mit seinen Pferden, Knechten und Wagen führte Blattmann 1802 Kanonen nach Zug und Bilten, wofür er anständig entschädigt wurde. Aber auch bei der Gemeinde konnte er für seine Einquartierungen und Requisitionen grosse Guthaben reklamieren, und wenn die Behörde nicht zahlungskräftig war, bei den Abgaben kompensieren. Vom 1. November bis 30. April verpflegte man im Bollerhaus in Rotten von einem bis sechs Mann insgesamt 356 Soldaten, und dies dreimal im Tag! Schon Ende November 1799 waren die Franzosen, Leute der 38. und 14. Halbbrigade, auf dem Boller zu Gast gewesen, und auch in der Zeit vom 21. Mai 1800 bis 13. Mai 1801 waren insgesamt 182, in den Jahren 1804/05 gar 281 Mann hier einquartiert.
Als nach der ersten Sturm- und Drangperiode der Helvetik Blattmann als Behördenmitglied vorgeschlagen wurde, entzog er sich der Wahl in die Munizipalität nicht. Er fand aber in der amtlichen Tätigkeit keine Befriedigung und schied schon 1802 wieder aus. Mit neuer Energie wandte er sich jetzt wieder seinem Bollergut zu. Schon 1804 stiess er die gepachteten Schlossgüter ab, die ihm so viel Verdruss bereitet hatten. Fortan wollte er mit den Erträgnissen der eigenen Ländereien auskommen. Und damit der Hof auch etwas Bargeld eintrage, mietete Blattmann das alte Bollerhaus an Arbeiter aus, die in der örtlichen Fabrik- oder Heimindustrie beschäftigt waren.

Besitz von Johannes (1770–1831) und Heinrich Blattmann (1783–1860)

Ende Juni 1825 ging das Heimwesen des nunmehr 80-jährigen Blattmann an die Söhne des Geschworenen, Johannes und Heinrich über.70 Die beiden Blattmann hatten aber ihre eigene Meinung vom Bauern, und so hielten sie denn auch an der vom Vater betonten Güllen- und Milchwirtschaft nicht mehr fest. Bereits zwei Jahre später lösten sie die bisher gewährte Gemeinschaft in Haushalt und Gewerbe auf, teilten den väterlichen Hof und versuchten auf getrennten Wegen vorwärts zu kommen. Johannes, der ältere von beiden. blieb im neuen Wohnhaus und übernahm 201,4 Jucharten Matten, Weide, Holz und Boden beim Reidholz und im Tann. Heinrich, der jüngere, zog ins alte Haus um und übernahm den kleineren, stärker parzellierten Rest an Matten, Weide und Holz im Bereiche des BoIlers und in «Schwanden» am Richterswiler Berg. Die Sennhütte auf dem Boller, die Trotte auf dem Meierhof und die Teuchelros und Gerstenstampfe am Reidbach nutzten sie gemeinsam. Während sich Heinrich Blattmann vorwiegend der Bewirtschaftung seiner Güter widmete, verlagerte sich Johannes mehr auf die Politik. Er wurde Schützenmeister und 1812 Gemeinderat.


Verkauf des Heimwesens Boller

Der nächsten Generation gelang es nicht mehr, dem Bollerhof die früher gehabte Bedeutung zu erhalten. Anna Blattmann, die Tochter des Johannes, übertrug die ererbten väterlichen Güter im Jahre 1838 ihrem Ehemann, dem Maurer Konrad Rhyner, der aber vom Bauern nicht viel verstand. Heinrichs Sohn (1822–1889) betätigte sich wieder politisch, indem er als Sittenrichter, Kantonaler Geschworener, Gemeinderat und Mitglied der Steuerkommission amtete. Trotz seiner Stellung konnte er es nicht verhindern, dass ein Teil seines Bollerheimwesens in den 1870er Jahren dem Bau der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn zum Opfer fiel. 20‘000 Quadratschuh Mattland mussten abgetreten werden; die Sennhütte, an der er Anteil hatte, musste fallen, und auch das Anrecht auf die Seehaabe beim Rothaus wurde hinfällig, als dieser Hafen aufgefüllt und zum Bahnhofareal geschlagen wurde.
Blattmanns jüngerer Sohn Hans löste sich − nachdem er als Verwalter der Brauerei ein besseres Auskommen gefunden hatte − völlig von der Landwirtschaft und verkaufte den Grundbesitz mit Ausnahme des angestammten Wohnhauses, das er weiterhin bewohnte. 1896 verunglückte Speditionschef Hans Blattmann tödlich bei einem Zusammenstoss zwischen «Gambrinus» und einem Ledischiff.71 Nachkommen besass Blattmann nicht.
Hans Heinrich Blattmann (1822–1889).
Auf dem Boller blieb einzig seine Witwe zurück, das «Boller Anneli», welches dort noch während 35 Jahren als stille Wohltäterin den guten Namen der Familie hochhielt. Mit dem Tod von Heinrich Blattmann im Jahre 1932, einem Stiefbruder von Hans Blattmann, starb die zweihundert Jahre zuvor gegründete Linie Blattmann vom Boller aus.72
 
 
 
 
 
 



Hans Blattmann (1857-1896)

Namenwechsel zu neuem Oberem Meierhof

Nachdem zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Name Boller den älteren Namen Oberer Meierhof verdrängt hatte, ging die Bezeichnung auf einen neuen Hof über, der bergwärts oberhalb des Meierhofs und der 1923 gebauten Etzelstrasse lag. Er trug die Vers.-Nr. 13a, ab 1894 Nr. 106, und gehörte im Jahre 1826 einem Heinrich Sauter. Wann das Haus gebaut wurde, ist nicht bekannt. Vermutlich stammte es von 1771, wie das Datum am Kachelofen vermuten liess. Die Initialen HSH könnten ebenfalls auf die Familie Sauter hinweisen. Sie ist als Besitzerin des Hofes noch bis 1850 zu belegen. Ab 1855 war hier die Bauernfamilie Isler ansässig bis das Haus samt Scheune und Waschhaus im Jahre 1980 abgebrochen wurde. An dieser Stelle erhebt sich seither die Siedlung Gartenburg (Etzelstrasse 42 und 44).
Oberer Meierhof an der Etzelstrasse. Aufnahme von 1913.




Peter Ziegler


Anmerkungen

StAW = Stadtarchiv Wädenswil
StAZH = Staatsarchiv Zürich
 
1 Diethelm Fretz, Studien zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte der Gemeinden Wädenswil und Richterswil. Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Wädenswil für 1951, S. 33/34.
2 StAZH, F IIa 428, S. 2.
3 StAZH,. C II 14, Nr. 53.
4 StAZH, C II 14, Nr. 76; Zürcher Steuerbücher Bd. 5, Zürich 1944, S. 331.
5 StAZH, C II 15, Nr. 3.
6 StAZH, F IIa 428, S. 5.
7 StAZH, F IIa 428, S. 2.
8 StAZH, C II 14, Nr. 53
9 StAZH, F IIa 428, S. 2.
10 StAZH, F IIa 428, S. 3.
11 StAZH, C II 14, Nr. 196; C V 1, Sch.39.
12 StAZH, B XI Wädenswil 2, Grundprotokoll 1665, S. 67b.
13 StAZH, B XI Wädenswil 2, Grundprotokoll 1665, S. 67b, 281a; B XI Wädenswil 3, Grundprotokoll 1683, S. 47a, 314a.
14 StAZH, B XI Wädenswil 3, Grundprotokoll 1683, S. 223a,223b .
15 StAZH, B XI Wädenswil 3, Grundprotokoll 1683,S. 311a, 311b.
16 StAZH, B XI Wädenswil 5, Grundprotokoll 1715, S. 107a.
17 StAZH, E III 132.2., S. 86.
18 StAZH, E III 132.2., S. 124.
19 StAZH, E III 132.2., S. 162.
20 StAZH, E III 132.3., S. 634. − Peter Ziegler, Häuser und Höfe im Wädenswilerberg, Kleine Schriften zur Zürcher Denkmalpflege, Zürich 1999, S. 68.
21 StAZH, E III 700.116, Haushaltrodel 1708.
22 StAZH, E III 132.3, S. 601.
23 StAZH, B XI Wädenswil 5, Grundprotokoll 1715, S. 429.
24 StAZH, B XI Wädenswil 11, Grundprotokoll 1778, S. 822–824.
25 StAZH, B XI Wädenswil 14, Grundprotokoll 1793, S. 102.
26 StAZH, B XI Wädenswil 15, Grundprotokoll 1796, S. 28–30.
27 StAZH, B XI Wädenswil 15, Grundprotokoll 1796, S. 190.
28 StAZH, B XI Wädenswil 16, Grundprotokoll 1801, S. 374.
29 StAZH, B XI Wädenswil 16, Grundprotokoll 1801, S. 374–376.
30 StAZH, B XI Wädenswil 16, Grundprotokoll 1801, S. 374/375.
31 StAZH, B XI Wädenswil 20, Grundprotokoll 1826, S. 227.
32 StAZH, B XI Wädenswil 22, Grundprotokoll 1836, S. 46.
33 StAZH, B XI Wädenswil 21, Grundprotokoll 1831, S. 37.
34 StAZH, B XI Wädenswil 22, Grundprotokoll 1836, S. 473.
35 StAW, VI B 59.2.
36 StAZH, B XI Wädenswil 319, Grundprotokoll 1880/81, S. 550.
37 StAZH, B XI Wädenswil 321, Grundprotokoll 1883–1885, S. 85.
38 StAZH, B XI Wädenswil 321, Grundprotokoll 1883–1885, S. 85.
39 StAZH, B XI Wädenswil 321, Grundprotokoll 1883–1885, S. 99.
40 StAZH, B XI Wädenswil 321, Grundprotokoll 1883–1885, S. 426/427.
41 StAZH, B XI Wädenswil 323, Grundprotokoll 1888–1890, S. 362.
42 StAZH, B XI Wädenswil 328, Grundprotokoll 1899–1902 , S. 544. − StAW, VI B 59, alt Vers.-Nr. 14a/15a.
43 StAZH, B XI Wädenswil 329, Grundprotokoll 1902–1905, S. 501 und Bd. 334, S. 494. − StAW, IV B 59.10, neue Vers.-Nr. 102/103.
44 StAZH, B XI Wädenswil 342, Grundprotokoll 1923/24, S. 519.
45 StAZH, B XI Wädenswil 17, Grundprotokoll 1806, S. 181.
46 StAZH, B XI Wädenswil 303, Grundprotokoll 1843–1846 , S. 664.
47 StAZH, B XI Wädenswil 309, Grundprotokoll 1866/67, S. 310.
48 StAZH, B XI Wädenswil 315, Grundprotokoll 1873–1875, S. 453.
49 StAZH, B XI Wädenswil 319, Grundprotokoll 1880/81, S. 608.
50 StAZH, B XI Wädenswil 325, Grundprotokoll 1893–1895, S. 575.
51 StAZH, B XI Wädenswil 332, Grundprotokoll 1908–1910, S. 149/150.
52 StAZH, B XI Wädenswil 332, Grundprotokoll 1908–1910 , S. 217.
53 StAZH, B XI Wädenswil 339, Grundprotokoll 1919–1921, S. 119.
54 StAZH, B XI Wädenswil 339, Grundprotokoll 1919–1921, S. 544.
55 StAZH, C II 14, Nr. 38; F IIa 428, S. 13.
56 StAZH, F IIa 428, S. 13.
57 StAZH, C II 15, Nr. 4.
58 StAZH, C II 14, Nr. 53.
59 StAZH, F IIc 88.
60 StAZH, F IIa 428, S. 15. –StAZH, C V 1, Sch. 39.
61 Peter Ziegler, Familie Rellstab 400 Jahre auf dem Leihof Wädenswil 1615 bis 2015, Gland 2015, S. 7 und Abbildung eines Kaufbriefs von 1600 auf Seite 6.
62 Jakob Pfister, Die Ortsnamen der Pfarrei Wädenswil, Wädenswil 1924, S. 28.
63 StAZH, F IIa 428, S. 13.
64 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 55.
65 Internet, Gebäudeinventar Wädenswil, Nr. 469.
66 Internet, Gebäudeinventar Wädenswil, Nr. 470.
67 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 57/58.
68 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 60/61.
69 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 63–73.
70 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 79.
71 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 92.
72 Diethelm Fretz, Die Blattmann, Bd. 2, Zürich 1938, S. 93.